Sendschreiben an einen Freund -  Louis Claude De Saint-Martin

Sendschreiben an einen Freund (eBook)

Oder höhere Betrachtungen über die französische Revolution
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2020 | 1. Auflage
104 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7519-2948-6 (ISBN)
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"Um die Revolution, diese große Krisis der Gesellschaft, zu ihrem wahren Ziel zu führen, bedarf es einer Wiederherstellung (Wiedergeburt, régénération) der Menschheit in ihren ursprünglichen Zustand, in ihren Ausgangspunkt. Man muss also mit der Erkenntnis des wahren Ursprungs der menschlichen Gesellschaft beginnen." Saint-Martin. Da dieser Ursprung aber in Gott liegt, "ist es also nur eine Art Theokratie, eine Gottesherrschaft auf Erden, die er als Ideal der mesnchlichen Gesellschaft und des Staates fordert, ja deren Verwirklichung er erhofft und erwartet". Johannes Classen.

Louis Claude de Saint-Martin (1743-1803), Freimaurer, Philosoph und Mystiker in der Nachfolge von Jakob Böhme.

For human weal heave’n husbands all events.


Night-Thoughts. I. 105.

Sei guten Muts, mein Freund! Noch gibt es Franzosen, welche den Umsturz der vormaligen Kirche keineswegs als ein Unglück für die Religionswahrheiten ansehn, sondern die Überzeugung tragen, dass diese dabei nur unendlich gewinnen können. Ich bin einer von diesen Franzosen, du wirst aus diesem Schreiben ersehen, bis zu welcher Höhe sogar meine Zuversicht in diesem Punkte steigt; im Voraus bekenne ich dir, dass ich in jedem Schritte unserer erstaunenswürdigen Revolution das Offenbarwerden der Vorsehung zu erblicken glaube.

Ich glaube, dass deren gerechte Hand die Vertilgung der Missbräuche zur Absicht gehabt, von welchen der ehemalige Regierungszustand Frankreichs in allen seinen Teilen angesteckt war, Missbräuche, unter denen die Ehrsucht der Priester und die entheiligende Veruntreuung ihres Berufes die erste Stelle behaupteten.

Ich glaube, dass die Vorsehung, nachdem sie diese gewaltigsten Missbräuche ausgerottet, dem französischen Volke und weiterhin noch vielen anderen Völkern Tage des Lichtes und des Friedens geben wird, deren ganzen Wert unsere Gedanken vielleicht noch nicht ermessen können.

Ich glaube letztlich, dass sie zum Zweck gehabt, den Geist des Menschen von allen Flecken zu säubern, mit welchen er sich täglich in seiner finsteren Dumpfheit besudelt und von denen sich selbst zu reinigen er nicht stark genug wäre, wenn sie ihn seinen eigenen Mitteln und den schwachen Anstrengungen seines untätigen Willens überließe.

Diese zugleich politischen, philosophischen und religiösen Betrachtungen haben mich häufig während des sechsjährigen Entwicklungskampfes, in den wir noch jetzt sind, beschäftigt. Der Augenblick ist gekommen, sie zu sammeln und zu ordnen; ich unternehme dies mit desto größerer Lust, weil die Hoffnung, meinem Vaterlande nützlich zu sein, mich dabei leitet und weil dies fast die einzige Art ist, wie ich meine Schuld ihm abzutragen vermag.

Aber bevor ich mein Glaubensbekenntnis über diesen großen Gegenstand erörtere, auch bevor ich einige politische Grundlagen auseinandersetze, die sich meinem Gegenstande anschließen und welche du wahrscheinlich nicht erwartest, erlaube mir, mein Freund, einen Blick auf die mangelhaften Mittel zu werfen, welche die meisten Beobachter und Philosophen anwenden, um ihre Sache zu verteidigen, das heißt, um Gott zu beweisen und seinen Dienst uns zu lehren.

Ich bekenne mit ihnen, dass die Natur uns augenscheinlich das Dasein einer schöpferischen Ursache dartut; ich will selbst hinzufügen, dass nicht zu zweifeln ist, ob diese schöpferische Ursache in all ihren Werken einen Zweck habe, da wir ja schon in den unsrigen einen haben; aber, mich dünkt, sich auf den Beweis der schöpferischen Macht des höchsten Prinzips beschränken, wie sie es tun, heißt nicht, uns die erhabenste der Eigenschaften darbieten, die seine Wesenheit bilden: es bleibt uns noch der gerechte Gott, der über freie Wesen herrschende Gott, der liebende Gott zu beweisen, der Gott endlich, der unseren Seelen und unseren Gedanken die Wege anzeigt, durch die wir den Absichten seiner Weisheit entsprechen können, und der als solcher ein Recht hat auf unser Vertrauen, auf unsere Liebe und auf unsere Huldigungen.

Nun aber würden wir gar nicht all diese Bestimmungen von den Wesen fordern, welches nur die schöpferische Ursache der Natur wäre und welches bloß fortführe, dieselbe in ihrem Laufe zu erhalten, da diese Ursache in den Gesetzen, durch welche sie das Weltall leitet, gebunden und gleichsam eingenötigt ist, indem die Erscheinungen dieser Natur regelmäßig und in abgemessenen Zeiten vor unsere Augen wiederkehren, ohne dass wir den Urheber derselben anzurufen brauchten, und selbst wenn wir uns um sein Dasein gar nicht bekümmerten.

Also nur durch die Betrachtung der Natur das Dasein Gottes dartun, heißt nicht auf eine feste und vollständige Weise sein wahres Wesen aufstellen und noch weniger die Notwendigkeit, ihm Huldigung zu bringen, da zuvor der Gott darzutun ist, welcher diese Huldigung anzunehmen bereit ist, der Gott, welcher fähig ist, sie zu genießen, sie nach dem Maße seines eigenen Heiligtums zu würdigen und uns den Wert davon zurückzugeben.

Noch mehr, wenn es für uns keinen anderen Gott gäbe als den allmächtigen Gott und Schöpfer der Natur, so würden die Worte Huldigung und Religion (welche zwar in der Tat nicht ganz dasselbe sind) vergebens in den Gedanken des Menschen gekommen sein; oder, um richtiger zu sprechen, sie würden dahin niemals gekommen sein, da wir sehen, dass diese Namen und die Sache, welche sie ausdrücken, nur von der Menschengattung gekannt werden und allen anderen Gattungen der Geschöpfe gänzlich fremd sind, welche doch, wie wir, unter der Herrschaft und Waltung der Natur stehen.

Überdies finde ich aber diesen Beweis, welchen die Beobachter aus dem einfachen Schauspiel der physischen Dinge entlehnen, nicht nur unzulänglich, sondern sogar fast ganz unnütz, sofern er nämlich den rein naturalistischen Philosophen gelten soll: denn die Naturalisten sind keineswegs Atheisten, wie man annimmt; und wenn man ihre Meinungen über diesen Punkt sorgfältig prüft, so sieht man, dass ihr Irrtum mehr in Versetzung der schöpferischen Ursache der Natur als in deren Verleugnung besteht; ja, sie leugnen sie weniger als dass sie dieselbe versetzen, denn der Weise setzt diese Ursache außerhalb der Natur, und sie dagegen, sie setzen dieselbe in die Natur: das ist der ganze Unterschied. Und wirklich dürfen wir nicht weiter mit dem unbestimmten Namen Zufall stehen bleiben, den sie dieser Ursache beilegen, und nur der beweist, dass sie nicht wissen, wie sie diese nennen sollen, aber keineswegs, dass sie das Dasein derselben abstreiten.

Der wahre Atheist, wenn es einen solchen gibt, und folglich der wahre Gottlose, ist derjenige, welcher, seine Blicke auf die menschliche Seele richtend, deren Größe verkennt und deren unsterbliche Geistigkeit abstreitet, da wir nur in der Eigenschaft und Unermesslichkeit der Gaben und Tugenden, deren die Seele des Menschen fähig ist, die reinen und heiligen Strahlen, aus welchen sich das Bild des Gottes der Wesen gestalten muss, gleichsam im Spiegel können zurückleuchten sehen; die menschliche Seele auslöschen also heißt gleichsam mit einem düsteren Schleier die Gottheit verhüllen, welche diese Seele allein die Macht hat, in allen Welten lebendig zu bezeichnen, heißt diese ewige Sonne, aus der alles hervorkommt, auslöschen, und sie, mit der Allheit der Dinge, in die Trauer und das Dunkel der Nacht tauchen.

Das einzige Mittel, welches wir demnach hätten, den gerechten Gott, den über freie Wesen herrschenden Gott, den Gott der Liebe und Urquell eines für andere Wesen mitteilbaren Glückes darzutun, würde ohne Zweifel sein, in seinem Geschöpfe das Dasein einer Grundlage oder einer Wesenheit nachzuweisen, die ihm entspräche und fähig wäre, das Glück, dessen Ursprung er ist, zu empfangen und zu fühlen; würde sein, das geistige und unsterbliche Dasein der menschlichen Seele zu beweisen, da diese menschliche Seele, die in ihrem Grunde und in ihrer Vollständigkeit ganz Verlangen und ganz Liebe ist, dann als das tätige Zeugnis des heiligen und liebenden Gottes dastände, wie die physische Natur das leidende Zeugnis des mächtigen und schöpferischen Gottes ist, und wir damit also den ganzen Grund des Gebäudes gelegt hätten und es dann nur noch darauf ankäme, an seinem Aufbau fortzuarbeiten; denn es ist ohne Zweifel schon viel, das unsterbliche Dasein dieser menschlichen Seele anerkannt zu haben, wie manche besseren Geister auf der Erde getan; aber eine Sache anerkennen ist noch nicht immer, sie beweisen.

Um ein so wichtiges Ziel zu erreichen, müsste, dünkt mich, der Gang der beiden Bildungsstoffe, aus welchen wir bestehen, sorgfältig unterschieden und nicht unsere Sinne für den Ursprung unserer Gedanken genommen werden, deren Werkzeug sie nur sind; wie man eine Leitungsröhre auch ja nicht für den Ursprung des elektrischen Funkens nimmt, der vermittelst ihrer das Leben in den Nerven aufweckt; eine grobe und unverzeihliche Verwechslung, durch welche die materielle Philosophie unablässig die größten Zerstörungen bewirkt.

Es wäre in Betracht zu nehmen, dass die Macht der Materie über unseren Geist nur eine leidende Macht ist, mit welcher sie zwar das Spiel und die Kräfte desselben in sich hineinziehen kann, wie man es in tausend Gelegenheiten sieht, aber nicht ihn selbst zerstören oder vernichten, da mit dem Aufhören der Hindernisse, welche sie ihm entgegensetzt, er seine Rechte wieder einnimmt und sich wieder so zeigt, wie er gewesen.

Es wäre zu betrachten, dass mit dieser bloß leidenden und einziehenden Macht sie nichts Tätiges auf unser Wesen zu wirken noch irgendetwas in diesem geistigen Wir, welches unserer körperlichen Hülle inwohnt, zu erzeugen vermag; während unser Geist die tätige Macht besitzt, in dieser Materie, welche ihn einschließt, tausend Fähigkeiten, tausend Gaben und tausend Kräfte zu...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-7519-2948-7 / 3751929487
ISBN-13 978-3-7519-2948-6 / 9783751929486
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