Geist & Leben 1/2021 (eBook)

Zeitschrift für christliche Spiritualität

Christoph Benke (Herausgeber)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
114 Seiten
Echter Verlag
978-3-429-06503-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Geist & Leben 1/2021 -  Verlag Echter
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Ein österlicher Vorausblick auf die Auferweckung des Lazarus von Sr. Margareta Gruber OSF eröffnet den neuen Jahrgang 2021. In diesem Heft werden uns unter 'Nachfolge' mit Beatrix von Nazareth und Maria Skobtsova von Rob Faesen SJ und Iuliu-Marius Morariu zwei im deutschen Sprachraum nicht allzu bekannte Heilige vorgestellt. Während Beatrix von Nazareth im 13. Jh. in Lüttich wirkte und zu den ersten gehörte, die in Europa mystische Schriften in ihrer Muttersprache verfasste, widmete die orthodoxe Nonne und Märtyrerin Maria Skobtsova ihr Leben dem mutigen Einsatz für verfolgte Jüdinnen und Juden im Paris des Zweiten Weltkrieges. Henri de Lubac setzte sich ebenso kritisch mit dem Naziregime und dessen menschenverachtender Ideologie, die für ihn mit dem christlichen Glauben unvereinbar war, auseinander. Zum Gedenken seines 125. Geburtstages widmet ihm Dominik Arenz einen Beitrag, der angesichts des gegenwärtigen Aufwinds rechtsextremer Bewegungen auch in unsere Zeit hineinspricht. Jürgen Henkel eröffnet die Rubrik 'Kirche', indem er den Leser(inne)n einen spannenden Einblick in die historischen wie aktuellen Kontexte orthodoxer Theologie und Spiritualität in Rumänien gewährt. Stefan Gärtner wiederum beleuchtet das noch kaum aufgearbeitete Problem physischer und psychischer Gewalt gegen Mädchen in Orden aus niederländischer Perspektive und weist darauf hin, dass Frauen als Täterinnen in der MHG-Studie nicht aufscheinen. Im Anschluss an den in GuL 3/2019 erschienenen Beitrag 'Charismatisierung der katholischen Kirche? Eine kleine theologische Bestandsaufnahme' von Christoph Amor wirft Anne Koch einen religionswissenschaftlichen Blick auf das Phänomen 'Neue Geistliche Bewegungen'. Schließlich rekonstruiert Eduard Geissler das historisch spannungsreiche Verhältnis von Jesuiten und Täufergemeinden in Tirol und würdigt wichtige Schritte im Versöhnungsprozess. In der 'Jungen Theologie' präsentiert Benedikt Collinet erste Erkenntnisse des an der Universität Innsbruck verorteten FWF-Forschungsprojekts 'Karl Rahner und die Bibel', das Rahners theoretischen wie praktischen Zugang zur Bibel anhand seines Gesamtwerkes untersucht. Die 'Reflexion' ist in diesem Heft ganz und gar von Lyrik durchdrungen: Während Paul Deselaers Gott als 'Wunder' im Werk Richard Exners und der Herausforderung des Dichtens 'nach Auschwitz' nachgeht, interpretieren Eckhart Nordhofen und Michael Mertes das Sonett 'An ein Götzenbild' Luis de Góngoras. Dabei zeigen sie interessante Parallelen zur nachexilischen biblischen Götzenkritik auf. Schlussendlich stellt Niklaus Kuster OFMCap die ersten 27 Bände der seit 2004 im Echter Verlag erscheinenden Buchreihe 'Franziskanische Akzente', die von Helmut Schlegel und Mirjam Schambeck herausgegeben wird, vor.

Christoph Benke, geb. 1956, Dr. theol., Priester der Erzdiözese Wien, in der Studentenseelsorge tätig.

Christoph Benke, geb. 1956, Dr. theol., Priester der Erzdiözese Wien, in der Studentenseelsorge tätig.

Dominik Arenz | Köln

geb. 1981, Dr. theol., Referent in der Schulabteilung des Erzbistums Köln

arenzdom@googlemail.com

Widerstand aus der Liebe

Zum 125. Geburtstag des Jesuitenpaters Henri de Lubac

Am 20. Februar 1896, vor 125 Jahren, wurde Henri Marie-Joseph Sonier de Lubac, der spätere Jesuitenpater, Theologieprofessor, Konzilsperitus und Kardinal, in Cambrai geboren. Am 4. September 1991, vor 30 Jahren, starb er in Paris. Dazwischen liegen 95 Jahre Theologie und Leben. Beides gehörte für de Lubac eng zusammen, wuchs er doch in einem Milieu auf – sowohl seitens des Elternhauses, als auch durch seine jesuitische Schulausbildung –, das von Katholizität und sozialer Verantwortung geprägt war. Und in dieser Einheit entwickelte er – reichlich inspiriert durch christliche Denker von den Kirchenvätern bis hin zu den Philosophien Maurice Blondels oder Gabriel Marcels – eine Theologie, die sich in der Zeit bewährt und zu Aufbrüchen der Theologie im 20. Jahrhundert geführt hat.

Glauben aus der Liebe – so übertitelte Hans Urs von Balthasar ab der zweiten Auflage seine Übersetzung des Erstlingswerks de Lubacs, Catholicisme, um den Impetus des Werks zwischen Glauben und sozialer Verantwortung ins Wort zu bringen. In Analogie sei dieser Beitrag mit Widerstand aus der Liebe überschrieben, weil der „geistliche Widerstand“ (résistance spirituelle) de Lubacs zur Zeit des Vichy-Regimes aus der Liebe zum Nächsten, zur Kirche und v.a. zu Christus erwächst. Als Erinnerung an die Person und das Wirken Henri de Lubacs soll im Folgenden dieser Widerstand aus der Liebe skizziert werden. Er ist beispielhaft für seine zugleich mystische, soziale und eschatologische Theologie, die alle Bereiche der menschlichen Existenz umgreift.

Ideologischer Ernstfall: Antisemitismus und Nationalsozialismus

Am 22. Juni 1940 unterzeichnet Frankreich bei Compiègne den Waffenstillstand mit Hitlerdeutschland. Maréchal Pétain handelte diesen Waffenstillstand aus, der den Franzosen die Teilung ihres Landes in eine von Deutschen besetzte Zone im Norden und eine unbesetzte Zone im Süden auferlegte. In der unbesetzten Zone, die sich von Vichy und Lyon bis zum Mittelmeer erstreckte, wurde er Regierungschef des so genannten État français und beendete damit die Dritte Republik Frankreichs. Das so genannte Vichy-Regime unter seiner Führung stand den Deutschen nahe, was sich z.B. an der Verschärfung antijüdischer Gesetze schon im Oktober 1940 und im Juni 1941 zeigte. Hier beginnt die Formierung des Widerstands.

Für Henri de Lubac und viele andere Jesuiten mit ihm, v.a. Pierre Chaillet, Gaston Fessard und Yves de Montcheuil, war die Zeit der Besatzung Frankreichs der existentielle und ideologische Ernstfall ihrer Verantwortung als Christen – existentiell, weil das Leben vieler Mitbürger(innen) sowie dann auch ihr eigenes verfolgt und bedroht war, ideologisch, weil der soziale und universelle Charakter der Theologie, die gottgegebene Würde jedes Menschen und das Band der Einheit zum Judentum fundamental in Frage gestellt wurden – zumal durch das Schweigen vieler Kirchenoberen (s.u.). Angesichts dieses Ernstfalls ging de Lubac mit anderen in Lyon, damals zugleich „Hauptstadt des Elends und der Hoffnung“1, in einen geistlichen Widerstand, der den politischen Widerstand nicht nur in der Unbesetzten Zone unterstützte.2 Er kulminierte zuerst im Brief de Lubacs an die Ordensoberen vom 25. April 1941 und ging kontinuierlich weiter, v.a. mit der Herausgabe und Verbreitung u.a. der Cahiers clandestins du Témoignage chrétien (ab November 1941). In den Schriften dieser Zeit beschäftigt sich de Lubac intensiv mit nichtchristlichen und atheistischen Denkern und scheut auch nicht die Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Theoriegebäude.3 Dabei markiert Henri de Lubac insbesondere drei Kriterien aus der christlichen Theologie, die den Einsatz für die verfolgten Juden und die Ablehnung des Nationalsozialismus zwingend erfordern: (1) die Einheit des Menschengeschlechts, (2) die Einheit der Hl. Schrift und somit die Untrennbarkeit von Christentum und Judentum sowie (3) die Berufung der Kirche in der Welt. Alle drei Aspekte sind zugleich Schwerpunkte der Theologie Henri de Lubacs, die er in Catholicisme (1938) und in seinen späteren Werken entfaltete.

Einheit des Menschengeschlechts: Das Mysterium des neuen Menschen

1938 veröffentlicht Henri de Lubac, damals Professor für Fundamentaltheologie an der Universität in Lyon, seine erste Monographie: Catholicisme über die sozialen Aspekte des Christentums und die Universalität der Kirche, die sie ja mit ihrer Bezeichnung als katholisch bereits im Namen trägt. Der erste Teil des Buches handelt von der christlichen Überzeugung, dass die Menschheit einen gleichen Ursprung und eine gleiche Bestimmung hat. Wie sich die ursprüngliche Einheit in Adam und der in der Schöpfungserzählung markierten Gottebenbildlichkeit jedes Menschen manifestiert, so ereignet sich in Jesus Christus als neuem Adam die Wiederherstellung und Vollendung dieser Einheit. Sie gebiert einen neuen Menschen – versöhnt mit dem Menschen und mit Gott: „Dieses Geheimnis des neuen Menschen ist recht eigentlich das Mysterium Christi“4, wie später auch die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils unterstreichen wird (vgl. GS 22). Der Gedanke der Einheit der Menschen ist grundgelegt im innersten Mysterium des Christentums, der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus.

Im Aufruf an seine Vorgesetzten vom 25. April 1941 diagnostiziert Henri de Lubac das „virus hitlérien“ in einer doppelten, zersetzenden Symptomatik, dem Antisemitismus (s.u.) und der Entwürdigung des Menschen als Person.5 Gegen den Nationalsozialismus, der aus Menschen „Termiten“ mache, die gleichförmig marschieren und nur ihre Arbeit im und für den Hügel verrichten, gelte es, eine menschliche Revolution (révolution humaine) zum Leben zu erwecken. Sie müsse das Wesen der menschlichen Person sowie ihre notwendigen Bande zu den anderen Menschen und zu Gott wieder ins Zentrum der Gesellschaft rücken.6 Denn das Wesen der menschlichen Person macht nach de Lubac gerade die Spannung aus zwischen der Würde des individuellen Personseins, das in der christlichen Tradition durch die Verankerung der Seele in Gott und die Gottebenbildlichkeit beschrieben wird, und der radikalen Verwiesenheit auf die menschliche Gemeinschaft (irdisch und eschatologisch) sowie auf die Gemeinschaft mit Gott, die der Heilige Geist weitend schafft.7

Seinen Aufruf zu einer menschlichen Revolution adressiert Henri de Lubac nicht nur an Christ(inn)en und Vertreter der Kirche, sondern auch an seine Mitbürger(innen) als Franzosen. Er appelliert an Frankreich als das Volk, das aus seiner Geschichte heraus dazu berufen sei, die großen Werte und Überzeugungen der Menschen in Europa und der Welt zu vertreten, zu verbreiten und aufrechtzuerhalten (wie einst die Pariser Universität das Denken). Von hierher versteht sich die programmatische Warnung der ersten Ausgabe der Cahiers: „Frankreich, gib Acht, deine Seele nicht zu verlieren!“ Der universale (europäische) Charakter Frankreichs, den de Lubac in seinen christlichen Wurzeln verortet, entspricht in gewisser Weise der Katholizität der Kirche8: Beide schöpfen aus der Überzeugung der Einheit der Menschen und tragen zur Wiederherstellung dieser Einheit auch über Nation, Konfession oder Religion hinaus bei. Für de Lubac ist hier ebenfalls die Logik der Inkarnation erkenntnisleitend: Was die Gemeinschaft der Menschen zusammenhält, ist nämlich, biblisch gesprochen, die Liebe (charité), die das Sein Gottes selbst ist (vgl. 1 Joh 4,16). M.a.W.: Gott selbst schafft und bildet die Einheit der Menschen untereinander und mit ihm selbst.

Einheit der Hl. Schrift: „Geistig betrachtet sind wir Semiten“

Seit Anfang der Christentumsgeschichte kommen Theorien auf, die eine klare Abgrenzung eines neutestamentlichen Gottes der Liebe und eines alttestamentlichen Gesetzes- oder Rache-Gottes propagieren. Damit einher geht bei Anhängern besagter Theorien eine Zurückweisung, ja ein Bruch mit dem Judentum als der Religion des Alten Bundes. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte diese Abgrenzung in Frankreich in der sogenannten Action française eine neue Qualität erreicht, als im Gefolge der Dreyfus-Affäre nationalistische und antisemitische Ideologien prominent verbreitet wurden. Auch in katholischen Kreisen hatte die Denkart der Action française Anhänger, bis Pius XI. klarstellte, dass sie unvereinbar sei mit dem christlichen Glauben. Nichtsdestoweniger war im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs der Boden für einen christlichen Bruch mit dem Judentum abermals gesät.

Solchen Theorien gegenüber betont de Lubac stets die Einheit der Hl. Schrift. Denn das Christentum verdankt dem Judentum den Glauben an einen personalen und transzendenten Gott sowie die universale Berufung als Volk Gottes (Abraham) und dessen Einsatz für die Gerechtigkeit Gottes (Propheten): „Was bliebe von unserem christlichen Glauben, wenn man daraus den Monotheismus, den Dekalog, die Universalität, den Glauben an die Ewigkeit risse?“9 Die Liebe wäre – so de Lubac – eben zu kurz gefasst, würde man sie einfach an die Stelle einer Gerechtigkeit setzen, von der das Alte Testament erzählt und die seine Propheten anmahnen. Mehr noch: Das jüdische Erbe umfasst letztlich bereits die drei Kerntugenden Glaube (der Glaube Abrahams, das Gesetz des Mose, die Geduld des Hiob), Hoffnung (durch die...

Erscheint lt. Verlag 20.1.2021
Verlagsort Würzburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Ignatianisch • jesuitisch • Kontemplation • Mystik • Orden • Spiritualität
ISBN-10 3-429-06503-8 / 3429065038
ISBN-13 978-3-429-06503-4 / 9783429065034
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 1,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Begleitung, Begegnung, Lebensdeutung im Horizont des christlichen …

von Michael Klessmann

eBook Download (2022)
Vandenhoeck & Ruprecht (Verlag)
40,00