Einführung in die Beratungspsychologie (eBook)
221 Seiten
UTB GmbH (Verlag)
978-3-8463-5296-0 (ISBN)
Prof. Dr. rer. nat. Dipl.-Psych. Susanne Nußbeck lehrte an der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln
Hinweise zur Benutzung dieses Lehrbuchs 8
Vorwort von Susanne Zank 9
1 Einführung 13
1.1 Historische Entwicklung 13
1.2 Aktuelle Definitionen von Beratung 18
1.3 Abgrenzung zu Therapie und Mediation 21
1.4 Ethische Fragen 23
1.5 Übungsfragen zu Kapitel 1 27
2 Grundlagen der Kommunikationspsychologie 28
2.1 Kommunikationstheorien und Modelle 28
2.2 Nonverbale Kommunikation 42
2.3 Übungsfragen zu Kapitel 2 49
3 Theoretische Konzepte der Beratung 51
3.1 Von „therapeutischen Schulen“ abgeleitete Beratungskonzepte 52
3.1.1 Psychoanalytisch orientierte Beratung 52
3.1.2 Klientzentrierte / Personzentrierte Beratung 57
3.1.3 Kognitiv-behavioral orientierte Beratung 60
3.2 Systemorientierte Ansätze 66
3.2.1 Systemische Beratung 66
3.2.2 Lösungsorientierte Beratung 73
3.2.3 Ressourcenorientierte Beratung 75
3.3 Übungsfragen zu Kapitel 3 79
4 Der Beratungsprozess 80
4.1 Settings 80
4.2 Beratung in Gruppen 86
4.3 Online-Beratung 88
4.4 Krisenintervention 93
4.5 Der Veränderungsprozess 95
4.6 Diagnostik in der Beratung 100
4.7 Techniken und Methoden 104
4.7.1 Konzeptübergreifende Techniken und Methoden 104
4.7.2 Konzeptspezifische Techniken und Methoden 108
4.8 Übungsfragen zu Kapitel 4 109
5 Die Beziehungsgestaltung 111
5.1 Die helfende Beziehung 111
5.2 Burn-out 114
5.3 Übungsfragen zu Kapitel 5 121
6 Evaluation von Beratungskonzepten und Beratungsprozessen 122
6.1 Supervision 122
6.2 Beratungs- und Interventionsforschung 129
6.3 Qualitätsmanagement 137
6.4 Übungsfragen zu Kapitel 6 142
7 Beratungsfelder 144
7.1 Erziehungs- und Familienberatung 144
7.2 Beratung in Schule, Aus- und Weiterbildung 151
7.3 Entwicklungsberatung und Beratung in der Frühförderung 160
7.4 Beratung bei chronischer Krankheit oder Behinderung 168
7.5 Beratung bei Abhängigkeit und Sucht 178
7.6 Beratung von Menschen mit Migrationshintergrund189
7.7 Übungsfragen zu Kapitel 7 195
8 Aktuelle Entwicklungen und Ausblick 198
Glossar 200
Literatur 203
Sachregister 218
2 Grundlagen der Kommunikationspsychologie
Kommunikation als Form zwischenmenschlicher Beziehungen ist Gegenstand unterschiedlicher Wissenschaften und bildet die Grundlage vieler Anwendungsbereiche. Verschiedene Kommunikationsmodelle, die die Schwerpunkte unterschiedlich setzen, mehr die Kanäle der Übertragung, mehr die sprachliche Kommunikation, mehr den herbeizuführenden Konsens, die kommunikative Kompetenz, mehr den Wechsel der Perspektiven oder die kollaborative Konstruktion von Bedeutungen fokussieren, sind entwickelt worden und finden ihre Entsprechungen in den Beratungskonzepten.
Zweifellos und für den naiven Betrachter selbstverständlich geschieht Kommunikation hauptsächlich in Sprache. Nonverbale, unmittelbar verständliche, aber schwer bewusst kontrollierbare Anteile spielen jedoch eine große Rolle bei der gegenseitigen Verständigung. Kommunikative Handlungen werden durch Mimik, Blickverhalten, parasprachliche Mittel und Körperhaltung gesteuert, soziale Rollen oder das Selbst dargestellt und gewünschte Eindrücke vermittelt. Dem Berater nützt die Kenntnis nonverbaler Kommunikationsmittel, um die Botschaften seines Klienten zu verstehen, sein eigenes Verhalten zu kontrollieren und sich auf den Klienten einzustellen.
2.1Kommunikationstheorien und Modelle
Beratung geschieht in Interaktion und verbaler Kommunikation zwischen Ratsuchendem und Berater in einem wechselseitigen Prozess. Impulse aus den verschiedensten Wissenschaften, der Philosophie, der Soziologie, der Sprachpsychologie, der Sozialpsychologie, der Technologie, um nur einige zu nennen, bestimmen die heutige Kommunikationspsychologie, die wiederum für viele Anwendungsbereiche, wie Medienwissenschaften, Werbung und eben auch Beratung Grundlagen schafft. Erkenntnisse aus der Kommunikationspsychologie sind hilfreich, wenn man verstehen will, was im Beratungsprozess geschieht, warum sich Ratsuchende unverstanden fühlen können, Berater manchmal glauben, „gegen eine Wand zu reden“, vermeintliche Klarstellungen doch nicht klar sind und Missverständnisse auftreten.
Der Begriff „Kommunikation“, abgeleitet aus dem lateinischen „communicare“, was u. a. „miteinander besprechen, mitteilen“ bedeutet, ist im Deutschen über die Nachrichtentechnik zu seiner heutigen Bedeutung und Verbreitung gekommen, obwohl er schon lange bekannt war. So sind frühe Kommunikationsmodelle auch der Nachrichtentechnik entlehnt.
Sender-Empfänger-Modell
In dem bereits 1949 entwickelten, aber heute noch oft als grundlegend angenommenen Modell (siehe Abbildung 1) wird von einer Informationsquelle ausgegangen, einem Sender mit einem gewissen Vorrat an Zeichen, mit dem er seine Nachricht verschlüsselt, über einen Informationskanal weitergibt an einen Empfänger, der ebenfalls einen Vorrat an Zeichen hat, mit dem er die Nachricht entschlüsselt und in seinen Informationsspeicher aufnimmt. Sender und Empfänger müssen natürlich die gleiche Kodierung verwenden, wenn sie erfolgreich kommunizieren wollen, und auf dem Weg der Übertragung können Störungen auftreten, die die ordnungsgemäße Weitergabe der Information gefährden (Shannon / Weaver 1949). In diesem rein technologischen Modell geht es hauptsächlich um die Übertragung, die Kanalkapazität, also die Menge und Güte der Daten, die übermittelt werden kann. Inwieweit die Zeichen bei Sender / Sprecher und Empfänger / Hörer tatsächlich identisch sind, wird ebenso vernachlässigt, wie die wechselseitige Abhängigkeit, indem jeder Sender gleichzeitig Empfänger sein kann. Welche Bedeutung und welche Funktion die Kommunikation für Sender und Empfänger hat, wird in diesem technischen Modell ebenfalls nicht beachtet, die Bedeutung ist eine Eigenschaft der Botschaft selbst. Das war von den Autoren als Mitarbeiter der „Bell Telephone Laboratories“, denen es um eine möglichst störungsfreie Übertragung ging, auch nicht anders beabsichtigt (Frindte 2001).
Abb. 1 Kommunikationsmodell von Shannon & Weaver (1949)
Besonderheiten menschlicher Kommunikation
Neben der Übertragung von Nachrichten, wie im Modell von Shannon und Weaver dargestellt, zeichnet sich menschliche Kommunikation aber durch Besonderheiten aus, die über die reine Übermittlung klar definierter Botschaften hinausgehen. Kommunikation ist immer eingebettet in den Lebenskontext der Personen, die miteinander kommunizieren. Ihre je eigenen Erfahrungen, Einstellungen, Absichten und Motive fließen in ihr Kommunikationsverhalten ein. Kulturelle Regeln bestimmen, wer mit wem wie reden darf. Mit fremden Personen bleibt man zurückhaltender, gibt ihnen nicht alles preis und wartet erst einmal ab, „mit wem man es zu tun hat“. Mit einem guten Freund kann man anders reden als mit seinem Chef und zu Hause in vertrauter Umgebung anders als im Büro.
Uneindeutigkeit von Begriffen
Sprachliche Begriffe sind nicht eindeutig. Der gleiche Sachverhalt kann unterschiedlich ausgedrückt werden. Man kann sagen: „Ich fühle mich nicht wohl“ oder „Es geht mir schlecht“, um einen momentanen psychischen oder physischen Zustand zu beschreiben. Dasselbe Wort kann unterschiedliche Bedeutungen haben und wird nur aus dem Kontext verständlich. „Wann kommt der nächste Zug?“, hat auf dem Bahnsteig sicher eine andere Bedeutung als bei einem Schachspiel. Wie man einen Satz versteht, hängt von einer Vielzahl von zusätzlichen expliziten (konkret ausgedrückten) und impliziten (gemeinten, nicht ausgedrückten) Informationen ab, die für seine Interpretation nötig sind. Die Bedeutung einer Äußerung kann also nie allein wörtlich verstanden werden, sondern ergibt sich aus der wörtlichen Bedeutung und einem nicht vollkommen bestimmbaren Komplex von Hintergrundannahmen (Searle 1985). Wegen dieses Backgrounds, der Hintergrundannahmen, kann eine Wortbedeutung nie völlig erklärt werden, weil jede Explikation eine neue nach sich zöge, so dass eine unendliche Spirale von weiteren Explikationen entstünde.
Erwerb von Begriffen
Die unterschiedlichen Erfahrungen, die Menschen mit den Wortbedeutungen in ihrer Sozialisation machen, und in welchem Kontext sie sie lernen, bedingen, dass sprachliche Begriffe nicht für alle Menschen einer Sprachgemeinschaft in ihrer Bedeutung völlig gleich sind.
Wenn die Mutter zu ihrem Kind, das ihr zeigen möchte, was es gemalt hat, sagt: „Ich komme gleich!“, dann aber auf sich warten lässt, wird das Kind daraus entnehmen, dass „gleich“ nicht „sofort“ ist, und fortan damit rechnen, dass jemand, der „Ich komme gleich“ sagt, damit eine höchst unbestimmte Aussage macht und irgendwann und womöglich gar nicht, aber sicher nicht sofort kommt.
Auch konkrete Begriffe werden im Kontext erworben. Die Bedeutung des Wortes „Hund“ beispielsweise lernt und differenziert ein Kind, je nachdem welchen Exemplaren es im Laufe seiner Entwicklung begegnet ist. Dennoch können zwei Personen, die niemals den gleichen Hunden begegnet sind, sich über Hunde verständigen, weil sie aus diesen Erfahrungen so etwas wie einen „Durchschnittshund“ gebildet haben, der die typischen Merkmale aller Hunde hat, die sie je gesehen haben. Die Bildung solcher „Prototypen“ lässt sich schon im Säuglingsalter nachweisen (zusammenfassend siehe z. B. Goswami 2008). Schwieriger wird es mit der Übereinstimmung, wenn die Begriffe abstrakter sind. „Liebe, Ehre, Vaterland“ wird von verschiedenen Personen und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Epochen sicher anders verstanden. Neben einer Kernbedeutung, in der alle Sprachbenutzer übereinstimmen, gibt es individuelle und kategorielle Randbedeutungen, die die Begriffe uneindeutig werden lassen (Rosch 1978). Dazu kommt, dass jeder Begriff neben seiner Denotation, der inhaltlichen Bedeutung, auch eine Konnotation hat, einen gefühlsmäßigen Beiklang, der seine Bedeutung färbt und etwas über die Einstellung seines Benutzers preisgibt. Es ist ein Unterschied, ob man „Frau“, „Dame“ oder „Weib“ sagt, obwohl jedes Mal eine erwachsene, weibliche Person gemeint ist.
Auch im Beratungsprozess haben die von Ratsuchendem und Berater verwendeten Begriffe unterschiedliche Konnotationen, die gefühlshafte Anmutungen auslösen und die Einstellung zueinander verändern können.
Übertragungskanäle
Die Botschaften menschlicher Kommunikation werden über mehrere Übertragungskanäle, der Sprache, der Mimik und der Gestik, gleichzeitig übermittelt. Diese ergänzen sich, können sich aber auch widersprechen. Während einer einzigen sprachlichen Mitteilung können mehrere nonverbale Botschaften gesendet werden.
Während ich meinem Gegenüber einen Vorschlag für die Gestaltung unseres nächsten Treffens mache, kann ich nacheinander und gleichzeitig denken: „Der sieht aber heute schlecht aus, hoffentlich wird er bis dahin nicht krank“, „Der hat es ja auch nicht leicht mit seiner Frau“, „Hoffentlich fängt er jetzt nicht gleich wieder von seinen Problemen an!“, „Wie kann ich schnell das Gespräch beenden?“ aber auch „Hoffentlich kriege ich meinen Bus noch!“, „Ich hätte mal wieder Lust auf Spaghetti!“ oder „Ich freue mich auf heute Abend!“ Alle diese Gedanken werden kurzfristig in meiner Mimik und Gestik zu sehen sein. Wenn ich es zu weit treibe, wird mein Gegenüber den Eindruck gewinnen, ich sei nicht bei der Sache, höre nicht zu, interessiere mich nicht wirklich für ihn und er könnte irritiert fragen, ob er mir „etwas getan“ habe.
Organon-Modell
Psychologische Kommunikationstheorien gehen daher über die reine Datenübertragung hinaus und berücksichtigen die...
Erscheint lt. Verlag | 7.10.2019 |
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Zusatzinfo | mit 95 Übungsfragen und Online-Antworten |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Beratung • Beratung bei Sucht • Beratung Frühförderung • Beratung in Gruppen • Beratungsansätze • Beratungskonzepte • Beratungspsychologie • Beratungstechniken • Einführung • Entwicklungsberatung • Gesprächsführung • klientzentrierte Beratung • Kommunikationspsychologie • Kommunikationstheorien • Krisenintervention • Lehrbuch • lösungsorientierte Beratung • Migrationshintergrund • Onlineberatung • Personenzentrierte Beratung • Setting • Sozialpädagogik • Studium Soziale Arbeit • Supervision • Systemische Beratung • UTB |
ISBN-10 | 3-8463-5296-9 / 3846352969 |
ISBN-13 | 978-3-8463-5296-0 / 9783846352960 |
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