Gestirne, Gleiter, Galaxien -  Jochen Bärtle

Gestirne, Gleiter, Galaxien (eBook)

Ein Universum deutscher Science-Fiction-Heftromane. Von 1953 bis heute. Abseits von Perry Rhodan.
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2021 | 1. Auflage
448 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-3323-3 (ISBN)
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Gerade einmal acht Jahre hatte das neue Genre Zeit, sich im deutschen Heftroman zu etablieren, bevor die heute weltgrößte SF-Serie auf den Markt kam: Perry Rhodan eroberte ab 1961 das Weltall. Und nur wenige Jahre später änderte sich der Weg der SF-Literatur in Deutschland grundlegend. Als die Science-Fiction in den 1950er Jahren der breiten, deutschen Bevölkerung bekannt wurde, hatte sich das scheinbar neue Genre aus den USA dort seit mehr als 20 Jahre weiterentwickeln können. Das Medium Heftroman war dabei demjenigen aus den 1930er Jahren ähnlich, mit dem die Science-Fiction ihren Siegeszug in den USA angetreten hatte: den pulp magazines. Obwohl Heftromane zur vergleichsweise schnellen Verbreitung des neuen Genres beitrugen, war diese triviale Form für viele Leser nicht ohne Weiteres in Einklang mit den Erwartungen zu bringen, die an die Science-Fiction-Literatur gestellt wurden! Kaum ein anderes Genre hat derart unversöhnliche Meinungen hervorgebracht, in kaum einem anderen Genre war die Befürchtung einer Trivialisierung durch das Medium Heftroman so groß! Der Spagat zwischen diesen Erwartungen und dem dagegen eher geringen Anspruch, die Leser unterhalten (und damit Geld verdienen) zu wollen, beschäftigte Autoren und Verlage rund acht Jahre lang - dann trat Perry Rhodan ins Rampenlicht! Die Space Opera eroberte den deutschen Heftroman, das Perryversum war nicht mehr aufzuhalten. Seit 1961 hat es die Serie, die am 08.09.2021 ihren 60sten Geburtstag feiern kann, auf über 3.100 Heftromane allein in der ersten Auflage gebracht, während alle anderen SF-Heftreihen und -serien seit 1953 zusammengenommen "nur" rund 4.900 Heftromane ergeben. In der Folgezeit verloren SF-Heftreihen mit Einzelromanen gegenüber der neue Welle der Weltraum-Abenteuer und Space Operas an Boden. Aber auch die meisten SF-Heftserien konnten mit dem Allmächtigen nicht mithalten. Perry Rhodan entwickelte sich zu Vorbild und Feindbild zugleich! Während aber Perry Rhodan umfangreich dokumentiert wurde, sind die meisten anderen SF-Heftserien zwar nichtgerade in Vergessenheit geraten, aber häufig gekonnt ignoriert worden - dabei spricht ihre schiere Zahl für die jahrzehntelange Beliebtheit. "Gestirne, Gleiter, Galaxien" gehört daher all den SF-Heftserien und -reihen, die ihre Leser zu unterhalten suchten - außerhalb des Perryversums!

Sci|ence-Fic|tion?


Geburtsort: Heftroman?

Die Science-Fiction“ führte jahrzehntelang in Deutschland einen Kampf um gesellschaftliche Anerkennung, um bedeutsame Inhalte, aber vor allem auch gegen ein (gefühltes?) triviales Image, das sie u. a. (so zumindest viele der Autoren und Macher) dem Medium „Heftroman“ verdankte – obwohl die Science-Fiction in dieser Form der breiten deutschen Öffentlichkeit überhaupt erst bekannt wurde.

Will man also einen Blick darauf werfen, wo die SF-Heftromane innerhalb der in Deutschland erschienenen SF-Literatur stehen, ist es unumgänglich sich mit „der Science-Fiction“ überhaupt zu beschäftigen.

Glücklicherweise bedarf es aber keiner allzu tiefschürfenden Betrachtung, da recht schnell klar wird, an welchen Punkten sich die Heftromane mit der Science-Fiction schwertaten – und wo und wann über die Jahre sich die eingeschworenen Science-Fiction-Gemeinschaft mit den Heftromanen …

Das vorliegende Buch versucht ein paar Hinweise auf diejenigen Lücken zu geben, die sich im Bereich der Science-Fiction-Literatur außerhalb der reinen Buchpublikationen ergeben haben – zumindest ein klein wenig, hoffentlich. Denn Kolportage- und Heftromane, aber auch Magazine, Zeitungen und Zeitschriften mit ihren Episodenromanen, wurden für die Science-Fiction-Literatur lange kaum erfasst. Stattdessen wurden sie und ihre Bedeutung über Jahrzehnte schlichtweg ignoriert, was sich z. B. darin zeigt, dass rund 2.500 Heftromane aus der Zeit von 1926 bis 1954 lange komplett undokumentiert blieben. Ein typisches Beispiel ist hierfür die Bibliographie der utopischen und phantastischen Literatur 1750–1950 von Robert N. Bloch (1984), die „erstmals einen umfassenden Überblick über die in deutscher Sprache erschienenen Werke utopischen und phantastischen Inhalts“ bieten wollte, dann aber bewusst erklärte, Heftserien wie SUN KOH oder DER LUFTPIRAT UND SEIN LENKBARES LUFTSCHIFF nicht berücksichtigt zu haben(2), und damit gerade diejenige Serie, die als erste SF-Serie aus Deutschland überhaupt gilt (erschienen ab 1908).

Auch das Lexikon der Science Fiction Literatur (Heyne) weist auf diesen Missstand eingehend hin, da nicht allein die schiere Zahl der Neuerscheinungen von Episodenromane aller Art diese ins Abseits gedrängt hätten, sondern auch ihre geringe Wertschätzung für die Science-Fiction-Literatur im Allgemeinen.

Dieser umfangreiche Anteil der frühen Science-Fiction-Literatur wurde, wie Heinz-Jürgen Ehrig dies ausdrückte, „schamhaft vergessen und verschwiegen“.

Dies passt zu dem Eindruck, dass „die Science-Fiction“ sich in einem stetigen Kampf befand (befindet?), ihren gesellschaftlichen Stellenwert beweisen zu müssen. Dieser Druck hat möglicherweise in den Köpfen der Macher, aber vor allem bei den Lesern zu Meinungen und Haltungen geführt, die von den 1950er bis in die 1990er Jahre als fast schon dogmatisch bezeichnet werden müssen. Diese Tendenz zur „intellektuellen Bedeutsamkeit“ dürfte natürlich grundlegend in der deutschen Historie begründet liegen, aber eben nicht allein in den beiden Weltkriegen, sondern auch in den utopisch-phantastischen Romanen vom Beginn des 20. Jahrhunderts. Ob nun bei fabulierende Utopien oder warnende Dystopien, war allen Autoren dieser Zeit der mögliche Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung wichtig – schon damals mit Ausnahme der reinen Weltraum-Abenteuer jedoch …

Die 1950er Jahre brachten dem Medium „Heftroman“ einen großen Aufschwung und im Zuge der vielen, erfolgreichen Veröffentlichungen erschien hier nun auch die Science-Fiction in einem Umfang, den es bislang in der BRD nicht gegeben hatte.

Allerdings waren es eben nicht die großen, utopischen/dystopischen Werke der Vorkriegszeit, sondern die neue Literatur-Form, die sich in den 1920er und 1930er Jahren in den USA etabliert hatte. Unglücklicherweise wurden in den kommenden Jahren auf dem deutschen Markt (der die Science-Fiction in dieser Form kaum gekannt hatte) nicht nur die SF-Geschichten der US-Pulp-Magazine der 1920er/1930er veröffentlicht, sondern fast parallel vor allem auch die deutlich weiterentwickelten Romane des US-SF-Booms der 1950er und frühen 1960er Jahre.

Unglücklicherweise deshalb, da so die deutschen Leser nicht die Entwicklung der Science-Fiction selbst erleben konnten, sondern mit einer Viehlzahl unterschiedlichster Stilrichtungen zur selben Zeit konfrontiert wurden.

Die deutschen SF-Heftromane enthielten daher im Laufe der Zeit eine Art „Mischform“, die sich aus den verschiedenen heute als SF-Unter-Genres bezeichneten Teilen zusammensetzte: rein technisch-wissenschaftlich, spekualtive Geschichten, Weltraumabenteuer, Utopien und Dystopien, Space Operas und die immer stärker um sich greifenden „exotischen“ Bestandteile wie Roboter, Androiden und Außerirdische. War die Science-Fiction seit der Einführung des Genrebegriffs schon heterogen gewesen, so waren es die deutsche SF-Heftromane erst recht! Und zunehmend mit den deutschen Autoren, deren Romane, die Gratwanderung zwischen den US-Pulps und der eigenen Vorstellung von Science-Geschichten zu bewältigen hatten.

Für das Medium „Heftroman“ wurden spätestens in den 1960er Jahre die grundlegenden, gesellschaftlich bedeutsamen Inhalte der Science-Fiction überdeutlich betont und hochgehalten, was nach einer ersten Euphorie über die „neue Literaturgattung“ dann durch ein neues Phänomen befeuert wurde: Die Befürchtung der „Trivialisierung“ der Science-Fiction.

Berichte über diese Furcht lassen sich in vielen deutschen Sekundärwerken finden, auch wenn dieser dort gerne ausdrücklich und umfangreich widersprochen und zugleich das Bedauern darüber ausgedrückt wird, dass es eine derartige Tendenz überhaupt gab. So wurde nicht allein die „echte Schundliteratur“ (sprich: die wirklich schlechten Geschichten) innerhalb der Science-Fiction so weit als möglich von sich geschoben, sondern die „Groschenhefte“ erhielten als die „trivialste Erscheinungsform“ von SF-Romanen verallgemeinernd einen verbalen „Tritt unter dem Tisch“ – ohne dabei aber auch nur im Geringsten eine Unterscheidung zwischen den Inhalten und ihrer Erscheinungsform zu machen!

Heftromane und Periodika passten offensichtlich nicht in den gebetsmühlenartig propagierten, hohen gesellschaftlichen Anspruch des neuen Genres – gleichwelchen Inhalts sie auch waren! Vor allem die 1970er Jahre waren lange und intensiv bemüht zu vergessen, dass der massentaugliche Start der Science-Fiction in der BRD nun mal eben im Heftroman lag – ein nicht ganz so einfaches Vorhaben, bedenkt man die Vielzahl der damals erscheinenden und die bis dahin schon erschienenen Hefte!

Nun, die Bemühungen hatten allerdings tatsächlich einen Erfolg zu verzeichnen: Schon in den 1960er Jahren hatte die Science-Fiction-Literatur begonnen, sich in einen „Serien-Teil“ (Heftromane) und die „Buchhandels-SF“ aufzuspalten.

Sicher wäre es auf Dauer zwar auch ohne die „Groschenhefte“ gelungen, die SF-Literatur in Deutschland bekannt zu machen – aber so war es eben nicht …

Provokant: Ein Kurzabriss

1953 nahm der Erich Pabel-Verlag das in den 1920er/1930er Jahren in den USA neu etablierte Genre der Science-Fiction auf und veröffentlichte derartige Geschichten in der ersten, deutschen SF-Heftromanreihe UTOPIA. Zuvor hatte es lediglich verschiedene utopische wie dystopische deutsche Zukunftsromane, aber auch „Weltraum-Abenteuer“ in der Kolportage gegeben. Eine andere Entwicklung in den deutschen SF-Romanen des frühen 20. Jahrhunderts war diejenige, mögliche gesellschaftliche Veränderungen mit den Mitteln der wissenschaftlichen Spekulation nicht nur aufzuzeigen, sondern auch tatsächlich anstoßen zu wollen oder vor diesen zu warnen.

Recht schnell schien sich eine gewisse Ablehnung der rein unterhaltenden SF-Literatur abzuzeichnen. Vorschub leistet dieser Strömung dann ausgerechnet der große Erfolg der Serie PERRY RHODAN, die als Paradebeispiel trivialster SF-Geschichten mit militaristischen Tendenzen kritisiert wurde und lange das „Feindbild“ für alle Lager der SF-Fans und -Autoren geben „durfte“.

Trotzdem waren die SF-Heftromane so erfolgreich, dass ihnen zunächst die Leihbücher weichen mussten, während das Medium „Heftroman“ selbst aber auch schon im Lauf der 1960er Jahre den Siegeszug der (SF-)Taschenbücher zu spüren begann. Hier war der Heyne-Verlag nach und nach eine erhebliche Konkurrenz, der die SF-Taschenbücher für sich endeckt hatte. Die anderen Buchhandelsverlage zogen schnell nach.

Im Lauf der 1970er Jahre war dann die Science-Fiction offenkundig im Buchhandel zu Haus und die SF-Heftromane verlegten sich immer stärker auf fortlaufende Serien und Helden. Die Space Opera und Abenteuer-SF wurden die Hauptbetätigungsfelder der Heftromanverlage.

Dass viele Leser (weltweit) diese „leichtere“ SF-Kost bevorzug(t)en, wird so manchesmal auch der experimentellen SF-Strömung der „New Wave“ zur Last...

Erscheint lt. Verlag 5.5.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
ISBN-10 3-7534-3323-3 / 3753433233
ISBN-13 978-3-7534-3323-3 / 9783753433233
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