Heilige Berge (eBook)

Geschichte, Mythos und Legende
eBook Download: EPUB
2019 | 1. Auflage
256 Seiten
Verlag Katholisches Bibelwerk
978-3-460-51067-8 (ISBN)

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Heilige Berge -  Massimo Centini
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Die Verbindung zwischen Bergen und Gott ist eine Konstante in allen Kulturen. Jedem dieser heiligen Berge wird eine eigene Wahrheit, fast eine heilige, symbolische und übernatürliche Bedeutung zugesprochen. Am Berg - so scheint es - ist man Gott noch ein Stückchen näher. Dies gilt insbesondere auch für die biblischen Berge: Ararat, Moriah, Karmel, Nebo, Masada, Tabor, Getsemani, Golgata...

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„Lobt den HERRN,
[…] ihr Berge und all ihr Hügel.“

Ps 148,7–9

„Die ziqqurat war eigentlich ein kosmischer Berg: Ihre sieben Stockwerke stellten die sieben Planetenhimmel dar; indem er sie erstieg, gelangte der Priester zum Gipfel des Universums. Eine entsprechende Symbolik erklärt den riesenhaften Bau des Tempels von Borobudur auf Java, der als künstlicher Berg errichtet ist. Die Besteigung dieses Tempels kommt einer ekstatischen Reise ins Zentrum der Welt gleich; sobald der Pilger die oberste Terrasse erreicht, durchbricht er die Ebenen; er dringt in eine ‚reine Region‘ vor, welche die profane Welt transzendiert.“9

Die Worte Mircea Eliades’ bilden das Incipit dieses Kapitels, in dem wir uns damit befassen wollen, wie die vielfältigen Bedeutungen eines Berges, der als heiliger Ort verstanden wird, in verschiedenen Religionen zum Ausdruck kommen. In der Geografie des Heiligen ist der Berg umfassend verbreitet und lässt sich in kultischen Praktiken verorten, deren Wurzeln man am Beginn der Zeit ausmachen kann, als der Mensch allmählich ein Bewusstsein für das Übernatürliche erlangte und das Bedürfnis verspürte, der Spiritualität Ausdruck zu verleihen.

Mircea Eliade erwähnt den „Weltenberg“. Diese Bezeichnung hat sich im Laufe der Religionsgeschichte herauskristallisiert und sieht in dem erhöhten Ort von heiligem Status die Axis Mundi, die Weltachse, den symbolischen Pfeiler, der Himmel und Erde verbindet und zuweilen bis ins Jenseits reicht.

Verschafft man sich einen Überblick über die Mythologien und Religionen eines großen Teils der Weltbevölkerung, so kann man feststellen, dass Berge vom homo religiosus als einer der heiligen Orte erkannt wurden, die geomorphologisch eine Art mystische Osmose zwischen Körperlichem und Geistigem bilden.

Die heilige Eigenschaft von Bergen nahm der Mensch wahrscheinlich bereits in der Urzeit wahr: Den Anhöhen wurden bestimmte Charakteristika zugesprochen, die sie zu einer Art Zwischenerde machten, einer Art Scheidewand zwischen der menschlichen Welt und dem von den höheren Wesen bewohnten Raum. Symbolisch gesehen verkörpert der Berg ein Gefühl von Beständigkeit und Unerschütterlichkeit. Die Kriterien, anhand derer Berge in der Geschichte sakralisiert wurden, stützten sich oft auf deren archaische Eigenschaft: Sie seien älter als die Menschen und von der Gottheit zur Zeit des Ursprungs geschaffen worden.

Vom prähistorischen Menhir zur Pyramide, von der Zikkurat zur Stupa bis hin zu den Glockentürmen unserer Kirchen (die ganz eindeutige Analogien mit dem Obelisken, einem der bedeutendsten symbolischen Bauwerke der ägyptischen Kultur, aufweisen) ist der Wunsch nach einem Bauwerk, das zu einer Art „Verbindung“ zwischen Himmel und Erde werden könnte, deutlich erkennbar und hat also seit Anbeginn der Zeit seinen symbolischen Wert erhalten.

Berge sind Orte, an denen der anthropozentrische Wunsch des Aufstiegs, weiter und weiter nach oben zu gelangen, in ständiger Spannung zu dem Bewusstsein steht, dass an diesem Ort der Zugang allerdings ein Privileg darstellt, nämlich den Abschluss einer Entwicklung, den man nur anstreben kann, wenn man sich jenes Ortes als Ort der Gottheit gewahr geworden ist.

Vergleicht man also Religionen, Mythen und literarische Zeugnisse, so wird man sich vielleicht darüber bewusst, dass das Inangriffnehmen eines Berges immer auch ein Vorhaben voller symbolischer Auswirkungen von besonderem kulturspezifischem Charakter darstellt, je nach Kultur, in der die Erhebung in der Geografie des Heiligen verwurzelt ist. Vom Mons Albanus, auf dessen Gipfel ein Tempel zu Ehren Jupiters stand, bis hin zum bekannten griechischen Olymp, zum Parnass oder zum Helikon, sind die klassischen Berge der Antike als Sitz der Götter und Musen allseits bekannt. So finden sich hierzu ausführliche Beschreibungen in den mythologischen Überlieferungen, welche den nachfolgenden Generationen oft als Modell dienten.

Auch für die Religionen des Orients war die Erhebung ein aussagekräftiges Element, um den Aufstieg als bedeutendes Initiationsereignis herauszustellen: Man denke beispielsweise an den Berg Meru, Sitz der Götter in der vedisch-brahmanischen Tradition, sowie an den Kailash im westlichen Tibet; oder auch an das Kunlun-Gebirge in China, von dem der Überlieferung nach der erste Kaiser herabgestiegen sein soll.

Insgesamt bestehen von Bergen, die in den unterschiedlichsten und entferntesten Kulturen der ganzen Welt als heilig gelten, etliche Klassifizierungen, welche Religionshistoriker anhand erkenntnistheoretischer Kriterien einzuteilen versuchten; diese basieren allerdings auf Methodiken, welche nicht immer in eine gemeine These münden.

Hier sollen nachfolgend lediglich die relevantesten Einteilungen heiliger Berge, wie sie in der Mehrheit der Religionen vorhanden sind, aufgezeigt werden:

•der Berg als Sitz einer Gottheit

•der Berg als Ort des Jenseits

•der Berg als Ort, an dem sich die Gottheit den Menschen offenbart hat, ohne unbedingt zu deren festem Wohnsitz zu werden

•der Berg als vielfältiges Symbol der Axis Mundi

Neben den genannten Klassifizierungen existieren natürlich auch andere, die etwa charakteristisch für Religionen sind, bei denen die wesentlichen Aspekte des Kultes mit den geomorphologischen Besonderheiten der Erhebung, dem Hauptort der Erfahrung des Heiligen, harmonisch zusammenpassen. Dennoch sind die vier oben aufgezeigten Einteilungen anthropologisch ganz klar von größter Relevanz und finden sich umfassend in der Mehrheit der Religionen wieder.

Die Anstrengung des Aufstiegs

Im Hinblick auf die symbolische Kraft von Bergen in den verschiedenen Traditionen spielt der Prozess des Aufstiegs eine entscheidende Rolle. Der Aufstieg kommt einem Initiationsritus gleich, durch den der Gläubige immer wieder zum Kern des Heiligen vordringen kann. Dabei erkennt er dessen Macht und wird sich vor allem darüber bewusst, dass man nur durch Anstrengung zur Erkenntnis Gottes gelangt. Oft ist der Weg zum Gipfel von Hindernissen unterschiedlicher Art unterbrochen, die den Aufstieg erschweren und die der Mensch, um an das Ziel seiner Reise zu gelangen, überwinden muss. Diese Hindernisse sind vielfältiger Natur und abhängig von der jeweiligen Kultur, in der der Berg verwurzelt ist.

Der Vorgang des Aufstiegs wurde zu einem allegorischen Mechanismus und kulturellen Archetyp, welcher auf das Heilige sowie auf anthropologische Faktoren gemäß der jeweiligen Gesellschaft, Ort und Zeit bezogen ist. So kann der Aufstieg ebenso in einer „einfachen“ Prozession zu einem der zahlreichen Marienheiligtümer auf den Berggipfeln bestehen wie in dem streng geregelten Läuterungsprozess, der den Anhängern des Shintoismus abverlangt wird, um den Fuji zu erklimmen.

Der Glaube, man müsse den Aufstieg vor allem als notwendigen Weg zur Erkenntnis verstehen, der man ganz allmählich – Schritt um Schritt, Bewusstsein um Bewusstsein – entegegentritt, ist nicht ausschließlich in vorwiegend religiösen Bereichen verbreitet.

„Wer einen Berg erklimmen will, beginnt von unten“, sprach einst Konfuzius. Gerade durch dieses Von-unten-nach-oben-Gelangen lässt sich der Aufstieg als Initiationsvorgang darstellen, den man entlang der sogenannten Axis Mundi vornimmt und der sich in folgende Phasen gliedert:

•Fuß des Berges (Ort des Menschen und dessen Unvollkommenheit)

•Berg (Weg der Läuterung, der zurückzulegen ist, um zur Erkenntnis Gottes zu gelangen)

•Gipfel des Berges (Ort Gottes)

Durch die beiden Elemente Höhe und Zentrum lässt sich die Heiligkeit eines Berges rational erfassen. Sie sind grundlegende Maßstäbe für den Akt des Aufstiegs des homo religiosus auf der Suche nach der Stimme seines Gottes – eines Gottes, dessen Stimme von den Berggipfeln gleichsam widerhallt. Von dieser Besonderheit mag auch der Ausspruch der Anhänger des Taosimus herrühren, die „zur Audienz auf den Berg“ gehen – eine treffende Ausdrucksweise dafür, dass der Berg im Grunde spricht. Man muss ihm nur zuhören können.

Das Jenseits

Ebenfalls nicht zu vergessen ist eine weitere kulturelle Rolle von Bergen, die zu deren Verehrung beigetragen hat: Sie bieten Platz für die menschlichen Seelen, Vorfahren und Geister.

Sämtliche Kulturen haben sich den Ort ausgemalt, vorgestellt und gedeutet, an den der Mensch am Ende seines Lebens auf dieser Welt gelangt, um eine „andere“ Existenz zu beginnen – eine Existenz, die sich oft nach den Taten des Lebens auf Erden richtet.

Dennoch ist das Jenseits von der Welt der Lebenden getrennt und für diese, solange sie leben, unzugänglich. Nur einigen Privilegierten unter ihnen wird es möglich sein, nach...

Erscheint lt. Verlag 15.1.2019
Übersetzer Julia Schott
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
ISBN-10 3-460-51067-6 / 3460510676
ISBN-13 978-3-460-51067-8 / 9783460510678
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