Kronprinz Rupprecht und die königlich-bayerische Armee im Westfeldzug 1914 -  Stefan März

Kronprinz Rupprecht und die königlich-bayerische Armee im Westfeldzug 1914 (eBook)

Eine föderalistische Perspektive auf die militärischen Operationen der ersten Monate des Ersten Weltkriegs

(Autor)

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2021 | 2. Auflage
202 Seiten
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978-3-7534-3026-3 (ISBN)
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"Es sind [...] sehr schwere und ernste Zeiten, denen wir entgegengehen", verkündete Ludwig III. von Bayern am 31. Juli 1914. Kurz darauf verhängte er über das Königreich den Kriegszustand und ließ die Armee mobilisieren; unmittelbar, nachdem der Kaiser dies für das übrige Reichsgebiet getan hatte. Die bayerisch-föderalistische Perspektive auf die militärischen Operationen während des Sommers und Herbstes 1914 erlaubt differenzierte Einblicke in den deutschen Operationsplan und dessen Scheitern, aber auch in politisch-militärische Entscheidungsprozesse im Spannungsfeld von national- und bundesstaatlichen Interessen.

Stefan März, Dr. phil., geboren 1980, studierte an der LMU München und der Université Paris-Sorbonne Neuere und Neueste Geschichte und Politische Wissenschaft. Er arbeitet als Wissenschaftsmanager, Historiker und Autor.

1. EINLEITUNG


Fragestellungen und Methodik


Der Krieg von 1914 bis 1918 bedeutete eine gewaltige historische Zäsur und wurde in vielerlei Hinsicht für das 20. Jahrhundert prägend. Dementsprechend umfangreich ist auch die wissenschaftliche Literatur, die sich mit dem Ersten Weltkrieg und dessen Folgen auseinandersetzt. Gerade in jüngster Zeit wurde die Forschungslandschaft um zahlreiche neue Fragestellungen erweitert, was als Zeichen dafür gelten darf, dass dieser Konflikt nichts an seiner Bedeutung verloren hat und stetig unter neuen Gesichtspunkten analysiert werden kann. Die aktuellsten Diskussionen haben Aspekte der Vorkriegsgeschichte ans Tageslicht befördert, die auch für die Kriegszeit in hohem Maße relevant sind. Einer dieser Aspekte ist die deutsche Heterogenität.

Das Deutsche Reich war ein Verbund von fünfundzwanzig Einzelstaaten. Viele von diesen behielten im Reichsverbund zahlreiche Kennzeichen ihrer Souveränität, einschließlich ihrer Dynastien. Naturgemäß gab Preußen den Ton an, was sich allein in der Tatsache ausdrückt, dass der preußische König gleichzeitig Deutscher Kaiser, der preußische Ministerpräsident gleichzeitig Reichskanzler war.1

Und doch ist das Gewicht der nächstgrößeren Bundesstaaten nicht zu unterschätzen. Gerade das Königreich Bayern hatte eine weitreichende Autonomie innerhalb des Kaiserreichs inne und verfügte nicht zuletzt über ein eigenständiges Militär. Die bayerisch-preußische Zusammenarbeit war dabei auch auf militärischem Gebiet keinesfalls frei von Spannungen. Preußische Selbstgefälligkeiten und der wachsende Zentralismus boten den bayerischen Entscheidungsträgern bereits im Vorfeld des Ersten Weltkrieges Anlass zur Sorge. Diese Befürchtungen sollten sich bald bestätigen: Das Übergewicht Preußens gegenüber den Bundesstaaten machte sich ab 1915/16 in immer stärkerem Ausmaß bemerkbar.2 Die ersten Monate des Ersten Weltkriegs bieten einen Blick unter dem Brennglas auf die heterogenen Interessenlagen und die nie wirklich aufgelösten Konfliktlinien im Kaiserreich – zwischen föderaler Ordnung und zentralstaatlichen Tendenzen –, die seit dessen Gründung vier Jahrzehnte zuvor schwelten. Daher lohnt sich der differenzierte Blick aus einer dezidiert bayerisch-landespolitischen Perspektive, um zum Verständnis des deutschen Nationalstaates Neues zutage zu fördern.

Für das Jahr 1914 kann noch von einer – zumindest im formalen Sinn – weitreichenden Autonomie des bayerischen Militärs gesprochen werden. Die königlich-bayerische Armee führte ein autonomes Leben innerhalb des föderalen Bundesheers, war allerdings Teil desselben. Häufig hatte es jedoch den Anschein, als sei Bayern für die preußisch-deutsche Armeeführung nur ein leidiger Bundesgenosse statt eines Bundesstaates. Beispielsweise teilte der Chef des Generalstabs des Feldheeres Helmuth von Moltke3 dem bayerischen Kronprinzen Rupprecht4 im Frühjahr 1914 unverhohlen mit, dass die bayerische Armee im Kriegsfalle einen preußischen Generalstabschef zugeteilt bekäme, da das Reich auf den glücklichen Ausgang eines künftigen Konflikts großen Wert lege.5 Für bayerische Ohren mussten Äußerungen wie diese freilich klingen, als sei ihre Armee militärisch derart unbrauchbar, dass sie nur mit preußischer Hilfe ins Feld ziehen könne.6

Im Ernstfall musste dieses schwierige Verhältnis unweigerlich zu Problemen führen, was sich schon bald erweisen sollte. Bereits ein halbes Jahr nach Moltkes Äußerung brach der Erste Weltkrieg aus. Das königlich-bayerische Heer wurde zunächst als geschlossenes Kontingent unter dem Oberkommando des Generalobersten Kronprinz Rupprecht von Bayern7 im Rahmen des Moltke’schen Feldzugsplans in Elsass-Lothringen eingesetzt. Die weitreichende Autonomie, verbunden mit in ihrer Bedeutung oft unterschätzten, landsmannschaftlich bedingten Ressentiments innerhalb des Bundesheeres, hatte – so viel sei vorweggenommen – erheblichen Einfluss sowohl auf die Kriegsführung als auch auf die Kriegszielpolitik des Jahres 1914.

Aus der bayerischen Perspektive heraus sollen daher in der vorliegenden Studie die Kriegsereignisse während des Sommers und Herbstes 1914 nachgezeichnet werden. Kronprinz Rupprecht darf dabei als die zentrale Figur der ‚bayerischen Kriegsführung’ im Ersten Weltkrieg gelten. Einerseits verfügte er über ein politisches Gewicht, welches weit über seinen militärischen Rang hinaus reichte. Andererseits fiel ihm, als einem von sieben deutschen Armee-Oberbefehlshabern auf dem westlichen Kriegsschauplatz, eine Schlüsselrolle für die Operationen zu. Militärisches Denken beeinflusste in zunehmendem Maße das Handeln der politisch Verantwortlichen in fast allen beteiligten Nationen. Diese wurden infolgedessen im Bann ihrer eigenen Allianzen und Ententen gefangen.8

Thomas Kühne und Benjamin Ziemann weisen in ihrem Aufsatz „Militärgeschichte in der Erweiterung“9 auf einige fundamentale Erschwernisse und Notwendigkeiten im Hinblick auf eine zeitgemäße Bearbeitung von Militärgeschichte hin. Zunächst ist die Perspektivenvielfalt der Geschichtswissenschaft enorm. Die Suche nach einer Zentralperspektive der Militärgeschichtsschreibung gestaltet sich dabei als schwierig. Bereits der politik- und der sozialhistorische Ansatz der Militärgeschichtsschreibung divergieren teils massiv. Kultur- und geschlechtergeschichtliche Herangehensweisen scheinen eine Synthetisierung der Perspektiven auszuschließen.10

Für eine zeitgemäße Form der Operationsgeschichtsschreibung sei es notwendig, dass dabei nicht nur die politisch-herrschaftliche Dimension operativen Handelns beleuchtet werde, sondern darüber hinaus auf das darin enthaltene Maß an Gewaltbereitschaft und dessen Beziehung zu den Selbstbildern und den Handlungen der militärischen Führung hingewiesen werde.11 Dieser mehrere methodische Ansätze vereinende Anspruch an die Militärgeschichtsschreibung soll in der vorliegenden Studie dadurch Beachtung finden, dass Aspekte der Operations-, Politik-, Sozial-, Mentalitäts- und Erfahrungsgeschichte berücksichtigt werden.

Den zeitlichen und geografischen Rahmen dieser Forschungsarbeit steckt der Zeitraum von August bis November 1914 an der Westfront ab. Diesem Zeitabschnitt kommt deshalb besondere Bedeutung zu, da nur während des Bewegungskrieges die fundamentalen Militärstrategien gelingen oder scheitern konnten. Nur zu diesem Zeitpunkt hatten die Armeeführer die Möglichkeit zum freien operativen Handeln. Der sich im November 1914 verfestigende Stellungskrieg beendete jegliche Operationsfreiheit oberhalb der taktischen Ebene. Mit dem Scheitern der deutschen Militärstrategie löste sich auch die Aussicht auf ein rasches Kriegsende auf. Der Abschied von dieser Erwartung macht den möglicherweise entscheidenden Moment des Ersten Weltkrieges aus.12

Die Vor- bzw. Entstehungsgeschichte des Ersten Weltkriegs sind kein Gegenstand dieser Studie, da das Königreich Bayern in dieser keine nennenswerte Rolle spielte. Die Kriegsschuldfrage wird daher außer Acht gelassen. Ebenso wurden das bayerische „Augusterlebnis“, die bayerische „Heimatfront“ oder die bayerische Innenpolitik nicht detailliert eingebunden.13 Die Ereignisse an der Ostfront und auf hoher See im Jahr 1914 werden nicht berücksichtigt, da sich dort keine bayerischen Truppen im Kampf befanden. Der Fokus dieser Untersuchung liegt auf der 6. Armee, die Operationen der übrigen deutschen Armeen werden nur am Rande behandelt. Auch auf die Kriegsgegner kann nur oberflächlich eingegangen werden, ebenso auf den weiteren Verlauf des Ersten Weltkriegs.

Forschungsstand


Eine Darstellung der Rolle der bayerischen Armee und deren Führung im Kriegsjahr 1914, welche militär- und politikgeschichtliche, sozial- und alltagsgeschichtliche sowie mentalitätsgeschichtliche Aspekte vereint, existiert bis zum heutigen Tage nicht. Vor einigen Jahren erschien eine Biografie über Konrad Krafft von Dellmensingen von Thomas Müller,14 in welcher vor allem der Lothringer Feldzug der 6. Armee im August und September 1914 noch einmal gründlich beleuchtet wurde. Methodisch bedingte Beeinträchtigungen dieser ansonsten ausgezeichneten Persönlichkeitsskizze sind die starke Fokussierung auf Krafft sowie auf die Operationsgeschichte.

Sozial- und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen wurden, ebenso wie der bayerisch-preußische Antagonismus, nur am Rand behandelt. Ebenso auf die Operationsgeschichte der ersten sechs Kriegswochen fixiert ist die eindringliche Darstellung der Kämpfe in Lothringen und den Vogesen von Dieter Storz, der dabei weit mehr als Müller auf die bayerisch-preußischen Friktionen eingeht.15 Daneben ist die Biografie Falkenhayns von Holger Afflerbach zu erwähnen, die gerade im Hinblick auf den zweiten Teil des Feldzugs von September bis November 1914...

Erscheint lt. Verlag 16.2.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
ISBN-10 3-7534-3026-9 / 3753430269
ISBN-13 978-3-7534-3026-3 / 9783753430263
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