Glaube, Hoffnung, Liebe (eBook)

Erträge der Theologie für Menschen heute
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2021
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-27345-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Glaube, Hoffnung, Liebe - Henning Theißen
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Glaube als Geisteshaltung
Was bringt der Glaube? Henning Theißen fragt nach dem Ertrag religiöser Orientierung für Menschen heute. Kann Glaube helfen, wenn man die ökologische Krise und den gesellschaftlichen Zusammenhalt als zentrale Lebensprobleme empfindet? Ausgehend vom Gottesbegriff und der trinitarischen Rede vom Vater, Sohn und Geist zeigt der Autor, wie christliches Denken Antworten auf Gegenwartsfragen bietet und bringt dabei die Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe neu ins Gespräch.
  • Was nützt der Glaube?
  • Inspirierende Antworten auf die Frage nach dem Wert religiöser Orientierung
  • Eine kompakte Darstellung der Inhalte des christlichen Glaubens


Dr. theol. Henning Theißen, geb. 1974, ist evangelischer Pastor, Heisenbergstipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft und Verwaltungsprofessor für Systematische Theologie an der Leuphana Universität Lüneburg. 2012 erhielt er den Hanns-Lilje-Preis der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.

1.2 Der kosmologische Gottesbeweis in Zeiten der ökologischen Krise

Wie wir sahen, hat der ontologische Gottesbeweis im Zeitalter religiöser Indifferenz vorwiegend kritische Funktion, doch er kann sie nur wahrnehmen, wenn er sich auf das Alltags- und Allerweltsverständnis von Gott einlässt. Dieses Einlassen dürfte freilich von religiös indifferenten Zeitgenossen kaum als Zuwendung verstanden werden, wenn es bei der kritischen Funktion des Beweises bliebe. Dem ontologischen Gottesbeweis ist deshalb der kosmologische Beweis mit seiner vorrangig konstruktiven Aufgabe an die Seite zu stellen.

Konstruktiv ist der kosmologische Beweis, indem er in der Natur beobachtbare Gesetzmäßigkeiten aufdeckt, die als zuverlässige und vertrauenswürdige Orientierung gelten können, weil sie, so die typische Schlussfolgerung, das Werk eines göttlichen Schöpfers sind. Diese Argumentation macht sich zunutze, dass religiöser Glaube oder Vertrauen allgemein ein weit überwiegend unausdrücklicher Akt ist und nur bei gravierender Verletzung der vertrauenswürdigen Orientierung eine bewusste Entscheidung für den Glauben oder das Vertrauen verlangt.6 Gerade diese schwerwiegenden Ausnahmen schwächen Glauben und Vertrauen aber nicht, sondern stärken sie. (Hier besteht eine Analogie zu gegenwärtigen Fassungen des ontologischen Beweises, der angesichts der um sich greifenden religiösen Indifferenz nichts an Schlagkraft einbüßt.)

Je schwerer eine Gesetzmäßigkeit verletzt ist, desto kritischer wird vorher abzuwägen sein, ob sie dennoch weiterhin Orientierung gewährt, und desto geringer wird das Risiko, dass das in sie gesetzte Vertrauen enttäuscht wird. Ein Beispiel: Zwar wird mein mit jeder Flugreise verbundenes, unbewusstes Vertrauen, dass der Pilot die Maschine nicht unter Drogeneinfluss oder in suizidaler Absicht steuert, erschüttert, wenn er schon volltrunken die Gangway hinaufstolpert; doch kann ich mich in diesem Fall bewusst gegen die Mitreise entscheiden und kann so vermeiden, dass Schlimmeres hinterherkommt. Viel verheerender für Glauben und Vertrauen wäre die minimale oder unerkannte Verletzung von Gesetzmäßigkeiten, die noch keine bewusste Vertrauensentscheidung hervorruft und so die Gläubigen hinterher mit voller Wucht, weil unvorbereitet trifft.

Dies kommt jedoch beim kosmologischen Beweis angesichts der Größenordnung der von ihm beobachteten Gesetzmäßigkeiten nicht in Betracht. Sie sind so umfassend – traditionell betreffen sie die Bewegung der Himmelskörper –, dass eine eventuelle Verletzung nicht unentdeckt bleiben kann. Die Aufdeckung vertrauenswürdiger Orientierungen kann allerdings, wenn deren Verletzung schon entdeckt ist, nicht mehr das Ziel des Beweises sein. Er richtet sich dann vielmehr auf bessere Orientierungen. Diese Modifikation des Beweisziels ist wichtig für den kosmologischen Gottesbeweis, da er nur dank ihrer auf verschiedenste Weltbilder anwendbar ist. Das zeigt schon der Blick auf die antiken Wurzeln des kosmologischen Beweises bei Aristoteles.7

Aristoteles (384–322 v. Chr.) begriff Gott als den ersten, unbewegten Beweger aller Himmelsmechanik und folgte mit seinem Beweis dem ptolemäischen Weltbild mit der vom Menschen beherrschten, übrigens korrekterweise als Kugel vorgestellten Erde im Zentrum der zahlreichen Sphären (griech. sphaíra = Kugel), auf denen die Himmelskörper ihre Bahnen ziehen. In diesem Weltbild bezeichnet der Begriff Gottes als des unbewegten Bewegers nichts anderes als die äußerste Himmelssphäre, die das Ganze des Kosmos in seiner Bewegung umfasst. Einen Raum hinter der letzten Himmelssphäre, wo nach dem kopernikanischen Weltbild das leere Weltall gähnen müsste, kennt Aristoteles nicht. Raum ist bei ihm als »die Grenze des Umgebenden« (griech. to péras tou periéchontos) definiert und bezeichnet gleichsam die Außenhaut der räumlichen Gegenstände.

Diese für das neuzeitliche Weltbild seit Isaac Newton (1643–1727) befremdliche Auffassung vom Raum als Eigenschaft räumlicher Körper richtet sich bei Aristoteles gegen das sog. atomistische Weltbild des Demokrit (ca. 460–370 v. Chr.) und seiner Nachfolger. Für die Atomisten war die beobachtbare Welt in Wahrheit zusammengesetzt aus unvorstellbar kleinen, nicht weiter teilbaren Einheiten (Atomen), die sich im Leeren bewegen, und sie stellten sich deshalb die Bewegung der Himmelskörper – den Paradefall aller antiken Naturbeobachtung – so vor, wie man im frühen 20. Jahrhundert bei Erfindung des Films der Fotografie das Laufen beibrachte, nämlich zusammengesetzt aus unzählig vielen einzelnen Standbildern. Diese Vorstellung ließ schon Zeitgenossen ungläubig fragen, ob denn ein fliegender Pfeil in jedem Einzelmoment seiner Bewegung in Wahrheit stillstehe, und so konnte Aristoteles die atomistische Vorstellung relativ leicht mit dem Holismus des ptolemäischen Weltbildes erledigen, doch nur um den Preis einer kategorischen Leugnung des von den Atomisten verfochtenen leeren Raumes (sog. horror vacui). Deshalb rehabilitierte der experimentelle Nachweis des Vakuums, der erst in der Neuzeit durch Otto von Guerickes Magdeburger Halbkugeln (1657) gelang, in gewisser Weise auch die Bewegungsvorstellung zumindest der jüngeren Atomisten, die auf den aristotelischen Gottesbeweis hatten reagieren können. Insbesondere Epikur (342–271 v. Chr.) führte eine Generation nach Aristoteles die kosmische Bewegung unter bewusstem Verzicht auf die Hypothese »Gott« auf einen anfänglichen Zufallsfaktor in der Ordnung der Atome zurück.

Dieser kleine Ausflug in die Geschichte der antiken Physik und Naturphilosophie verdeutlicht mit der Gegenüberstellung von Aristoteles und Epikur die Divergenz der Weltbilder, auf die sich der kosmologische Gottesbeweis beziehen lassen muss. Noch heute wird die Frage, ob am Anfang des Universums Gott oder der Zufall steht, gern als die grundlegende Weichenstellung der Kosmologie ausgegeben. Sie ist jedoch eine Scheinalternative. Was Epikur seinerzeit als Zufall (griech. týche) bezeichnete, war schon damals kein strikter Gegenentwurf zu Gott, sondern kommt dem nahe, was Verfechter wie Verächter des kosmologischen Gottesbeweises heute als Emergenz bezeichnen. Auch ohne tieferen Einstieg in die Emergenztheorie sollten wir uns klarmachen, was sie für den kosmologischen Gottesbeweis leistet, indem sie aufzeigt, dass auch ein schlüssiger Gottesbeweis eine gewisse Zufälligkeit Gottes nicht ausschließt.8 Denn auch ein bewiesener Gott kann da am Werk sein, wo man nicht mit ihm rechnet.

Wie schon erwähnt, gelten für den kosmologischen Beweis generell die Gesetzmäßigkeiten der Natur als Hinweis auf Gottes Schöpfertum. Unter dem Stichwort des Intelligent Design ist daraus eine eigene Unterform des Gottesbeweises geworden, für den die inhärente Zweckmäßigkeit oder Schönheit der Evolution nur bei Annahme eines göttlichen Schöpfers erklärt werden kann. Allerdings lässt sich nie mit Bestimmtheit sagen, ab welchem Punkt diese Annahme zwingend wird: Ist es schon die Existenz staatenbildender Insekten oder erst die statistisch so unwahrscheinliche Evolution des Menschen aus dem Labyrinth der Artengeschichte? Man kann sich die Naturbeobachtung des kosmologischen Beweises wie eine Gesichtsfeldmessung beim Augenarzt vorstellen, bei der die Probandin mit Sicherheit weiß, dass in ihrem Gesichtsfeld ein Lichtimpuls auftauchen wird, aber nicht, wo.

M. a. W.: Bloßes Intelligent Design verfehlt die hinreichende Bedingung des angestrebten Gottesbeweises und bleibt bei den notwendigen stehen. Ohne eine gewisse Wohlordnung der Natur kann von einem Schöpfergott nicht im Ernst die Rede sein. Doch wie weit muss diese Ordnung reichen, damit begründet von einem Schöpfergott gesprochen werden kann? Genügt es, wenn die Menschen die Erde ihren eigenen Ordnungsvorstellungen unterwerfen, wie es dem ptolemäischen Weltbild des Aristoteles entsprach, aber auch im Christentum unter Berufung auf die biblische Schöpfungserzählung (sog. dominium terrae: »Seid fruchtbar und mehret euch und machet euch die Erde untertan«, 1. Mose 1,28) jahrhundertelang befolgt wurde? Die gegenwärtige ökologische Krise, also z. B. das erdgeschichtlich beispiellose Artensterben im Anthropozän und der menschengemachte Klimawandel (um nur zwei Beispiele zu nennen), melden höchst dringende Einwände gegen diese Auffassung an, die lange als christlicher Schöpfungsauftrag galt, aber doch vor allem auf Fortbestand und Prosperität der menschlichen Art unter Missachtung breiter Ökosysteme gerichtet war. Wenn aber aus diesen Einwänden folgen sollte, dass erst die Verwirklichung eines universellen Schöpfungsfriedens, wie ihn die Bibel in der Vision der gemeinsamen Weide für Löwe und Schaf beschreibt (Jesaja 11,6 f.), als Wohlordnung der Natur bezeichnet werden darf, dann gibt es bis zum Jüngsten Tag keinen kosmologischen Gottesbeweis – und dann wird ihn niemand mehr brauchen.

Man sieht an diesen Überlegungen, dass der kosmologische Gottesbeweis nicht in der Form des Intelligent Design geführt werden kann. Das Beweisziel wäre falsch gesteckt. Intelligent Design sucht Argumente, die die Wohlordnung der Natur als Werk eines göttlichen Schöpfers erklären. Die Wohlordnung ist hierbei die Voraussetzung, die jeder durch Naturbeobachtung mitvollziehen kann (= notwendige Bedingung), der Schöpfergott hingegen das Ziel des Beweises, das den Glauben an Gott von anderen Welterklärungen unterscheidet (= hinreichende Bedingung). Die Einwände aufgrund der ökologischen Krise entlarven diese argumentative Konstellation als...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte eBooks • Einführung Christentum • Glaubensbekenntnis • Heiliger Geist • Inhalte des Glaubens • Jesus Christus • Katechismus • Trinität • Trinitätslehre • Wozu Glauben
ISBN-10 3-641-27345-5 / 3641273455
ISBN-13 978-3-641-27345-3 / 9783641273453
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