Transkulturelle Herausforderungen meistern (eBook)

Missverständnisse klären und Kompetenzen stärken

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-00337-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Transkulturelle Herausforderungen meistern -  Anna Fuchs
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Runter vom Sofa und raus in die Welt!  Wir leben und arbeiten immer internationaler. Was aber passiert, wenn Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenkommen, sei es im Berufsleben, im Alltag, auf Reisen oder beim Umzug in ein anderes Land? Anna Fuchs zeigt praxisnah, wie transkulturelle Herausforderungen souverän gemeistert werden können, und verbindet dafür Kulturtheorie mit psychologischen Konzepten. Darüber hinaus macht sie konkrete Vorschläge, wie Methoden und Modelle des kommunikationspsychologischen Werkzeugkoffers eingesetzt werden können, um in einer immer diverseren Welt zu einem echten Miteinander auf Augenhöhe beizutragen.

Anna Fuchs ist Diplom-Psychologin, Vertreterin des Schulz-von-Thun-Instituts für Spanien und das spanischsprachige Ausland; Projektleiterin des Certificate of Advanced Studies: Angewandte Kommunikationspsychologie nach Schulz von Thun in Luzern und Dozentin für Interkulturelle Kommunikation und Führung an der EAE Business School, Barcelona. Sowohl ihr Berufsalltag als Dozentin, Trainerin und Coach als auch ihr Privatleben - gemeinsam mit ihrem argentinischen Partner lebt sie seit 2001 in Barcelona, wo ihre beiden Kinder dreisprachig aufwachsen - bieten ihr eine Fundgrube an Beispielen für interkulturelle Situationen, Missverständnisse und Konflikte. Mehr über die Autorin unter www.annafuchs.info

Anna Fuchs ist Diplom-Psychologin, Vertreterin des Schulz-von-Thun-Instituts für Spanien und das spanischsprachige Ausland; Projektleiterin des Certificate of Advanced Studies: Angewandte Kommunikationspsychologie nach Schulz von Thun in Luzern und Dozentin für Interkulturelle Kommunikation und Führung an der EAE Business School, Barcelona. Sowohl ihr Berufsalltag als Dozentin, Trainerin und Coach als auch ihr Privatleben – gemeinsam mit ihrem argentinischen Partner lebt sie seit 2001 in Barcelona, wo ihre beiden Kinder dreisprachig aufwachsen – bieten ihr eine Fundgrube an Beispielen für interkulturelle Situationen, Missverständnisse und Konflikte. Mehr über die Autorin unter www.annafuchs.info

Statische Eisberge oder lebendige Flusslandschaften?


Unsere Sicht auf Kultur und was sie grundsätzlich prägt

Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts tobte der Kalte Krieg zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion sowie ihren jeweiligen Militärblöcken. Die Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Kommunismus drohte zu eskalieren, die Gefahr einer bewaffneten Auseinandersetzung bestimmte weltweit die Außen- und Sicherheitspolitik.

In dieser Zeit, die geprägt war von Misstrauen, Konkurrenzkampf und Bereitschaft zur Repression, stellte der Foreign Service der USA fest, dass nur ein geringer Anteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Sprache ihres Entsendungslandes sprach. Russische Diplomaten schlugen sich, mit bis zu neunzig Prozent, deutlich besser. Es gab Handlungsbedarf. Also wurde der Anthropologe und Ethnologe Edward T. Hall beauftragt, US-amerikanischen Diplomaten beizubringen, wie kulturelle Unterschiede zu Missverständnissen und zum Misslingen ihrer Missionen beitragen konnten. Das Hauptziel war damals nicht etwa, in bunt gemischten Kulturen gut zusammenzuleben. Vielmehr sollte das Verhalten von Menschen aus unterschiedlichen Ländern für Diplomatinnen, Politiker, Militärangehörige und Geschäftsleute beschreibbar, berechenbar und kontrollierbar werden (vgl. Nguyen 2017).

Hall gilt als Begründer der Interkulturellen Kommunikation. In seinem wegweisenden Buch Beyond Culture (1976) legt er ausführlich seine bekannte Metapher dar, der zufolge Kulturen wie Eisberge sichtbare und unsichtbare Anteile in sich vereinen (vgl. Abb. 1). Sie spiegelt aber auch ein Verständnis von Kultur als homogenes, in sich abgeschlossenes Gebilde, dessen größter Teil mysteriös, unvorhersehbar und potenziell gefährlich ist.

Abb. 1: Kultur als Eisberg nach Edward T. Hall (1976)

Dabei wurden bereits mit der Entstehung von Nationalstaaten die Begriffe «Kultur» und «Nation» eng aneinandergekoppelt, und zwar ebenfalls aus dem Bedürfnis heraus, sich klar von anderen abzugrenzen. «Jede Nation hat ihren Mittelpunkt der Glückseligkeit in sich wie jede Kugel ihren Schwerpunkt!», beschreibt der Philosoph Johann Gottfried Herder dieses Phänomen (1774, S. 44f.). Wenn ich im Folgenden daran angelehnt von einem «kugeligen» Kulturverständnis spreche, dann meine ich damit ein Verständnis, nach dem – auch heute noch fast ausschließlich – Nationalkulturen klare Grenzen nach außen aufweisen und gleichzeitig homogen nach innen sind. Diverse Lehrbücher und Ratgeber bauen auf dieser Sichtweise auf. Sie stellen dann «die Spanier» «den Deutschen» gegenüber, weisen auf Konfliktpotenzial hin und geben konkrete Verhaltensempfehlungen.

Die interkulturelle Sichtweise bietet zweifellos hilfreiche Erklärungen, um Unterschiede aufzuzeigen oder, mit Hall gesprochen, um die Interaktion zweier Eisberge möglichst störungsfrei vonstattengehen zu lassen, bevor diese – voneinander unbeeinflusst und unbeeinträchtigt – ihren weiteren Weg durchs Eismeer fortsetzen. Aber sollten wir Kulturen tatsächlich als statische Gebilde verstehen, die aneinander vorbeiziehen? Die Antwort, Sie ahnen es, lautet nein.

Migration, Austausch, Durchmischung, das sind keine neuen Phänomene. Für mich als Hamburgerin spiegelt sich das in der Geschichte meiner Heimatstadt wider. Zwischen 1850 und 1939 wurde die Stadt für über 5 Millionen Menschen aus ganz Europa das Tor zur Welt. Von hier brachen sie per Schiff auf, um sich zum Beispiel in Nord- und Südamerika ein neues Leben aufzubauen – unter ihnen waren übrigens auch viele Deutsche. Allein in den USA gaben 2015 etwa 45 Millionen Menschen an, deutsche Vorfahren zu haben – damit stellen sie dort die größte ethnische Bevölkerungsgruppe dar (Plamper 2019).

Im Zuge dieser Einwanderung aus Europa wurde Buenos Aires 1905 zur ersten Millionenmetropole Lateinamerikas. Die Menschen kamen in Kontakt miteinander und hinterließen Spuren bei jenen, denen sie auf ihrem Weg begegneten. In der neuen Heimat veränderten sie sich, entwickelten neue kulturelle Praktiken und kommunizierten in mehreren Sprachen. Bis sie sich nicht nur in zwei Ländern, sondern auch auf zwei Kontinenten zu Hause fühlten und neue identitätsstiftende Kollektive für sich entdeckten. Ein Beispiel dafür sind die internationalen Arbeiterbewegungen Lateinamerikas, die vielen Europäern Anschluss, Zusammenhalt und ein Identitätsgefühl boten – auch dann noch, als sich ihre ehemaligen Landsleute in Europa gegenseitig bekriegten und töteten (vgl. Wätzold 2016).

Doch wer fortgeht, kann auch wiederkommen. Bis zu 40 Prozent der Ausgewanderten kehrten nach Europa zurück. Im Gepäck: neue Eindrücke von einer Welt, die sie nun auch den Zurückgebliebenen durch ihre Erzählungen und neuen Gewohnheiten näherbrachten – wodurch sie fast unmerklich Veränderungen anstießen. Überall, wo sich Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg begegnen, verändern sich sowohl der Einzelne als auch die Gruppe – und langfristig auch beide Ursprungskulturen.

Wie dieses Beispiel zeigt: Kulturellen Austausch gab es schon immer. Doch noch nie waren Menschen, Informationen, Wissen und Waren so beweglich wie heute. Für viele Studierende gehören Auslandsaufenthalte zum Studium. Eine internationale Karriere anzustreben, ist für sie völlig normal. Und auch außerhalb universitärer Kontexte bewegen sich Menschen über Landesgrenzen hinweg und lassen sich zeitweise oder gar dauerhaft außerhalb ihrer ursprünglichen Heimatländer nieder. Viele von ihnen gehen bikulturelle Partnerschaften ein, manche bekommen gemeinsam Kinder. In Deutschland hat knapp jeder Vierte einen sogenannten Migrationshintergrund. Und auch meine Kinder haben einen argentinischen Vater, eine deutsche Mutter und leben in Spanien, genauer gesagt, in Katalonien. Auf welchen von Halls Eisbergen soll ich meine Familienmitglieder setzen?

Die interkulturelle Betrachtungsweise dieser Frage ist zwar nicht falsch, aber doch unvollständig. Deswegen haben sich im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Ansätze entwickelt, um kulturelles Zusammenleben zu beschreiben, auf die ich hier kurz eingehen möchte:

«Multikulturalität» steht für die Idee weitestgehend voneinander abgegrenzter, homogener nationaler oder ethnischer Gruppen, die innerhalb einer Gesellschaft mehr oder weniger friedlich nebeneinanderher leben – wie die einzelnen Blumen eines großen, bunten Blumenstraußes. Bestehende Unterschiede werden wahrgenommen und akzeptiert. Das zeigt sich zum Beispiel auf multikulturellen Straßenfesten.

«Interkulturalität» geht einen Schritt weiter und versteht das Zusammenleben als Prozess, in dem Gruppen zwar klar voneinander abgrenzbar sind, aber interagieren, sowie sich und ihre Mitglieder vernetzen – wie bei einem Blumenbeet, in dem Blätter und Wurzelwerk ihren Lebensraum teilen. Diese Interaktion macht es notwendig, dass Mittel und Wege zur Verständigung und Akzeptanz zwischen den Kulturen gesucht und gepflegt werden.

Diese traditionellen Erklärungsmodelle bauen auf dem kugeligen Kulturverständnis auf, demzufolge Kulturen in sich abgeschlossene, homogene Systeme sind. Sie vernachlässigen, dass wir unser Selbstkonzept nicht nur auf Grundlage unserer Nationalkultur, sondern anhand diverser identitätsstiftender Gruppenzugehörigkeiten konstruieren, und das in einem lebenslangen Prozess. Weil die althergebrachten Modelle nicht ausreichen, sind in den letzten Jahren verschiedene neue Ansätze entstanden, darunter «Hyperkulturalität», «Multikollektivität» und «Diversity». Um bei der Pflanzen-Metapher zu bleiben, beschreiben sie Kultur als Lebensgemeinschaft diverser Organismen, als lebendiges und wachsendes Ökosystem mit offenen Grenzen, in denen alle Elemente Einfluss auf das Ganze haben und die Übergänge fließend sind. Auch «Transkulturalität» (lat. trans- darüber, jenseits von, hindurch, auf die andere Seite) gehört zu diesen neuen Erklärungsmodellen. Der Begriff geht auf den kubanischen Anthropologen Fernando Ortiz Fernández (1940) zurück und wurde in Deutschland Anfang der 1990er-Jahre von dem Philosophen Wolfgang Welsch (2017, 2018) in die Diskussion eingebracht. Inzwischen wird das Konzept «Transkulturalität» von verschiedenen Autorinnen und Autoren aufgenommen und weiterentwickelt.

Transkulturalität versteht Kulturen nicht als Eisberge, sondern als hochgradig verflochtene, dynamische Gebilde. Ein in der Fachliteratur beliebtes Bild ist das der Flusslandschaften, demzufolge Kulturen – wie Flüsse – von sichtbaren und unsichtbaren Quellen gespeist werden. Die Wasseroberfläche ist meist ruhig, dennoch können wir davon ausgehen, dass darunter machtvolle Unter- und Gegenströmungen aufeinandertreffen. Flüsse laufen zusammen, durchdringen sich und bilden neue Arme aus. Sie erneuern sich ständig und sind immer in Bewegung. Kritische Ereignisse können in Ausnahmesituationen dazu führen, dass ein Fluss über die Ufer tritt, sich einen neuen Weg suchen muss, gar ein neues Flussbett entsteht. Und dennoch bleibt selbst dann vieles wie gehabt: Weiterhin fließt Wasser aus unzähligen sichtbaren wie unsichtbaren Quellen, Gletschern und Regenwolken in einem einzigartigen Mischungsverhältnis durch eine Umgebung, die es prägt und verändert.

Transkulturalität geht also von einer starken Hybridisierung, also einer Durchdringung, der Einzelkulturen aus: Grenzen sind zwar vorhanden, aber durchlässig, Kulturen haben...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2022
Zusatzinfo Zahlr. s/w Ill.
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Arbeiten im Ausland • arbeit mit flüchtlingen • Auslandsjahr • Auslandsstudium • Auswandern • Beratung • berufliche Kommunikation • Businesscoaching • Business Coaching • Coaching • Cross Culture Kids • Dialog • Expat • Gesprächsführung • Gesprächskultur • Inneres Team • Interkulturell • international • international arbeiten • Kommunikation • Kommunikationspsychologie • Kommunikationsquadrat • Kommunikationsratgeber • Kommunikationsstil • Konfliktbewältigung • Konfliktlösung • Kulturelle Identität • Kulturschock • Kulturtheorie • kulturübergreifend • Migrationshintergrund • Miteinander reden • Rieman-Thomann-Modell • Schulz von Thun • Schwierige Situationen • Teufelskreis • Third Culture Kids • Training • Wertequadrat
ISBN-10 3-644-00337-8 / 3644003378
ISBN-13 978-3-644-00337-8 / 9783644003378
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