Geschichte Thüringens (eBook)

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2020 | 2. Auflage
127 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-74745-8 (ISBN)
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Zum 100. Jahrestag der Gründung Thüringens am 1. Mai 2020 bietet dieser neu bearbeitete Band einen informativen Überblick zur Landesgeschichte einschließlich der Ur- und Frühgeschichte. Es bringt dem Leser jene klar umrissene Landschaft in der Mitte Deutschlands vom Königreich der Thüringer über die Landgrafschaft Thüringen und sprichwörtliche Kleinstaatenwelt bis hin zum heutigen Freistaat näher. Dabei erschließt sich auch die Bedeutung Thüringens als 'Herzland deutscher Kultur' um Welterbe Wartburg und Weimar.

Steffen Rassloff ist promovierter Historiker und publiziert seit vielen Jahren zur Geschichte Thüringens und der Thüringer.

III. Stammesbildung und Königreich der Thüringer (Zeitenwende bis 6. Jahrhundert)


In der vorrömischen Eisenzeit vor der Zeitenwende wurden die südlichen Teile Thüringens von den Kelten bewohnt, denen die Region vermutlich wichtige Impulse wie die Eisenmetallurgie verdankte. Im mittleren und nördlichen Teil lebten bereits in der Latènezeit Menschen, die vermutlich den Germanen zugerechnet werden können. Von ihnen zeugt u.a. die Funkenburg bei Westgreußen (2. Jahrhundert v. Chr. – 1. Jahrhundert n. Chr.) im Thüringer Becken, die bisher einzige komplett erforschte und rekonstruierte (1999) germanische Wehrsiedlung. In den letzten Jahrzehnten vor Christus kam es mit dem Vordringen von Elbgermanen aus dem Raum Altmark und Nordharz zu einem einschneidenden Wandel. Fortan gehörte Thüringen zum germanischen Siedlungsraum, der jetzt auch direkt in das Licht antiker Quellen rückte. Die ersten Bewohner Thüringens, für die ein Stammesname bekannt ist, könnten die elbgermanischen Hermunduren gewesen sein. Sie galten lange als Vorfahren der Thüringer, während die westlich benachbarten Chatten als Vorfahren der Hessen eingestuft wurden. Dies wird von der jüngeren Forschung allerdings mit Blick auf die noch sehr spärlichen Schriftquellen kritisch hinterfragt. Auch wenn ihre Ansiedlung im heutigen Thüringen also nicht unstrittig ist, so stiegen die Hermunduren im 1. Jahrhundert n. Chr. doch zu einer führenden Macht unter den Germanenstämmen des Elbe-Saale-Raumes auf.

Sie standen wie viele benachbarte Germanenstämme in engem Kontakt zum Römischen Reich, sodass beispielsweise die thüringische Archäologie für den Zeitabschnitt von ca. 40 v. Chr. bis zum Beginn der Völkerwanderungszeit 375 n. Chr. von der Römischen Kaiserzeit spricht. Zwar war es infolge der Schlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr. nicht zu einer Unterwerfung der Gebiete Mitteldeutschlands gekommen. Die Kriegszüge der Römer in den Jahren um die Zeitenwende, die auch den Raum Thüringen berührten, blieben die einzigen unmittelbaren militärischen Kontakte. Dennoch gab es gerade bei den Hermunduren Verbindungen zu den Römern. Der römische Autor Tacitus schreibt in seiner ‹Germania› (98 n. Chr.), dass der Stamm der Hermunduren «den Römern treu ergeben» sei. Damit meinte er wohl eher gegenseitige Unterstützung etwa im Kampf gegen andere Germanenstämme. In der kulturellen Überlieferung zeigt sich die Nähe der Hermunduren zu Rom in zahlreichen archäologischen Funden mit wertvollen römischen Gefäßen, Schmuck und Münzen sowie in der Übernahme von fortschrittlicher Technik in Handwerk und Landwirtschaft.

Die Hermunduren bildeten eine Adelsschicht aus, an deren Spitze sich ein Stammeskönigtum etablierte. Funde wie das prächtige Grab der «Fürstin von Haßleben» aus der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts zeugen davon, soweit man von einer hermundurischen Herkunft ausgeht. Die wirtschaftliche Grundlage bildete eine deutlich weiter entwickelte Landwirtschaft, während sich etwa die Eisenproduktion weitgehend auf den Eigenbedarf beschränkte. In der Kombination von römischen Schriftquellen und archäologischen Funden lässt sich auch eine genauere Vorstellung von der germanischen Götterwelt gewinnen. Wichtigster Fundort ist das vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis zum 6. Jahrhundert n. Chr. intensiv genutzte Opfermoor bei Oberdorla nahe Mühlhausen. In dieser Kultstätte mit Heiligtum und Kultsee sind neben zahlreichen Opfergaben auch Idole (Götterfiguren) in Form von geschnitzten Pfählen oder Astgabeln überliefert. Diese können germanischen Göttern wie Wodan oder Freyr, aber auch übernommenen Gottheiten wie der römischen Jagdgöttin Diana zugeordnet werden.

Lange Zeit ging man davon aus, dass der Stamm der Thüringer direkt aus den Hermunduren hervorgegangen sei, ergänzt um Teile der nördlichen Germanenstämme der Angeln und Warnen. Jüngere Forschungen haben dies infrage gestellt, ohne die ethnische Herkunft weiter erhellen zu können. 395 werden die «Toringi» beim römischen Autor Vegetius Renatus in einem Handbuch über Pferde erstmals erwähnt. Der Pferdezüchter und Militärschriftsteller stuft ihre Pferde dort als besonders strapazierfähig und geeignet für den Krieg ein.

Worauf der Name in seinen anfangs zahlreichen Varianten wie «Toringi», «Thoringi», «Thuringi», «Duringi» usw. sprachlich zurückgeht, ist ebenfalls umstritten. Ältere Deutungen leiteten den Namen von den Hermunduren, dem lateinischen Adjektiv durus (= hart) oder dem Donnergott Thor ab; heute wird neben dem Verweis auf die ostgermanischen Terwingi eine Ableitung aus dem germanischen thur (= stark, machtvoll, groß, reich) vermutet, das die Stärke und Größe der Stammesmitglieder betont. Sogar die französische Stadt Tours oder die gallischen Turonen werden als mögliche Namensgeber genannt.

Mögen Stammesbildung und -name auch weiterhin Rätsel aufgeben, so treten die Thüringer dank ihrer als Exportartikel begehrten Pferde Ende des 4. Jahrhunderts schriftlich belegt auf die historische Bühne. Sie hatten sich in den Jahrzehnten zuvor als ethnische Gruppe von anderen germanischen Stämmen (Gentes) der frühen Völkerwanderungszeit abgehoben und gehören damit neben den benachbarten Franken, Alamannen und Sachsen zu den ältesten, aus denen sich später ein deutsches Reich bildete. Ihr ursprünglicher Siedlungsraum reichte von der Werra bis zur unteren Mulde, von der Altmark bis zum Thüringer Wald und zum Erzgebirge. Darüber hinaus erstreckte sich ihr Herrschaftsgebiet über benachbarte Stämme später bis hin zu Main, Donau, Elbe und vielleicht sogar zum Niederrhein. Von den großen Völkerbewegungen seit dem Hunneneinfall 375, als sich auf dem Boden des 476 endgültig untergehenden (West-)Römischen Reiches neue Germanenreiche bildeten, blieben die Thüringer nicht verschont. Sie selbst blieben jedoch in ihren Siedlungsgebieten. Vom innerasiatischen Reitervolk der Hunnen unterworfen, kämpften sie bei der Entscheidungsschlacht auf den Katalaunischen Feldern 451 südwestlich von Paris an der Seite des geschlagenen Hunnenkönigs Attila (Etzel).

Nach der Befreiung von der hunnischen Vorherrschaft gelang den Thüringern in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts die Bildung eines mächtigen Königreiches. Gewissermaßen im Windschatten der Großreiche der West- und Ostgoten, Burgunder, Franken und Wandalen stiegen sie zur Vormacht außerhalb des untergegangenen Römischen Reiches auf. Als wichtiger Machtfaktor des spätantik-germanischen Europas waren die Thüringer mit dem Ostgotenreich Theoderichs des Großen verbündet, der den Kern des Römischen Reiches mit Italien beherrschte. Dies wurde 507/510 durch die Heirat der Theoderich-Nichte Amalaberga mit dem Thüringer König Herminafrid, Sohn des ersten namentlich bekannten Königs Bisin(us), bekräftigt. Enge dynastische Verbindungen gab es auch zu den südöstlich angrenzenden Langobarden, die ebenfalls in das Bündnissystem integriert waren. Es zielte insbesondere gegen die expansiv von Gallien nach Westen und Süden vorstoßenden Franken unter den Merowingern.

Archäologische Funde belegen eine differenzierte Gesellschaft mit einer wohlhabenden und mächtigen Adelsschicht, die schon in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts enge Kontakte zu den Ostgoten pflegte. So wird das auf vor 489 datierte Frauengrab von Oßmannstedt bei Weimar einer ostgotischen Adligen zugeschrieben. Es enthielt prächtige Beigaben, darunter eine goldgefasste Adlerfibel aus roter Zellverglasung. Die bedeutendsten Funde von Stößen bei Naumburg, Großörner bei Mansfeld, Weimar, Erfurt und Mühlhausen markieren den Kernraum des Reiches im Thüringer Becken und an der mittleren Saale. Von ihnen lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf die Herrschaftssitze der Könige schließen, deren Lage nicht überliefert ist.

Einen frühen Einfluss des Christentums zumindest am Königshof deutet der kunstvolle Spangenhelm von Stößen aus dem ersten Viertel des 6. Jahrhunderts an, der christliche Symbole enthält. Er könnte ein Geschenk des arianisch-christlichen Ostgotenhofes an einen der Brüder Herminafrids, Baderich oder Bertachar, gewesen sein. Zudem dürfte der Glaube von in Thüringen lebenden Ostgoten wie der hochgebildeten Königin Amalaberga ausgestrahlt haben.

Nach dem Tode Theoderichs (526) brach das ostgotische Bündnissystem rasch zusammen. Während das Ostgotenreich unter Kaiser Justinian ab 527 von Byzanz zurückerobert wurde und die aus dem Bündnis ausgescherten Langobarden nach Westen vorrückten, gerieten die Thüringer nun stärker unter fränkischen Druck. Nach einem ersten abgewehrten Angriff unterlagen sie 531 in einer vernichtenden Schlacht an der Unstrut dem Heer der Frankenkönige Theuderich und Chlothar. Spätere Quellen, etwa die...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2020
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Zusatzinfo mit 2 Karten
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Bundesland • Deutschland • Freistaat • Geschichte • Königreich der Thüringer • Kultur • Landesgeschichte • Landgrafschaft • Mittelalter • Moderne • Neuzeit • Wartburg • Weimar • Welterbe
ISBN-10 3-406-74745-0 / 3406747450
ISBN-13 978-3-406-74745-8 / 9783406747458
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