Lob der langen Liebe -  Werner Bartens

Lob der langen Liebe (eBook)

Wie sie gelingt und warum sie unersetzbar ist
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2020 | 1. Auflage
320 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00486-3 (ISBN)
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Wer am Anfang einer Beziehung steht, dem helfen unzählige Ratgeber. Aber was ist mit denen, die schon länger oder richtig lang zusammen sind? Eine längere Beziehung wirft immer - egal, ob die Partner in ihren Dreißigern, Vierzigern oder Fünfzigern sind - grundsätzliche Fragen auf. Rund zwei Drittel aller Paare fühlen sich in ihrer Beziehung unsicher, sie beschäftigen sich - offen oder insgeheim - mit der Frage, ob sie so weiterleben möchten. Aber wer eine langjährige Beziehung aufgibt, so erklärt der Arzt und Bestsellerautor Werner Bartens, gibt einen Schatz an Gemeinsamkeiten, Erfahrungen und Vertrautheit auf, den das Paar in Jahren gesammelt hat. Und gesünder lebt man zu zweit sowieso, wie die Forschung weiß, außerdem glücklicher und, anders als der überzeugte Single vielleicht meint: mit wesentlich mehr Sex. Aber eine lange Beziehung stellt auch Anforderungen: Werner Bartens erklärt, worauf es in einer richtigen Partnerschaft ankommt, ganz egal, wie alt man ist. Ohne Schmetterlinge im Bauch geht's auch: sogar besser, sagt Bartens, denn Sie werden sich in ihrer langen Beziehung so glücklich fühlen, wie Sie am Anfang gerne gewesen wären.

Dr. med. Werner Bartens ist Leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der «Süddeutschen Zeitung». Er gilt als einer der einflussreichsten deutschen Publizisten zum Thema Gesundheit. Seine Bücher «Was Paare zusammenhält», «Glücksmedizin» und das «Ärztehasser-Buch» waren «Spiegel»-Bestseller. Zuletzt erschienen «Emotionale Gewalt» (2018) und «Lob der langen Liebe» (2020).

Dr. med. Werner Bartens ist Leitender Redakteur im Wissenschaftsressort der «Süddeutschen Zeitung». Er gilt als einer der einflussreichsten deutschen Publizisten zum Thema Gesundheit. Seine Bücher «Was Paare zusammenhält», «Glücksmedizin» und das «Ärztehasser-Buch» waren «Spiegel»-Bestseller. Zuletzt erschienen «Emotionale Gewalt» (2018) und «Lob der langen Liebe» (2020).

Auf dem Weg zur
langen Liebe


Was die Liebe so schwer macht


«Von Weitem sieht eine Ehe außerordentlich einfach aus.»

(Hans Fallada)

Es ist ein Kreuz mit der Liebe. Wir wollen dem Diktat unseres Herzens folgen, uns dabei aber nicht vollständig selbst aus den Augen verlieren – oder allenfalls für den kurz währenden Moment der akuten Verliebtheit. Wir wollen uns selbst verwirklichen, aber trotzdem voller Hingabe manchmal alles vergessen. Wir wollen selbständig sein, aber dennoch sicher sein, dass wir uns auch in der größten Abhängigkeit auf den anderen verlassen können. Wir sind meistens ökonomisch unabhängig und haben eine eigene Ausbildung, sodass wir uns es leisten könnten, die Beziehung – und auch eine Ehe – aufzukündigen. Wir haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von achtzig Jahren und mehr, wie sollen wir uns da sicher sein, dass die Anziehung der ersten Monate für die nächsten fünfzig Jahre hält? Und wir haben diese enorme Auswahl an Möglichkeiten. Schwierig das alles, wirklich schwierig.

«Ich und Du wir waren ein Paar / jeder ein seliger Singular», schreibt Mascha Kaléko. Sehr schön, aber wie macht man das, ein Paar und trotzdem ganz selber zu sein?

Die Liebe als Überforderung


«Lebst du mit ihr gemeinsam –

dann fühlst du dich recht einsam.

Bist du aber alleine – dann frieren die Beine.

Lebst du zu zweit? Lebst du allein?

Der Mittelweg wird wohl das richtige sein.»

(Kurt Tucholsky)

Unsere Vorstellungen von der Liebe sind heillos überfrachtet. Das zeigt sich in Partnersuchanzeigen, in Dating-Shows – oder auch nur im Gespräch mit der besten Freundin oder dem Freund. Der Mann fürs Leben soll schließlich zugleich der verlässliche Kumpel sein und ein augenzwinkernder Lebenskünstler, der immer für eine Überraschung gut ist. Dazu sei er bitte schön auch ein geschickter Heim- und Handwerker, natürlich irgendwie kreativ, der engste Vertraute, erfolgreich im Job, ein leidenschaftlicher Liebhaber, der große Kümmerer und dann auch noch ein wunderbarer Vater. Einen knackigen Po, mindestens aber ein Grübchen im Kinn, hat er natürlich auch, um das nicht zu vergessen.

Gesucht wird also eine Art Casanova in gehobener Position, der am Wochenende das Unkraut jätet, abends geduldig mit den Kindern die Hausaufgaben durchgeht und morgens schon den Müll rausgetragen hat, bevor er ihr Kaffee und Croissants ans Bett bringt. Ein Mittelding also aus Robert Habeck, Elon Musk, George Clooney und diesem netten Wuschelkopf, der immer die Gemüsekiste vor die Tür stellt.

An die Traumfrau werden nicht minder hohe Erwartungen gerichtet. Sie soll bitteschön eine herzenswarme gute Fee sein, umsichtig und fürsorglich im Haus, eine hervorragende Köchin und natürlich eine aufopferungsvoll liebende Mutter. Sie hat auch nach einer am Bett der kranken Kinder durchwachten Nacht noch eine porentief reine Haut, gleichzeitig ist sie beruflich erfolgreich, ohne privat ihre eigenen Interessen zu vernachlässigen. Und abends verwandelt sie sich in einen aufregenden Vamp, zumindest aber in eine Granate im Bett.

Man muss sich das wohl als eine Kreuzung aus Mutter Teresa, Penélope Cruz, Christine Lagarde und einem bulgarischen Unterwäsche-Model vorstellen. Darf’s vielleicht noch ein bisschen mehr sein? Eine eierlegende Wollmilchsau ist jedenfalls nichts dagegen.

Natürlich ist das alles etwas überspitzt. Aber mal ehrlich, ganz unter uns, wer hat auch nur annäherungsweise einen solchen Partner oder eine solche Partnerin? Wo gibt es die? Oder wer kennt auch nur ein einziges Paar, auf das wenigstens die Hälfte der genannten Eigenschaften zutrifft und die nicht nur selbst beide solche Hauptgewinne sind, sondern die voller Sehnsucht nur darauf warten, sich wieder zu sehen und miteinander zu verschmelzen? Kein Wunder, dass kaum eine Beziehung diese Ansprüche auf Dauer aushält. Was bleibt, sind ebenso sehnsüchtige wie unerfüllte Phantasien – und der ernüchtert-zweifelnde Blick auf dieses amorphe Etwas, das sich da neben einem im Bett herumwälzt.

Realistisch ist ein solch überladenes Bild von der Liebe (und dem Liebespartner!) nämlich keineswegs. Seit mit dem Zeitalter der Romantik die ideelle Überhöhung der Ehe in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte, begann die gegenseitige Überforderung. Aus einer nüchtern geschlossenen oder gar von außen arrangierten Zweck- und Arbeitsgemeinschaft, wie es in den Jahrhunderten zuvor meistens der Fall war, sollte fortan ein heiterer Lustgarten werden. Und seitdem leiden die meisten Paare unter den zu hohen Erwartungen.

Nur weil nach der romantischen Wende ab 1820 die Ansprüche an die Partnerschaften zunahmen, wurden sie nicht automatisch besser. Es gab in den folgenden zweihundert Jahren (und gibt sie bis heute) auch weiterhin zahlreiche miese Ehen und zerrüttete Verhältnisse in großer Zahl. Aber die Hoffnung auf den einmaligen Traumpartner, das Streben nach Erfüllung und die Erwartung des großen Glücks im Kleinen blieben; diese wunderbaren Wunschvorstellungen ließen sich nie wieder ganz einfangen.

Allerdings muss man die Romantiker des 19. Jahrhunderts auch ein wenig in Schutz nehmen. Ihre Vorstellung von der romantischen Liebe war nicht gleichbedeutend mit dem, was heute oftmals darunter verstanden wird, also leidenschaftlicher Hingabe und körperlicher Ekstase. Romantische Autoren verstanden darunter vielmehr eine tiefe innere Verbundenheit, die mit Seelenverwandtschaft wohl am besten zu übersetzen ist. Und damit kommen sie dem Zustand der langen, dauerhaften Liebe, der durch große Nähe und Vertrautheit charakterisiert ist und nicht durch wilde Leidenschaft, ja schon recht nahe.

Herumgesprochen hat sich das allerdings kaum. Denn nicht weniger als die oder der eine unter Millionen sollen es im heutigen Anforderungsprofil an den Partner schon sein, eine persönliche Maßanfertigung, von einer höheren Schicksalsmacht sorgfältig geschnitzt und zwar exklusiv für die eigenen Bedürfnisse. Der auf den ersten Blick irritierende Buchtitel «Liebe dich selbst und es ist egal, wen du heiratest» bringt sehr schön auf den Punkt, warum es wenig hilfreich ist, auf den Traumprinzen oder die Traumprinzessin zu warten und alle potenziellen Kandidaten daran zu messen. Das ist meist der sichere Weg ins Unglück. Das Glück in der Liebe liegt zu großen Teilen in den eigenen Händen, nicht in denen des Wunschpartners.

Mit etwas Abstand betrachtet, ist es ja sowieso ein großes Paradox: In jüngster Zeit beschleunigt sich die gesellschaftliche Entwicklung noch rasanter als zuvor. In vielen gesellschaftlichen, ökonomischen und staatlichen Bereichen werden die Hochs und Tiefs, auch die Phasen der Ernüchterung und des Stillstands immer häufiger und sind manchmal im Alltag sehr schmerzhaft zu spüren – aber ausgerechnet in der Partnerschaft soll alles so heiter und zuckersüß fortbestehen wie am Anfang? Das kann nicht funktionieren, und wer diese Erwartung an eine Beziehung und seinen Partner hat, wird scheitern. Rückschläge und Enttäuschungen sind dann unweigerlich programmiert.

Die Tragik des Begehrens


«Da ist die Angst, niemals den Gipfel zu erreichen (und nicht einmal zu wissen, welcher Weg hinaufführt), aber auch die Angst, ihn tatsächlich zu erklimmen (und nun zu wissen, dass es nicht mehr höher geht).»

(Zygmunt Bauman, Soziologe)

Die Sagengestalt des Königs Midas ist in verschiedenen eindrucksvollen Erzählungen überliefert. Eine der bekanntesten Mythen berichtet von seinem Wunsch, dass alles, was er anfasse, doch unmittelbar zu Gold werden möge. Dionysos erfüllte ihm dieses Begehren, und der König war begeistert: Er berührte einen Baum nur leicht, und dieser verwandelte sich sofort in Gold. In der Aussicht auf unerschöpflichen Reichtum lud Midas sogleich zu einem großen Festessen. Der Saal wurde prachtvoll geschmückt, die lange Tafel bog sich vor köstlichen Speisen, und zahlreiche Gäste waren gekommen. Doch als Midas den ersten Bissen zum Mund führen wollte, verwandelte sich dieser augenblicklich in Gold und war nicht mehr zu genießen. Als bald darauf seine geliebte Tochter eintraf, freute sich Midas sehr, nahm sie zur Begrüßung herzlich in den Arm – woraufhin sie ebenfalls zu Gold wurde und erstarrte.

 

Midas verzweifelte, trauerte – und magerte obendrein ziemlich ab. Schon bald bat er Dionysos flehentlich darum, seinen vor kurzem noch so heiß ersehnten Wunsch schleunigst wieder zurückzunehmen. Schließlich konnte er so nicht mehr lange weiterexistieren, er würde zugrunde gehen. Dass sein Wunsch so schnell und umfassend in Erfüllung ging, machte ihn zwar für einen winzigen Moment glücklich, sodann sein Leben aber unerträglich, denn er dominierte fortan alles. Statt Glück kam großes Unglück über ihn.

Und die Moral von der Geschichte? Die Lehre für die Liebe? Der Hunger bleibt, auch wenn die größte Sehnsucht gerade erst erfüllt wurde. Und ein Reich aus purem Gold mag zwar eine schöne Vorstellung sein, letztlich kommt es aber vor allem auf ganz alltägliche Dinge wie zwischenmenschliche Begegnungen und Berührungen an – und die Möglichkeit, satt zu werden.

Dass sich Lust und Begehren nicht für immer erfüllen und niemals auf Dauer stillen lassen, zeigt diese Sage eindrucksvoll. Nietzsches Diktum «Doch alle Lust will Ewigkeit / will tiefe, tiefe Ewigkeit!» deutet ein paar Jahrtausende später in eine...

Erscheint lt. Verlag 15.9.2020
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Bestsellerautor • Beziehungen • Beziehungskrise • Beziehungsratgeber • Coaching • Ehe • Eheberatung • Ehekrise • Gefühle • Glück • langjährige Beziehung • Langzeitbeziehung • Lebensgemeinschaft • Liebe • Liebespaar • Paare • Paartherapie • Partnerschaft • Psychologie • Scheidung • Sexualität • Trennung • Werner Bartens
ISBN-10 3-644-00486-2 / 3644004862
ISBN-13 978-3-644-00486-3 / 9783644004863
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