Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie (eBook)

[Was bedeutet das alles?]

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
123 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961760-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Was bedeutet das alles? Eine ganz kurze Einführung in die Philosophie -  Thomas Nagel
Systemvoraussetzungen
6,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Thomas Nagels ebenso kurze wie genaue und umfassende Einführung in die Philosophie findet in verständlicher Form Antworten auf die großen Fragen des Lebens: Woher wissen wir etwas? Wie hängen Körper und Geist zusammen? Was bedeuten Wörter? Gibt es Willensfreiheit wirklich? Was ist Recht und was ist Unrecht? Was ist der Tod? Und worin könnte der Sinn des Lebens bestehen?

Thomas Nagel wurde am 4. Juli 1937 in Belgrad geboren, kam aber bereits 1939 in die Vereinigten Staaten und wuchs in New York auf: 1958 schloss er seine Studien an der Cornell University ab, studierte in Oxford und in Harvard und nahm später Lehrtätigkeiten u. a. in Berkeley und in Princeton auf. Gegenwärtig lehrt er an der New York University School of Law. Mit seiner brillanten Aufsatzsammlung 'Mortal Questions' (dt. 'Über das Leben, die Seele und den Tod', später auch 'Letzte Fragen') und besonders mit seinem in dieser Sammlung enthaltenen Aufsatz 'What is it like to be a Bat?' ('Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein?') wurde er 1979 in Philosophenkreisen schlagartig bekannt.

Thomas Nagel wurde am 4. Juli 1937 in Belgrad geboren, kam aber bereits 1939 in die Vereinigten Staaten und wuchs in New York auf: 1958 schloss er seine Studien an der Cornell University ab, studierte in Oxford und in Harvard und nahm später Lehrtätigkeiten u. a. in Berkeley und in Princeton auf. Gegenwärtig lehrt er an der New York University School of Law. Mit seiner brillanten Aufsatzsammlung "Mortal Questions" (dt. "Über das Leben, die Seele und den Tod", später auch "Letzte Fragen") und besonders mit seinem in dieser Sammlung enthaltenen Aufsatz "What is it like to be a Bat?" ("Wie fühlt es sich an, eine Fledermaus zu sein?") wurde er 1979 in Philosophenkreisen schlagartig bekannt.

1 Einleitung
2 Woher wissen wir etwas?
3 Das Fremdpsychische
4 Das psychophysische Problem
5 Die Bedeutung von Wörtern
6 Willensfreiheit
7 Recht und Unrecht
8 Gerechtigkeit
9 Der Tod
10 Der Sinn des Lebens

Zum Autor
Schriften von Thomas Nagel

3 Das Fremdpsychische


Es gibt eine besondere Form des Skeptizismus, die auch dann ein Problem bleibt, wenn wir annehmen, dass unser Bewusstsein nicht das Einzige ist, was es gibt – dass also die physikalische Welt, die wir um uns herum sehen und spüren, unser eigener Körper eingeschlossen, wirklich existiert. Es handelt sich um einen Skeptizismus in Bezug auf die Natur oder gar die Existenz eines Bewusstseins außer unserem eigenen oder von Erlebnissen außer unseren eigenen.

Wie viel weiß man wirklich über das, was im Bewusstsein eines anderen vorgeht? Man beobachtet offenbar nur den Körper eines anderen Wesens, auch eines anderen Menschen. Man betrachtet, was er tut, hört, was er sagt und welche anderen Geräusche er von sich gibt, und sieht zu, wie er auf seine Umgebung reagiert – welche Dinge ihn anziehen und welche ihn abstoßen, was er isst, und so weiter. Man kann ein anderes Wesen darüber hinaus sezieren, sich das Innere seines Körpers ansehen, und etwa seine Anatomie mit der eigenen vergleichen.

Nichts von alledem macht uns jedoch seine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle direkt zugänglich. Die einzigen Erlebnisse, die wir wirklich haben können, sind unsere eigenen; wenn wir Meinungen über das psychische Leben anderer haben, so stützen wir uns auf die Beobachtung ihrer physischen Verfassung und ihres Verhaltens.

Woher wissen wir, um ein einfaches Beispiel zu wählen, ob das Schokoladeneis, das wir gemeinsam mit einem Freund essen, für ihn den gleichen Geschmack hat wie für uns? Wir können von seinem Eis kosten, wenn es dann jedoch genauso schmeckt wie unseres, so heißt das nur, dass es für uns genauso schmeckt: wir haben nicht erfahren, welchen Geschmack es für ihn hat. Es gibt offensichtlich nicht die Möglichkeit, die beiden Geschmacksempfindungen direkt zu vergleichen.

Na wenn schon, so könnte man sagen, wir sind schließlich beide Menschen und können beide die Geschmacksrichtungen verschiedener Eissorten unterscheiden – wir können etwa beide mit geschlossenen Augen zwischen Schokoladen- und Vanilleeis unterscheiden –, also ist es sehr wahrscheinlich, dass unsere Geschmacksempfindungen einander gleichen. Woher wissen wir jedoch dies? Die einzige Verbindung zwischen einer Eissorte und einem Geschmack, die wir jemals beobachtet haben, besteht in unserem eigenen Fall; welchen Grund haben wir also für die Annahme, dass für andere menschliche Wesen ähnliche Zuordnungen gelten? Warum ist es nicht ebenso mit allen verfügbaren Daten vereinbar, dass Schokoladeneis für ihn so schmeckt wie Vanilleeis für uns, und umgekehrt?

Die gleiche Frage lässt sich hinsichtlich anderer Arten von Empfindungen aufwerfen. Woher wissen wir, dass nicht rote Gegenstände für unseren Freund so aussehen wie gelbe Gegenstände für uns? Wenn wir ihn fragen, wie ein Feuermelder aussieht, so wird er natürlich sagen, dass er rot – wie Blut – aussieht, und nicht gelb – wie der Löwenzahn –; dies sagt er jedoch deshalb, weil er das Wort »rot« für die Farbe verwendet, die Blut und Feuermelder für ihn haben, ganz gleich um welche Farbe es sich handelt. Vielleicht ist es die Farbe, die Sie gelb nennen, oder blau, oder vielleicht handelt es sich um eine Farbempfindung, die Sie noch niemals gehabt haben und sich noch nicht einmal vorstellen können.

Um dies auszuschließen, muss man sich auf die Annahme berufen, dass Geschmacks- und Farbempfindungen in einer konstanten Zuordnung zu bestimmten physischen Reizungen der Sinnesorgane stehen, ganz gleich, wer sie erlebt. Der Skeptiker würde jedoch erwidern, dass man für diese Annahme weder Beweise hat noch für eine solche Art von Annahme jemals Beweise haben kann. Alles, was man beobachten kann, ist die Zuordnung im eigenen Fall.

Wenn man mit diesem Argument konfrontiert wird, möchte man zunächst zugeben, dass es hier einige Ungewissheit gibt. Die Korrelation von Reiz und Erlebnis ist möglicherweise von einer Person zur anderen nicht genau die gleiche: es könnte leichte Verschiebungen zwischen den Farb- oder Geschmacksempfindungen geben, die zwei Menschen von der gleichen Eissorte haben. Da die Menschen sich physisch voneinander unterscheiden, wäre dies in der Tat auch nicht überraschend. Aber, so möchte man sagen, die Abweichungen zwischen den Empfindungen können nicht sehr drastisch sein, sonst wäre man nicht in der Lage, zu unterscheiden. Schokoladeneis kann beispielsweise für unseren Freund nicht so schmecken wie eine Zitrone für uns, sonst würde sich sein Mund zusammenziehen, wenn er es isst.

Man bemerke jedoch, dass diese Behauptung eine weitere Zuordnung von einer Person zu einer anderen unterstellt: eine Korrelation zwischen dem inneren Erlebnis und bestimmten beobachtbaren Reaktionen. Und hierüber stellt sich erneut die gleiche Frage. Wir haben die Verbindung zwischen dem Zusammenziehen des Mundes und dem Geschmack, den wir sauer nennen, nur in unserem eigenen Fall beobachtet: woher wissen wir, dass sie auch bei anderen besteht? Vielleicht zieht sich der Mund Ihres Freundes aufgrund einer Empfindung zusammen, die Sie bekommen, wenn Sie Haferflocken essen.

Treiben wir diese Fragestellungen ziemlich schonungslos weiter, so gelangen wir von einem gemäßigten und harmlosen Skeptizismus darüber, ob Schokoladeneis für uns und unseren Freund genau gleich schmeckt, zu einem viel drastischeren Skeptizismus darüber, ob es zwischen meinen und seinen Erlebnissen überhaupt irgendeine Ähnlichkeit gibt. Woher weiß ich, dass er eine Empfindung des Typs hat, den ich einen Geschmack nennen würde, wenn er etwas in den Mund nimmt? Nach allem, was ich weiß, könnte es sich um etwas handeln, das ich einen Ton nennen würde – oder womöglich um etwas ganz anderes, das ich noch nie erlebt habe und mir auch nicht vorstellen kann. Gehen wir weiter in diese Richtung, so gelangen wir schließlich zum radikalsten Skeptizismus in Bezug auf das Fremdpsychische: Woher weiß ich gar, dass mein Freund ein bewusstes Wesen ist? Woher weiß ich eigentlich, dass es außer mir überhaupt Bewusstsein gibt?

Das einzige Beispiel für eine Korrelation zwischen Bewusstsein, Verhalten, Anatomie und äußeren physischen Umständen, das wir jemals direkt beobachtet haben, ist unser eigener Fall. Selbst wenn andere Menschen und Tiere keinerlei Erlebnisse und kein inneres psychisches Leben irgendwelcher Art hätten, sondern lediglich komplizierte biologische Maschinen wären, sie würden uns nicht anders erscheinen. Woher wissen wir also, dass es sich nicht so verhält? Woher wissen wir, dass die Menschen um uns herum nicht alle geistlose Roboter sind? Wir haben niemals in ihr Bewusstsein hineingeblickt – das könnten wir auch gar nicht – und ihr körperliches Verhalten könnte insgesamt von rein physikalischen Ursachen hervorgebracht werden. Vielleicht haben unsere Verwandten, unsere Katze und unser Hund keinerlei innere Erfahrung, und in diesem Fall gäbe es keine Möglichkeit, dies jemals herauszufinden.

Wir können uns noch nicht einmal auf die Daten stützen, die uns ihr Verhalten liefert, einschließlich dessen, was sie sagen – denn dies unterstellt, dass äußeres Verhalten bei ihnen so mit innerer Erfahrung verbunden ist wie bei uns; und das genau ist es, was wir nicht wissen.

Der Gedanke an die Möglichkeit, dass keiner der Menschen um uns herum ein bewusstes Wesen ist, erzeugt ein Gefühl der Unheimlichkeit. Auf der einen Seite scheint sie vorstellbar zu sein, und kein Datenmaterial, das wir jemals zur Verfügung haben können, kann sie endgültig ausräumen. Auf der anderen Seite handelt es sich um etwas, das wir nicht wirklich für möglich halten können: unsere Überzeugung, dass es in diesen Körpern ein Bewusstsein, hinter diesen Augen ein Sehen, und hinter diesen Ohren ein Hören, und so fort, gibt, ist instinktiv. Wenn ihre Macht sich jedoch einem Instinkt verdankt, handelt es sich dann wirklich um Wissen? Lässt man einmal die Möglichkeit zu, dass der Glaube an Fremdpsychisches fehlgeht, benötigt man dann nicht eine verlässlichere Grundlage, um an ihm festzuhalten?

Diese Frage hat eine andere Seite, die geradewegs in die Gegenrichtung weist.

Normalerweise glauben wir, dass andere menschliche Wesen ein Bewusstsein haben, und nahezu jeder ist davon überzeugt, dass dies gleichermaßen von anderen Säugetieren und von Vögeln gilt. Man ist sich allerdings nicht darüber einig, ob Fische ein Bewusstsein haben, oder Insekten, Würmer und Quallen. Noch zweifelhafter ist, ob einzellige Lebewesen wie Amöben und Pantoffeltierchen bewusste Erlebnisse haben, wenn diese Wesen auch deutlich auf Reize der unterschiedlichsten Art reagieren. Die meisten Leute glauben, dass Pflanzen kein Bewusstsein haben; und nahezu niemand glaubt, dass Steine eines haben, oder Kleenextücher, oder Autos, oder Bergseen, oder Zigaretten … Gleichfalls würden, um ein anderes biologisches Beispiel herbeizuzitieren, die meisten von uns, wenn sie darüber nachdenken, sagen, dass die einzelnen Zellen, aus denen unser Körper besteht, keine bewussten Erlebnisse haben.

Woher wissen wir all das? Woher wissen wir, dass wir dem Baum keine Schmerzen zufügen, wenn wir ihm einen Zweig abschneiden – dass er sie aber nicht zum Ausdruck bringen kann, da er sich nicht zu bewegen vermag? (Oder am Ende liebt er es, seine Zweige beschnitten zu bekommen.) Woher wissen wir, dass die Muskelzellen in unserem Herzen nicht Schmerz oder Erregung spüren, wenn wir das Treppenhaus hinaufstürmen? Woher wissen wir, dass ein Kleenextuch nichts...

Erscheint lt. Verlag 25.9.2020
Reihe/Serie Reclams Universal-Bibliothek
Reclams Universal-Bibliothek – [Was bedeutet das alles?]
Übersetzer Michael Gebauer
Verlagsort Ditzingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Philosophie Geschichte der Philosophie
Schlagworte Einführung Philosophie • Nagel Das Fremdpsychische • Nagel Das psychophysische Problem • Nagel der Sinn des Lebens • Nagel Der Tod • Nagel Die Bedeutung von Wörtern • Nagel Einführung Philosophie • Nagel Epistemologie • Nagel Erkenntnistheorie • Nagel Gerechtigkeit • Nagel Philosophie • Nagel philosophische Einführung • Nagel Recht und Unrecht • Nagel Semantik • Nagel Willensfreiheit • Nagel Woher wissen wir etwas • Philosophie Abriss • Übersicht Philosphie
ISBN-10 3-15-961760-2 / 3159617602
ISBN-13 978-3-15-961760-2 / 9783159617602
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 418 KB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich