Rentner sind besser als ihr Ruf (eBook)

Roman

(Autor)

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2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-8612-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Rentner sind besser als ihr Ruf -  Ellen Jacobi
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Ein heiterer Roman über fiese Investoren, tatkräftige Senioren und das, was jahrzehntelange Freundschaft ausmacht

Henriette von Aschberg ist fassungslos: Ihr Adoptivbruder Konstantin setzt alles daran, das Hochhaus zu entmieten, das ihnen je zur Hälfte gehört. Er will es abreißen, auf dem Grundstück lukrative Eigenheime errichten lassen und sich damit eine goldene Nase verdienen. Für die Altmieter empfindet er nichts als Verachtung, Henriette dagegen bedeuten sie alles. Zusammen mit ihren Freunden schmiedet die alte Dame einen Plan, um das Haus und die langjährige Gemeinschaft zu retten. Wie gut, dass sie in der Eifel noch ein altes Jagdschloss besitzt, in das sie und ihre Freunde sich einstweilen zurückziehen können ...




Ellen Jacobi, 1960 am Niederrhein geboren, entdeckte als Tochter einer Bibliothekarin und Märchenbuchsammlerin früh ihre Liebe zu Büchern und zum Geschichtenerzählen. Nach einem Literatur- und Anglistikstudium arbeitete sie als Reiseleiterin und Lehrerin in England. In Deutschland war sie als Redakteurin für Tageszeitungen und Magazine tätig. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Köln.

Ellen Jacobi, 1960 am Niederrhein geboren, entdeckte als Tochter einer Bibliothekarin und Märchenbuchsammlerin früh ihre Liebe zu Büchern und zum Geschichtenerzählen. Nach einem Literatur- und Anglistikstudium arbeitete sie als Reiseleiterin und Lehrerin in England. In Deutschland war sie als Redakteurin für Tageszeitungen und Magazine tätig. Heute lebt sie mit ihrer Tochter in Köln.

1.


Wind blättert in den Säulenpappeln, lässt letzte Blütenkätzchen schneien, frischt plötzlich auf. Eine Böe wiegt und zaust die maigrünen Kronen, zwingt sie zum Tanz. Zu schwindelhohen Riesen sind die Bäume in sechzig Jahren aufgeschossen, ihre Wipfel verschleiern einen verkehrsbrausenden Autobahndamm in Richtung Rheinbrücken und Düsseldorf und reichen bis hinauf zu den Fenstern der kleinen Penthousewohnung auf dem Hochhausdach.

Es ist die ehemalige Hausmeisterwohnung, direkt neben dem Anbau für die ächzende, mitunter rumpelnde, weil betagte Fahrstuhltechnik. Hinter den Fenstern, die Pappeln fest im Blick, mit dem Rumpelfahrstuhl per Du und längst versöhnt, ja, geradezu darin vernarrt, steht Henriette »Henny« von Aschberg, seit fünf Jahren Bewohnerin des Hochhausdachs, außerdem Unternehmerstochter, Architektenwitwe und Erbin der sechs Stockwerke unter ihren Füßen.

Henny runzelt missvergnügt die Stirn.

Nun ja, zur Hälfte. Noch.

Wäre das Haus ganz ihr Eigen und hätte sie Kinder als Erben, würde sie nicht so schrecklich in der Bredouille stecken. Der Aschberg-Clan, ihre dank Baustoffhandel – erst Holz, dann Ziegel, später Zement, Kies, Beton et cetera – über Generationen steinreich gewordene Familie, will Hand oder besser gesagt Kettensägen, Wurzelgrubber und Fräsen an die Pappeln legen. Um freie Bahn zu schaffen für Bagger und Abrissbirnen.

Gefühlloses Pack, elende Sippschaft, immer gewesen!, schimpft Henny stumm.

Das Hochhaus und halb Hoffnungsthal, ein luftiges Vorzeigeviertel des sozialen Wohnungsbaus, 1959 nach Entwürfen von Stararchitekt Johann Riemann, Hennys längst Verstorbenem, in Rekordzeit gebaut, soll lukrativen Luxusimmobilien und Tiefgaragen weichen. Auf der anderen Seite der Autobahn haben die Bauarbeiten bereits begonnen. Da stört ein ehemaliger Sozialbau der Wirtschaftswunderzeit, egal, wie hübsch er ist mit seinem rosaroten Backstein, dem lichten Terrazzotreppenhaus und den schwebenden Balkonen. Seine Bewohner – egal, wie alt und glücklich sie in dem Hochhaus, mit den günstigen Mieten und den tapfer tanzenden Pappeln sind – stören erst recht.

Ebenso die Schrebergartenanlage Grünbäumchen 1930 e.V., der reizende Park mit Schaukeln, Ententeich und Schützenhaus, der Kirmesplatz, der am Niederrhein nie fehlen darf, und die bescheidenen Reihenhäuschen. Hennys Blick durcheilt die grüne Wohnoase tief unter ihren Wohnzimmerfenstern. Ein Paradies, wie sie findet. Eine heile Welt. Die Aschbergs wollen diese Welt ausradieren und eine neue bauen – eine hässliche.

Wenn das der Riemann noch erleben müsste!, schnaubt Henny innerlich. Johann Riemanns Devise lautete: Ein Hochhaus soll schmücken, nicht erdrücken. Und daran hat er sich gehalten. Er mag ein lausiger Ehemann gewesen sein, aber er war ein ausgezeichneter Architekt.

Ihrer sogenannten Familie schweben gruselig klotzige weiße Flachdachwürfel in Stapeln, vom Singleformat bis hin zur Villengröße, vor. Dicht an dicht gebaut, damit genug Rendite abfällt. Dazwischen soll es künstliche schnurgerade Kanäle geben, klinisch saubere Rollrasenflächen im Handtuchformat und Zierkirschen, stramm in Reih und Glied gepflanzt. Anstelle von Kirmesplatz, Kleingartenanlage und Park ist ein Golfplatz angedacht.

Eine Art gehobene Disneylandschaft und vornehme Käfighaltung soll das werden, findet Henny. Für Großstadtpendler, Besserverdiener und Betuchte oder solche, die sich dafür halten und sich hinter bodentiefen Fenstern zur Schau stellen wollen.

Von Aschbergs werden hier nicht wohnen, das ist mal sicher. Die würden selbst niemals zu horrenden Mieten oder astronomischen Kaufpreisen in sterilen Bauklotztürmchen leben wollen. Schon gar nicht würden sie ihren Reichtum herzeigen. Tja, und für so einen Mist sollen ihre alten Mieter rausgeworfen und in alle Winde zerstreut werden.

Zorn kocht in Henny hoch, ihr Rebellenblut pulsiert, ihr juckt es in den Fingern, dem morgendlichen Besucher, der ihr im Nacken, genauer gesagt am Biedermeiertisch in ihrem Rücken sitzt, ein paar Backpfeifen zu verpassen. Noch besser, sie holt ihre alte Jagdbüchse aus der Besenkammer und schießt ihn zur Tür hinaus. Dank Förster Bellhaus weiß sie seit ihrer Kindheit, wie man eine Flinte benutzt und damit trifft.

Haltung, Henny, Haltung!, mischt sich ihre innere Gouvernante ein. Vergeblich. Zumindest, was ihre wahren Gefühle betrifft. Äußerlich anzusehen ist Henny davon freilich nichts. Kerzengerade, tadellos frisiert und erlesen elegant gekleidet, ganz Inbegriff einer vornehmen alten Dame von 79 Jahren, steht sie trotz kochendem Rebellenblut an den Fenstern.

Die Bau- und Abrisspläne sind Henny natürlich nicht neu. Neu ist, dass der einleitende Pappelkahlschlag am Hochhaus bereits für diesen Herbst und ganz an ihr vorbei geplant worden ist, wie ihr Überraschungsgast vor zehn Minuten mit raumgreifender Stimme verkündet hat.

Dreckskerl.

»Die Pappeln müssen weg. Schon aus Sicherheitsgründen«, hat Konstantin von Aschberg sie noch im Türrahmen – Begrüßung Fehlanzeige – mit einem Mundwerk wie ein Maschinengewehr unter Feuer genommen. »Die sind bestimmt morsch bis auf die Knochen, völlig verrottet. Wir wollen ja nicht, dass auf die letzten Meter noch ein Mieter durch umfallende Bäume zu Schaden kommt.«

Sodann hat er ihr kleines, aber feines Wohnzimmer erstürmt, die Pappeln voll Abscheu beäugt und nachgeladen. »Ich sehe schon die Schlagzeilen Rentner auf Balkon von Pappel erschlagen. Gruselige Vorstellung, so geschäftsschädigend. Und denke nur, einer der Bäume könnte dich treffen! Welch ein Verlust.«

Sollte das eine verkappte Drohung sein?, sinniert Henny grimmig. Möglich wäre alles. Konstantin Freiherr von Aschberg, ihr dreißig Jahre jüngerer Adoptivbruder, ist der geborene Kotzbrocken.

Optisch gibt er gern eine Art britischen Gentleman vom Lande. Mal im hundebehaarten Tweedjackett und Hunter-Gummistiefeln, mal, so wie heute, im dunkelblauen Wappenblazer zu rahmengenähten Schuhen, stets mit keramikverblendetem Lächeln. Außerdem hat er eine Vorliebe für Paisley-Einstecktücher. Kurz, er sieht meist aus wie einer Inspektor Barnaby-Folge entsprungen. Ein Endvierziger in der Rolle des jovialen Landedelmanns. Henny kann er damit nicht täuschen.

Konstantin ist kein Gentleman, sondern der Mann fürs Grobe im Aschbergclan. Heimtücke und unsaubere Methoden sind Konstantins Spezialgebiet. Mehr traut man ihm als Sprössling einer allenfalls halbadeligen Seitenlinie nicht zu, das allerdings zu hundert Prozent. Konstantin würde alles tun, um in die oberen Ränge der Familie aufzusteigen.

Zweifellos hat man ihm das Kommando in Sachen Hochhaus übergeben. Er soll sie in den Wahnsinn treiben oder mit viel Glück einen Herzanfall bei ihr auslösen. Ihr plötzliches Ableben würde schließlich den sofortigen Abriss des Hochhauses ermöglichen. Im Falle ihres Todes gehen das Haus und der Grund und Boden – ehemals spottbilliges Ackerland, jetzt millionenwertes Bauland – nämlich zurück an den Aschbergclan. Das ist Familientradition, wenn erbberechtigte Kinder fehlen.

Hennys Mund wird zum wütenden Strich.

Nun, noch lebt sie und ist, von ein paar Altersmalaisen abgesehen, geradezu lächerlich gesund. Da kommt sie auf ihren Urgroßonkel, Graf Heinrich Siegismund Frowein. Der war im Alter mehr Lebemann als Industriebaron, ist 98 geworden, bis zuletzt Parforcejagden geritten und am Ende einem Herzschlag in der Bügelkammer seiner properen Haushälterin erlegen – und das nicht beim Wäschefalten.

Alles in allem war er einer der wenigen sympathischen Vertreter des Aschberg-Geschlechts. Und ein origineller. Seine Nachfahren nennen ihn allerdings despektierlich »Graf Gaga«.

Herrje, jetzt schweifen deine Gedanken ab!, ruft Henny sich zur Ordnung. Leider neigen ihre Gedanken zum Abschweifen, besonders in Gegenwart von Kotzbrocken Konstantin, dem Unerträglichen.

»Wie du weißt«, meldet der sich in schönstem Einklang mit seinem wahren Charakter – dem eines Schmierlapps und Lügners – hinter ihr wieder zu Wort, »nehme ich Fragen der Fürsorgepflicht sehr ernst. Du und deine Mieter, ihr liegt mir am Herzen.«

Als ob!

Konstantins Herz ist ein Rechenschieber, weshalb er gerade seine zweite Scheidung durchmacht. Vielleicht ist es auch die dritte, überlegt Henny. Ihr Adoptivbruder hat eine Schwäche für teure Vorzeigeblondinen. Gewöhnlich kommen sie aus halbwegs gutem Hause und sind nicht komplett bildungsfern, dafür aber wohlstandsverblödet. Kurz, es handelt sich um strohdumme, aber gerissene Gänse und verwöhnte Zicken.

Wenn Henny sich recht entsinnt, heißt Konstantins derzeitige künftige Ex-Frau Katja und hat als Erbin selbst Geld »an de Fööss«, wie es am Niederrhein heißt. Trotzdem dürfte die Trennung für Konstantin mal wieder kostspielig werden. In besseren Kreisen schenkt man sich nichts.

Ein Grund mehr für ihn, die lukrativen Baupläne forsch und im Sinne des Clans voranzutreiben. Er dürfte kräftig daran mitverdienen.

Was sagt man zu so einem? Nichts! Den schweigt man tot. Deshalb hat sie diesem Prinz Protz mit Wappenring den Rücken zugekehrt und gibt sich ungerührt, obwohl sie sich in Wahrheit wie ein Häufchen Elend fühlt.

Hinter ihr am Biedermeiertisch raschelt Papier. Konstantin ist zum Studium von Mietunterlagen, Kontoauszügen und Geschäftsakten – ihren Auszügen und Akten – übergegangen....

Erscheint lt. Verlag 29.5.2020
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Comic / Humor / Manga
Literatur Romane / Erzählungen
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Aktiv • Deutschland • ehrenwertes Haus • Eifel • entmieten • feel good • feelgood • Feel-Good-Roman • Feel-Good-Romane • Hausgemeinschaft • Heuschrecke • Humor • Immobilienhai • Investor • Liebe im Alter • Niederrhein • pfiffig • Rentner • Rentnerroman • Senioren • Seniorenroman • skurril • Unterhaltsam
ISBN-10 3-7325-8612-X / 373258612X
ISBN-13 978-3-7325-8612-7 / 9783732586127
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