Psychotraumatologie -  Anita Horn

Psychotraumatologie (eBook)

Trauma-Folgestörungen und ihre Behandlung aus Sicht der Analytischen Psychologie

Ralf T. Vogel (Herausgeber)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
142 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036610-7 (ISBN)
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Traumatisierungen können zu schwerwiegenden Persönlichkeitsveränderungen führen. Durch die Irritation des biopsychosozialen Systems durch Traumata sind die Symptome stets vielschichtig und die Behandlung der körperlichen Symptomatik, der Dissoziationen und Komplexe geht der Bearbeitung des eigentlichen Traumas häufig voraus. Entscheidend ist dabei die Reaktivierung der Fähigkeit zur Symbolisierung, die oftmals verschüttet ist. Die Analytische Psychologie nach C. G. Jung kann hier einen wertvollen Beitrag zur klinischen Psychotraumatologie leisten - sie bietet ein reichhaltiges Spektrum an Methoden (Traumdeutung, Malen, Sandspiel, Aktive Imagination, Authentic Movement) im Umgang mit traumatisierten Menschen, die im Buch dargestellt werden.

Dr. phil. Anita Horn graduierte am C. G. Jung-Institut Küsnacht und arbeitet als Analytische Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sie promovierte in Politischer Philosophie an der Universität Zürich, nach dem Abschluss eines Bachelor of Social Sciences in Politikwissenschaft und Philosophie sowie des Master of Arts in Philosophie, Politikwissenschaft und Hermeneutik.

Dr. phil. Anita Horn graduierte am C. G. Jung-Institut Küsnacht und arbeitet als Analytische Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Sie promovierte in Politischer Philosophie an der Universität Zürich, nach dem Abschluss eines Bachelor of Social Sciences in Politikwissenschaft und Philosophie sowie des Master of Arts in Philosophie, Politikwissenschaft und Hermeneutik.

2          Konzept und Diagnostik der Posttraumatischen Belastungsstörung


 

 

 

Im gegenwärtigen öffentlichen Sprachgebrauch wird der Begriff Trauma mehrheitlich mit der psychiatrischen Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) assoziiert. Zur Abgrenzung vom historischen, in der Psychoanalyse verwendeten Trauma-Begriff scheint ein Überblick über die aktuelle Diagnostik und die Beschreibung des PTBS-Störungsbildes angezeigt. Dieser Überblick dient der Umrahmung des theoretischen Krankheitsverständnisses in der psychopathologischen Diagnostik, welches das psychotherapeutische und psychoanalytische Schaffen und die Wahl der Intervention beeinflusst.

Etymologische stammt der Begriff Trauma aus dem Altgriechischen und bedeutet Verletzung oder Wunde. Er wird in der Medizin, insbesondere in der Chirurgie, zur Bezeichnung einer körperlichen Verletzung oder Behinderungen, die durch Verletzung entstanden sind, verwendet. In der Psychologie bezeichnet Trauma generell eine seelische Verletzung oder Erschütterung. Donovan erweiterte den medizinischen Begriff der Traumatologie in seinem vielfach zitierten Artikel »Traumatology: A field whose time has come« (Donovan, 1991). Hinsichtlich der vielfachen Reaktionsweisen, die Körper und Psyche im Umgang mit schweren Belastungen und Verletzungen zeigen, schlug der amerikanische Psychiater 1991 die folgende Definition der Traumatologie vor:

»Traumatology is the study of natural and man-made trauma (from the ›natural‹ trauma of the accidental and the geophysical to the horrors of human inadvertent or volitional cruelty), the social and psychobiological effects thereof, and the predictive-preventive-interventionist pragmatics which evolve from that study.« (Donovan, 1991, S. 434)

Diese Definition ist heute die Grundlage der Diagnose PTBS. Die Unterscheidung zwischen den sogenannten natürlichen, akzidentiellen und den man-made, den intersubjektiven Traumata, ist zentral, um in der Diagnostik und Therapie zwischen der klassischen PTBS und komplexeren Formen zu unterscheiden.

Die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung wurde erst 1980 in das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM III) aufgenommen und damit offiziell als psychische Störung anerkannt. Die Störung ist die Folge einer Konfrontation mit einem kurz- oder langandauernden Ereignis, das als außergewöhnliche oder katastrophale Bedrohung empfunden oder wahrgenommen wird (Maercker, 2013, S. 13–34). Entsprechend wird der Begriff Trauma heute oft reduziert auf die ausgeprägte Symptomatik einer Trauma-Folgestörung, bei der ein schwer belastendes Lebensereignis nach dem auslösenden Ereignis immer wieder physisch und psychisch in Form von Flashbacks oder Intrusionen wiedererlebt wird. Unterschieden wird einerseits zwischen den natürlichen oder akzidentiellen und anderseits den zwischenmenschlich verursachten (man-made) Traumatisierungen. Akzidentielle Traumata von kürzerer Dauer sind beispielsweise ausgelöst durch Verkehrsunfälle oder einen Blitzschlag. Technische, atomare oder langandauernde Naturkatastrophen sind Beispiele für Auslöser von langandauernden akzidentiellen Traumata. Bei den zwischenmenschlichen Traumata können einmalige Ereignisse wie eine Vergewaltigung oder die Erfahrung körperlicher Gewalt, aber auch langanhaltende Erfahrungen von körperlicher und sexueller Gewalt in der Kindheit, Folter, Krieg oder Geiselnahme als mögliche Ursachen genannt werden. Von den natürlichen und zwischenmenschlichen Traumata wird zusätzlich die Kategorie der medizinisch verursachten Traumata unterschieden. Zur Symptomatik der PTBS gehören fünf Hauptkriterien: Erlebnis eines Traumas, Intrusionen (unwillkürliche und belastende Erinnerungen an das Trauma), Vermeidungsverhalten und allgemeiner emotionaler Taubheitszustand, anhaltendes physiologisches Hyperarousal und die länger als einen Monat anhaltende Dauer der Symptome (Maercker, 2013, S. 13–34). Die vollständige Diagnostik gemäß DSM-5 kann bei der American Psychatric Association (2013) nachgelesen werden, die des ICD-10 bei Dilling (2012).

Beim PTBS-Störungsbild unterscheiden sich die beiden etablierten Manuals. Das ICD-10 unterschied zwischen Akuter Belastungsreaktion, Posttraumatischer Belastungsstörung und Anpassungsstörung. Dissoziative Störungen wurden in einer eigenen Kategorie klassifiziert. Das ICD-11, welches ab 2022 gelten wird, verspricht eine weitere Differenzierung der Diagnostik durch die Aufnahme der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung. Im Gegensatz zu den Diagnosevarianten im ICD-11 hat die American Psychiatric Association im DSM-5 eine dem ICD-10 vergleichbare Überkategorie des PTSD-Konzepts (Posttraumatic Stress Disorder) beibehalten, worin zwischen einer reaktiven Bindungsstörung (Reactive Attachment Disorder), einer Störung des gehemmten sozialen Engagement (Disinhibited Social Engagement Disorder), der PTBS (einschließlich der PTBS für Kinder bis 6 Jahre), der Akuten Stressreaktion (Acute Stress Disorder) und der Anpassungsstörung unterschieden wird (American Psychiatric Association, 2013). Im Rahmen der verstärkten Forschung zum Thema Traumata haben in den USA feldspezifische Pioniere wie Judith Herman und Bessel van der Kolk den wesentlichen Unterschied zwischen der klassischen PTSD und der komplexen PTSD identifiziert und beschrieben. Herman prägte den Begriff der komplexen PTSD, van der Kolk nennt die Störung Disorder after Extreme Stress not Otherwise Specified (DESNOS) (Melbeck, 2004, S. 157).

Bei der komplexen PTSD-Symptomatik wird mit Herman von einer langanhaltenden traumatischen Belastung ausgegangen. Während auch hier die Hauptsymptome der PTSD vorliegen müssen, kommt es, zusätzlich zur Dissoziationsneigung und Somatisierung, zu Beeinträchtigungen im Bereich der Emotionsregulierung (Affekt- und Impulsregulation), des Selbstkonzepts (negative Selbstwahrnehmungen, veränderte Lebenseinstellungen) und der Beziehungsfähigkeit. Herman beschreibt die Reaktionen auf ein Trauma durch ein Spektrum verschiedener Zustände, nicht als einzelne Störung. In Anlehnung an Lawrence Kolb geht sie davon aus, dass durch die Heterogenität der PTSB und die oftmals langanhaltende, tiefgreifende Desintegration der Persönlichkeit fast alle Formen der Persönlichkeitsstörungen resultieren können (Herman, 2014, S. 166 f.). Sie schlug bereits in den 1990er Jahren den Begriff Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung vor, um Patienten zu erfassen, die spezifisch über einen längeren Zeitraum totalitärer Herrschaft unterworfen waren (Geiseln, Kriegsgefangene, Überlebende aus Konzentrationslagern, Aussteiger aus Sekten, Menschen, die in sexuellen oder familiären Beziehungen durch physische oder sexuelle Gewalt missbraucht wurden, oder Personen, die von organisierten Banden sexuell ausgebeutet wurden). Dabei benennt sie neben einem langandauernden Ausgeliefertsein in traumatischen Situationen sechs weitere Symptomkategorien: Störungen der Affektregulation, Bewusstseinsveränderungen, gestörte Selbstwahrnehmung, gestörte Täterwahrnehmung, Beziehungsprobleme und Veränderung des Wertesystems. Zu den Störungen der Affektregulation zählt sie hierbei anhaltende Dysphorie, chronische Suizidgedanken, Selbstverstümmelung, aufbrausende oder extrem unterdrückte Wut (eventuell alternierend), zwanghafte oder extrem gehemmte Sexualität (eventuell alternierend). Die der komplexen PTBS zugeordneten Bewusstseinsveränderungen umfassen Amnesie oder Hypermnesie bezüglich der traumatischen Ereignisse, phasenweise dissoziative Erscheinungen, Depersonalisation und Derealisation, Wiederholung des traumatischen Geschehens über entweder intrusive Symptome der PTBS oder als andauernde grüblerische Beschäftigung. Bei der Spezifikation der gestörten Selbstwahrnehmung beschreibt Herman Ohnmachtsgefühle, Lähmung jeglicher Initiative sowie Scham- und Schuldgefühle, Gefühle der Beschmutzung und Stigmatisierung, Selbstbezichtigungen und das Gefühl, sich von anderen grundlegend zu unterscheiden. Zur gestörten Täterwahrnehmung kann gehören: ständiges Nachdenken über die Beziehung zum Täter (auch Rachegefühle), unrealistische Einschätzung des Täters, der für allmächtig gehalten wird, Idealisierung oder paradoxe Dankbarkeit, Gefühl einer besonderen oder übernatürlichen Beziehung, Übernahme des Überzeugungssystems oder der Rationalisierung des Täters. Bei den Beziehungsproblemen können Isolation und Rückzug, gestörte Intimbeziehungen, wiederholte Suche nach einem Retter (eventuell alternierend mit Isolation und Rückzug), anhaltendes Misstrauen, Unfähigkeit zum Selbstschutz Symptome sein. Die Veränderungen...

Erscheint lt. Verlag 18.3.2020
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Ralf T. Vogel
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte C. G. Jung • Psychotherapie • Tiefenpsychologie • Traumatherapie
ISBN-10 3-17-036610-6 / 3170366106
ISBN-13 978-3-17-036610-7 / 9783170366107
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