MUTIG, STARK UND KOMPETENT IN DIE GESUNDHEITSPFLEGE (eBook)
176 Seiten
myMorawa von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99093-887-4 (ISBN)
Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, M.Ed., Gesundheitspflegepädagogin, Vorträge/Workshops/Pflegekonzepte zu Themen der Gesundheitspflege, Gesundheitsförderung
Kapitel II
GESUNDHEITSPFLEGE: KOMPETENZEN, PFLEGEKONZEPTE UND RESSOURCENORIENTIERUNG
Von Heidemarie Jandl
Kompetenzen in der Gesundheitspflege
EINLEITUNG
Gesundheitsfördernde Maßnahmen in der Pflege (= Gesundheitspflege) umfassen sämtliche Interventionen zur Erhaltung und Wiedererlangung von Gesundheit und vor allem die Unterstützung der PatientInnen zur Selbstbefähigung. Im klinischen Berufsalltag werden im Rahmen der Krankenpflege gesundheitspflegende Maßnahmen automatisch miteinbezogen. PatientInnen und Angehörige treten sehr häufig mit Fragen an Pflegepersonen heran und praktisch jede Pflegemaßnahme geht von der grundsätzlichen Intention aus, die bestehende Gesundheit zu erhalten und zusätzliche Komplikationen zu verhindern.
Zur Umsetzung von professioneller Gesundheitspflege sollen Pflegende praktische Ansatzmöglichkeiten erhalten, um gesundheitsfördernde Pflegestrategien zu konzipieren. Eine Hauptaufgabe liegt in der salutogenetischen Ressourcenorientierung, also in der Befähigung der Menschen zur aktiven Teilnahme am Gesundheitsgeschehen. Ausgehend von den Kompetenzen und Potenzialen pflegerischer Berufe werden konkrete Ansätze für Gesundheitspflege aufgegriffen. Diese orientieren sich am Public Health-Ansatz und am Modell des Gesundheitsprozesses. Gleichzeitig sollen die vorhandenen Ressourcen bei den Pflegenden selbst gestärkt werden, was die Dualität des Themas widerspiegelt.
Meine persönliche Motivation liegt darin, die Gesundheitspflege als neues berufliches Handlungsfeld bei BerufskollegInnen ins Bewusstsein zu rufen. Die professionelle Gesundheits- und Krankenpflege verfügt über vielfältige Kompetenzen und hat allen Grund selbstbewusst aufzutreten. Laut der internationalen Studie „Trust in professions 2018“ zählt die Krankenpflege zu den vertrauenswürdigsten Berufen. Der Vertrauensanteil der Bevölkerung in KrankenpflegerInnen beträgt 89 Prozent (vgl. GfK 2018: 7,14). Dieses Potenzial gilt es zu nutzen und den Stellenwert professioneller Pflege nach außen zu transportieren.
Im folgenden Kapitel werden die pflegerischen Kompetenzen untersucht, in dem spezifische Modelle herangezogen werden. Es gilt herauszufinden wodurch sich pflegeprofessionelles Handeln auszeichnet, mit dem Ziel bei Pflegenden das Bewusstsein zu stärken und Möglichkeiten der Professionalisierung hervorzuheben.
Pflegekompetenz
Das Wort Kompetenz stammt aus dem Lateinischen „competentia“, was mit zusammentreffen übersetzt werden kann. Im deutschen Duden wird der Begriff mit Sachverstand, Fähigkeit, Zuständigkeit definiert beziehungsweise bedeutungsgleich mit Können und Qualifikation gesetzt (vgl. Duden 2019: o.S.).
Die deutsche Pflegewissenschaftlerin Christa Olbrich sieht die Fähigkeit als Voraussetzung, um kompetent handeln zu können. Dies bedeutet, den Menschen in seiner Gesamtheit zu erfassen. Dabei werden ethische Aspekte miteinbezogen. Wissen, Können, Erfahrung und Fähigkeiten treffen beim kompetenten Handeln zusammen. Pflegerische Kompetenz ist ein Prozess, der PatientInnen, deren Umfeld und die Pflegepersonen inkludiert (vgl. Olbrich 2010: 105f.).
Im offenen Curriculum für die Ausbildung in allgemeiner Gesundheitsund Krankenpflege, wird Kompetenz als Können/Handlungsfähigkeit einer Person bezeichnet, wobei das Ziel die Bewältigung beruflicher Anforderungen darstellt (vgl. ÖBIG 2003: 31).
Aufgrund der vielfältigen Bedeutungen von Kompetenz sind eindeutige Kompetenzdefinitionen in der Pflegepädagogik kaum möglich. Seit den 1980er Jahren wird von beruflicher Handlungskompetenz gesprochen, welche sich aus der fachlichen, sozialen und analytischen Kompetenz und der Kritik- und Urteilsfähigkeit zusammensetzt. Der Gesamtumfang beruflicher Handlungskompetenz ist jedoch umfassender und profunder, als die Summe der einzelnen Kompetenzen (vgl. Sahmel 2009: 14f.).
KOMPETENZFORSCHUNG IN DER PFLEGE
Nach Olbrich (2010) stellt Kompetenz eine Grundlage des Menschseins dar und betrifft demnach alle Wissenschaftsbereiche. Die deutsche Pflegewissenschaftlerin zieht Kompetenzansätze aus der Pädagogik, Psychologie und Soziologie heran. Angelehnt an das pädagogische Kompetenzmodell von Roth (1972), welches die Sachkompetenz (kognitiv), die Sozialkompetenz (interaktiv) und die Selbstkompetenz definiert, wird der Mensch mit seiner Persönlichkeit, seiner inneren Einstellung und seinen Wertvorstellungen erfasst. Aus der psychologischen Forschung lässt sich die motivationale Selbstbestimmungtheorie von White (1959) heranziehen. Der Mensch wird durch Motive geleitet und entwickelt Kompetenz, in dem er sich mit seinem Umfeld auseinandersetzt. Aus entwicklungspsychologischen Ansätzen lässt sich ableiten, dass der Mensch durch Erfahrung lernt. Einen weiteren Ansatz liefert die Selbstkonzeptforschung, nach deren Theorien der Mensch zur Selbstreflexion fähig ist. Der deutsche Soziologe Jürgen Habermas (1981), Begründer des Konzepts der kommunikativen Kompetenz, stellt die Fähigkeit des Menschen in den Vordergrund, sich im sozialen Kontext sinnvoll zu verständigen. Im pflegerischen Zusammenhang betont Olbrich die Wichtigkeit der kommunikativen Kompetenz im ethisch korrekten und verantwortungsbewussten pflegerischen Handeln (vgl. Olbrich 2010: 37-42).
Pflegekompetenzmodelle
Aus den verschiedenen Pflegekompetenzmodellen werden drei bedeutende Modelle vorgestellt.
MODELL ZUR KOMPETENZFÖRDERUNG IN DEN PFLEGE- UND GESUNDHEITSBERUFEN (OELKE)
Ein wesentliches Konzept zur Kompetenzförderung stammt von der deutschen Pflegepädagogin Uta Oelke (1998). Ihr Konzept wurde im österreichischen Curriculum für die Ausbildung in allgemeiner Gesundheits- und Krankenpflege zur Beschreibung von Kompetenzen herangezogen (vgl. ÖBIG 2003: 31f.). Das von Oelke (2005) weiterentwickelte Modell, umfasst vier Kompetenzbereiche:
1. Die fachliche Kompetenz, die auf professionelles Wissen und Handeln abzielt und sowohl pflegerische und medizinische Konzepte als auch Aspekte der Gesundheitsförderung und Ressourcenorientierung beinhaltet.
2. Die sozial-kommunikative Kompetenz umfasst im Umgang mit PatientInnen Themen der Beziehungsfähigkeit, Empathie, kultursensibles Handeln, sowie die Zusammenarbeit im Berufsfeld. Die Förderung der sozial-kommunikativen Kompetenz soll die Konfliktfähigkeit und Frustrationstoleranz stärken.
3. Personale Kompetenz heißt, dass die Pflegeperson mit den beruflichen Belastungen im Pflegeberuf gut umgehen kann. Im Besonderen geht es um ein ausgewogenes Nähe- und Distanzverhältnis.
4. Die methodische Kompetenz beinhaltet die Fähigkeit mit Informationen richtig und effizient umzugehen, Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen.
Im Speziellen gelangt die Reflexionsfähigkeit in den Blickpunkt, die die Reflexion der persönlichen Haltung in pflegerelevanten Zusammenhängen beinhaltet. Reflexionsfähigkeit befasst sich mit den eigenen Ressourcen und Problembewältigungsstrategien, sowie mit dem Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen und Bedürfnissen (vgl. Oelke/Meyer 2014: 343-346.).
Im Zuge der Fachhochschul-Bachelorstudiengänge für die Ausbildung in der allgemeinen Gesundheits- und Krankenpflege wird die wissenschaftliche Kompetenz hinzugefügt, welche in der FHGesundheits- und Krankenpflege-Ausbildungsverordnung (FHGuK-AV 2008) verankert ist. In Anlage 3 wird die wissenschaftliche Kompetenz beschrieben mit evidenzbasierter Recherche (wissenschaftlich belegte Pflegepraxis), Reflexion und Evaluation, Formulierung von Forschungsfragen und Hypothesen, Kenntnissen der qualitativen und quantitativen Pflegeforschung, Mitwirkung an Forschungsprojekten und Best Practice-Beispielen (bestes erprobtes Verfahren), sowie die Teilnahme am wissenschaftlichen Diskurs und die Nutzung evidenzbasierter Standards etc. (vgl. Bundeskanzleramt/RIS 2019a: o.S.).
STUFENMODELL ZUR PFLEGEKOMPETENZ (BENNER)
Das Stufenmodell zur Pflegekompetenz wurde von der amerikanischen Pflegeforscherin Patricia Benner (1994) entwickelt. Ihre Ansätze wurden ebenso im offenen Curriculum für die Ausbildung in allgemeiner Gesundheits- und Krankenpflege zur Beschreibung von Kompetenzerwerbsstufen herangezogen (vgl. ÖBIG 2003: 33f.).
Benner gilt als eine Wegweiserin professioneller Pflege. Sie stellt die Intuition, sprich die Fähigkeit der Pflegeperson, sich in die Situation der PatientInnen hineinversetzen zu können, in den Vordergrund. Ethisches Handeln soll den krankheitsbedingt verletzten Menschen schützen.
Sie sieht Pflege als den höchsten Wert einer Gesellschaft, da diese Leben ermöglicht (vgl. Staudacher 2012: 23-29).
Dreyfus-Modell des Kompetenzerwerbs in der Pflege
Dieses wurde 1980 primär an Schachspielern und Piloten entwickelt. Im Lernprozess werden fünf verschiedene Kompetenzstufen erworben. Dabei erfolgt eine Entwicklung vom anfänglichen bloßen Befolgen von Regeln hin zur Anwendung von Erfahrungsprozessen. Die Situation wird mehr und mehr als Ganzes erfasst und nicht mehr als Summe von einzelnen Aspekten gesehen. Der...
Erscheint lt. Verlag | 2.4.2020 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Wirtschaft | |
ISBN-10 | 3-99093-887-8 / 3990938878 |
ISBN-13 | 978-3-99093-887-4 / 9783990938874 |
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