It's okay not to be okay (eBook)
300 Seiten
Carlsen Verlag Gmbh
978-3-646-93486-1 (ISBN)
Scarlett Curtis ist eine preisgekrönte Autorin, Journalistin, Bloggerin und Aktivistin. Sie ist Mitgründerin von The Pink Protest, wofür sie 2018 eine Kampagne gegen Periodenarmut ins Leben rief. Hanna Christine Fliedner hat in Düsseldorf Literaturübersetzen studiert. Nach Abstechern kreuz und quer durch die weite und nicht ganz so weite Welt überträgt sie nun Literatur aus dem Englischen, Spanischen und Portugiesischen ins Deutsche. Nebenbei unterrichtet sie Deutsch als Fremdsprache, um ihre Liebe zur Sprache mit noch mehr Menschen zu teilen. Christopher Bischoff, geboren 1988, studierte Linguistik und Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er lebt als freiberuflicher Übersetzer in Mülheim an der Ruhr. Jennifer Michalski (geb. Thomas) wurde 1991 in Bocholt geboren und entschied sich schon früh für das Studium des Literaturübersetzens in Düsseldorf. Seitdem lebt und arbeitet sie dort als freiberufliche Deutschlehrerin und Übersetzerin aus dem Englischen und Spanischen. Jana Wahrendorff wurde 1989 in Solingen geboren. Dass sie mal übersetzen will, war ihr schon früh klar. Deshalb ist sie nach dem Abitur nach Düsseldorf gezogen, hat dort erst Anglistik und Romanistik und im Anschluss Literaturübersetzen studiert. Nach einem mehrjährigen Abstecher als Projektmanagerin im Bereich Übersetzung und Lektorat, übersetzt sie inzwischen freiberuflich aus dem Englischen und Spanischen.
Scarlett Curtis ist eine preisgekrönte Autorin, Journalistin, Bloggerin und Aktivistin. Sie ist Mitgründerin von The Pink Protest, wofür sie 2018 eine Kampagne gegen Periodenarmut ins Leben rief. Hanna Christine Fliedner hat in Düsseldorf Literaturübersetzen studiert. Nach Abstechern kreuz und quer durch die weite und nicht ganz so weite Welt überträgt sie nun Literatur aus dem Englischen, Spanischen und Portugiesischen ins Deutsche. Nebenbei unterrichtet sie Deutsch als Fremdsprache, um ihre Liebe zur Sprache mit noch mehr Menschen zu teilen. Christopher Bischoff, geboren 1988, studierte Linguistik und Literaturübersetzen an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er lebt als freiberuflicher Übersetzer in Mülheim an der Ruhr. Jennifer Michalski (geb. Thomas) wurde 1991 in Bocholt geboren und entschied sich schon früh für das Studium des Literaturübersetzens in Düsseldorf. Seitdem lebt und arbeitet sie dort als freiberufliche Deutschlehrerin und Übersetzerin aus dem Englischen und Spanischen. Jana Wahrendorff wurde 1989 in Solingen geboren. Dass sie mal übersetzen will, war ihr schon früh klar. Deshalb ist sie nach dem Abitur nach Düsseldorf gezogen, hat dort erst Anglistik und Romanistik und im Anschluss Literaturübersetzen studiert. Nach einem mehrjährigen Abstecher als Projektmanagerin im Bereich Übersetzung und Lektorat, übersetzt sie inzwischen freiberuflich aus dem Englischen und Spanischen.
Montag
Ich wache frühmorgens auf. Mit dem ersten Sonnenstrahl. (Mehr oder weniger.) Ich bin ausgeschlafen und richtig gut drauf. Die Vögel zwitschern! Der Himmel lacht! Für einen Moment vergesse ich sogar das Patriarchat! Mein Pony liegt perfekt. Ich trage die neuen weißen Schuhe, in denen ich viel stylischer aussehe, als ich eigentlich bin. Im Ernst, ich seh voll nice aus! Die Welt ist in Ordnung. Wie in einem verdammten Disneyfilm. Montage sind mein persönliches Wunschkonzert und das Leben ist einfach nur schön. Das wird MEINE Woche. Ich bin startklar. Ich könnte Bäume ausreißen. Alles ist super. Jep, du hast mich richtig verstanden. Alles ist gut. Alles. Absolut alles. Na ja, mehr oder weniger. Da ist sie wieder.
Dir auch einen guten Morgen, Karen.2
Meine Therapeutin hatte die Idee, meinen destruktiven Gedanken einen Namen zu geben. Dank ihr bin ich jetzt auch in der Lage, der frisch getauften Karen höflich, aber bestimmt mitzuteilen, dass sie sich verpissen soll. Wie meine Therapeutin ganz richtig erkannt hat, würde ich mir so ein Verhalten von niemandem gefallen lassen, warum also ausgerechnet von mir selbst? Irgendwie hilft es ja, die Tyrannin beim Namen zu nennen und sie zu beschimpfen. Trotzdem ist es scheißanstrengend, sich jeden Tag aufs Neue mit seinem eigenen Verstand zu streiten.
Heute zieht sich die Schlacht über sechs Stunden, eine Panikattacke und dreißig ungelesene E-Mails. Ich gebs auf. (Ist nur fair, Karen hat extra eine Sonderschicht eingelegt.) Wie es aussieht, sind Montage wohl doch kein Wunschkonzert. Als ich zu Hause ankomme, klebt mir der Pony verschwitzt im Gesicht, die weißen Schuhe sind grau und ich habe zwei Jobs und einen Ohrring verloren. Mein Hirn läuft auf Hochtouren. Ich bin total platt. Trotzdem beende ich den Tag mit meiner üblichen Abendroutine: einem Kräutertee und einem guten Buch. Ich verschütte den beschissenen Tee. Das bringt das Fass zum Überlaufen. Sofort ist die Hölle los. Ich bin eine Dramaqueen. Ein Tollpatsch. Eine Niete. Ich hasse meinen Verstand und mein nach Kamille duftendes Ich.
Verpiss dich, Karen.
Dienstag
Nach der Therapie fühle ich mich leichter.
Vor allem, weil mein Portemonnaie leer ist. Yeah! Depri UND pleite! Ich könnte eine zweite Hypothek auf das Haus aufnehmen. Oder es mit Glücksspiel probieren. Dann fällt mir wieder ein, dass ich gar keine Hypothek habe, geschweige denn ein Haus. Mir fällt ein, dass ich zu den Millennials gehöre, faul bin – außerdem BrExIt – und dass ich NIEMALS Hauseigentümerin sein werde, weil ich nur an meinem Handy hänge. Mir fällt ein, dass ich keine Ahnung von Steuern habe, und fange mitten im Bus an zu heulen.
Fast den ganzen Tag mache ich mir Sorgen und schiebe Panik – wegen absolut nichts. Ich. Kann. Einfach. Nicht. Abschalten. Es frustriert mich, dass ich so bin. Es frustriert mich, dass ich nicht weiß, warum ich so bin. Und es frustriert mich, dass ich offensichtlich die Einzige bin, der es so geht.
Das ist alles so frustrierend. Aber ich muss dieses Denkmuster durchbrechen. Ich erinnere mich daran, nett zu mir zu sein. Ich blase Treffen mit Freundinnen und Freunden ab. Jetzt gerade brauche ich mich dringender als sie. Ich habe ein schlechtes Gewissen, aber ich muss mich um mich selbst kümmern. Das verstehen sie bestimmt. Sonst sterbe ich einsam. So oder so: Ich will Eis!
Ich werde nach den Narben auf meinen Armen gefragt. Da ich niemanden in Verlegenheit bringen will, sage ich brav und gut gelaunt, dass alles in Ordnung ist. Ich versichere, dass wirklich alles in Ordnung ist, aber sie sollten mal meinen Gegner sehen.
Mittwoch
Ich wache auf und denke als Erstes an die Worte meines Exfreundes: Er hätte sich nicht auf mich eingelassen, wenn er gewusst hätte, wie viel Ballast ich mit mir herumschleppe. Ich bedanke mich bei Karen für diesen wundervollen Start in den Tag. Im selben Moment erinnere ich mich daran, dass derselbe Ex allergisch auf Sellerie reagiert. Was irgendwie zum Totlachen ist. Ich liebe meinen Verstand. Dann wird mir klar, dass ich verschlafen habe. Ich hasse meinen Verstand. Das Heulen hebe ich mir für nachher auf. Ich komme zu spät zur Arbeit.
Ich versuche mir ein paar Komplimente zu machen, bevor ich das Haus verlasse. Sozusagen als kleine Aufmunterung für unterwegs. Mir fällt nur eine Sache ein: Ich hab einen echt geilen Arsch. Keine Ahnung, ob das zählt, aber es klappt. Auf einmal sehe ich eine ganz andere Frau in mir und zwinkere mir im Spiegel zu.
Als ich die Spülmaschine ausräume, überkommt mich eine plötzliche Verzweiflung. Ich zerbreche mir den Kopf über den Sinn des Lebens. Ich frage mich, ob meine Eltern nicht lieber einen Sohn gehabt hätten und ob Fidget Spinner immer noch im Trend liegen. Mir fällt ein, dass ich zur Post wollte. Ich erinnere mich an die schreckliche Schulparty in der achten Klasse, als ich meine Periode bekommen habe. Es graut mir vor dem Tag, an dem der schräge Pony wieder angesagt ist. Ich weiß nicht, wer zum Teufel ich überhaupt bin und ob mein Vater recht hatte und ich nicht besser in Erdkunde statt in Religion meine Abschlussprüfung hätte ablegen sollen. Fange ich das Richtige mit meinem Leben an? Haben Katzen Knie?! War diese eine E-Mail zu passiv-aggressiv??? Schlägt bald ein Asteroid auf der Erde ein?!?! Ich habe vergessen, in welchem Verwandtschaftsverhältnis ich zu meiner Cousine stehe, rufe panisch meine Mum an und schreie unter Tränen ins Telefon: »Was war noch mal der Unterschied zwischen Cousinen ersten und zweiten Grades?« Alle machen sich schreckliche Sorgen.
Donnerstag
Ich wache angespannt und gestresst auf. Ich bin ohne Grund gemein. Ich habe viel zu tun, aber keine Zeit dafür. Warum kann ich so schwer Nein sagen?! Mein Hirn ist ein verknoteter Klumpen. Ich schreibe auf, was mir Kopfzerbrechen bereitet. Die Liste ist sieben Seiten lang. Ich könnte kotzen.
Ich atme bewusst ein und aus. Mir fällt mein alter Benutzername bei Tumblr wieder ein, »allesgehtvorbei«, und ich versuche, mir die Einstellung meines dreizehnjährigen Ichs zu Herzen zu nehmen. Ich ordne die Probleme auf meiner Liste nach Prioritäten und notiere mir Lösungen.
DANN HALTE ICH DREI DINGE AUF DEM PAPIER FEST, FÜR DIE ICH DANKBAR BIN. DAZU HABE ICH ZWAR KEINE LUST, ABER ES MUSS SEIN. WUNDERSAMERWEISE FUNKTIONIERT DAS JEDES MAL.
Ich erlaube mir für einen kurzen Moment stolz auf mich zu sein, weil ich mir etwas Gutes getan habe. Ich erinnere mich daran, dass ich lernen muss, achtsamer mit mir umzugehen. Ich muss mein psychisches Wohlbefinden konsequent pflegen – auch wenn es mir in manchen Momenten so vorkommt, als hätte ich das nicht nötig. Ich ermahne mich, nett zu mir zu sein und mir meine Fehler zu verzeihen. Ich mache mir bewusst, dass ich noch auf dem Weg der Besserung bin, und gestehe mir zu, gute und schlechte Tage zu haben.
Ich frage mich, warum es mir so viel leichter fällt, Zeit für andere Leute zu finden statt für mich selbst. Ich frage mich, warum mein Gehirn sich ständig auf die negativen Dinge statt auf die positiven konzentriert. Ich frage mich, warum ich mich so schwer damit tue, mich so zu behandeln wie die Menschen, die ich liebe.
Ich kümmere mich den Rest des Tages um mich. Ich gehe spazieren. Ich sehe in den blauen Himmel mit den schön geformten Wolken. Ich nehme meine Vitamine. Ich kaufe mir eine neue Kerze in meinem Lieblingsladen. Ich wasche die Bettwäsche. Ich bringe den Müll raus. Ich bestelle Ramen mit Hähnchen (eine Umarmung zum Löffeln – ist so!) und gucke meine Lieblingsserie. Ich liege ewig in der Badewanne und habe ein schlechtes Gewissen, weil ich so viel Wasser verbrauche. Ich gönne mir eine Gesichtsmaske und schneide mir die Zehennägel. Ich höre mir einen inspirierenden Podcast an und schreibe ein paar meiner Ziele auf. Ich schwöre mir, eine Social-Media-Pause zu machen, mir als Feministin mehr Mühe zu geben und meine Oma öfter anzurufen. Ich buche einen Yogakurs und miste meine Unterwäsche aus, Marie-Kondo-Style.
Läuft mit der Selbstfürsorge, mir gehts schon viel besser.
Freitag
Ich stürze in ein Instagram-Loch. Ihr wisst, wovon ich rede.
Die Beiträge zum Thema #feelgoodfriday bringen meine gesamte Existenzgrundlage ins Wanken, so minderwertig komme ich mir vor. Ich hasse mich dafür, dass ich wieder in diese Falle tappe. Ich scrolle endlos weiter und wünschte, ich könnte aufhören. Stattdessen rege ich mich über meine Daumen auf, die ein Eigenleben entwickelt haben, und über meinen Bauch, weil er nicht so flach ist wie ihrer, und warum hab ich mir die Haare schneiden lassen?!? Was zur Hölle mache ich hier eigentlich?! Wohin soll das bitte führen?!! Ich bin nicht gut genug! Ich bin nicht fleißig genug! Was hab ich mir nur dabei gedacht? Plagt mich jetzt den Rest meines Lebens diese lähmende Angst, man könnte mich irgendwann – in absehbarer Zeit – entlarven und erkennen, dass ich wirklich zu rein gar nichts tauge????
Ich mache einfach nichts richtig. Ich schaue mir meine Narben an und ekle mich. Ich schäme mich für mein angeknackstes, empfindliches Ich. Ich schreie meine Mum am Telefon an und habe sofort ein schlechtes Gewissen. Dabei bin ich gar nicht wütend auf sie. Ich bin wütend auf mich. Ich bin wütend auf Karen. Ich bin wütend auf alles. Ich bin wütend, weil keine Duftkerze und kein Herabschauender Hund der Welt Depressionen heilen kann. Ich bin wütend, weil ich keine von diesen umwerfenden, von Natur aus tiefenentspannten Frauen aus den Filmen bin. Ich bin wütend, weil es solche Frauen überhaupt nicht gibt und wir trotzdem...
Erscheint lt. Verlag | 29.7.2021 |
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Übersetzer | Hanna Christine Fliedner, Christopher Bischoff, Jennifer Michalski, Jana Wahrendorff |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Kinder- / Jugendbuch ► Sachbücher ► Religion / Philosophie / Psychologie |
Geisteswissenschaften | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | angststörung buch • Coldmirror • depression buch • Depression Jugendliche • LGBT • Matt Haig • Mental Health Awareness • Mitternachtsbibliothek • panikattacken angst • Psychische Gesundheit • psychische Gesundheit Geschenke • Selbstmord • self care • The comfort book • The Mopes Buch • toxische Männlichkeit Buch |
ISBN-10 | 3-646-93486-7 / 3646934867 |
ISBN-13 | 978-3-646-93486-1 / 9783646934861 |
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