Ost-Berlin (eBook)
272 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-477-7 (ISBN)
Jahrgang 1950, Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1972 Relegation aus politischen Gründen, Arbeit in einem Produktionsbetrieb, nach einem Jahr »Bewährung in der Produktion« konnte er sein Studium fortsetzen, 1976-1989 Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1984 Promotion, 1990 Mitarbeiter des Komitees zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, 1991-1996 Assistent an der Humboldt-Universität, 1996-1998 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1998-2000 Referent bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und bis 2005 Mitarbeit im Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin, seit 2005 wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin.
Jahrgang 1950, Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, 1972 Relegation aus politischen Gründen, Arbeit in einem Produktionsbetrieb, nach einem Jahr "Bewährung in der Produktion" konnte er sein Studium fortsetzen; 1976–1989 Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1984 Promotion, 1990 Mitarbeiter des Komitees zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, 1991–1996 Assistent an der Humboldt-Universität, 1996–1998 Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, 1998–2000 Referent bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und bis 2005 Mitarbeit im Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin; seit 2005 wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin.
Erstes Kapitel
Kriegsende und Teilung
Blick über den Pariser Platz zum Brandenburger Tor, Juni 1945
Stalins ungewolltes Kind
Biografien beginnen üblicherweise mit der Geburt des Helden. Doch wann Ost-Berlin das Licht der Welt erblickte, ist einigermaßen unklar. War es in den Nachtstunden vom 8. zum 9. Mai 1945, als die deutsche Wehrmacht bedingungslos kapitulierte, oder in den Tagen vom 1. bis zum 4. Juli 1945, als die Westalliierten ihre Sektoren in Berlin übernahmen? In Frage kommt auch die Einführung der D-Mark in den Westsektoren am 23. Juni 1948, die den Anlass für die sowjetische Blockade bot, oder der 30. November 1948, als mit der staatsstreichartigen Bildung eines von der SED dominierten Magistrats und der Wahl Friedrich Eberts zum Ost-Berliner Oberbürgermeister faktisch jede verwaltungsmäßige Gemeinsamkeit mit den Westsektoren beendet wurde. Doch auch danach beschworen beide Seiten mit viel Pathos die Einheit Berlins, und im Alltagsleben der Stadtbewohner blieb sie bis zu einem gewissen Grad bis zum 13. August 1961 erhalten.
Ein eindeutiger Geburtstag des feindlichen Geschwisterpaares ist schwer auszumachen. Der Zeitpunkt der Zeugung hingegen lässt sich genau bestimmen. Auch der Kindsvater stand von Anfang an fest: Es war der sowjetische Diktator Stalin, der mit den eher widerstrebenden oder zumindest gleichgültigen Briten und Amerikanern den missratenen Wechselbalg zeugte. Wie es auch im Leben vorkommen mag, war sich diese Ménage-à-trois keineswegs der langfristigen Konsequenzen ihres Treibens bewusst. Die ungewollte Nachkommenschaft entwickelte sich zum weltpolitischen Problemfall und blieb es mehr als 40 Jahre lang.
Die Idee der Teilung Berlins entstand 1944. Während an allen Fronten noch der Krieg tobte, beschlossen die vom 19. bis zum 30. Oktober 1943 in Moskau tagenden Außenminister Großbritanniens, der USA und der Sowjetunion, die European Advisory Commission (EAC) einzurichten. Dort sollten Vertreter der drei Mächte – von Frankreich als Siegermacht war noch keine Rede – Vorschläge für eine europäische Nachkriegsordnung erarbeiten. Seit Dezember 1943 tagte die Kommission im Lancaster House in London. Für die UdSSR saß deren Londoner Botschafter Fjodor Gusew am Verhandlungstisch. Zu seiner Unterstützung richtete man in Moskau eine Kommission unter Marschall Kliment Woroschilow ein. Ihr gehörten Militärs und Fachleute für internationale Beziehungen an, einige hatten schon unter dem Zaren im diplomatischen Dienst gearbeitet. Die Woroschilow-Kommission griff eine wohl ursprünglich britische, vage formulierte Idee auf, analog zur Aufteilung Deutschlands auch Berlin zu teilen. In der ehemaligen Reichshauptstadt sollte ein gemeinsames Gremium der Alliierten seinen Sitz haben und die Entscheidungen der Siegermächte umsetzen. Am 17. April 1944 lag der Moskauer Kommission ein Entwurf vor, der erstmals Berlin in Sektoren teilte. Dabei ging man schlicht mit Zirkel und Lineal ans Werk. Man stach die Zirkelspitze in den Mittelpunkt von Berlin, schlug zwei Kreise mit einem Radius von 10 und 15 Kilometern und teilte den Doppelkreis mit dem Lineal in drei gleich große Tortenstücke. Das östliche Drittel war der Sowjetunion zugedacht, hatte aber einen anderen Zuschnitt als das spätere Ost-Berlin. Die westlichen Tortenstücke sollten Amerikaner und Briten bekommen. Der Vorschlag fand in der Kommission unter Marschall Woroschilow keine Zustimmung. Mehrere andere Varianten wurden durchgespielt, ohne dass eine Entscheidung fiel. In den Diskussionen ging es vor allem um die Standorte der Industrieanlagen, die man nach Kriegsende zu demontieren gedachte.
Schließlich einigte man sich in Moskau. Sicherlich nicht ohne Billigung Stalins brachte die sowjetische Delegation bei der EAC einen Vorschlag ein, der auch den Westmächten genehm war und im Ersten Londoner Protokoll vom 12. September 1944 seinen Niederschlag fand. Er legte den genauen Umfang des künftigen sowjetischen Sektors fest. Dieser sollte die acht Stadtbezirke Pankow, Prenzlauer Berg, Mitte, Weißensee, Friedrichshain, Lichtenberg, Treptow und Köpenick in den vom Amtsblatt der Reichshauptstadt Nr. 13 vom 27. März 1938 festgelegten Grenzen umfassen.1 Mit der sprichwörtlichen deutschen Gründlichkeit werden in dem Protokoll die einschlägigen Berliner Amtsblätter über die Grenzziehung zitiert. Die Aufteilung der Westsektoren unter Amerikanern und Briten blieb zunächst offen, sie erfolgte erst am 14. November 1944. Doch auch diese Vereinbarung war kurze Zeit später überholt. Während ihres Treffens in Jalta vom 4. bis zum 11. Februar 1945 beschlossen Stalin, Churchill und Roosevelt, Frankreich als vierte Siegermacht aufzunehmen und ihm Besatzungszonen in Deutschland und Österreich sowie Sektoren in Berlin und Wien zuzuteilen. Dies geschah in allen Fällen auf Kosten der britischen und amerikanischen Ansprüche.
Von Anfang an war es die Sowjetunion, die auf eine Sonderstellung Berlins als Sitz der Alliierten Kommandantur drängte, während die britische und die amerikanische Seite der Angelegenheit keine besondere Bedeutung beimaß. Man hielt die Besatzung wohl für ein Provisorium und kümmerte sich vorläufig nicht um die Garantie der Zufahrtswege auf Straßen, Schienen und in der Luft. Vier Jahre später sollten diese ungeklärten Fragen die ehemaligen Verbündeten an den Rand eines Atomkrieges bringen. Doch 1944 war zwar der Sieg über Hitler-Deutschland nicht mehr fraglich, unklar waren der genaue Zeitpunkt und der Frontverlauf am Ende des Krieges. Die Entscheidung über die Teilung Berlins war eine gegenseitige Versicherung gegen jeden Versuch, schon während des Krieges Positionen für künftige Konflikte zu sichern. Die Siegermächte sollten als gleichberechtigte Partner die Umsetzung der Nachkriegsregelungen garantieren und darüber wachen, dass Deutschland dauerhaft entmilitarisiert wird. Berlin als gemeinsamer Sitz der alliierten Kontrollbehörden war der Schlussstein dieser Konstruktion. Stalin ging es nicht um den Export des Sowjetsystems oder die Bildung eines ostdeutschen Satellitenstaates, sondern um eine dauerhafte Neutralisierung Deutschlands. Die Sowjetführung agierte also noch in den Denkmustern des zu Ende gehenden Krieges, nicht in den Kategorien des sich abzeichnenden Weltkonfliktes zwischen der Sowjetunion und dem Westen.
Die Kapitulation
Wie durch ein Wunder war die Pionierschule I der Wehrmacht in Berlin-Karlshorst von den Bombenangriffen und den schweren Bodenkämpfen der letzten Kriegstage verschont geblieben. Auch die Häuser in der Umgebung hatten den Krieg unbeschadet überstanden. Das Villenviertel Karlshorst war erst um 1900 entstanden und bot in den dreißiger Jahren noch genügend Bauland. Deshalb war hier 1938 die Pionierschule errichtet worden. Als die Rote Armee Ende April 1945 näher rückte, räumte das deutsche Militär entgegen den Befehlen das Gelände kampflos. Noch während der Schlacht um Berlin machte die sowjetische Stoßarmee unter Generaloberst Nikolai Bersarin den Gebäudekomplex zu ihrem Hauptquartier. Wohl erst im Laufe des 7. Mai 1945 fiel die Entscheidung, hier die Unterzeichnung der formellen Kapitulation Hitler-Deutschlands vorzubereiten.
Bereits am 2. Mai 1945 waren mit der Teilkapitulation der Reichshauptstadt die letzten größeren Kampfhandlungen auf deutschem Territorium zu Ende gegangen. Hitler hatte vor seinem kläglichen Abtritt einen seiner treuesten Anhänger, Großadmiral Karl Dönitz, zu seinem Nachfolger ernannt. Dieser versuchte von Flensburg aus, die letzte Trumpfkarte des Nazi-Reichs ins Spiel zu bringen: die vermeintlichen oder tatsächlichen Spannungen zwischen den Westmächten und der Sowjetunion. Dönitz schickte Generaladmiral Hans-Georg von Friedeburg und Generaloberst Alfred Jodl nach Frankreich, ins Hauptquartier des Oberkommandierenden der verbündeten Streitkräfte Dwight D. Eisenhower in Reims. Dort sollte dieser bei den Westmächten eine Teilkapitulation erwirken, damit die Truppen im Osten weiterkämpfen oder sich wenigstens in Richtung Westen absetzen könnten. Doch Eisenhower durchschaute das Spiel und bestand auf der mit der Sowjetunion vereinbarten bedingungslosen Kapitulation Deutschlands. So blieb den deutschen Abgesandten nichts anderes übrig, als zu unterschreiben. In Anwesenheit von Offizieren aller vier Siegermächte setzten Jodl und Friedeburg am 7. Mai 1945 um 2.41 Uhr ihre Unterschriften unter die Kapitulationsurkunde. Am 8. Mai 1945 um 24 Uhr sollte an allen Fronten Waffenstillstand herrschen.
Doch Stalin ging das zu schnell, und es war der falsche Ort. Er wollte auf eine feierliche Kapitulation in Berlin nicht verzichten. Die Westmächte waren bereit, der Sowjetunion in diesem Punkt entgegenzukommen. Allerdings nahm Eisenhower nicht persönlich an der Zeremonie teil, er schickte den britischen Luftmarschall Arthur W. Tedder und den US-General Carl Spaatz nach Berlin.
Am 8. Mai brachte eine britische »Douglas« eine deutsche, von Dönitz zusammengestellte Abordnung aus Frankfurt am Main nach Berlin-Tempelhof. Der frühere Chef des Oberkommandos der Wehrmacht Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel...
Erscheint lt. Verlag | 4.3.2020 |
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Zusatzinfo | 25 s/w-Abbildungen |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Maße | 140 x 140 mm |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Regional- / Landesgeschichte |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Naturwissenschaften ► Geowissenschaften ► Geografie / Kartografie | |
Schlagworte | 17. Juni • Alexanderplatz • Alfred Döblin • Alfred Kantorowicz • Anna Seghers • Bersarin • Brandeburger Tor • Bruce Springsteen • DDR • Diktatur • Dorotheenstädtischer Friedhof • Erich Honecker • Friedliche Revolution • Günter Kunert • Haus der Ministerien • Haus des Lehrers • Heile Welt • Heinrich Mann • Intershop • Konstantin Simonow • Mauer • Mont Klamott • Neues Deutschland • Ostberlin • Palast der Republik • SED • Walter Ulbricht • Weltfestspiele • Wohnungsbau |
ISBN-10 | 3-86284-477-3 / 3862844773 |
ISBN-13 | 978-3-86284-477-7 / 9783862844777 |
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