Die Gabe der Sattlerin (eBook)

Historischer Roman

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2020 | 1. Auflage
429 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-8805-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Gabe der Sattlerin -  Ralf H. Dorweiler
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Ein farbenfroher Roman um eine junge Sattlerin, einen bekannten Dichter und ein Gestüt, das Pferdefreunde bis heute fasziniert


1781. Um einer Vernunftehe zu entgehen, flieht die junge Sattlerstochter Charlotte aus ihrem Heimatdorf. Zuflucht findet sie im Hofgestüt Marbach, wo der württembergische Herzog Carl Eugen die edelsten Pferde der Welt züchtet. Damit sie bleiben darf, muss Charlotte einen prunkvollen Sattel für seinen Lieblingshengst fertigen. Doch die Zeit dafür ist knapp bemessen, zumal ein Regimentsarzt, eine Räuberbande und der Sohn des Gestütsleiters für gefährliche Verwicklungen sorgen. Kann Charlotte sich in ihrem neuen Leben behaupten?



Ralf H. Dorweiler ist er an der geheimnisumwitterten Loreley aufgewachsen, zum Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft zog es ihn ins lebenslustige Köln. Mittlerweile lebt er im Südschwarzwald, wo er als Redakteur einer großen regionalen Tageszeitung arbeitet und Romane schreibt. Ralf H. Dorweiler ist mit einer Opernsängerin verheiratet und Vater eines Sohnes.

Ralf H. Dorweiler ist er an der geheimnisumwitterten Loreley aufgewachsen, zum Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft zog es ihn ins lebenslustige Köln. Mittlerweile lebt er im Südschwarzwald, wo er als Redakteur einer großen regionalen Tageszeitung arbeitet und Romane schreibt. Ralf H. Dorweiler ist mit einer Opernsängerin verheiratet und Vater eines Sohnes.

KAPITEL 1

Märgen, Samstag, 28. Juli 1781


»Den Samen legen wir in ihre Hände,

Ob Glück, ob Unglück aufgeht, lehrt das Ende.«

Wallenstein in Wallensteins Tod, 1. Akt, 7. Szene

Der Leinenstoff von Charlottes Arbeitskleid wehte hinter ihr, als sie über die mit Sommerblumen gesprenkelte Wiese auf Wälderwinds Weide zulief. In der rechten Hand hielt sie Halfter, Führstrick und eine knackige Mohrrübe. Der Hengst trabte ihr mit hochgestellten Ohren bis zum Gatter entgegen und erwartete sie mit einem zufriedenen Wiehern. Imposante Muskeln zeichneten sich unter seinem kastanienbraun glänzenden Fell ab. Den massigen Hals krönte eine strohhelle Mähne. Charlotte öffnete das Gatter und streichelte ihrem Pferd über die Nüstern. Mit klarem Blick schaute der Schwarzwälderhengst sie an und knabberte mit seinen Lippen an ihrer Hand.

»Ist ja gut. Schau, ich hab was für dich«, sagte sie lächelnd und hielt ihm die Möhre hin. Wälderwind kaute sie genüsslich und stupste Charlotte gleich darauf mit der Nase an, um weitere Leckereien zu ergattern.

»Nein, das reicht«, sagte sie mit gespielter Strenge. »Du kannst nachher mehr haben. Jetzt musst du erst einmal arbeiten. Der Vater braucht dich.«

Charlotte führte den Hengst über den gewundenen Weg hangabwärts. Inmitten der Sommerwiesen lag vor ihr der Sattlerhof mit dem stattlichen Wohnhaus, der angebauten Werkstatt und dem Stall. Das strohgedeckte Dach des Hauses reichte an allen Seiten weit über die Holzfassaden und den oberen Balkon hinaus und berührte am Hang fast den Boden. Im Winter schützte es seine Bewohner vor Wind und Schnee, an heißen Sommertagen wie heute spendete es kühlenden Schatten. Entlang der abseits des Hauptgebäudes errichteten Scheune führte der Weg durch den Tannenwald ins Dorf. Von Märgen waren von hier aus nur ein paar Dächer und die beiden Turmspitzen der Klosterkirche zu erkennen. Der Himmel über ihnen war weit und von einem andächtig tiefen Blau. Aus dem Westen blies der sanfte Wind ein paar Wolkenfetzen hoch über das Land.

»Spann ihn gleich an«, trug der Vater ihr auf, als sie das Haus erreichte.

Charlotte führte Wälderwind vor den Karren, in dem zwei geflickte Sättel, ein instand gesetztes Geschirr und allerlei Lederschnüre lagen. Der Vater wollte zum Gerber, um den abgearbeiteten Bestand an Lederbahnen wieder aufzustocken. Auf dem Weg dorthin lieferte er fertige Aufträge ab. Charlotte hatte ihn oft genug dabei begleitet.

»Der Sattler Frieder kommt«, riefen die Kinder aufgeregt, wenn er sich mit dem Karren einem Hof näherte. Sie rannten dann plappernd neben dem Wagen her. Manchmal brachte der Vater ihnen kleine Geschenke mit: mit Kieseln und Sand gestopfte Lederbälle für die Älteren und für ihre kleinen Geschwister Tierfigürchen, die Charlotte aus Resten zurechtgeschnitten und mit Rosshaar gefüllt hatte.

Während sie dem alten Knecht Gregor dabei half, Wälderwinds Geschirr festzuschnallen, schweiften ihre Gedanken ab. Die Bauernkinder würden in Zukunft auf ihre Figuren verzichten müssen. Heute nämlich endete Charlottes gewohntes Leben. Dem Rest der Welt mochte der morgige Sonnenaufgang einfach einen neuen Tag schenken, für sie bedeutete er den ersten Schritt in ein unvorhersehbares Schicksal.

»Lotte, Lotte!«, hallte die Stimme ihrer Schwester über den Hof. Charlotte wandte sich zu ihr um. Sie lächelte. Eugenie hatte sich mit dem ganzen Oberkörper weit aus dem Fenster ihrer Nähstube unter dem Dach herausgelehnt und winkte aufgeregt. »Komm schon! Dein Kleid.«

Charlotte schaute fragend zum Vater.

»Geh ruhig, Kind«, ermunterte der sie. »Wir sind ohnehin fertig.«

»Lotte! Beeil dich!«, kam es von oben.

Charlotte vergewisserte sich mit einem letzten Blick, dass Wälderwind ohne Fehler verschnallt war, dann rief sie in Richtung Haus: »Ich komm ja gleich!« Sie half Gregor auf die Ladefläche und lief los.

An der Tür verharrte sie kurz und schaute den beiden Männern und dem Pferd nach, die in diesem Moment das Brückchen zum Weg überquerten. Der Hengst zog den Wagen trotz seiner Jugend so gelassen wie ein erfahrenes Kutschpferd. Sie würde ihn vermissen.

Eugenie war siebzehn und damit zwei Jahre jünger als Charlotte. Ihr Vater hatte sich immer einen Sohn gewünscht, aber auch das dritte Kind war ein Mädchen geworden. Elisabeth hatte vor zwei Wochen ihren vierzehnten Geburtstag gefeiert.

»Überall haben die Männer das Sagen, nur nicht auf dem Sattlerhof«, klagte ihr Vater immer wieder, wenn er gegen die geballte weibliche Übermacht nicht ankam. Die Mutter war eine bestimmende Persönlichkeit, die ihren Willen meistens durchzusetzen wusste. Den drei Schwestern gegenüber gab er sich zwar manchmal streng, konnte ihnen aber letztlich kaum einen Wunsch abschlagen. Insbesondere das Nesthäkchen Elisabeth nutzte das gern zu ihrem Vorteil.

»Ich habe heute nicht so viel Zeit«, sagte Charlotte, als sie in Eugenies Nähstube ankam.

»Du wirst ja wohl ein paar Minuten für dein eigenes Hochzeitskleid erübrigen können!« Eugenie hatte die Festtagskleider aller Frauen der Familie um sich ausgebreitet. Zwischen den Stoffen und dem Nähzeug schüttelte sie missbilligend den Kopf.

»Du musst es noch mal anziehen«, sagte sie bestimmt.

Charlotte verdrehte die Augen. Sie wusste, dass Widerworte bei ihrer Schwester ebenso wenig Wirkung zeigten wie bei ihrer Mutter. Also streifte sie ergeben das Arbeitskleid ab, bis sie nur noch im dünnen Hemdchen dastand.

Charlotte spürte, wie Eugenie ihren schmalen Leib musterte. Wo sich die Hüften der Jüngeren weiblich rundeten, war ihre Gestalt eher knabenhaft. Statt eines ausladenden Busens wie bei Eugenie wölbte sich Charlottes Brust nur wenig hervor. Charlotte kam mehr nach dem Vater, Eugenie schien der Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.

»Komm, stell dich her ins Licht!«, ordnete Eugenie an und legte den Reifrock für die bodenlange Robe im englischen Stil bereit, an der sie seit Charlottes Jawort gearbeitet hatte.

»Wenn ich an deiner Stelle wäre und morgen heiraten würde, könnte ich vor Freude keinen Augenblick stillstehen, sondern müsste dauernd hüpfen und tanzen.«

»Jetzt, wo der Tag der Hochzeit bevorsteht, kann ich es gar nicht glauben«, gab Charlotte leise zurück.

»Du wirst so schön aussehen. Dein Julius wird seine Augen nicht einen Moment von dir abwenden können.«

»Weil du mir so ein schönes Kleid genäht hast.«

»Ja, das auch«, lachte Eugenie und begann, Charlotte das Korsett anzulegen. »Aber eine Braut überstrahlt an Schönheit alle anderen.«

»Den Spruch hast du von Mutter«, riet Charlotte.

»Das stimmt«, gab Eugenie grinsend zu und stellte sich zum Schnüren hinter sie. »Und morgen wirst du sehen, dass sie recht hat.«

»Zieh nicht so fest!«, klagte Charlotte. Sie trug am liebsten ein bequemes Leinenkleid oder einen Rock mit Jacke und Schürze. Auch zur Kirche zogen die Töchter die Sonntagskleider an, die zum aufrechten Sitzen zwangen, aber im Korsett des Hochzeitskleides fühlte sie sich wie eine Traube in einer Kelter.

»Was für eine schmale Taille«, schwärmte Eugenie, als sie Charlotte auf einen Hocker steigen ließ, ihr den Reifrock anlegte und ihn am Korsett festschnallte. »Alle Frauen werden dich beneiden.«

»Meinst du?«

»Und nicht nur wegen der Taille. Von einem Mann wie Julius kann jede Frau nur träumen.«

Charlotte schwieg – auch, weil ihr das Korsett die Luft zum Sprechen raubte. Ja, beim Kirchgang hatte sie beobachtet, dass einige unverheiratete Mädchen und auch manche Witwe dem neuen Amtmann erwartungsvolle Blicke zugeworfen hatten. Julius Magnus Lenscheider war hochgewachsen, wie Charlotte von schlanker Gestalt und lebte mit seiner Dienerschaft in dem großzügigen Amtshaus von St. Peter. Der wohlhabende Mann in gehobener Stellung, die mit hohem Ansehen verbunden war, hatte sich ein halbes Jahr lang freundlich, aber entschieden aller Avancen erwehrt. Viele hatten das mit seinem Witwerstand begründet und hinter vorgehaltener Hand spekuliert, sein Herz wäre nach dem Tod seiner Frau noch so voller Trauer, dass eine weitere Liebe darin keinen Platz fand. Doch Lenscheider war durchaus schon bereit für eine neue Bindung. Am Ostersonntag war er nachmittags ohne Ankündigung mit der Kutsche vor dem Sattlerhof vorgefahren und hatte die überraschten Eltern um eine Unterredung mit Charlotte gebeten. Er hatte ihr gestanden, dass er seit ihrer ersten Begegnung in der Klosterkirche nur sie zur Frau begehrte, und ihr einen Antrag gemacht.

»Manch eine wird sich schwarzärgern, dass er ausgerechnet die Sattlerin ausgewählt hat«, sagte Eugenie, die Charlotte jetzt das Unterkleid anzog.

»Ich muss mal«, bemerkte Charlotte mit einem entschuldigenden Lächeln.

»Das geht jetzt nicht«, rief Eugenie empört. »Halt gefälligst ein!«

»Dann beeil dich wenigstens!«

Charlotte suchte nur einen Weg, die Anprobe abzukürzen. Natürlich war sie ihrer Schwester dankbar, die seit Wochen jede freie Minute damit verbrachte, ihr ein Brautkleid zu zaubern, das dem einer Fürstentochter in nichts nachstand. Doch Charlotte hatte in ihren letzten Stunden als unverheiratete Frau noch eine andere Sache zu erledigen, bevor aus der Sattlerin die Gattin des Amtmanns wurde.

Eugenie sputete sich tatsächlich, ihr den hellen, bodenlangen Seidenstoff des Kleides anzulegen, der glänzte wie flüssiges Gold. Mit geschickten Fingern und ungemeinem Fleiß hatte sie fast einhundert kunstvolle...

Erscheint lt. Verlag 30.9.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 18. Jahrhundert • 18. Jh • Barockzeit / Absolutismus (17. / 18. Jh.) • Carl Eugen • Deutschland • Dichter • Die Räuber • Friedrich Schiller • Gestüt Marbach • Gomadingen • Historische Romane • Historischer Roman • Historisches Abenteuer • Inspiration • Landesgestüt • Liebe • Pferde • Poet • Räubergruppe • Regimentsarzt • romantisch • Sattlerei • Sattlerin • Schwarzwald • Starke Frauen • St. Märgen • Württemberg
ISBN-10 3-7325-8805-X / 373258805X
ISBN-13 978-3-7325-8805-3 / 9783732588053
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