Die Habsburger (eBook)

Aufstieg und Fall einer Weltmacht

(Autor)

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2021 | 1. Auflage
624 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00879-3 (ISBN)

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Die Habsburger -  Martyn Rady
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Eine Dynastie wie die Habsburger hat es in der Geschichte nicht noch einmal gegeben. Aus einer kleinen Grafenfamilie im Südwesten Deutschlands wurde ein Herrschergeschlecht, das die römisch-deutsche Kaiserwürde eroberte und sich gleichzeitig ein eigenes Imperium entlang der Donau aufbaute. Mehr noch: Das Reich der Habsburger erstreckte sich zeitweilig über mehrere Kontinente, in ihm ging tatsächlich die Sonne nicht unter, wie die Zeitgenossen bewundernd sagten. Martyn Rady fasst diese große Geschichte in eine große Erzählung, die die Herrschergestalten ebenso betrachtet wie die Grundzüge der europäischen Geschichte. Der Machtkampf im Mittelalter zwischen den Fürsten und dem Kaiser, die Glaubensauseinandersetzungen zwischen Reformation und Gegenreformation, die Bewegung der Aufklärung und der Nationalismus: Immer sind die Habsburger an entscheidender Stelle beteiligt. Das gilt dann auch für die letzte Phase, das 19. Jahrhundert bis zum «Großen Krieg», der das Ende der Habsburger brachte. Den ewigen Kaiser Franz Joseph, seine schöne Kaiserin Sisi, den bunten Vielvölkerstaat der k. u. k. Monarchie meint jeder zu kennen, sind sie doch zur Vorlage für unzählige Romane und Filme geworden. Rady zeigt, dass die Wirklichkeit eine andere war - und keineswegs weniger spannend.

Martyn Rady, geboren 1955, ist Professor für Mitteleuropäische Geschichte am University College London und Inhaber des dortigen Masaryk-Lehrstuhls. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Südosteuropas und die Herrschaft Habsburgs. Darüber hinaus trat er als Übersetzer und Herausgeber mittelalterlicher Texte hervor. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Martyn Rady, geboren 1955, ist Professor für Mitteleuropäische Geschichte am University College London und Inhaber des dortigen Masaryk-Lehrstuhls. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Geschichte Südosteuropas und die Herrschaft Habsburgs. Darüber hinaus trat er als Übersetzer und Herausgeber mittelalterlicher Texte hervor. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Einleitung Eine kaiserliche Bibliothek


Die Hofburg, das Winterpalais der Habsburger, ist heute die wichtigste Touristenattraktion Wiens. Pferdekutschen (Fiaker, wie die Wiener die Kutschen für die Touristen nennen) bringen Besucher durch die Torbögen und die schmalen Straßen der benachbarten Altstadt. Durch enge Gassen drängen sich die Massen und behindern unbekümmert den Verkehr, sobald sie die weißen Nasenspitzen der Lipizzanerpferde in ihren Stallungen erspäht haben. Mit Ausnahme des im 19. Jahrhundert erbauten Michaelertrakts ist das Äußere des Palastes eher unscheinbar. Er besteht aus mehreren Innenhöfen, die ineinander übergehen und in denen heute Autos parken. Die sie umgebenden Fassaden sind durchweg in einem gemäßigten Barockstil gehalten.

Die heutige Hofburg ist in gutem Zustand, während auf Fotos und Dias aus der Zeit vor 1918, als weite Teile des Palastes eine Baustelle waren, herabgefallene Stücke des Mauerwerks, Risse in den Wänden und zerbrochene Fenster zu sehen sind. In langen Phasen ihrer Geschichte war die Hofburg eine Baustelle, denn verschiedene Kaiser fügten nacheinander neue Flügel hinzu, ließen dabei abreißen, was im Wege stand, und ersetzten Holz durch Stein. Bis ins späte 17. Jahrhundert war die Hofburg sogar Bestandteil der Stadtbefestigung; sie lag direkt hinter einer der Stadtmauern mit ihren Bastionen. Mit der Belagerung von 1683 unternahm das Osmanische Reich einen letzten Versuch, die Stadt zu erobern. Nach der Niederlage der Türken waren die Habsburger Kaiser dann endlich in der Lage, aus der Hofburg ein prächtiges Palais, einen zeremoniellen Ort zu machen – im Unterschied zu einer befestigten Residenz.

Im Herzen der Hofburg liegt die Alte Burg aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Bei den Erweiterungen des späten 17. und 18. Jahrhunderts wurde sie weitgehend überbaut, sodass heute kaum noch Spuren der alten Architektur zu sehen sind. Die Alte Burg war ein massiver Steinbau, fünfzig Meter im Quadrat, mit vier Ecktürmen, die hohe Giebeldächer und Dachschmuck aufwiesen. Trotz ihrer Größe war das Innere der Alten Burg düster. Französische Besucher beklagten, der Burghof sei nicht einmal groß genug, um mit einer Kutsche vorzufahren und zu wenden. Auch die engen Räumlichkeiten, die muffigen Treppenhäuser und fehlenden Wandteppiche wurden kritisiert. Aber die Alte Burg war gar nicht dazu gedacht, durch Luxus und bequeme Gästezimmer zu beeindrucken. Sie sollte Stadt und Land zu Respekt und Ehrfurcht animieren und eine Botschaft der Macht aussenden.

Die Alte Burg wurde zum ersten Emblem der Habsburger, deren Dynastie in Mitteleuropa wurzelte. Österreich war ihr Herzland. Darüber hinaus herrschten die Habsburger im 16. und 17. Jahrhundert auch in Spanien und in dessen Besitzungen in den Niederlanden, Italien und der Neuen Welt. Damals wurde die Architektur der Alten Burg, obwohl militärisch inzwischen obsolet, in den großen Schlössern kopiert, welche die Habsburger in Spanien neu errichten oder restaurieren ließen – etwa in Toledo und Madrid. Selbst nach Amerika wurde dieses Design exportiert. In Mexiko fungierte das viertürmige Blockhaus als Machtsymbol der ersten königlichen Statthalter – weniger wichtige Leute hatten sich mit zwei Türmen zu begnügen. Auch im Heiligen Römischen Reich, in dem die Habsburger als Kaiser herrschten und dessen Ausdehnung damals ungefähr dem Gebiet der heutigen Staaten Österreich, Deutschland und Tschechien entsprach, bauten sich ehrgeizige Fürsten Burgen mit vier Türmen, um auf diese Weise ihr Prestige zu steigern.

Die Habsburger waren die ersten Herrscher, deren Macht die ganze Welt umspannte; diese Größe erreichten sie durch Glück und Gewalt. Im 16. Jahrhundert war die viertürmige Burg Ausdruck ihrer physischen Herrschaft in Teilen Europas und – durch die Nachahmung in Übersee – zugleich Beleg für ihre Ambitionen auf die Weltherrschaft. Trotzdem war die Burg nur eines von vielen Symbolen, die die Habsburger nutzten. Denn sie sahen in ihrer Macht sowohl ein Zeichen ihrer Prädestination als auch einen Bestandteil der göttlichen Weltordnung. Dafür war eine subtilere Symbolik erforderlich als eine Stein gewordene Machtdrohung.

Zum Umbau der Hofburg im frühen 18. Jahrhundert, bei dem die Gestalt der Alten Burg schließlich vom Horizont verschwand, gehörte auch der Trakt der Hofbibliothek. Davor war die kaiserliche Bibliothek in einem Wiener Minoritenkloster, in einem eher privaten Flügel des Palastes sowie in einem Holzbau im Schatten der Alten Burg (auf dem heutigen Josefsplatz) untergebracht gewesen. Die Bibliothekare beklagten sich über Feuchtigkeit, Staub von der Straße, unzulängliche Lichtverhältnisse und die Brandgefahr. Doch erst in der langen Regierungszeit Karls VI. (1711 bis 1740) erhielt die kaiserliche Bibliothek in einem neu errichteten Palastflügel eine permanente Bleibe unmittelbar südlich der Alten Burg.

Der neue Bibliothekstrakt, in den 1720er Jahren errichtet, ist bis heute weitgehend unverändert geblieben, genau so, wie Kaiser Karl VI. ihn sich vorstellte. Im sogenannten Prunksaal, einem fünfundsiebzig Meter langen Hallenbau, wurden rund zweihunderttausend Bücher und Manuskriptbände in Regalen aufgestellt. Damals umfassten die Bestände Werke zur Theologie, zu Kirchengeschichte, Rechtswissenschaft, Philosophie, Naturwissenschaften und Mathematik sowie Folianten in griechischer, lateinischer, syrischer, armenischer und koptischer Sprache. Karl gewährte Gelehrten Zutritt zu seiner Bibliothek, aber sie mussten zuvor eine Erlaubnis beantragen, und die Öffnungszeiten waren auf die Vormittagsstunden begrenzt. Im Gegenzug für diese unübliche, großzügige Geste besteuerte Karl die Zeitungen. Diese Steuer sollte ursprünglich nur vorübergehend gelten, um die Baukosten der Bibliothek zu decken, doch sie blieb dauerhaft – vorgeblich, um Neuanschaffungen zu finanzieren. Die Drucker wurden darüber hinaus verpflichtet, der Bibliothek ein Freiexemplar jedes von ihnen gedruckten Buches zu übergeben. Weil viele Wiener Drucker auch mit Pornographie handelten, trachtete man oft danach, diese Bestimmung zu umgehen.

Mitten im Prunksaal steht eine lebensgroße Marmorstatue Karls VI. als Herkules der Musen, und das gewölbte Deckenfresko stellt die Apotheose des Kaisers, seine Erhebung in den Himmel dar. Es feiert seine Taten mit allegorischen Figuren. Anders als im Falle George Washingtons, dessen Apotheose das Kuppelfresko des Kapitols in Washington, D.C., zeigt, starrt uns hier kein Porträt Kaiser Karls von oben an. Schließlich lebte Karl VI. noch, als das Gemälde entstand. Er hatte den himmlischen Glorienschein also noch nicht errungen. Stattdessen erwartet ihn in der Mitte des Gemäldes eine schwebende Figur mit einem Lorbeerkranz in der Hand. Diese Darstellung lässt keinen Zweifel daran, dass Karl am Ende seines irdischen Lebens in den Kreis der Engel aufgenommen werden und unter ihnen auf den Wolken sitzen wird.

Am Boden des ovalen Saales ist die Marmorstatue Karls VI. seitlich von sechzehn Statuen umgeben, die Habsburger Kaiser, Könige und Erzherzöge darstellen. Die Reihe beginnt mit Herzog Rudolf III. aus dem 13. Jahrhundert und endet mit König Karl II. von Spanien, der 1700 starb. Weil neue Marmorstatuen eine teure Angelegenheit waren, wurden die meisten Figuren aus anderen Teilen der Hofburg zusammengetragen, auch aus den Gärten. Im Lauf der Zeit nahm man Ergänzungen vor oder tauschte Statuen gegen solche aus anderen Kaiserpalästen aus. Der erste Historiker der Hofbibliothek hatte an der ursprünglichen Auswahl durchaus etwas auszusetzen, denn seiner Meinung nach hatten zu wenige der sechzehn Herrscher ernsthaftes Interesse an Bildung und Wissenschaft erkennen lassen. Sein Konzept war klar: Eine Bibliothek sollte mit Büchern und Gelehrsamkeit zu tun haben. Doch dies war ja eine Hofbibliothek mit etwas anderen Zielsetzungen: Es sollten Aussagen über die Habsburger und deren Stellung im göttlichen Weltenplan getroffen werden.

Die gesamte Ausstattung und auch die Dekoration der Bibliothek, die Decken- und Wandgemälde sowie die Möbel, geben Kunde von der Größe Habsburgs und der endlosen Macht dieses Herrscherhauses. So sind auch die unter der Zentralkuppel positionierten vier großen Erd- und Himmelskugeln Metaphern für die Reichweite der habsburgischen Ambitionen. Jedes Bücherregal wird von Doppelsäulen flankiert, wie überhaupt das Motiv der Doppelsäulen in der gesamten Bauweise der Bibliothek sichtbar wird, am deutlichsten in jenen aus Marmor und Gold an beiden Enden der Halle, aber auch an der Außenfassade des Gebäudes. Sie stehen für die mythischen Säulen des Herkules am westlichen Ende der (antiken) Welt und für das Habsburger Motto «Plus ultra» («Immer weiter») – also für eine Herrschaft, die keine physisch-geographischen Grenzen kannte. An der Decke, im Fresko der Apotheose, tragen drei klassische Göttinnen ein Spruchband mit den Buchstaben AEIOU. Als Akrostichon können diese Zeichen für vieles stehen; entsprechend gibt es mehr als dreihundert verschiedene Lösungsvorschläge von Gelehrten, was mit dieser Buchstabenkombination gemeint sein könnte, die Kaiser Friedrich III. Mitte des 15. Jahrhunderts erstmals verwandte. All diese Lösungsvorschläge indes beziehen sich auf die majestätische Größe der österreichischen...

Erscheint lt. Verlag 21.4.2021
Übersetzer Henning Thies
Zusatzinfo Zahlr. s/w Abb.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Deutscher Bund • Deutschland • Franz Joseph • Habsburg • k. u. k • Kurfürsten • Monarchie • Österreich • Römisch-deutsche Kaiser • Sissi • Ungarn
ISBN-10 3-644-00879-5 / 3644008795
ISBN-13 978-3-644-00879-3 / 9783644008793
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