Das Haus Wittelsbach im Ersten Weltkrieg -  Stefan März

Das Haus Wittelsbach im Ersten Weltkrieg (eBook)

Chance und Zusammenbruch monarchischer Herrschaft

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
698 Seiten
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978-3-7534-6883-9 (ISBN)
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Die letzten Jahre der Monarchie Das weitverzweigte Haus Wittelsbach, die Herrscherfamilie des Königreichs Bayern, gewann im Ersten Weltkrieg enorm an Relevanz. Nicht nur der machtbewusste Ludwig III. beeinflusste erheblich die gesamtdeutsche Politik. Bayerische Prinzen wie Kronprinz Rupprecht und Prinz Leopold prägten überdies durch hohe militärische Kommandos das Kriegsgeschehen. Gleichzeitig inszenierten weibliche Familienmitglieder die Monarchie an der Heimatfront als soziale Institution. Der Krieg führte indes zu gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen, die für die konstitutionelle Monarchie zur Zerreißprobe wurden. In der Novemberrevolution 1918 brach diese schließlich zusammen, was jedoch weder zwangsläufig noch unabwendbar war.

Stefan März Dr. phil., geb. 1980, studierte in München und Paris Geschichte und Politische Wissenschaft. Er ist Autor zahlreicher Publikationen zur Geschichte des Königreichs Bayern.

EINLEITUNG

Ludwig III., ältester Sohn und Nachfolger des Prinzregenten Luitpold, regierte ab 1913 als König. Zum Zeitpunkt seiner Thronbesteigung deutete kaum etwas darauf hin, dass die konstitutionelle Monarchie, die ihre klassische Blütezeit im 19. Jahrhundert erlebt hatte, nur wenig später als Staatsform abgelöst würde – und deren Repräsentanten aus dem öffentlichen Leben verschwänden. Der König von Bayern stürzte jedoch im Zuge der Novemberrevolution des Jahres 1918 ebenso wie der Kaiser und die übrigen Bundesfürsten vom Thron. Seine Absetzung bedeutete den dramatischen Schlussakt der 738 Jahre überdauernden wittelsbachischer Herrschaft.

In der Rückschau mag das abrupte Ende der Monarchie angesichts eines vierjährigen, verheerenden Weltkrieges folgerichtig erscheinen. Die ältere Revolutionsforschung ließ sich darüber hinaus verleiten, die finale Phase der Monarchie als sukzessive Niedergangsgeschichte zu beschreiben, deren Ursprung in den Krisen der Vorkriegszeit wurzelte. Dieses Verdikt greift jedoch zu kurz und ist in den Bereich der politischen Mythen zu verweisen. Insbesondere mit Blick auf das Königreich Bayern muss man sich gegen gängige historische Interpretationen wenden. Neben den Niedergangssymptomen müssen auch die vielfältigen Chancen des Königtums in der Moderne betrachtet werden.

Das Interesse dieser Arbeit ist die Monarchie im Staatsgefüge sowie die Rolle der Königsfamilie im Vorfeld und während des Ersten Weltkriegs. Für die Analyse wird der Betrachtungsrahmen über das Königreich auf den deutschen Nationalstaat und darüber hinaus erweitert. Es soll gezeigt werden, dass das Haus Wittelsbach erheblich auf Politik, Kultur, Gesellschaft und Kriegsgeschehen einzuwirken vermochte. Der Blick wird über die staatlichen Strukturen und sozialen Machtverhältnisse hinaus auf die kulturelle Festsetzung von Symbolen und gesellschaftliche Diskurse gerichtet. Neben dem politischen, militärischen und karitativen Handeln der Königsfamilie sollen dessen symbolische Dimensionen beleuchtet werden. Symbolische Politik wird hierbei, im Sinne der neueren Kulturgeschichte, nicht etwa als Gegenstück zu realer politischer Entscheidungskompetenz begriffen, sondern vielmehr als deren integraler Bestandteil und legitimatorische Grundlage.

Vor und während des Ersten Weltkriegs unternahmen die Wittelsbacher große Anstrengungen zur Popularisierung, Neulegitimierung und Machterweiterung. Die Dynastie verfügte über ein weitverzweigtes Netzwerk, das ihr erhebliches Gewicht und weitreichende Handlungsmöglichkeiten verschaffte. Der Einfluss und die Rolle des Königs sowie der königlichen Familie innerhalb der komplexen politischen, gesellschaftlichen und militärischen Machtarchitektonik des Deutschen Reichs wurden indes bislang nie differenziert in den Blick genommen.

Will man tragfähige Urteile über die Beschaffenheit der bayerischen Monarchie in der Moderne fällen, müssen deren tatsächliche Handlungsspielräume, deren politische, soziale und militärische Chancen, deren Rolle in der politischen Kultur und nicht zuletzt die Ursachen des Scheiterns kritisch herausgearbeitet werden. Dabei sollte man jedoch nicht, wie üblich, vom rückwärtsgewandten Standpunkt der Novemberrevolution ausgehen. Der bayerischen und reichsdeutschen Politik-, Gesellschafts-, Kultur- und Militärgeschichte während des Ersten Weltkriegs können dabei zahlreiche bisher unbekannte Aspekte abgewonnen werden.

Bis Mitte der 1920er Jahre erschienen einige Arbeiten, in denen die Rolle der bayerischen Monarchie im Krieg als unkritische ‚Hurra-Geschichte‘ und, hinsichtlich der schwelenden Kriegsschuldfrage, in teils revisionistischer Absicht dargestellt wurde.1 Daneben begann, in Form mehrerer Biografien, eine Verklärung der Mitglieder des Königshauses.2 Von Zeitgenossen wurde die Revolution von 1918 als ‚Theatercoup‘ landfremder Revolutionäre charakterisiert. Diese Deutung wurde mehrfach modifiziert.3 Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der konstitutionellen Monarchie fand auch in der Weimarer Zeit kaum statt, da die Monarchie durch die Umstände ihres Scheiterns weiter politisiert wurde. Die Diskussionen um den Versailler Vertrag, die Kriegsschuld- und die Auslieferungsdebatten lieferten gute Gründe, derartige Debatten zu vertagen.4

Während des Dritten Reichs spielte die Forschung zur Monarchie keine Rolle. Erst nach 1945 setzte eine tatsächliche Auseinandersetzung ein. Der Zusammenbruch von 1918 diente als Erklärungsversuch für die deutsche Katastrophe von 1933. Die unbewältigte monarchische Tradition wurde als Ursache für eine autoritäre Disposition in Deutschland diagnostiziert. Die Monarchie geriet jedoch als Objekt einer historischen Forschung, die sich zunehmend als Struktur- und Sozialgeschichte verstand, ab den 1960er Jahren ins Abseits. Aus strukturgeschichtlicher Sicht haftete der Monarchie deutscher Prägung das Stigma einer genuin unmodernen Institution an, die auf der Verliererseite der Geschichte stand. Sie galt als unauflösbar personalisiert und wurde mit allem konnotiert, was historiografisch überholt zu sein schien.5

Ausgehend von Karl Bosl fand eine struktur- und sozialgeschichtliche Deutungsvariante Akzeptanz, die von einer jahrzehntelangen monarchischen Verfallsgeschichte und einer gleichzeitigen Emanzipationsgeschichte der Parlamente ausging. Beispiele dieser deterministischen Lesart sind bei Willy Albrecht, Karl-Ludwig Ay und Karl Möckl zu finden.6 Dabei wurde insbesondere die Prinzregentenzeit als folgerichtige Vorgeschichte der Revolution begriffen. Das Ende der Monarchie erscheint aus dieser Perspektive als das unabwendbare Ergebnis einer Entwicklung, die von Reformverschleppung und Reformunfähigkeit, von der Diskrepanz zwischen gesellschaftlicher und politischer Realität gekennzeichnet war.7

Im Rahmen der Fischer-Kontroverse wurden von Karl-Heinz Janßen die Kriegszielpläne der bundesstaatlichen Herrscher kritisch hinterfragt.8 Dem föderalen Charakter des politischen Systems des Kaiserreichs trug Ingeborg Koch auch in ihrer Studie aus dem Jahr 1961 Rechnung.9 Eine weitere, staatstheoretische Deutung verstand das Scheitern des in der Verfassungsentwicklung angeblich transitorischen Stadiums der konstitutionellen Monarchie als Schlusspunkt einer Entwicklung von der absoluten Monarchie hin zur parlamentarisch-republikanischen Demokratie.10 Diese modernisierungstheoretisch gewendete Perspektive findet sich beispielsweise bei Ernst-Wolfgang Böckenförde11 oder Ernst Rudolf Huber.12

Mittlerweile ist ein erstaunlich wiedererstarkes Interesse an der Monarchiegeschichte zu beobachten.13 Eine Reihe von Themen, die im englischsprachigen Raum gesetzt wurden, wurde von der deutschen Forschung aufgenommen. Dies trug dazu bei, das Thema vom Ruf der Rückwärtsgewandtheit zu befreien. Kulturwissenschaftlich orientierte Fragestellungen und neue theoretische Ansätze zu Symbolik, Performanz, Theatralität und Repräsentation rückten die Monarchie zurück ins Rampenlicht. Neuere Studien betonten die Wechselseitigkeit von Monarchie und bürgerlicher Gesellschaft und definierten Partizipationschancen. Ebenso fand die Mediengeschichte der Monarchie vielfach Beachtung. Aus der kulturalistischen Perspektive heraus geraten heute auch die Chancen der Monarchie in der Moderne in den Blick. Gleichzeitig lässt sich der Prozess einer massiven Umformung der Monarchie beobachten, der immer neue Erwartungen der Öffentlichkeit hervorrief.14

Überdies ist seit den 1990er Jahren in der deutschen und internationalen Forschungslandschaft ein großes Interesse sowohl am Deutschen Kaiserreich als auch am Ersten Weltkrieg feststellbar.15 Bereits im Umfeld des neunzigjährigen Jubiläums des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs beschäftigten sich etliche Darstellungen mit dessen Militär- und Politikgeschichte.16 Der Einfluss des Hauses Wittelsbach auf die deutsche Politik und Kriegführung im Ersten Weltkrieg wurde bisher nicht bestimmt, wohingegen die Militärgeschichte bayerischer Einheiten gut erforscht ist.17 Daneben manifestierte sich der Boom der Weltkriegsforschung in Studien zur Alltags- und Mentalitätsgeschichte.18

Hinsichtlich einer politischen Kulturgeschichte der Endphase der bayerischen Monarchie bestehen nach wie vor erhebliche Desiderate. Die bayerische Landesgeschichte während des Ersten Weltkriegs wurde in politik- und sozialhistorischer Hinsicht zwar mehrfach untersucht, hier spielte die Monarchie jedoch kaum eine Rolle. Untersuchungen zur Herrschaftspraxis beschränken sich fast ausnahmslos auf das 19. Jahrhundert.19 Werner K. Blessing untersuchte indes bereits früh den Zusammenhang zwischen monarchischer Herrschaftsinszenierung und politischer Loyalität.20 Karl Möckl setzte sich mit Aufbau, Rolle und Funktion der bayerischen Hofgesellschaft auseinander.21 Katharina Weigand diagnostizierte für die Monarchie während der Prinzregentenzeit eine gezielte Inszenierung von...

Erscheint lt. Verlag 9.3.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
ISBN-10 3-7534-6883-5 / 3753468835
ISBN-13 978-3-7534-6883-9 / 9783753468839
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