Nur die Ruhe! (eBook)
240 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45901-0 (ISBN)
Dr. Albert Kitzler, geb. 1955, studierte Philosophie und Jura in Freiburg und arbeitete lange Jahre erfolgreich als Medienanwalt und Filmproduzent in Berlin. Seit 2000 beschäftigt er sich wieder intensiv mit Philosophie im antiken Griechenland, China und Indien und gründete 2010 die Philosophieschule MASS UND MITTE (www.massundmitte.de), wo er Seminare, Coachings sowie philosophische Matineen leitet und Vortrage hält. Seine Bücher Wie lebe ich ein gutes Leben?, Philosophie to go, Denken heilt und Vom Glück des Wanderns haben bei Leser*innen und Kritiker*innen Begeisterung ausgelöst. Zuletzt erschien bei Droemer Die Weisheit der Liebe (2023). Albert Kitzler lebt bei München.
Dr. Albert Kitzler, geb. 1955, studierte Philosophie und Jura in Freiburg und arbeitete lange Jahre erfolgreich als Medienanwalt und Filmproduzent in Berlin. Seit 2000 beschäftigt er sich wieder intensiv mit Philosophie im antiken Griechenland, China und Indien und gründete 2010 die Philosophieschule MASS UND MITTE (www.massundmitte.de), wo er Seminare, Coachings sowie philosophische Matineen leitet und Vortrage hält. Seine Bücher Wie lebe ich ein gutes Leben?, Philosophie to go, Denken heilt und Vom Glück des Wanderns haben bei Leser*innen und Kritiker*innen Begeisterung ausgelöst. Zuletzt erschien bei Droemer Die Weisheit der Liebe (2023). Albert Kitzler lebt bei München.
Was will ich eigentlich?
»Das Schlimmste ist,
wenn man sich selbst vergisst.«
Konfuzius[9]
Eines Tages kam ein gut aussehender, salopp gekleideter Mittvierziger in die Praxis, ein sportlicher Typ mit wachen Augen und einem verbindlichen Lächeln. Er sagte meiner Chefin nicht, was er beruflich mache und wo er arbeite, nur, dass er ein sehr erfolgreicher Manager sei und dafür in den letzten zwanzig Jahren hart gearbeitet habe. Er habe drei wunderbare Kinder, die studierten. Er sei verheiratet, lebe aber seit einiger Zeit getrennt von seiner Frau. Er habe eine neue Partnerin. Beide achteten auf eine gewisse Distanz und ließen dem anderen große Freiräume. Auch sie sei eine erfolgreiche Führungskraft in der Industrie. Sie kämen gut miteinander aus. Er habe in der Vergangenheit viel Geld verdient. Wenn er jetzt seine Firma mit einer entsprechenden Abfindung verließe, bräuchte er nicht mehr zu arbeiten. Müsse man ihn nicht für einen glücklichen Menschen halten, den das Schicksal mit allem großzügig beschenkt habe, wonach sich viele Menschen sehnten?
D: Wenn es so ist, wieso sind Sie dann hier?
K: Sie haben den Ruf einer weisen Frau. Vielleicht frage ich das, damit Sie mich in meiner Vorstellung bestätigen.
D: Ich bin alt und habe in meinem eigenen Leben vieles gesehen und erlebt. Durch die Lebensgeschichten meiner Besucher, die ich manchmal bis zu ihrem Ende begleitete, zunächst als Ratgeber, später als Freund, habe ich viel über den Lauf der Dinge erfahren, der für jeden von uns immer wieder Überraschungen bereithält. Dadurch bin ich vorsichtig geworden, ein Menschenleben für glücklich zu halten, bevor es nicht zu Ende ist. Manche hat das Schicksal noch im letzten Lebensabschnitt hart getroffen.
K: Aber es geht doch nur darum, das zu beurteilen, was im Moment und vielleicht in den letzten zwei, drei Jahren passiert ist, wie sich die konkreten Lebensumstände in dieser Zeit darstellten, wie man sich dabei gefühlt habe und wie man sich im Augenblick fühle.
D: Wie Sie sich fühlen, wissen Sie selbst am besten. Aber so einfach ist das nicht mit der Frage nach dem glücklichen Leben. Zum einen kann der Schein trügen. Manche wohnen in Schlössern und haben keine ruhige Nacht vor Sorgen und Ängsten. Andere wissen nicht, wohin mit ihrem Geld, und meinen, immer noch nicht genug zu haben. Schließlich gibt es Menschen, denen alles zu gelingen scheint und die äußerlich in den beneidenswertesten Umständen leben, gleichwohl sind sie missmutig und übellaunig, können nicht gut allein sein und an nichts mehr tiefe Freude empfinden. Gerade hier in Deutschland leben Hunderttausende von Menschen in einem Wohlstand, der dem von Renaissancefürsten nur wenig nachsteht, und dennoch klagen sie und sind unzufrieden, leiden seelisch und körperlich und lachen viel weniger als die Menschen in ärmeren Regionen der Welt. Ich habe diese Erfahrung in Asien gemacht, wo ich eine Zeit lang gelebt habe. Das trifft natürlich nicht auf alle Deutschen oder Mitteleuropäer zu, vielleicht nicht einmal auf die Mehrzahl. Aber im Verhältnis zu dem, was sie haben, zu den Möglichkeiten, über die sie verfügen, zu dem Frieden, der Freiheit und der Sicherheit, die sie nun schon seit Jahrzehnten umgibt, bleibt der Grad ihrer seelischen Zufriedenheit häufig zurück. Viele scheinen sich gar nicht bewusst zu sein, wie gut es ihnen geht, jedenfalls den äußeren Umständen nach.
K: Aber zu denen gehöre ich nicht, im Gegenteil: Ich freue mich meines Lebens und genieße meine Freizeit, wenn ich auch nicht allzu viel davon habe.
D: Das will ich nicht bestreiten. Ich sehe es Ihnen an. Aber so manchen Menschen hat das Schicksal hoch über alle anderen erhoben, nur um ihn dann umso tiefer stürzen zu sehen. Schauen Sie auf unsere Politiker und das Auf und Ab ihrer Karrieren. Auch über Unternehmer, Manager und Banker kann ein widriges Schicksal mit großer Gewalt hereinbrechen, denken Sie nur an die Bankenkrise von 2008. Die alten Weisen im Orient und Okzident meinten, zu großem Reichtum komme man häufig nur auf krummem Wege. Das ist aber ein sehr unsicherer Pfad, den wir in aller Regel nicht unbeschadet begehen. Die Zeitungen sind voll davon, weil die neidischen Menschen solche Geschichten lieben. Wen die Götter vernichten wollen, den überhäufen sie zuvor mit Glücksgütern, sagten die alten Weisen. Deshalb sollen wir auf das Ende sehen und nicht zu früh eine Bilanz unseres Lebens ziehen. Schließlich steigt übermäßiges Glück zu Kopf und macht uns überheblich. Eine solche Geisteshaltung, das lehrt die Erfahrung immer wieder, führt über kurz oder lang zum Scheitern.
K: Aber mit solchem Pessimismus verdirbt man sich die Freude am Hier und Jetzt.
D: Nur wenn wir die falschen Schlussfolgerungen aus dieser Einsicht ziehen. Gerade indem wir uns immer wieder bewusst machen, dass alles einem ständigen Wandel unterliegt, dass alles kommt und geht, dass sich die Phasen des Glücks und des Unglücks abwechseln, dass wir »im Unversicherbaren« leben – solche Vorstellungen im Hinterstübchen unseres Bewusstseins lassen uns einerseits dankbar das genießen, was wir haben. Denn wir wissen um seine Vergänglichkeit und nehmen es nicht als selbstverständlich. Manchmal lässt uns das Bewusstsein der Vergänglichkeit überhaupt erst erkennen, dass das Glück vor uns liegt und bloß darauf wartet, ergriffen, genossen und wertgeschätzt zu werden. Die Selbstverständlichkeit ist der Tod vieler Freuden des täglichen Lebens. Andererseits werden wir durch eine Haltung der Bescheidenheit und Achtsamkeit demütig im Hinblick auf die Zukunft, unsere Sehnsüchte und Erwartungen. Wir sind uns stets bewusst, dass nicht immer alles so läuft, wie wir uns das wünschen, und dass auch härtere Zeiten kommen können. Das ist eine gute Zurüstung, die uns auf alles vorbereitet und uns aufmerksam sein lässt auf das Hier und Jetzt. Wer vorbereitet ist, den wirft nichts um.
Kurzum: Fragen Sie nicht andere nach Ihrem Glück, sondern schöpfen Sie das Glück aus sich selbst, freuen Sie sich und genießen Sie es, solange das Schicksal es gut mit Ihnen meint … Aber warum sind Sie denn eigentlich zu mir gekommen, wenn Sie ein glückliches Leben führen? Menschen, denen es rundum gut geht, brauchen meine Ratschläge und meine Hilfe nicht.
K: Gut, lassen wir das. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie ein wenig auf die Probe stellen wollte. Tatsächlich bin ich mit einem konkreten Anliegen hier. Da ist eine Sache, die ich immer wieder einmal in mir wälze und bei der ich das Gefühl habe, da ist etwas noch nicht so, wie es sein sollte.
D: Nur eine Sache? Da sind Sie noch sehr gut dran. Eine aufgeschlossene Seele, ein offenes Leben, das sich in seiner ganzen Fülle entwickeln und erfahren will, ist wie eine stetig wachsende Großstadt mit vielen Baustellen und sozialen Brennpunkten.
K: Ich habe beruflich alles erreicht, finanziell geht es mir gut, ich genieße hohes Ansehen im Unternehmen und in der Gesellschaft, an äußeren Gütern fehlt mir nichts. Ich habe gesunde Kinder, die ich sehr liebe und die mir viel Freude bereiten. Aber wenn das Rad der Betriebsamkeit einmal stillsteht, wenn ich irgendwo im Ausland fernab von zu Hause allein in einem Hotelzimmer bin oder abends ein Glas Wein trinke, erschöpft von der Arbeit, dann kommt manchmal eine Unruhe in mir auf. Ich frage mich dann: War das schon alles? Kommt da noch etwas? Oder wiederholt es sich nur noch? Ein Gefühl der Leere meldet sich. Auch habe ich schon lange ein paar Ideen in meinem Kopf, die ich gerne verwirklichen möchte, die aber nichts mit meiner gegenwärtigen Arbeit zu tun haben. Dazu bräuchte ich Zeit, die mir mein Beruf augenblicklich nicht gibt. Mit einem Vertrauten im Vorstand meines Unternehmens habe ich darüber gesprochen und gefragt, ob ich mehr Zeit für meine privaten Interessen haben könnte. Er war sehr aufgeschlossen. Sie haben meinen Vertrag so geändert, dass mir theoretisch die gewünschte Zeit eingeräumt wird. Aber es ist schwer, dies in der Praxis umzusetzen. Immer wieder tauchen unvorhergesehene Probleme im Unternehmen auf, um die ich mich kümmern muss.
D: Warum hören Sie nicht ganz auf oder versuchen, Ihre Tätigkeit für das Unternehmen auf eine Beratertätigkeit herunterzufahren?
K: Daran habe ich auch schon öfter gedacht. Aber das Unternehmen zahlt in jedem Jahr eine enorm hohe Prämie an seine Topmanager, wenn sie dem Unternehmen treu bleiben und nicht in den nächsten Monaten kündigen. Diese Prämie würde ich verlieren, auch wenn ich weiterhin als Berater für die Firma arbeiten würde.
D: Aber Sie sagten mir doch, dass Sie bereits genug Geld verdient und gut angelegt hätten, sodass Sie auf eine solche Prämie nicht angewiesen seien.
K: Das stimmt, aber Sie sagten ja selbst vorhin: Man steckt nicht drin, wie sich die Dinge weiterentwickeln. Vielleicht brauche ich noch einmal dieses Geld. Ich möchte auch nicht so einfach diese großartige Stelle aufgeben.
D: Bei Ihrer Qualifikation und Berufserfahrung könnten Sie immer etwas finden, falls Sie wider Erwarten in finanzielle Bedrängnis kommen sollten.
K: Ja, das stimmt, aber einen solchen Job mit einer derartigen Reputation und dem gesellschaftlichen Ansehen, das ich im Moment genieße, werde ich nicht wieder bekommen. Die Bewunderung und das Ansehen, das man mir auf Empfängen, öffentlichen Veranstaltungen oder Partys aufgrund meiner beruflichen Position entgegenbringt, sind kein absoluter Wert. Das weiß ich. Aber vielleicht würde mir doch etwas fehlen.
D: Wir alle müssen uns grundsätzlich und jeden Tag aufs Neue entscheiden, wo wir unser Selbstwertgefühl,...
Erscheint lt. Verlag | 20.3.2021 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie |
Schlagworte | Anleitung zum Glücklichsein • Antike • Ärger • Enttäuschung • Erfolg im Leben • Glück • Glücklich • Glücklich leben • Glücklich sein • Ich und die anderen • Ich und die Welt • innere Mitte finden • Innere Ruhe finden • Innere Stärke • Lebenshilfe • lebenshilfe bücher • Philosophie • philosophische Bücher • Praktische Philosophie • Ratgeber glücklich sein • Sachbuch Philosophie • Selbstwahrnehmung • Seneca • Stoa • Stoiker • Umgang mit anderen Menschen • Umgang mit Niederlagen • Zorn • Zufriedenheit • zufriedenheit buch • Zufriedenheit Ratgeber • zufrieden leben • zufrieden sein |
ISBN-10 | 3-426-45901-9 / 3426459019 |
ISBN-13 | 978-3-426-45901-0 / 9783426459010 |
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Größe: 715 KB
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