Predigt braucht Gefühl -  Arndt Schnepper

Predigt braucht Gefühl (eBook)

Große Emotionen im Gottesdienst ermöglichen
eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
176 Seiten
SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag
978-3-417-22970-7 (ISBN)
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Eine Predigt, die mitreißt und begeistert, die zu Tränen rührt und bewegt, nachklingt und verändert - das ist die Sehnsucht vieler Gottesdienstbesucher. Arndt Schnepper ermutigt dazu, Gefühlen in Predigten mehr Raum zu geben - so wie es jahrhundertelang in Gottesdiensten der Fall war. Ganz praktisch zeigt Schnepper, wie Predigten ihr Ziel nicht verfehlen: den Hörer. Damit die Worte nicht nur in den Kopf, sondern auch ins Herz gehen.

Arndt Elmar Schnepper ist promovierter Theologe und Rhetorik-Dozent. Er leitet das Praxisinstitut Evangelisation in Witten an der Ruhr und ist Autor mehrerer Bücher im Bereich der Praktischen Theologie. Auf 'Meisterpredigt' bloggt er regelmäßig, um die Qualität von Predigten zu diskutieren.

Arndt Elmar Schnepper ist promovierter Theologe und Rhetorik-Dozent. Er leitet das Praxisinstitut Evangelisation in Witten an der Ruhr und ist Autor mehrerer Bücher im Bereich der Praktischen Theologie. Auf "Meisterpredigt" bloggt er regelmäßig, um die Qualität von Predigten zu diskutieren.

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Kapitel 2: Theologische Kompetenz


Einleitung: In die Dynamik eintauchen


Der Weg zur emotionalen Predigt ist kein Sprint, sondern ein Marathonlauf. Man kann die Predigt mit Gefühl nicht durch ein paar Techniken von heute auf morgen lernen. Sie ähnelt vielmehr einer langen Reise. Jahre und Jahrzehnte können vergehen, bis man darin meisterhaft wird. Doch der längste Weg beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt. Und der bedeutet an unserer Stelle das Kennen des Evangeliums von Jesus Christus. Dabei denke ich nicht an ausgewählte Texte der Heiligen Schrift, die besonders geeignet wären. Vielmehr geht es um die Dynamiken, die das Evangelium auslöst. Ohne ihre Kenntnisnahme können Prediger und Predigerinnen auf Dauer nur schwerlich starke Gefühle auslösen.

Das Problem vieler langweiliger Predigten heute ist ihr Thema. Oder sagen wir besser: ihr fehlendes Thema. Gerne und viel wird von Moral geredet. In der pietistischen Variante ist es die private Sittlichkeit, in der liberalen Version geht es zumeist um die Sozialethik. Sowohl das eine als auch das andere haben ihre Berechtigung. Doch bilden sie beileibe nicht den Kern der guten Nachricht von Jesus Christus. Hier geht es um mehr. Und dieses »Mehr« ist nicht eine fertige Portion, die man servieren könnte, es vollzieht sich vielmehr in Bewegungen. Vier solcher Dynamiken stelle ich stellvertretend vor. Sie lassen sich in beinahe allen biblischen Texten wiederfinden. Diese Bewegungen zu entdecken und darzustellen ist eine unentbehrliche Kompetenz für eine Predigt mit Gefühl.

Erste Bewegung – vom Gesetz zum Evangelium


 Eindruck


Ein Gespenst geht um in den Kirchen und Gemeinden – das Gespenst der Gesetzlichkeit. Alle, die theologisch etwas zu sagen haben, verbünden sich in der Jagd auf das Gespenst. Es gibt kaum einen schlimmeren Vorwurf als den, gesetzlich zu predigen. Wer den Ruf hat, gesetzlich zu sein, der ist erledigt, der kann einpacken. Und das alles geschieht nicht ohne Grund. Denn unter Gesetzlichkeit versteht man in aller Regel eine Predigtweise, die immer stark betont, was man tun sollte, und dabei außer Acht lässt, was Christus schon getan hat. Gesetzlichkeit ist streng genommen eine verbrämte Variante der Selbsterlösung. »Tu dies, tu jenes, dann bist du auf der richtigen Seite« – so klingt in etwa die Botschaft. Das geschieht natürlich eher subtil, aber so ist die Tendenz. Hinzu kommt, dass die Gesetzlichkeit gerne im Verbund mit einem Formalismus auftritt. Denn bei ihren Appellen geht es meist nicht um die elementaren Forderungen der Zehn Gebote oder der Bergpredigt. Nein, hier werden gerne Mahnrufe hinsichtlich recht oberflächlicher Verhaltensweisen ausgesprochen. Es geht dann nicht mehr um unmissverständliche Bibeltexte, sondern um Tage, Textilien oder Traditionen.

Gesetzliche Predigt hat darum zu Recht einen schlechten Ruf. Sie kann die Freiheit und die Freude des Glaubens ersticken und ganze Gemeinden lähmen. Gesetzlichkeit ist aber auch oft ein Gespenst. Was ich damit meine? Sicher, gesetzliche Predigten gibt es immer wieder, doch sie sind längst nicht mehr so prominent, wie sie es vielleicht einmal waren. Die gesetzliche Predigt ist vielfach wie ein Nachtgespenst aus dem schottischen Hochland. Wir warnen vor ihm, doch tatsächlich gesehen haben es nur wenige. Und aus Sorge vor der Gesetzlichkeit vermeiden wir möglichst alles, was nur im Entferntesten daran erinnern könnte. Wir machen um das biblische Zueinander von Gesetz und Evangelium einen großen Bogen. Wir lassen das Gesetz links liegen und lösen das Evangelium isoliert heraus. Evangelium ohne Gesetz, ganz exklusiv – so soll es sein. So war es aber von Paulus gar nicht gemeint. Und ganz nebenbei merken wir nicht, wie damit auch der Predigt eine emotionale Kraft genommen wird.

 Inspiration


An dieser Stelle lohnt es sich, zu den Wurzeln der Reformation zurückzukehren. Martin Luther hat gewiss manches geschrieben, was er besser nicht hätte schreiben sollen. Aber im Jahr 1530 gelangen ihm seine drei Hauptschriften, die auch heute noch bewegen. Hierzu zählt vor allem das Büchlein »Von der Freiheit eines Christenmenschen«, in dem er sich dafür ausspricht, neben dem Evangelium auch das Gesetz zu predigen.

Man darf nicht nur einerlei predigen, sondern alle beide Worte Gottes. Die Gebote soll man predigen, die Sünder zu erschrecken und ihre Sünden zu offenbaren, dass sie Reue haben und sich bekehren. Aber dabei soll es nicht bleiben, man muss das andere Wort, die Zusage der Gnade, auch predigen, um den Glauben zu lehren, ohne welchen die Gebote, Reue und alles andere vergebens geschieht. Es gibt wohl noch Prediger, die Reue der Sünde und Gnade predigen, aber sie streichen die Gebote und Zusagen Gottes nicht heraus, dass man lerne, woher und wie die Reue und Gnade kommt. Denn die Reue fließt aus den Geboten, der Glaube aus den Zusagen Gottes. Und so wird der Mensch durch den Glauben göttlicher Worte gerechtfertigt und erhoben, der durch die Furcht vor dem Gebot Gottes gedemütigt und zur Selbsterkenntnis gekommen ist. (Luther, WA 7, 34, 11-22)

Für Luther ist klar: Gesetz und Evangelium haben zwei verschiedene Aufgaben. Das Gesetz ängstigt den Menschen. Hier werden Ansprüche formuliert, die einfach nicht zu erfüllen sind. Das bereitet dem Menschen Furcht und er spürt, dass er ein Sünder ist. Das Evangelium weckt dagegen den Glauben. Im Gesetz wird gefordert, im Evangelium wird verkündet, was bereits vollbracht ist. Luther gebraucht etliche Beispiele, um dieses Zueinander von Gesetz und Gnade zu verdeutlichen. So vergleicht er die Predigt mit einem Gang zur Apotheke. Mit dem Gesetz deckt der Prediger die Krankheit auf, mit dem Evangelium heilt er sie (WA 10 III, 338 3-10). Oder er verweist auf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter als Illustration. Durch das Gesetz gerät der Mensch unter die Geschlagenen und Hoffnungslosen. Geholfen wird ihm nun nicht durch die Priester und Leviten, die ihn doch nur zur Eigenleistung auffordern. Gerettet wird er durch Christus, der ihn nach Hause bringt und versorgt (WA 10 III, 340,14-341,12). Bekannt ist Luthers Motiv vom »fröhlichen Wechsel«. Christus übernimmt unsere Ungerechtigkeit und eignet uns seine Gerechtigkeit zu. So schreibt Luther 1531 in seiner Auslegung zum Galaterbrief:

Als der barmherzige Gott sah, dass wir durchs Gesetz niedergeworfen werden und unter dem Fluch festgehalten sind und dass wir durch nichts uns selbst befreien können, da sandte er seinen Sohn in die Welt und warf auf ihn unser aller Sünden und sprach zu ihm: Du sollst Petrus sein, jener Verleugner, du sollst Paulus sein, jener Verfolger, Lästerer und Gewaltmensch, du sollst David sein, jener Ehebrecher, du sollst jener Sünder sein, der die Frucht im Paradies aß, jener Räuber am Kreuz, in Summa. (Zitiert nach: Kleinknecht 1980, S. 169170)

Spätestens hier merkt man, welche emotionalen Potenziale die Einbeziehung von Gesetz und Evangelium haben können. Man merkt, dass es hierbei nun richtig existenziell werden kann. Wer das bedenkt und diese Struktur in die Predigt einbezieht, wird immer hellwache Zuhörer haben.

 Praxis


Die Ausgangslage ist verzwickt. Aus Sorge vor einer falschen Gesetzlichkeit sind wir geneigt, ausschließlich auf das Evangelium zu setzen. Dies führt in vielen Fällen aber zu einer ausgesprochen kraftlosen und harmlosen Predigt. Wir kennen diese Botschaften zur Genüge: »Jesus nimmt dich an«, »Gott liebt dich«, »Du bist in seinen Augen wertvoll« – so oder so ähnlich klingen die Aussagen am Sonntag. Doch so richtig bewegt das nur noch die wenigsten. Denn es ist ja alles sattsam bekannt. Luther hätte gesagt: Es fehlt die Predigt vom Gesetz. Denn ohne das Gesetz macht das Evangelium faule und gefräßige Christen, die denken, sie bräuchten nichts Gutes zu tun. So wie das Gesetz ohne Evangelium wiederum die Menschen nur durstig und verzweifelt werden lässt (WA 33,432,18-39). Es braucht eben immer beides. Doch wir lösen diese Dialektik meist zugunsten des Evangeliums auf. Und das führt dann auf Dauer zur Langeweile. Sicher sprechen wir auch heute noch über die Gebote. Doch darunter verstehen wir zuallererst die Regeln für unser Leben. Das hat natürlich auch seine Berechtigung. Doch das Drama ist, dass die aufdeckende Dimension des Gesetzes, wie Paulus sie in Römer 7 beschreibt, verloren gegangen ist.

Wie können wir nun heute das Gesetz predigen? Ein erster Schritt wäre es, die enthüllende Dimension des Gesetzes zu thematisieren. Dies sollte nicht nur sachlich und abstrakt geschehen, sondern anschaulich und nachvollziehbar. Der evangelische Theologe Siegfried Kettling gebraucht hierfür ein einleuchtendes Bild:

Ich las von einem Jungen, der alles, was er fand, in seine Hosentasche steckte, so auch eines Tages einen merkwürdigen weißen Steinbrocken, den er auf einer Baustelle entdeckte. Anschließend watet er mit seinen Freunden in den nahen Dorfteich. Plötzlich beginnt er mörderisch zu schreien: »Es brennt, es brennt! Mein Bein brennt!« Die Kameraden halten ihn für verrückt: Wie kann es mitten im kühlen Wasser brennen? Doch der Kleine setzt sein verzweifeltes Geschrei fort: »Hilfe, mein Bein brennt!« Tatsächlich zeigt sich dann am Oberschenkel eine so tiefe Brandwunde, dass sofort ärztliche Hilfe nötig ist. (Kettling 1992, S. 10)

Bei dem Gestein handelte es sich, so Kettling, um ungelöschten Kalk. Und wenn der in Verbindung mit Wasser gerät, kommt es zu einer enormen Wärmeentwicklung, die zu Verbrennungen führen kann....

Erscheint lt. Verlag 10.3.2020
Verlagsort Witten
Sprache deutsch
Themenwelt Religion / Theologie Christentum Liturgik / Homiletik
Schlagworte Anleitung • Emotion • Empathie • gefühlvoll • Lehrbuch • Lehren • Mitgefühl • Predigen • Predigtanleitung • Predigten • Tipps • Zuhören
ISBN-10 3-417-22970-7 / 3417229707
ISBN-13 978-3-417-22970-7 / 9783417229707
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