Die Wiege Gottes (eBook)
520 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7534-8453-2 (ISBN)
Volker Schopf ist Naturforscher. Seit 25 Jahren setzt er sich mit den neuesten wissenschaftlichen Theorien auseinander, und er ist der Überzeugung, dass wir in einer Übergangszeit leben. 1958 in Gerlingen geboren, verbrachte er dort seine Schul- und Jugendzeit. Interessen: Verschiedene esoterische Gebiete wie Nahtoderfahrungen, Leben nach dem Tod usw., Kosmologie; hier besonders die Merkwürdigkeiten der Quantentheorie und ihre philosophische Implikation für die Realität. Zahlreiche Veröffentlichungen: Romane, Theaterstücke und wissenschaftliche Sachbücher.
Erstes Kapitel Im Anfang
Vom Wandern schwer krank -
ein Traum, der dürre Heide
im Kreise durchirrt [...].1
Bashó
Das Seiende
Weshalb hat der Kosmos die Entstehung organischer Strukturen und deren Evolution bis zum Menschen (Homo sapiens) ermöglicht? Die Antwort lautet: Durch seine Struktur oder, wissenschaftlicher ausgedrückt, aufgrund von Naturgesetzen, insbesondere deren Feinabstimmung. Sie bilden die Grundlage der Evolution, sie bestimmen wie sich Energie und Materie im Verlauf ihres Daseins zu verhalten haben. So beschreiben die Gesetze der QED2 die Struktur von Atomen und Molekülen oder die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie3, die Raum und Zeit miteinander verknüpft und die Gravitation als Krümmung des Raumes durch Massen beschreibt.
Die DNA4 der beiden Elternteile prägen im Verbund mit dem sozioökonomischen Umfeld den Pfad der Entwicklung des Kindes, vom Aufbau des Leibes über dessen Anlagen zu Neigungen und Fähigkeiten bis hin zum leiblichen und geistigen Verfall mit zunehmendem Alter. Diese Grundstrukturen, besser noch, diese Aspekte des kosmischen Wesens enden nicht, nachdem hochkomplexe Strukturen wie Galaxien, lebende Organismen, das Gehirn des Menschen sich entwickelt haben. Sie beeinflussen die Evolution, analog dem Aufbau einer Wendeltreppe, indem sie bis zu dessen möglichem Ende das Seiende, dessen gegenwärtige Mannigfaltigkeit, zu noch komplexeren Gebilden transformieren.
Diese Eigenschaft des Kosmos, dessen gerichtete Evolution, erlaubt nicht nur die Rekursion auf frühere Stufen der Evolution (Entwicklung), sie wirft darüber hinaus ein erstes Licht auf die Zeit seines Entstehens, seines ’Im Anfang‘. Zugleich wird evident, weshalb die Schöpfungsmythen des Menschen nicht x-beliebige Erzählungen (Mythen) zur Erklärung der Welt und des Kosmos darstellen, sondern explizit in Strukturen und Ereignissen wurzeln oder auf diese zurückgeführt werden können, die bereits in den Gesetzen - den Wesensmerkmalen - des Kosmos verankert sind.5 Auf dieselbe Weise konzipieren sich wissenschaftliche Theorien, kulturelle Eigenschaften, soziale Strukturen von der Familie zu den Völkergemeinschaften und insbesondere der philosophischen Disziplin der Ethik, wie sie ursprünglich von den Göttern, später von den religiösen Gemeinschaften überliefert und heute von Ethikkommissionen weiterentwickelt und gesetzlich festgeschrieben werden. Explizit der moralische Aspekt, das soziale Engagement, dieser in der westlichen demokratischen Welt überbetonte und dadurch überstrapazierter Begriff des Altruismus, wurzelt im Anfang des Kosmos, der die Kooperation nur dann einsetzt, wenn diese Strategie zum Vorteil der Entwicklung, zum Überleben, dem Erhalt des Daseins notwendig ist.
’Im Anfang‘, so wird es in den Schöpfungsmythen und ersten philosophischen Gedankengängen überliefert, existiert einzig das Chaos. Es beschreibt den Zustand, der auch als ’Wiege Gottes‘6 bezeichnet werden kann. Der Begriff steht synonym für die Aspekte des Menschen, welche heute in der Kategorie ’Spiritualität‘ zu finden sind. Diese Betrachtungen über das Sein, das Dasein der Welt, des Menschen, das Seiende generell und dessen Anfang in der Zeit, sind für das Verständnis, weshalb Gott erst im Werden bzw. ein persönliches Überleben des Todes möglich ist, von unschätzbarem Wert. Der Weg aus dieser fernen Vergangenheit bis ins Heute gleicht, wie C. F. Weizsäcker (1916-2007) es in ’Zeit und Wissen‘ so treffend formuliert hat, einem Krebsgang. Die Geschichte des Kosmos und des Menschen wird rückwärts gelesen, wobei Sprünge in der Zeit nicht restlos zu vermeiden sind. Gleichzeitig wird der Leser/die Leserin, sollte er Gott nicht als von Ewigkeit zu Ewigkeit seiend ansehen, damit konfrontiert, das die Wiege Gottes im Anfang (Ursprung) des Kosmos gestanden haben muss und dass die Glaubensvorstellungen oder die Annahme eines ewig seienden Gottes auf falschen Interpretationen der vom ’Ich bin‘ bewusst wahrgenommenen Ereignisse beruht.
Das Chaos
Das Chaos wird in den meisten Schöpfungsmythen vorausgesetzt: Es ist! Jedoch darf es nicht mit dem modernen Begriff einer großen Unordnung interpretiert werden, eher als Urzustand vor der eigentlichen Schöpfung. Es ist das komprimierte Vermischte, kein Durcheinander, sondern es reflektiert, da das Seiende noch nicht in die Dinge aufgelöst worden ist, den Zustand der (Ur-)Getrenntheit vor dem ’Im Anfang‘ der Welt. Damit symbolisiert das Chaos das Prinzip einer uranfänglichen Formlosigkeit. Über seinen Ursprung wird - im Gegensatz zu den modernen wissenschaftlichen Theorien - ebenso wenig nachgedacht wie über die Geburt des Schöpfers oder Demiurgen. Wie aus dem Nichts taucht er aus dem Chaos auf. Ob z. B. von einem Ei oder einer Lotosblüte umschlossen ist dabei, außer in kultureller Sicht, nicht von Bedeutung. Wie das Chaos ist das in Erscheinung Treten des Weltschöpfers ein singuläres Ereignis. Wie kompliziert seine Geburt, die von ihm initiierte Schöpfung der Welt, des Menschen, der Tiere und Pflanzen auch verläuft, sie wird, nachdem die Vorstellung sich im Menschen verfestigt hat, weder hinterfragt noch in den wesentlichen Aspekten verändert. Nur über lange Zeiträume, durch Kontakte mit fremden Völkern und deren Schöpfungsmythen und/oder aufgrund von Naturbetrachtungen wandeln sich Mythen und Glaubensvorstellungen; das frühere Gedankengut wird nicht verworfen, sondern assimiliert.
Im Anfang - zumindest in den meisten Schöpfungsmythen - steht das Chaos. Es enthält bereits sämtliche Bausteine für die kommende Weltschöpfung und es bedarf im Grunde nur der Geburt des Schöpfers, um den Prozess in Gang zu setzen. Die Frage nach der Wiege Gottes (Spiritualität)7, wie sie in den Schöpfungsmythen und später in der Vorstellung der monotheistischen Religionen existiert, ist längst nicht so alt wie die Menschheit selbst. Sie kommt zum ersten Mal in der Phase der Entwicklung auf, als das ’Ich bin‘ heraufzudämmern beginnt. Doch welche ursächlichen Ereignisse zeichnen für die Entstehung des spirituellen Bewusstseins des Menschen mit seinen vielfältigen Naturgeistern, Göttergestalten etc., wie sie in den Schöpfungsmythen überliefert sind, verantwortlich? Das schauervolle Gefühl, welches das erwachende ’Ich bin‘ stets überflutet, wenn es der unbekannten, in vielerlei Hinsicht gefahrvollen Natur gegenüberstand, das auf früheren Instinkten, dem Wissen des Leibes, gründet und jetzt als bewusste Wahrnehmung8 zur Erscheinung gelangt. Erleben die Hominiden, die Vorfahren des Menschen (Spezies des Homo sapiens), diese ersten Regungen des Schauervollen als bewusst wahrgenommene Empfindungen9, als Unheimliches, das ihnen in seiner ganzen Fremdartigkeit entgegentritt? Wurde das ’Ich bin‘ in solchen Augenblicken von panischem Schrecken ergriffen, der seine Glieder lähmte, es zum Ausharren zwang? Und verknüpft sein erwachender Geist das Unbekannte, das so viel Macht über ihn besitzt, mit der ebenso intensiv erlebten bewussten Wahrnehmung seiner Empfindung? Wie ein gefährliches Raubtier muss dieses Erschrecken wie aus dem Nichts aufgetaucht sein, das anders war als die Bedrohungen der übermächtigen Natur und ihm ein solches Grauen einflößen konnte.
„Und die Furcht werde ich aussenden als deinen Wegführer, und ich werde die alle Volksstämme in Schrecken setzen, zu denen du hingehst. Und ich werde alle deine Widersacher zu Flüchtlingen machen. Und ich werde Hornissen vor euch hersenden [...].“10
Drückt sich darin die ursprünglich erlebte Empfindung aus, die heute der Kategorie des Numinosen zugeordnet wird? Aber genügt allein die Furcht, dieser Schrecken, der bis in das Herz hinein alles mit Grauen erfüllt, um als Urgrund dafür verantwortlich zu zeichnen? Z. B. das bekannte Gefühl des Beobachtetwerdens oder in dessen positiver Wendung des Nichtalleinseins? Welcher Aspekt im Wesen des Kosmos, in der Natur kann das erwachende ’Ich bin‘ auf diese machtvolle Weise beeinflussen, dass das Erlebnis, gleichermaßen wirkmächtig wie die Natur selbst, die Transformation des Erlebten ins Personale bedingt, sodass Fruchtbarkeit, Wachstum etc. von einem bisher unbekannten Wesenszug der Natur initiiert werden? Tritt diese namenlose Macht, dieses Unfassliche, in den später entstandenen mythologischen Beschreibungen der Weltentstehung als zeitlose Gottheit in Erscheinung, die den Kosmos und das in ihm enthaltene Seiende erschaffen hat? Woher stammt diese Gottheit? Existiert sie tatsächlich seit Anbeginn der Zeit - der Zeit des Chaos und verliert sich ihre Spur, ihre Geburt und Kindheit lediglich im Dunkel der Geschichte? Dazu M. Scheler (1874-1928):
„Der Mensch allein - sofern er Person ist - vermag sich über sich - als Lebewesen - emporzuschwingen und von einem Zentrum gleichsam jenseits der raumzeitlichen Welt aus alles, darunter auch sich selbst, zum Gegenstande seiner...
Erscheint lt. Verlag | 2.2.2021 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
ISBN-10 | 3-7534-8453-9 / 3753484539 |
ISBN-13 | 978-3-7534-8453-2 / 9783753484532 |
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