Philosophie mal einfach (für Einsteiger, Anfänger und Studierende) (eBook)

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2020 | 1. Auflage
256 Seiten
Anaconda Verlag
978-3-641-27633-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Philosophie mal einfach (für Einsteiger, Anfänger und Studierende) -  Alain Stephen
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Philosophen aller Epochen von der Antike bis ins 21. Jahrhundert haben immer wieder, wenn auch oft unter ganz anderen Voraussetzungen oder mit anderen Zielen, über dieselben grundlegenden Dinge nachgedacht. Über das Glück und über die Liebe, über Ethik und Moral, über Politik und Religion, über Sprache und Wissenschaft. Alain Stephen verfolgt in diesem Buch, welche Theorien und Argumente dabei jeweils von Bedeutung waren, und erzählt anhand dieser Themen eine Geschichte der Philosophie, die zum Mit- und Weiterdenken wie geschaffen ist. Ein Buch für alle, die den großen Fragen des Lebens ein Stück näherkommen möchten.

2. Kapitel


Die Szenerie – wenn ich Sie bitten darf, mir zu folgen – hatte sich verändert. Das Laub fiel noch immer, aber jetzt in London, nicht mehr in Oxbridge. Und ich möchte Sie bitten, sich einen Raum vorzustellen, einen wie viele tausend andere, mit einem Fenster, durch das man über die Hüte, Karren und Automobile der Leute hinweg auf andere Fenster blickt, und in dem auf einem Tisch ein Blatt Papier liegt, auf das jemand noch nichts weiter geschrieben hat als: FRAUEN UND LITERATUR. Die unvermeidbare Fortsetzung zu Mittag- und Abendessen in Oxbridge schien, unglücklicherweise, ein Besuch im Britischen Museum zu sein. Ich musste das Persönliche, das Zufällige herausfiltern, um so die reine Flüssigkeit, das ätherische Öl der Wahrheit zu erlangen. Schließlich hatte der Besuch in Oxbridge, hatten das Mittag- und das Abendessen einen Schwarm von Fragen aufgescheucht. Warum tranken Männer Wein und Frauen Wasser? Warum war das eine Geschlecht so wohlhabend und das andere so arm? Wie wirkt sich Armut auf Literatur aus? Welche Voraussetzungen müssen für künstlerisches Schaffen gegeben sein? – Diese und tausend Fragen mehr drängten sich auf. Aber ich brauchte keine Fragen, sondern Antworten, und die konnte ich nur bekommen, indem ich die Gelehrten und Unvoreingenommenen befragte, jene, die sich allem Ringen um Worte, allen Irrpfaden des Körperlichen enthoben hatten und deren Forschungsergebnisse und Schlussfolgerungen in die Bücher im Britischen Museum geflossen waren. Wenn die Wahrheit nicht in den Regalen des Britischen Museums zu finden ist, wo, so fragte ich mich, während ich zu Notizbuch und Bleistift griff, sollte sie sonst zu finden sein?

Derart ausgerüstet machte ich mich wissbegierig und zuversichtlich auf den Weg zur Wahrheit. Das Wetter, wenngleich nicht nass, war trübe, und die Straßen um das Museum voller offener Kohlenschächte, in die es aus den Säcken nur so hineinregnete. Wo vierrädrige Droschken zum Stehen kamen, wurden verschnürte Kartons mit vermutlich der gesamten Garderobe einer nach Reichtum, Zuflucht oder einem anderen, im Winter in Bloomsburys Gästehäusern erhältlichen Gut strebenden Familie aus der Schweiz oder aus Italien auf den Bürgersteig entladen. Gemüsekarren rumpelten auf und ab, deren Inhalt mit chronisch heiseren Stimmen – hier singend, dort rufend – feilgeboten wurde. London glich einer Werkstatt, einer Maschine, in der wir alle unserem Zweck folgend vor und zurück schnellten. Das Britische Museum war eine weitere Abteilung der Fabrik. Die Schwingtüren schwangen auf und schon stand man dort unter der riesigen Kuppel wie ein Gedanke hinter der glänzenden, mit einem Band ruhmreicher Namen so prächtig geschmückten Stirn. Ich schritt zum Titelverzeichnis, nahm mir einen Zettel, blätterte im entsprechenden Band die entsprechende Seite auf und ….. Die fünf Punkte markieren fünf Minuten voll Unglaube, Entsetzen und Sprachlosigkeit. Haben Sie auch nur die geringste Vorstellung, wie viele Bücher über Frauen innerhalb eines Jahres geschrieben werden? Und wie viele davon von Männern? Ist Ihnen bewusst, dass Sie das womöglich meistuntersuchte Tier der Welt sind? Hier stand ich mit meinem Bleistift und hatte erwartet, vielleicht einen halben oder ganzen Vormittag der Lektüre zu widmen, um sodann mit der Wahrheit in meinem Notizbuch wieder nach Hause gehen zu können. Doch ich müsste eine Herde Elefanten, ein Nest voll Spinnen sein, dachte ich, weil ich in meiner Verzweiflung auf jene Tiere kam, die das längste Leben respektive die meisten Augen haben. Ich bräuchte Krallen aus Stahl und einen Schnabel aus Messing, um auch nur die Schale der Wahrheit zu durchdringen. Wie sollte ich in dieser Unmenge Papier je an ihre Samen gelangen? So fragte ich mich und ließ den Blick erschüttert die endlose Titelliste hinauf- und hinabwandern. Schon die Namen der Bücher versetzten mich ins Grübeln. Selbstverständlich fand ich über das Geschlecht und seine Natur viele Werke von Medizinern und Biologen, doch dieses Geschlecht – das weibliche, wohlgemerkt – interessierte erstaunlicher-, ja, nahezu unerklärlicherweise auch geschickte Essayisten, langfingrige Romanciers, junge Herren mit einem Abschluss als Magister Artium und Herren ganz ohne Abschluss, deren einzige Qualifikation darin zu bestehen schien, dass sie keine Frauen waren. Manche dieser Bücher waren offensichtlich leichte Lektüre scherzhafter Natur, viele andere hingegen ernst, prophetisch, mahnend, moralisch wertvoll. Allein beim Lesen der Titel sah ich zahllose Schulmeister an ihre Pulte treten, zahllose Kleriker ihre Kanzeln erklimmen und hörte sie mit einer die übliche Stunde Vortragsdauer großzügig ignorierenden Redseligkeit über dieses eine Thema schwadronieren. Ein höchst sonderbares Phänomen. Eines, das sich – hier schlug ich unter »M« nach – auf das männliche Geschlecht beschränkte. Frauen schreiben keine Bücher über Männer – ein Umstand, den ich mit Erleichterung begrüßte, denn wenn ich nach allem, was Männer über Frauen schreiben, auch noch alles lesen müsste, was Frauen über Männer schreiben, dann wäre die einmal in hundert Jahren blühende Agave zweimal erblüht, bevor ich den Stift aufs Papier setzen könnte. Aufs Geratewohl wählte ich nun aber etwa ein Dutzend Titel aus, legte meinen Zettel in den Drahtkorb und wartete an meinem Platz zwischen all den anderen Suchenden auf mein ätherisches Öl der Wahrheit.

Was war bloß der Grund für dieses merkwürdige Ungleichgewicht, so fragte ich mich, während ich Wagenräder auf Zettel malte, die der britische Steuerzahler für andere Zwecke bereitgestellt hatte. Warum waren Frauen diesem Titelverzeichnis nach zu urteilen so viel interessanter für Männer als Männer für Frauen? Sehr, sehr merkwürdig, dachte ich, und meine Gedanken wanderten zu diesen Männern, die ihre Zeit dem Schreiben über Frauen widmeten. Und ob diese Männer nun alt waren oder jung, verheiratet oder ledig, rotnasig oder bucklig – man fühlte sich als Objekt all dieser Aufmerksamkeit doch irgendwie geschmeichelt. Etwas in der Art träumte ich vor mich hin, bis sich eine wahre Lawine aus Büchern, meine Titelauswahl, vor mir auf den Tisch ergoss. Das konnte ja heiter werden. Wer an der Oxbridge Recherchieren gelernt hat, der weiß, wie man seine Frage an jeglichen Ablenkungen vorbei bis zu ihrer Antwort dirigiert wie ein Schäfchen in seinen Pferch. So förderte zum Beispiel der Student neben mir, der emsig aus einem wissenschaftlichen Handbuch abschrieb, alle zehn Minuten oder noch öfter einen fetten Klumpen reinster Wahrheit zutage, da war ich mir ob seiner zufriedenen Grunzer fast sicher. Wer jedoch unglücklicherweise keine universitäre Ausbildung genossen hat, dem läuft die Frage nicht gleich einem braven Schäfchen schnurstracks in den Pferch, sondern dem springt sie wie eine von wilden Hunden aufgescheuchte Herde in wildem Chaos bald hierhin bald dorthin. Professoren, Schulmeister, Soziologen, Kleriker, Romanciers, Essayisten, Journalisten und Männer, deren einzige Qualifikation darin bestand, dass sie keine Frauen waren, jagten meine eine kleine Frage – Warum sind manche Frauen arm? – so lange umher, bis aus ihr fünfzig Fragen wurden, die sich in blinder Panik kopfüber in den Fluss stürzten und von der reißenden Strömung außer Sicht getragen wurden. Bald hatte ich jede Seite meines Notizbuchs vollgekritzelt. Um Ihnen zu zeigen, wie es um mich stand, will ich Ihnen ein Stück daraus vorlesen. Oben auf der Seite prangte schlicht und einfach FRAUEN UND ARMUT, aber dann folgte etwas wie:

im Mittelalter

auf Fidschi

verehrt als Göttinnen von

schwächere Moral von

Idealismus von

größere Gewissenhaftigkeit von

Südseeinselbewohnerinnen, Pubertätseintritt von

Attraktivität von

als Menschenopfer für

geringe Hirngröße von

tiefergehendes Unterbewusstsein von

schwächere Körperbehaarung von

mentale, moralische und physische Unterlegenheit von

Mutterliebe von

höhere Lebenserwartung von

kleinere Muskeln von

Intensität der Zuneigung von

Eitelkeit von

Bildungsgrad von

Shakespeares Meinung über

Lord Birkenheads Meinung über

Dean Inges Meinung über

La Bruyères Meinung über

Dr. Johnsons Meinung über

Mr Oscar Brownings Meinung über

An dieser Stelle holte ich Luft und fügte noch am Rand hinzu: Warum schreibt Samuel Butler »Weise Männer sagen nie, was sie über Frauen denken«? Weise Männer sagen doch ganz offenbar den lieben Tag lang nichts anderes. Aber vor allem, so dachte ich weiter, während ich mich in meinem Stuhl zurücklehnte und zu der riesigen Kuppel emporblickte, in der ich ein Gedanke war und zwar mittlerweile ein nicht unerheblich getriebener, vor allem denken weise Männer leider nie das Gleiche über Frauen. Nehmen wir Pope: »Die meisten Frauen haben gar keine Persönlichkeit.« Oder Bruyère: »Frauen sind extrem, entweder besser oder schlechter als Männer.« – Hier widersprachen sich zwei scharfe Beobachter, die doch Zeitgenossen waren. Weiter: Sind Frauen zu höherer Bildung imstande? Laut Napoleon nicht. Laut Dr. Johnson sehr wohl.* Haben sie eine Seele? Einige Urvölker sagen nein. Andere hingegen halten sie für teils göttlich und verehren sie daher.** Manche Gelehrte betrachten Frauen als oberflächlich im Geiste, andere attestieren ihnen ein besonders tiefes Bewusstsein. Von Goethe wurden Frauen geehrt, von Mussolini verachtet. Wo man hinsah, dachten Männer über Frauen und immer etwas anderes. Man wurde einfach nicht klug daraus, so beschloss ich, und schielte neidisch nach nebenan, wo die säuberlichsten...

Erscheint lt. Verlag 21.12.2020
Übersetzer Hubert Mania
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Allgemeines / Lexika
Schlagworte Aristotelismus • eBooks • Egalitarismus • Einführung • Grundlagen • Philosophie • Philosophie für Einsteiger • Philosophie to go • Theorien • Übersicht • Westliche Philosophie
ISBN-10 3-641-27633-0 / 3641276330
ISBN-13 978-3-641-27633-1 / 9783641276331
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