Schwarz. Weiß. Denken! (eBook)

Warum wir ticken, wie wir ticken, und wie uns die Evolution manipulierbar macht

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
432 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43785-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schwarz. Weiß. Denken! -  Kevin Dutton
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Warum digitale Medien und Populismus unser Steinzeithirn triggern und wie wir dieser Falle entkommen können. Unsere Gehirne sind darauf geprägt, schwarz und weiß zu denken, zu sortieren und zu kategorisieren. Bedingt ist das evolutionär. Flucht oder Kampf, Leben oder Tod: Die meisten Entscheidungen unserer Urahnen waren binär geprägt. Entwicklungspychologisch ist das längst überholt. Doch in der Welt von Social Media hat binäres Denken Konjunktur: Daumen rauf und Daumen runter. Der Oxforder Forschungspsychologe Kevin Dutton legt die evolutionären und kognitionspsychologischen Grundlagen unseres Denkens dar und zeigt, wie wir den Grautönen wieder zu ihrem Recht verhelfen können. Dieses Buch ist ein Weckruf in Zeiten zunehmender Intoleranz und zeigt zugleich den Weg aus der Krise. Kevin Dutton ist sich sicher: Wir können unsere evolutionäre Programmierung überwinden, wenn wir uns unserer Anlagen bewusst werden und sie verstehen. Und dann können wir künftig auch weit nuanciertere und viel bessere Entscheidungen treffen. Smart Thinking, unterhaltsam dargeboten: mit zahlreichen Beispielen aus dem Alltag und Experimenten, anschaulich und appellativ, eine beeindruckende Synthese aus Kognitionswissenschaften, Evolutionswissenschaft und der Psychologie des Überzeugens.

Kevin Dutton,geboren 1967 in London, ist promovierter Psychologe, er forscht an der University of Oxford und ist Mitglied der British Psychological Society. Er veröffentlicht regelmäßig in führenden internationalen Wissenschaftsmagazinen und spricht weltweit bei Konferenzen. Seine Bücher >Gedankenflüsterer< und >Psychopathen< sind internationale Bestseller.

Kevin Dutton,geboren 1967 in London, ist promovierter Psychologe, er forscht an der University of Oxford und ist Mitglied der British Psychological Society. Er veröffentlicht regelmäßig in führenden internationalen Wissenschaftsmagazinen und spricht weltweit bei Konferenzen. Seine Bücher ›Gedankenflüsterer‹ und ›Psychopathen‹ sind internationale Bestseller.

1 | Der Kategorisierungsinstinkt


Fortschritt ist die Fähigkeit des Menschen, Einfaches kompliziert zu machen.

THOR HEYERDAHL

Als Lynn Kimsey an einem milden Sommermorgen des Jahres 2003 zur Arbeit kam, hatte sie keine Ahnung, dass die Ereignisse des Tages die nächsten vier Jahre ihres Lebens in die unheimliche, verschlungene Nebenhandlung eines makabren Psychothrillers verwandeln würden. Am Abend fuhr sie vorbereitet, instruiert und im Dienste des Generalstaatsanwaltes als leibhaftig gewordene Version von Dr. Pilcher, dem schielenden Insektenspezialisten aus dem Film Das Schweigen der Lämmer, über die Autobahn nach Hause.

Früher im Jahr, am Morgen des 6. Juli, einem Sonntag, hatte eine Frau namens Joanie Harper zusammen mit ihren drei Kindern und ihrer Mutter, Earnestine Harper, in Bakersfield, Kalifornien, einen Gemeindegottesdienst besucht. Es war ein großer Tag für die Familie: der erste Kirchenbesuch von Joanies jüngstem Kind, dem sechs Wochen alten Marshall. Nach dem Gottesdienst aß die Familie in einem einfachen Restaurant im Ort zu Mittag und fuhr dann nach Hause, um ein Nachmittagsschläfchen zu halten. Joanie und ihre Kinder schliefen im hinteren Schlafzimmer, ihre Mutter in einem Schlafzimmer am anderen Ende des Hauses. Anschließend wollten sie zum Abendgottesdienst zur Kirche zurückkehren.

Das war jedenfalls der Plan gewesen. Doch niemand sah die Harpers an jenem Abend beim Gottesdienst.

Am Dienstagmorgen beschloss Kelsey Spann, eine Freundin der Familie, nach Joanie, ihrer Mutter und den Kindern zu sehen. Sie waren weder am Sonntagabend in der Kirche erschienen, noch hatte irgendjemand sie seit Sonntag gesehen oder etwas von ihnen gehört. Und sie gingen nicht ans Telefon. Vielleicht stimmte etwas nicht.

Kelsey ging zu einer Seitentür, um mit einem Schlüssel, den Joanie ihr zur Aufbewahrung gegeben hatte, das Haus zu betreten. Doch die Tür gab nicht nach. Der Schlüssel drehte sich im Schloss, aber auf der anderen Seite schien sich etwas zu befinden, was die Tür daran hinderte, sich zu öffnen. Kelsey begab sich zur Rückseite des Hauses und versuchte, die Glasschiebetür zu öffnen – was ihr zu ihrer Überraschung gelang. Das war äußerst seltsam. Joanie vergewisserte sich immer, dass die Tür verschlossen war. Kelsey betrat das Haus und lief zu Joanies Schlafzimmer.

An jenem Dienstagmorgen ging um 7 Uhr morgens bei der Polizei in Bakersfield ein Notruf ein. Er kam von der 3rd Street 901. Joanies Adresse. Die Szene, die sie bei ihrer Ankunft erwartete, schockierte selbst die erfahrensten Polizeibeamten.

Joanie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett. Sie war mit einer Pistole Kaliber .22 dreimal in den Kopf und zweimal in den Arm geschossen worden. Sie wies auch sieben Messerstiche auf.

Auch der vier Jahre alte Marques Harper lag auf dem Bett, die Augen weit geöffnet. Er hatte eine Schusswunde an der rechten Seite des Kopfes und die Fingerspitzen seiner rechten Hand waren bis auf die Knochen durchgebissen. Die Ermittler folgerten, dass hierfür eine Angstreaktion verantwortlich war. Marques musste den Mörder gesehen und instinktiv die Finger in den Mund gesteckt haben.

Die erst zweijährige Lyndsey Harper wurde am Fußende des Bettes gefunden. Sie trug noch ihr kleines blaues Kleid, das sie in der Kirche angehabt hatte. Sie war durch einen Schuss in den Rücken getötet worden.

Earnestine, Joanies Mutter, wurde im Hausflur gefunden, mit zwei klaffenden Einschusslöchern im Gesicht. Sie war aus nächster Nähe erschossen worden. Neben ihr lag eine Pistole. Wer immer der Eindringling gewesen sein mochte, Earnestine hatte eindeutig vorgehabt, sich nicht kampflos zu ergeben.

Schließlich wurde Marshall, Joanies sechs Wochen alter Sohn, den man anfänglich für verschwunden hielt, neben seiner Mutter, unter einem Kissen verborgen, gefunden. Wie seine Schwester Lindsey war auch er von einem Schuss in den Rücken getötet worden.

Die Mordermittlungen der Polizei nahmen schnell an Fahrt auf, und es dauerte nicht lange, bis sich ein Hauptverdächtiger herauskristallisierte. Der 41-jährige Vincent Brothers, Joanie Harpers Noch-Ehemann, zählte zu den Säulen der Bakersfielder Gemeinde. Der Familienvater hatte an der Norfolk State University seinen Bachelor-Abschluss und an der California State University seinen Master in Erziehungswissenschaften gemacht. 1987 trat er eine Lehrerstelle an einer örtlichen Grundschule an, in der er sich im Lauf von acht Jahren zum Konrektor hocharbeitete.

Doch Brothers hatte eine dunkle Seite. Obwohl Joanie ihn zweifellos geliebt und nach Kräften versucht hatte, dafür zu sorgen, dass die Beziehung zwischen ihnen harmonisch verlief, hatte das Paar sich immer wieder getrennt, so auch im Jahr 2000, kaum einen Monat nach der Hochzeit. Doch später im Jahr war Lindsey, das zweite Kind des Paares, zur Welt gekommen. So wie bei Marques, dem ersten Kind, das Joanie ein paar Jahre früher zur Welt gebracht hatte, war Brothers bei der Geburt nicht dabei. 2001 wurde die Ehe annulliert. Brothers hatte unüberbrückbare Differenzen angeführt, Joanie Betrug. Angeblich hatte sie zum Zeitpunkt der Eheschließung nichts von Brothers’ vorherigen beiden Ehefrauen gewusst.

Dieses Wissen hätte ihr rückblickend das Leben retten können. 1988 war Brothers wegen Misshandlung seiner ersten Frau zu sechs Tagen Gefängnis verurteilt und anschließend unter Bewährung gestellt worden. 1992 hatte er erneut geheiratet. Doch seine zweite Frau hatte schon im darauffolgenden Jahr die Scheidung eingereicht, weil Brothers, wie sie behauptete, gewalttätig sei und gedroht habe, sie umzubringen. 1996 hatte Brothers dann eine weibliche Angestellte der Schule, in der er im Jahr zuvor Konrektor geworden war, bei sich zu Hause sexuell belästigt. Laut Akten des Verwaltungsbezirks hatte die Frau behauptet, Brothers habe sie in sein Schlafzimmer gezerrt, sie geschlagen und Fotos von ihr gemacht. Obwohl sie den Vorfall den örtlichen Behörden gemeldet hatte, riet die Polizei ihr davon ab, Strafanzeige zu erstatten, weil Brothers als »Vorbild in der Gemeinde« gelte.

Im Januar 2003 hatten Joanie und Brothers in Las Vegas zum zweiten Mal geheiratet. Doch im April war Brothers wegen Spannungen zwischen ihm und Joanies Mutter erneut aus dem Haus ausgezogen. Im Mai kam dann Marshall zur Welt. Sechs Wochen später war er tot. Als der Prozess im Februar 2007 schließlich medienwirksam eröffnet wurde, argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass es sich hier um eine Beziehung handele, die nachweislich unstet gewesen sei, und um einen Mann, der nicht nur gewalttätig, sondern auch ein Ehebrecher sei. Tatsächlich bildete Brothers’ angebliche Serie außerehelicher Beziehungen den Kern der Anklage der Staatsanwaltschaft. Das Hauptmotiv für die Morde, so hieß es, sei Habgier. Brothers habe sich von der Last befreien wollen, seine wachsende Familie ernähren zu müssen.

Brothers war im April 2004 festgenommen und des fünffachen vorsätzlichen Mordes angeklagt worden. Während des Prozesses erklärte er sich für nicht schuldig.

Brothers’ Alibi gründete sich auf geografische Fakten. Laut der Verteidigung hatte er zum Zeitpunkt der Morde Urlaub und befand sich rund 2000 Meilen entfernt in Columbus, Ohio, bei seinem Bruder Melvin, den er, nebenbei bemerkt, zehn Jahre lang nicht gesehen hatte. Als Beweis dienten ein Mietwagenvertrag – für einen Dodge Neon, der später von Kriminalbeamten beschlagnahmt wurde – und ein paar Kreditkartenquittungen für Artikel, die am Tag der Morde in einem Geschäft in North Carolina gekauft worden waren. Tatsächlich hatte die Polizei damals Brothers’ Spur bis zum Haus seiner Mutter in North Carolina verfolgt, um ihm die Nachricht von den entsetzlichen Morden zu überbringen.

Doch nach und nach wurde Licht in die Sache gebracht. Eine genauere Untersuchung der Kreditkartenquittungen sowie die Analyse der Bilder der Überwachungskamera des Geschäfts zeigten, dass Melvin zum besagten Zeitpunkt die Einkäufe getätigt hatte, und zwar mit der Kreditkarte seines Bruders, dessen Unterschrift er gefälscht hatte.

Außerdem bestätigte eine nähere Untersuchung des Mietwagens, dass Brothers den Dodge zwar tatsächlich in Ohio gemietet hatte, aber auch mehr als 5400 Meilen damit gefahren war. So unwahrscheinlich es unter normalen Umständen auch war, eine solche Strecke in drei Tagen zu bewältigen, konnte Brothers angesichts dieser hohen Meilenzahl jedoch durchaus nach Bakersfield und wieder...

Erscheint lt. Verlag 23.4.2021
Übersetzer Ursula Pesch
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte binär • Brexit • Daniel Kahneman • Daniel Kahnemann • Denken • denken lernen • Einseitigkeit • Entscheidungen • Entscheidungen treffen • Evolution • Evolutionsbiologie • Factfuless • Frames • Framing • Gehirn • Gesellschaft • Intoleranz • Kognitionspsychologie • Kommunikation • Neurowissenchaften • Neurowissenschaften • Polarität • Populäres Sachbuch • Populismus • Programmierung • Sachbuch Neuerscheinung 2020 • Sachbuch Neuerscheinung 2021 • Schwarz-weiß-Denken • smart thinking • Social Media • Spiegel Bestseller Autor • Steven Pinker • Trump • Vorurteile • Vourteile
ISBN-10 3-423-43785-5 / 3423437855
ISBN-13 978-3-423-43785-1 / 9783423437851
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