Das Haus auf dem Wasser (eBook)

Roman

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
384 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-2802-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus auf dem Wasser - Emuna Elon
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»Dieses Buch ist ein Wunder - berührend, faszinierend und raffiniert!« Amos Oz.

Emuna Elon erzählt die bewegende Geschichte des israelischen Schriftstellers Joel Bloom, der während einer Lesereise in Amsterdam in einem Holocaust-Museum plötzlich ein altes Familienfoto entdeckt: Er erkennt seinen Vater, seine Schwester und seine Mutter. In ihrem Armen hält sie ein Baby, das ihm jedoch kein bisschen ähnlich sieht. Joel begibt sich sofort auf eine Spurensuche zwischen Amsterdam und Tel Aviv. Je tiefer er in die Familienvergangenheit eintaucht, desto dringlicher wird die Frage, die ihn schon lange verfolgt: Wer bin ich?

Ein mitreißender Identitätsroman über die Untrennbarkeit von Vergangenheit und Gegenwart - und die unerschütterliche Liebe zwischen Mutter und Sohn.

Emuna Elon gehört zweifellos zu den aufregendsten literarischen Stimmen Israels.



Emuna Elon ist eine international gefeierte Schriftstellerin, Journalistin und Frauenaktivistin. Sie wurde 1955 in einer Familie prominenter Rabbiner und Gelehrter geboren und wuchs in Jerusalem und New York auf. Sie unterrichtet Judentum, Chassidismus und hebräische Literatur. Ihr erster Roman war Finalist des National Jewish Book Award.

1


Nacheinander verschwinden die Menschen in der Maschine nach Amsterdam, einer hinter dem anderen. Auch Joel nähert sich dem Einstieg, doch plötzlich stockt der Strom der Passagiere wegen einer Frau in einer orangefarbenen Windjacke, die wie festgewachsen in der Tür der Boeing 737 stehen geblieben ist und sich hineinzugehen weigert. Joel ist in Gedanken schon bei dem neuen Roman, den er zu schreiben beschlossen hat, und er denkt über diese Frau nach, fragt sich, wer von seinen neuen Charakteren wohl fähig wäre, sich die nackte, fundamentale Angst einzugestehen, die einen jeden Sterblichen befällt, der diese fliegende Falle betritt, die sich Flugzeug nennt. Wer würde sich anbieten, mit dem eigenen Körper die »Alles in Ordnung«-Fassade zu stören und die geheiligte Ordnung zu entweihen, an die sich die Menschen klammern, nur, um nicht zugeben zu müssen, dass in Wahrheit alles Chaos ist?

Von seinem Platz aus in der Warteschlange sieht Joel nur den Rücken der Frau, doch auch durch das orangefarbene Plastik ihrer Jacke hindurch ist erkennbar, wie verkrampft er ist, und über die Schultern der vor ihm Stehenden hinweg nimmt er die Schweißtropfen wahr, die mit einem Schlag in ihrem Nacken und um ihre Ohren herum ausbrechen. Die Schlange beginnt nervös zu brodeln, die Leute spähen besorgt auf die Bordkarten mit der Nummer so und so in ihren Händen, halten die rechteckigen Papierabschnitte wie eine Versicherung umklammert, dass das Flugzeug am Ende abheben wird. Da taucht von irgendwoher ein Mann in glanzvoller Uniform mit grauem Haar und einer Aura von Autorität auf, stellt sich als der leitende Flugbegleiter vor und legt väterlich einen Arm um die Schultern der paralysierten Passagierin. Während er sie behutsam zur Seite nimmt, füllt sich das Flugzeug weiter, und als Joel an ihnen vorbeigeht, hört er ihn zu ihr sagen: Glauben Sie mir, meine Liebe, ich habe auf jedem Flug Passagiere, die Angst haben, das ist völlig in Ordnung. Ich verspreche, dass ich zu Ihnen kommen und Ihre Hand halten werde, wenn das Flugzeug startet!

Wenn er wegen seiner Bücher ins Ausland eingeladen wird, fliegen Bat-Ami und er normalerweise in der Businessclass, wodurch ihm die Berührung mit der Menge der Passagiere und ihrer Blicke erspart bleibt. Da er dieses Mal jedoch allein fliegt und vor allem, weil er das Ticket aus eigener Tasche bezahlt, hat er sich entschlossen, in der Touristenklasse zu reisen, so dass ihm momentan nichts anderes übrig bleibt, als sich so diskret wie möglich in seinen Sitz hineinzuschleusen. Schau nur geradeaus und nach unten, mahnt er sich, nur geradeaus und nach unten, hebe den Blick nicht nach oben und nicht zur Seite, damit du nicht auf den Blick von jemandem stößt, der dich erkennen könnte. Und ganz besonders nimm dich in Acht vor Leuten, die dich bereits erkannt haben und deine Aufmerksamkeit zu erhaschen suchen sowie vor denen, die du zueinander sagen hörst, da ist ja Joel Blum. Oder, das ist dieser Schriftsteller. Oder, da ist dieser berühmte Typ mit der Schirmmütze, jetzt sag mir, wie heißt er gleich noch mal?

Erst eine Woche ist vergangen seit seiner ersten Reise nach Amsterdam und dem Empfang, den sein holländischer Verleger ihm zu Ehren unter Teilnahme lokaler Größen aus dem Literatur- und Medienbereich veranstaltete. Erst eine Woche, seit Bat-Ami und er zwischen der hochgewachsenen Menschenmenge in der Stadt der Fahrräder und Grachten durch Sträßchen, Plätze, Paläste und Museen gewandert sind. Am Abend waren sie erschlagen und hungrig in dem schönen Haus des Verlegers in der Apollolaan im alten Südteil Amsterdams eingetroffen, waren jedoch gezwungen gewesen, sich mit einer Mahlzeit aus Karotten- und Gurkenstücken zu begnügen. Das Angebot auf den Tischen war zwar reichhaltig und vielfältig, doch war auch hier, wie bei vielen festlichen Veranstaltungen ihm zu Ehren in aller Welt, ersichtlich, dass die Gastgeber nicht auf die Idee gekommen waren, dass es in diesen aufgeklärten Zeiten noch zivilisierte Menschen gab, die sich an die uralten jüdischen koscheren Speisevorschriften hielten.

Als sich der zweite Teil der Veranstaltung näherte, wurde der israelische Gast gebeten, sich auf einen gedrechselten Stuhl in der Mitte des holländischen Wohnzimmers nahe des dekorativen holländischen Büfetts zu setzen, auf dessen Regalen das weiße, blau verzierte Delfter Porzellan arrangiert war, mit Blick auf das große, breite holländische Fenster, das sich auf einen mit glitzernden Reflexionen übersäten Kanal hin öffnete. Seine Zuhörer platzierten sich ihm gegenüber in Erwartung seiner Antwort auf die Frage des rotwangigen Gastgebers nach dem Unterschied zwischen den israelischen Schriftstellern, die als Schriftsteller der Gründungsgeneration des Staates Israel eingestuft wurden, und denen, die – wie Herr Blum, wobei ich hoffe, dass es von Ihrer Seite aus in Ordnung ist, wenn wir Sie hier einfach Joel nennen – als Schriftsteller der neuen israelischen Welle bekannt waren.

Die Vergangenheit lässt sich nicht verbergen, trug Joel in fließendem Englisch die Antwort vor, die er immer auf diese Frage gab, während er die Beine übereinanderschlug und einen freundlichen Blick auf sein Publikum richtete. Es ist, meiner Ansicht nach, unmöglich, israelische Literatur ohne einen direkten oder indirekten Bezug zu dem archäologischen Tel zu schreiben, auf dem der Staat Israel gedeiht und dessen Gestade von seinen alten wie neuen Wellen gleichermaßen beleckt werden.

Aufmerksame Gesichter nickten ihm verstehend, womöglich sogar empathisch zu. Aufmerksame Gesichter nicken ihm immer verstehend oder gar empathisch zu.

Trotzdem, betonte er mit dem dramatischen Crescendo, zu dem seine Stimme stets an diesem Punkt anhebt, sind zeitgenössische israelische Schriftsteller zuallererst israelische Schriftsteller dieser Zeit. Ich selbst hoffe, dass mein Schreiben nicht im Sumpf der Vergangenheit gründet, sondern meine Seele und die Seelen meiner Leser zu dem trägt, was gegenwärtig ist, und was in Zukunft sein wird.

Das Spiel ging weiter. Die Holländer fragten, so, wie ihn die Leute überall fragten, ob die Charaktere, die seine Bücher bevölkerten, typisch israelische Charaktere seien. Und er antwortete, wie immer und überall, dass seine Charaktere in seinen Augen universal seien.

Einen Moment lang schwankte er, ob er von seiner Gewohnheit abweichen und, gerade diesem Publikum, erzählen sollte, wie hart er beim Schreiben arbeitete, um jede Figur exakt so auszuführen, dass sie Jedermann verkörperte. In jeder Bewegung all die Bewegungen einzufangen, die jemals waren und sein würden. Den Kern der Worte zu formulieren, den Kern der Dinge selbst.

Ähnlich den Charakteren eines jeden Schriftstellers, sagte er, wie er immer sagte, leben und agieren auch meine Figuren in einer Realität, die ich aus der Nähe kenne. Als Schriftsteller, der in der israelischen Wirklichkeit lebt, ist es nur natürlich, dass auch meine Charaktere mit dieser Wirklichkeit verbunden sind. Doch die Geschichten, die ich über diese Figuren erzähle, erzählen vom Menschen, wo immer er atmet, wo immer er liebt, wonach immer er sich sehnt.

Die roten Wangen des Verlegers röteten sich noch mehr, als er den Gästen aus einer Buchbesprechung der New York Times vorlas: »Es nimmt nicht Wunder, dass Joel Blums Bücher bereits in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt und ihm die renommiertesten literarischen Preise verliehen wurden. Joel Blum ist ein Zauberer, der mit einem Schwung seines Zauberstabs jede menschliche Anekdote in das Kernstück der persönlichen Geschichte eines jeden Lesers verwandelt.«

Und die Farbe der holländischen Wangen vertiefte sich zu purpurrot, als er noch weiterlas: »Man nimmt einen Roman von Joel Blum zur Hand und kann versichert sein, dass er einem sein tiefstgehütetes Geheimnis enthüllen wird: Das Geheimnis, von dessen Existenz man nicht einmal gewusst hat.«

Noch einige bekannte, unumgängliche Fragen – und Joel vermutete bereits, dass sich der Abend seinem gewünschten Ende näherte.

Doch da wurde ihm eine unerwartete Frage...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2021
Übersetzer Barbara Linner
Sprache deutsch
Original-Titel Bajit al majim rabim
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber
Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte Amsterdam • Erinnerungen • Familienfoto • Holocaust • Identität • Israel • Lesereise • Mutter und Sohn • Schriftsteller • Spurensuche • Tel Aviv • Untergrund • Vergangenheitsbewältigung • Widerstand • Wurzeln
ISBN-10 3-8412-2802-X / 384122802X
ISBN-13 978-3-8412-2802-4 / 9783841228024
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