Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung (eBook)

Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene
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2020 | 2. Auflage
448 Seiten
Hogrefe AG (Verlag)
978-3-456-96048-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung -  James T. Webb,  AZ Tucson,  Erward R. Amend,  Paul Beljean,  Nadia E. Webb,  Marianne Kuzujanakis,  RICHAR
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Ein wichtiger Ratgeber für Betroffene und Fachpersonen, der Doppel- und Fehldiagnosen bei Hochbegabung aufzeigt und konkrete Hilfestellung bietet. Außerordentlich begabten und kreativen Kindern und Erwachsenen werden häufig Fehldiagnosen wie ADHS, Störung mit oppositionellem Trotzverhalten, bipolare Störung, Zwangsstörung, Autismus oder Asperger-Störung gestellt. Viele von ihnen werden unnötigerweise mit Medikamenten behandelt oder einer Therapie unterzogen, die sie eigentlich gar nicht bräuchten. James T. Webb und sein Autorenteam bieten in diesem Ratgeber praktische Tipps und Ressourcen für Betroffene, Eltern, Therapeuten und weitere Fachpersonen. Berücksichtigt wird auch: • berücksichtigt u.a. den aktuellen Forschungsstand • legt die diagnostischen Kriterien des DSM-5 zugrunde und nennt die entsprechenden ICD-10-Diagnosen • beinhaltet ein neues Kapitel 'Suchterkrankungen', in dem (mögliche) Zusammenhänge zwischen Sucht und Hochbegabung diskutiert werden

Inhaltsverzeichnis, Danksagung, Geleitwort und Vorbemerkung der Autoren 9
Einführung 27
Was genau ist mit dem Begriff „hochbegabt“ gemeint? 34
Tragen hochbegabte Kinder und Erwachsene ein besonderes Risiko für soziale und emotionale Probleme? 37
Kapitel 1: Merkmale von hochbegabten Kindern und Erwachsenen 45
Verhaltensmerkmale 49
Häufige Gründe, warum hochbegabte Kinder an eine Fachperson überwiesen werden 51
Häufige Gründe, warum hochbegabte Erwachsene Hilfe benötigen 53
Intensität und erhöhte Sensitivität 57
Erhöhte intellektuelle Sensitivität 59
Erhöhte imaginäre Sensitivität 60
Erhöhte emotionale Sensitivität 61
Erhöhte psychomotorische Sensitivität 62
Erhöhte sensorische Sensitivität 63
Erhöhte Sensitivität und Fehldiagnosen 64
Denkstile 66
Probleme, die mit dem visuell-räumlichen, nicht linearen Denkstil in Verbindung gebracht werden 69
Probleme, die mit dem akustisch-sequenziellen, linearen Denkstil in Verbindung gebracht werden 71
Idealismus 72
Peerbeziehungen 73
Asynchrone Entwicklung 76
Oft hinkt das Urteilsvermögen dem Intellekt hinterher 79
Interessenmuster 81
Kreativität 84
Das falsche schulische/berufliche Umfeld oder mangelndes Verständnis in der Familie 85
Kapitel 2: Fehldiagnosen und Doppeldiagnosen bei hochbegabten Kindern und Erwachsenen 89
Warum erhalten so viele hochbegabte Kinder und Erwachsene so viele Diagnosen? 90
Doppeldiagnosen 92
Die landesweite SENG-Umfrage 95
Die Rolle der Fachpersonen in Therapie und Beratung 96
Kapitel 3: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung 101
ADHS, hochbegabt oder beides? 103
Beeinträchtigung 108
Aktivitätsniveau 110
Diagnostische Kriterien 110
Die traditionelle ADHS-Diagnostik 113
Beurteilungsskalen 113
Unaufmerksamkeit und Ablenkbarkeit 116
Hyperaktivität und Impulsivität 118
Intelligenz-, Leistungs- und neuropsychologische Tests 119
Persönlichkeitstests 119
Hyperfokussierung und Stimulusgebundenheit 120
Unterschiede zwischen ADHS-Verhalten und Hochbegabungsverhalten 122
Kontext- und situationsabhängige Verhaltensspezifität 123
Hochbegabte Kinder mit ADHS 125
ADHS bei hochbegabten Erwachsenen 126
Medikamente 127
Ähnlichkeiten und Unterschiede 130
Verhaltensmerkmale, die mit ADHS nicht vereinbar sind 132
Zusammenfassung 133
Kapitel 4: Wutdiagnosen 139
Hochbegabte Kinder und Wut 139
Die Wutdiagnosen 144
Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten 145
Oppositionsverhalten bei hochbegabten Kindern 147
Verhaltensmerkmale, die mit einer Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten nicht vereinbar sind 148
Disruptive Affektregulationsstörung 150
Störung des Sozialverhaltens 152
Verhaltensmerkmale, die mit einer Störung des Sozialverhaltens nicht vereinbar sind 154
Intermittierende Explosible Störung 156
Verhaltensmerkmale, die mit einer Intermittierenden Explosiblen Störung nicht vereinbar sind 156
Narzisstische Persönlichkeitsstörung 158
Hochbegabung und Narzissmus 161
Verhaltensmerkmale, die mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind 165
Zusammenfassung 166
Kapitel 5: Ideations- und Angststörungen 169
Zwangsstörungen 171
Zwanghafte Persönlichkeitsstörung 175
Beziehung zu Hochbegabung 176
Essstörungen 180
Autismus-Spektrum-Störung und Asperger-Störung 182
Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Asperger-Störung und Hochbegabungsverhalten 190
Unterscheidungsmerkmale 192
Situationsspezifische Besonderheiten 196
Introvertiert, ängstlich oder Asperger-Störung? 198
Verhaltensmerkmale, die mit einer Asperger-Störung nicht vereinbar sind 198
Soziale (Pragmatische) Kommunikationsstörung 199
Verhaltensmerkmale, die mit einer Sozialen (Pragmatischen) Kommunikationsstörung nicht vereinbar sind 202
Schizoide Persönlichkeitsstörung 202
Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen 204
Verhaltensmerkmale, die mit einer Schizoiden Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind 205
Schizotype Persönlichkeitsstörung 207
Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern 208
Verhaltensmerkmale, die mit einer Schizotypen Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind 210
Vermeidend-Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung 211
Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen 212
Verhaltensmerkmale, die mit einer Vermeidend-Selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung nicht vereinbar sind 214
Andere Angststörungen 216
Kapitel 6: Affektive Störungen 219
Bipolare Störungen (ehemals „Manisch-Depressive Störungen“ genannt) 221
Merkmale von bipolaren Störungen 222
Bipolare Störungen bei Jugendlichen und Erwachsenen 224
Bipolare Störungen bei Kindern 225
Bipolare Störungen mit Rapid Cycling bei Kindern 225
Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen 226
Zyklothyme Störung 228
Depressive Störung 229
Persistierende Depressive Störung (Dysthymie) 235
Ähnlichkeiten mit hochbegabten Kindern und Erwachsenen 235
Existenzielle Depression 237
Kapitel 7: Lernstörungen 243
Lernstörungen diagnostizieren 249
Spezifische Lernstörungen 257
Beeinträchtigungen beim Lesen, Schreiben, Lernen, in der Sprachproduktion und im Gedächtnis 259
Rechenschwäche 263
Zusammenfassung 266
Nonverbale Lernstörungen 267
Sensomotorische Integrationsstörungen 270
Auditive Verarbeitungsstörung 272
Kognitive Rehabilitation 275
Zusammenfassung 276
Kapitel 8: Schlafstörungen 281
Kurzschläfer und Langschläfer 282
Auswirkungen von kurzen und langen Schlafmustern 284
Was Fachleute und Eltern beachten sollten 285
Zwischen normalen kurzen oder langen Schlafmustern und Schlafstörungen unterscheiden 285
Insomnie 286
Verhaltensmerkmale, die mit einer Insomnie nicht vereinbar sind oder im Widerspruch dazu stehen 287
Hypersomnie 288
Verhaltensmerkmale, die mit einer Hypersomnie nicht vereinbar sind oder im Widerspruch dazu stehen 288
Schlafunterbrechungen 289
Enuresis 291
Albträume 292
Pavor nocturnus (Nachtangst) 293
Andere Schlafunterbrechungen 293
Zusammenfassung 294
Kapitel 9: Allergien, Asthma und reaktive Hypoglykämie 297
Das Zusammenspiel von Gehirn und Darm 297
Allergien und Asthma 301
Was Fachleute beachten sollten 303
Reaktive Hypoglykämie/zeitweise Unterzuckerung 303
Hypoglykämie und Allergien 306
Reaktive Hypoglykämie und Fehldiagnosen 307
Andere Autoimmunerkrankungen 307
Kapitel 10: Suchterkrankungen 311
Alkohol- bzw. Drogenkonsum und Hochbegabung in der Forschung 314
Warum sollten hochbegabte Individuen stärker gefährdet sein? 316
Subtypen von Alkoholismus 318
Was Fachleute beachten sollten 324
Kapitel 11: Hochbegabung und Beziehungen 327
Beziehungsprobleme diagnostizieren 328
Eltern-Kind-Beziehungen 329
Machtkämpfe 330
Überengagierte Eltern 332
Das hochbegabte Kind „adultisieren“ 335
Hochbegabung ist kein Freibrief für schlechtes Benehmen 336
Wenn hochbegabte Kinder ihre Eltern manipulieren 337
Müssen Eltern alle „Sonderwünsche“ ihrer hochbegabten Kinder erfüllen? 338
Wenn Eltern die Hochbegabung ihres Kindes nicht wahrhaben wollen 339
Peerbeziehungen 341
Rivalität unter Geschwistern 342
Probleme mit der Geschlechtsidentität 343
Peerdruck 344
Erwachsenenbeziehungen 345
Beziehungsprobleme in der Ehe oder Partnerschaft 346
Beziehungsprobleme am Arbeitsplatz 347
Probleme im Sozialleben 349
Diagnosen und Behandlung 350
Kapitel 12: Der diagnostische Prozess 353
Diagnosen und hochbegabte Kinder/Erwachsene 353
Ein logischer Ansatz zur Vermeidung von Fehldiagnosen 355
Beispiel: Defizit im Kurzzeitgedächtnis 355
Beispiel: Defizit in der Verarbeitungsgeschwindigkeit 357
Beispiel: Defizit in der auditiven Verarbeitung 359
Beispiel: Defizit in der sensorischen Integration 360
Beispiel: Störung mit Oppositionellem Trotzverhalten (SOT) 362
Wenn Störungen gar keine Störungen sind 365
Kapitel 13: Hochbegabungsverhalten von pathologischem Verhalten unterscheiden 367
Der diagnostische Prozess 372
Typische Muster bei hochbegabten Kindern und Erwachsenen 374
Entwicklungsgeschichte 374
Treten die Probleme nur in bestimmten Situationen auf? 375
Inwieweit stimmen die Verhaltensweisen mit den diagnostischen Kriterien überein? 376
Doppeldiagnosen 376
Wie stark ist die Beeinträchtigung? 378
Den besonderen Intellekt des hochbegabten Klienten bei Gesprächen berücksichtigen 378
Kapitel 14: Professionelle Hilfe finden 379
Adressen und Webseiten 391
Hochbegabung: Informationen, Rat und Hilfe 391
Zeitschriften zum Thema Hochbegabung 397
ADHS 398
Lernstörungen 399
Depression 400
Zwangsstörungen 401
Schlafstörungen 401
Bipolare Störungen 402
Asperger-Störung 402
Suchterkrankungen 403
Über die Autoren 405
Literaturverzeichnis 411
Sachwortverzeichnis 439

|17|Geleitwort


Im Sommer 2004, als ich zur 25. Jubiläumsversammlung der School of Professional Psychology (SOPP) an der Wright State University in Dayton, Ohio, flog, kam ich mit einer Passagierin ins Gespräch, die sich als Ehefrau eines Universitätspräsidenten entpuppte. Als sie den Grund meiner Reise erfuhr, erzählte sie, dass ihr die School of Professional Psychology ein Begriff war – insbesondere ein Programm namens SENG (Supporting Emotional Needs of the Gifted), das sich für Hochbegabte und deren Familien einsetzte und, so die Dame, ein „echter nationaler Schatz“ war. Sie konnte ja nicht ahnen, dass ich als Gründungsdekan der SOPP dieses Programm und seinen Gründer, Dr. James T. Webb, kannte. Sie fuhr daher fort, ausführlich darüber zu berichten. Natürlich hörte ich ihr nur allzu gern dabei zu, wie sie meine „weise Entscheidung“ lobte, das Programm an der Wright State aufzunehmen, wo ich damals Dekan war.

Die Geschichte, die mir die Dame erzählte, kam mir bekannt vor. Sie ähnelte den vielen anderen, die ich im Laufe der Jahre gehört hatte. Der neunjährige Sohn ihrer Schwester war ein paar Jahre zuvor fast vom Regelunterricht seiner Schule ausgeschlossen worden. Seine schulischen Leistungen waren schlecht, er war unaufmerksam, vernachlässigte seine Hausaufgaben und hatte keine Geduld mit seinen Klassenkameraden. Außerdem zeigte er eine an Besessenheit grenzende Faszination für Elektromotoren, der er hartnäckig nachging, egal, was gerade im Unterricht ablief. Seine Lehrerin war nicht nur verärgert, sondern auch ziemlich ratlos und frustriert, denn der Junge war hochintelligent. Und doch waren alle Versuche, ihn zu ändern, vergebens. Da sie sein Störverhalten nicht in den Griff bekam, wollte die Lehrerin ihn in einem alternativen Programm unterbringen. Die Tante des Jungen, die jetzt mit mir im Flugzeug saß, schlug ihrer Schwester vor, das SENG-Programm zu kontaktieren, das, so hatte sie gehört, an einer staatlichen Universität in Ohio angesiedelt war.

Die Eltern reisten mit ihrem Sohn nach Dayton, um ihn testen zu lassen und um sich Rat zu holen. Wie sich herausstellte, war der Junge intellektuell so begabt, dass seine Schule – er kam aus einer Kleinstadt in Indiana – seinen Bedürfnissen überhaupt nicht gerecht wurde. Die Eltern wurden darüber in Kenntnis gesetzt, welche Ressourcen und Methoden für eine angemessene intellektuelle Förderung zur Verfügung standen, und sie wurden eingehend beraten, wie man die verschiedenen Arten von Störverhalten im Unterricht in den Griff bekommen konnte. Außerdem gab man ihnen praktische Ratschläge zum Umgang mit den Geschwistern.

Die positiven Ergebnisse ließen nicht lange auf sich warten. Das Schulsystem von Indiana bot damals zwar noch keine Hochbegabtenprogramme an, aber dank |18|der Unterstützung durch SENG konnte diese Familie besser auf die intellektuellen Bedürfnisse und Entwicklungsbesonderheiten ihres Sohnes eingehen, und ihre Bemühungen waren erfolgreich. Innerhalb weniger Monate wurde aus dem Problemschüler ein motivierter und eifriger Lerner. Mehr noch – die Verwandlung war so drastisch, dass die Eltern eines anderen Schülers an derselben Schule ihren Sohn aufgrund ähnlicher Verhaltensmuster ebenfalls nach Dayton brachten und damit die gleichen positiven Ergebnisse erzielten.

Die Begegnung im Flugzeug rief bei mir lebhafte Erinnerungen an die Anfänge von SENG wach – wie es dazu kam, dass dieses Programm an der neuen SOPP der damals noch jungen staatlichen Universität in Dayton untergebracht wurde, und welche Arbeit SENG seitdem geleistet hatte. Die Geschichte begann 1980 mit dem Suizid eines hochbegabten und talentierten 17-Jährigen namens Dallas Egbert. Die Eltern des Jungen wandten sich an Dr. Webb, der damals stellvertretender Dekan der SOPP war, und regten die Entwicklung eines Programms für Familien hochbegabter Kinder an der Wright State University an. Da die Eltern Schwierigkeiten hatten, Hilfe für ihren Sohn zu finden, lagen ihnen vor allem die emotionalen Bedürfnisse hochbegabter Kinder am Herzen. Dr. Webb, der zuvor die Psychologische Abteilung des Children’s Medical Center in Dayton geleitet hatte, erkannte die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung und entwarf innerhalb kurzer Zeit ein Programm, das auch den praktischen Ausbildungsinteressen von Doktoranden an der SOPP gerecht werden sollte. Ich stimmte seinem Vorschlag zu, und wir legten los. Die Gelegenheit, mit einem solch besonderen Pool von Kindern zu arbeiten, deren Bedürfnisse in unserem Schulsystem häufig vernachlässigt werden, stellte für die SOPP eine doppelte Bereicherung dar: eine einzigartige Ergänzung des Angebots für Kinderpsychologen und die Gelegenheit, einen echten sozialen Bedarf zu decken.

Das neue SENG-Programm zog schon bald Studierende und Förderer an und bekam viel öffentliche Aufmerksamkeit. Die finanzielle Unterstützung durch den Dallas-Egbert-Fonds sowie ein örtliches Non-Profit-Unternehmen und weitere, traditionellere Quellen sorgten dafür, dass das SENG rasch zu einem der am besten finanzierten Programme der SOPP wurde. Ein gemeinsamer Auftritt der Egberts und Dr. Webb in der Phil Donahue Show 1981 rief Reaktionen von mehr als 20 000 Zuschauern aus dem ganzen Land hervor. Offensichtlich herrschte ein enormer Bedarf an einem solchen Programm.

Das SENG-Programm war zielgerichtet auf diesen Bedarf zugeschnitten. Zunächst nahmen Psychologen der SOPP formale Beurteilungen von Intellekt und Persönlichkeit vor. Dann wurden die hochbegabten Kinder und ihre Familien individuell beraten. Da von überall in den USA Anfragen kamen, wurden als Nächstes Beratungsdienste für Psychologen, Berater, Lehrer und andere Fachkräfte entwickelt, die sowohl einzeln als auch in Workshops angeboten wurden. In einem dritten |19|Schritt wurden angeleitete Diskussionsrunden mit Elterngruppen entwickelt und umgesetzt, in denen wöchentlich zehn Themen zur Sprache kamen, die für Familien mit hochbegabten Kindern von besonderem Interesse waren. Diese Treffen gaben den Eltern Gelegenheit, sich auszutauschen und voneinander zu lernen. Auf diese Weise fiel es ihnen leichter, Probleme zu antizipieren, Lösungen zu finden und Schwierigkeiten von Anfang an zu vermeiden. Sie lernten, dass die Erziehung eines hochbegabten Kindes besondere Fertigkeiten verlangt, auf die nur wenige Eltern vorbereitet sind.

Bei sämtlichen Evaluationen, wie sie bei akademischen Programmen an staatlichen Universitäten üblicherweise durchgeführt werden, schnitt SENG erfolgreich ab. Das Programm deckte nicht nur einen echten sozialen Bedarf, sondern führte auch zu neuen Erkenntnissen und zur Entwicklung neuer Interventionsmethoden. Aus seiner Arbeit sind zahlreiche Beiträge zur Fachliteratur hervorgegangen; es hat zu einer besseren Ausbildung von Fachkräften beigetragen, und es hat externe Sponsoren angezogen. Leider haben sich die Unterstützer im Laufe der Zeit anderen Projekten zugewandt. Wie an den meisten modernen Universitäten brachten zahlreiche neue Fachbereiche und Verwaltungstrends auch neue Prioritäten und Gelegenheiten mit sich, die in andere Richtungen wiesen. Das führte dazu, dass man das SENG-Programm an der Wright State University verkümmern und sterben ließ. Glücklicherweise hat sich SENG als unabhängige Non-Profit-Organisation (www.sengifted.org) reformiert und leistet auch weiterhin gute Arbeit durch Konferenzen, die Bereitstellung von Informationen, Kurse zur Gründung von Eltern-Gesprächsgruppen sowie Weiterbildungsprogramme für Psychologen, Berater und andere Fachkräfte.

Das größere Problem ist die traurige Tatsache, dass die amerikanische Bildungspolitik den sozialen und emotionalen Bedürfnissen von hochbegabten und talentierten Menschen nie einen hohen Stellenwert eingeräumt hat. Ebenso wenig haben Berater oder Therapeuten je besonderes Augenmerk auf diese Klientel gerichtet. In einer Gesellschaft, in der die Anliegen von Armen, Bedürftigen und langsameren Schülern offenbar Vorrang haben, scheint der Förderung von hochbegabten Kindern und Erwachsenen etwas geradezu Elitäres und Undemokratisches anzuhaften. Viele halten es für unnötig und gleichsam verschwenderisch, Programmen für hochbegabte Kinder finanziell unter die Arme zu greifen, wo doch anderswo so große Not herrscht. Das ist kein neues Phänomen.

Im Jahr 1919 unterrichtete die Psychologin Leta Stetter Hollingworth am Lehrerseminar der Columbia University den ersten Kurs auf College-Niveau zum Thema Hochbegabung ...

Erscheint lt. Verlag 22.9.2020
Übersetzer Angelika Hornung und Cathrine Pfaller
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte ADHS • Asperger • Autismus • DSM-5 • Hochbegabung • ICD-10-Dignosen • oppositionelles-Trotzverhalten • Thunberg • Zwangsstörung
ISBN-10 3-456-96048-4 / 3456960484
ISBN-13 978-3-456-96048-7 / 9783456960487
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