Dem Zwang die rote Karte zeigen (eBook)
143 Seiten
BALANCE Buch + Medien Verlag
978-3-86739-245-7 (ISBN)
PD Dr. Susanne Fricke arbeitet als Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie) und Supervisorin in eigener Praxis und ist seit vielen Jahren auf die Behandlung von Zwangserkrankungen spezialisiert. Sie ist Autorin und Mitautorin von zahlreichen Büchern und Artikeln zu Zwangsstörungen.
2Hilfe suchen und finden
Wenn man sich die Vertreibung des Zwangsmonsters allein nicht zutraut, so kann man Hilfe suchen und finden, z. B. in Form von Psychotherapie und Medikamenten.
Grundsätzlich gibt es verschiedene Arten von Psychotherapie, z. B. die Verhaltenstherapie, tiefenpsychologische Therapie, Gesprächstherapie. Bei Zwangserkrankungen ist Verhaltenstherapie zu empfehlen, deswegen stellen wir diese im Folgenden näher vor. Zahlreiche Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass Verhaltenstherapie vielen zwangskranken Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen geholfen hat, den Einflussbereich des Zwangsmonsters zu verkleinern oder es sogar ganz zu vertreiben. Für die anderen Arten von Psychotherapie gibt es diese Nachweise nicht. Die Menschen, die Psychotherapie anbieten, nennen sich logischerweise Psychotherapeuten. Psychotherapeutin oder Psychotherapeut für Kinder und Jugendliche wird man, wenn man nacheinander verschiedene Ausbildungen gemacht hat: erst Schule, dann ein Studium und danach die spezielle Ausbildung zur Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutin.
Zusätzlich kann es sinnvoll sein, Medikamente zu nehmen. Es gibt verschiedene zur Auswahl, deren gute Wirkung bei Zwängen in vielen Untersuchungen nachgewiesen wurde. Diese Medikamente bekommt man nicht einfach so in der Apotheke, sondern sie müssen von einer Ärztin oder einem Arzt verschrieben werden. Das kann zum Beispiel ein Kinderarzt sein (ganz genau heißt das: Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin) oder eine Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Beide Fachärzte haben nach dem Studium noch eine spezielle Weiterbildung gemacht und kennen sich daher gut aus.
Außerdem unterscheiden sich die Therapiemöglichkeiten noch nach der Intensität und dem Ort, an dem man die Therapie bekommt. Wenn die Zwänge nicht so stark sind und man im Alltag insgesamt trotz Zwängen ganz gut klarkommt, reicht es, wenn man für seine Verhaltenstherapie einmal die Woche zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten geht (man nennt das auch ambulante Verhaltenstherapie). Ebenso kann man ambulant zum Facharzt gehen und dort alles zu den Medikamenten besprechen. Manchmal kann es aber sein, dass jemand mehr Therapie und Unterstützung braucht, weil er wegen der Zwänge vieles nicht mehr machen kann, z. B. in die Schule gehen, Freunde treffen. Dann kann man auch in eine Klinik gehen, wo man mehrere Wochen bleibt, da auch schläft und zur Schule geht. Oder man geht in eine Tagesklinik. Dort hält man sich wie in der Schule den ganzen Tag auf und lernt, wie man den Zwang vertreiben kann. Am späten Nachmittag geht man dann nach Hause. Manchmal muss man dann auch noch »Hausaufgaben« machen, d. h. üben, was man in der Tagesklinik gelernt hat.
In diesem Kapitel wollen wir die verschiedenen Therapiemöglichkeiten genauer erklären. Wir beginnen mit der ambulanten Verhaltenstherapie, wenn man also ein- bis zweimal die Woche zur Therapeutin oder zum Therapeuten in eine Praxis geht, und beschreiben danach, wie eine Therapie im Krankenhaus aussieht. Dann erklären wir Dir die wichtigsten Medikamente und zum Schluss fassen wir das Wichtigste noch einmal zusammen.
2.1Zur Therapie gehen: ambulante Verhaltenstherapie
In der Verhaltenstherapie lernst Du verschiedene Methoden, die Du gegen Dein Zwangsmonster einsetzen kannst. Welche das genau sind und wie man sie anwendet, beschreiben wir im nächsten Kapitel. Viele kannst Du gut selbst und mit Unterstützung Deiner Familie anwenden. Gar nicht selten reicht das aus, um das Zwangsmonster zu vertreiben, wenn es sich noch nicht so ausgebreitet hat. Wenn Du aber denkst, dass Du lieber eine Fachperson an Deiner Seite haben möchtest, die Dich im Kampf gegen das Monster unterstützt, so kann es eine gute Idee sein, zur Verhaltenstherapeutin zu gehen. Wenn Du Dir nicht sicher bist, ob so eine Therapie das Richtige für Dich ist, so besprich das doch mit Deinen Eltern oder frag Deine Kinderärztin oder Deinen Kinderarzt, die Dich auch beraten können.
Wenn der Entschluss steht, eine ambulante Therapie zu machen, ist der nächste Schritt, einen oder mehrere Therapeuten ausfindig zu machen, die infrage kommen. Meistens kümmern sich die Eltern darum.
Liebe Eltern,
haben Sie sich auch schon gefragt, wer eigentlich der richtige Ansprechpartner für die Probleme Ihres Kindes ist? Es gibt so viele Berufsgruppen mit unterschiedlichen Bezeichnungen und Ausbildungen, dass man als Ratsuchender manchmal ganz verzweifelt ist. Nebenbei bemerkt, auch für Fachleute ist es nicht immer ganz einfach, da den Durchblick zu behalten. Wir möchten versuchen, ein paar einfache Richtlinien für die Hilfesuche zu geben, die Ihnen die Orientierung erleichtern.
Für eine Psychotherapie braucht Ihr Kind eine Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Wenn Ihr Kind schon 16 Jahre oder älter ist, kann es auch zu einer Psychologischen Psychotherapeutin gehen. Psychologische Psychotherapeuten haben eine Psychotherapieausbildung für Erwachsene gemacht und können ihre Kenntnisse auf Jugendliche übertragen. Da es viele Anbieter mit ähnlichen Berufsbezeichnungen, aber unterschiedlichen Ausbildungen gibt, sollten Sie nach der Approbation fragen bzw. ob eine Abrechnung über die gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungen möglich ist. Wenn eine Approbation vorliegt, können Sie sicher sein, dass eine solide Ausbildung mit einer Prüfung abgeschlossen wurde. Das ist nämlich für die Kassen Voraussetzung, damit sie die Kosten der Therapie übernehmen. Unbedingt empfehlenswert ist aus unserer Sicht eine Ausbildung in Verhaltenstherapie, denn nur für Verhaltenstherapie ist die Wirkung bei Zwangsstörungen nachgewiesen.
Wenn möglich, sollte Ihr Kind zu einem Therapeuten oder einer Therapeutin mit Erfahrung in der Behandlung von Zwangserkrankungen gehen. Wichtig ist es auch, dass der Therapeut oder die Therapeutin mit Ihrem Kind bei Bedarf Übungen gegen die Zwänge macht (Expositionsübungen), am besten auch außerhalb der Praxis, wenn es nötig ist. Das kann man alles im Vorfeld abklären, sogar schon bei der ersten Kontaktaufnahme per Mail oder Telefon. Wichtigste Voraussetzung für ein Gelingen der Therapie ist jedoch, dass »die Chemie stimmt«. Wenn Ihr Kind sich nicht wohlfühlt oder sich nicht gut aufgehoben fühlt, dann ist es besser, noch weiter zu suchen.
Adressen von Therapeuten können Sie zum Beispiel über den Kinderarzt, über das Internet, Ihre Krankenkasse oder das Telefonbuch erhalten. Eine gute Adresse ist auch die Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen e. V. (DGZ) bzw. für die Schweiz die Schweizerische Gesellschaft für Zwangsstörungen (SGZ), die zahlreiche Adressen von Therapeuten haben, die sich mit der Behandlung von Zwangsstörungen auskennen (Adressen siehe Seite 124). Leider müssen Sie bei den meisten Therapeuten mit einer längeren Wartezeit rechnen.
Nach unseren Erfahrungen sind es meistens die Eltern, die Therapeuten anrufen oder eine E-Mail schreiben, um einen Termin zum Kennenlernen auszumachen. Bei Jugendlichen ist es auch öfter so, dass sie selbst anrufen oder eine E-Mail schreiben. Für Therapeuten ist beides in Ordnung. Ab 16 Jahren darfst Du auch ohne Wissen bzw. Zustimmung Deiner Eltern zum Psychotherapeuten gehen.
Die Therapie beginnt mit dem Erstgespräch, zu dem Du dann allein, mit einem oder beiden Elternteilen gehst. Erst mal geht es darum, sich kennenzulernen und zu sehen, ob Du Dir eine Therapie bei diesem Therapeuten vorstellen kannst. Gleichzeitig kann sich der Therapeut einen Eindruck verschaffen, ob er Dir gut helfen kann.
CHRISTIAN, 16Vor dem ersten Gespräch war ich total aufgeregt. Ich hatte Angst, dass die Therapeutin mich nicht ernst nimmt. Gleichzeitig war ich sehr froh, endlich Hilfe zu bekommen. Das Gespräch lief super. Die Therapeutin fand ich gleich sympathisch. Sie war so nett und man merkte sofort, dass sie viel Ahnung von Zwängen hat. Ich wusste gleich, dass ich hier richtig bin. Sie fragte mich, wann und wie oft ich mir die Hände wasche und was meine Befürchtungen sind. Außerdem erzählte sie mir, welche Zwänge andere Kinder haben, und wollte wissen, ob ich die von mir auch kenne. Es hat total gutgetan zu hören, dass es anscheinend viele Menschen mit Zwängen gibt. Dann wollte sie noch mehr über mich und meine Familie erfahren und was wir in der Freizeit gerne machen und ob ich eine Freundin hätte usw. Am Ende hat die Therapeutin uns noch erzählt, wie so eine Behandlung aussieht. x
BEN, 15Bei mir lief es nicht ganz so glatt. Das erste Gespräch war bei einer Therapeutin, die ich irgendwie nicht mochte. Sie kam mir so streng vor. Sie kannte sich zwar mit Zwängen gut aus, aber während des ganzen Gesprächs hat sie kein einziges Mal gelächelt! Meine Mutter war dabei und fand die Therapeutin ganz okay. Aber als ich ihr sagte, dass ich mich bei ihr nicht so wohlgefühlt habe, meinte sie gleich: »Dann suchen wir weiter, du sollst dich bei ihr gut aufgehoben fühlen, nicht ich.« Das nächste Gespräch bei einer anderen Therapeutin war zum Glück ganz anders. Sie hat mich gleich bei der Begrüßung so nett angelächelt, das war schon mal viel besser. Ich konnte mir gleich vorstellen, eine Therapie bei ihr zu machen. Sie erklärte aber, dass ich mich nicht gleich entscheiden muss und wir insgesamt fünf Kennenlernsitzungen haben. Nach der fünften Sitzung hat sie mich noch mal gefragt, ob ich mit ihr zusammen die Therapie machen will. Ich habe dann...
Erscheint lt. Verlag | 9.11.2020 |
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Reihe/Serie | BALANCE ratgeber | BALANCE ratgeber |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Kinder- und Jugendpsychiatrie • Kinder- und Jugendpsychotherapie • Zwang • Zwangserkrankung • Zwangsstörung |
ISBN-10 | 3-86739-245-5 / 3867392455 |
ISBN-13 | 978-3-86739-245-7 / 9783867392457 |
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Größe: 4,2 MB
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