Franz Schubert (eBook)

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2019 | 3. Auflage
128 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-74088-6 (ISBN)
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Franz Schubert (1797 - 1828) ist zu Lebzeiten kaum einmal über Wien hinausgekommen, doch seine Musik hat die Welt erobert - freilich erst nach seinem viel zu frühen Tod. Dieser mutet umso tragischer an, als sein reiches musikalisches Erbe - Messen, Sinfonien, Klaviermusik, Streichquartette und nicht zuletzt seine Lieder - zum Schönsten gehört, was Komponisten der Romantik je geschaffen haben. Hans-Joachim Hinrichsen erhellt in seiner Biographie einfühlsam wichtige Züge der Persönlichkeit Franz Schuberts und bietet eine kompetente Einführung in dessen Werk.

Hans-Joachim Hinrichsen lehrte von 1999 bis 2018 als Professor für Musikwissenschaft an der Universität Zürich; 1994 wurde er mit dem Grand Prix Franz Schubert des Internationalen Franz-Schubert-Instituts Wien ausgezeichnet.

1. Schuberts Wien


Wien als Musikstadt


Die Stadt Wien, die während der frühen Jugendjahre Franz Schuberts von der Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation zur Regierungszentrale des weit in den europäischen Südosten reichenden habsburgischen Vielvölkerstaats mutierte, ist im Bewusstsein der Öffentlichkeit bis heute fest mit dem Etikett der Musikstadt verknüpft. Dieses von der Tourismusbranche kräftig unterstützte Image ist so selbstverständlich geworden, dass die geschichtliche Begrenztheit des Phänomens nahezu vergessen wird. Heute gründet der musikalische Ruhm Wiens keineswegs mehr auf der Präsenz einer kompositorischen Kreativität, wie sie vom Zeitalter Haydns, Mozarts, Beethovens und Schuberts über die Walzer- und Operetten-Industrie der Strauß-Dynastie bis hin zu Sinfonikern wie Brahms, Bruckner oder Mahler und der anschließenden Avantgarde-Bewegung der Schönberg-Schule nahezu ununterbrochen vorherrschte. Wien pflegt heute vor allem seine Erinnerungen – in Form eines riesigen Repertoires, das durch eine Unzahl musikalischer Institutionen von Weltrang am Leben gehalten wird. Und ebenso wie ein Ende hat das Phänomen auch seine historischen Anfänge, die es insbesondere zum besseren Verständnis der Biographie Franz Schuberts zu kennen gilt.

Der Zeitraum, der Wiens musikalischen Ruhm dauerhaft begründet hat, fällt nicht zufällig mit jener Periode zusammen, die als das «josephinische Jahrzehnt» in die Geschichte eingegangen ist. Diese Epoche der Alleinregentschaft Josephs II. (1780–1790), der Höhepunkt des sogenannten aufgeklärten Absolutismus in Österreich, ermöglichte zumal in der Residenzstadt Wien Produktionsbedingungen, die den Anreiz für Musikerexistenzen wie derjenigen Mozarts schufen, der 1781 unter Aufgabe all seiner Salzburger Sicherheiten nach Wien übersiedelte. Die Freigabe eines öffentlichen Raumes durch den Rückzug des Hofes von musikalischen Repräsentationsaufgaben, die Liberalisierung des gesellschaftlichen Klimas, die Partizipationsmöglichkeiten in den ständisch durchlässiger gewordenen Adelssalons und der rasche Aufstieg des Musikverlagswesens bilden eine wesentliche Bedingung für jenes Phänomen, das durch die unter diesen Umständen beschleunigte und tiefgreifend veränderte Produktion Haydns, Mozarts und Beethovens später als «Klassik» bezeichnet worden ist, in die man zeitweilig sogar noch Schubert als Spätgeborenen einzufügen versucht hat.

Heute dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass man das rezeptionshistorisch und stilgeschichtlich keineswegs unproblematische Konstrukt der «Wiener Klassik», wenn es die Minimalbedingungen terminologischer Distinktion und trennscharfer Sacherfassung erfüllen soll, tunlichst auf den Zeitraum von 1781 bis um 1804 begrenzt: beginnend also mit Haydns Publikation seiner geschichtsmächtigen Streichquartettsammlung Opus 33 sowie mit Mozarts Niederlassung in Wien und spätestens endend mit dem Verstummen Haydns als Komponist und dem Paradigmenwechsel, der mit Beethovens Sinfonia eroica die musikalische Landschaft nachhaltig verändert hat. Realhistorisch wie mentalitätsgeschichtlich lassen sich diese Zäsuren mit dem anfänglichen Innovationsschub der josephinischen Reformen einerseits und der wachsenden Auszehrung der Aufbruchsstimmung in den verlustreichen Kriegen gegen Napoleon andererseits begründen. Daran sind nun zwei Sachverhalte für den Blick auf Schuberts Komponistenleben zentral. Erstens gehört Schubert in diesem Szenario zwar zum innersten Kern der Wiener Musik, aber nicht zu ihrer «Klassik», und zweitens ist auch das gesamte Schaffen des mittleren und späten Beethoven diesseits der epochalen stilistischen Grenze anzusiedeln. Das bedeutet, dass die beiden durch eine Generation voneinander getrennten Komponisten, deren Wiener Schaffen scheinbar im selben Rahmen und in zeitlicher Parallelität entstand (Beethoven starb 1827, Schubert anderthalb Jahre später), das musikalische Erbe dieser «Klassik» auf höchst unterschiedliche Weise verwalteten: Beethoven als einer, der in seiner Jugend als Schüler und Nachahmer Haydns noch unmittelbar an ihrer Entwicklung beteiligt war, Schubert hingegen als jemand, der den Kanon der einschlägigen Werke als zwar lebendige, aber bereits abgeschlossene Hinterlassenschaft vorgefunden hat. Für den jungen Schubert wurde Beethoven von einem gewissen Zeitpunkt an zum herausragenden, aber auch einschüchternden Orientierungspunkt, während umgekehrt Beethoven Schuberts Kompositionen, wenn überhaupt, erst spät und nur höchst sporadisch zur Kenntnis genommen hat. Der Eindruck, dass die beiden, merkwürdig genug, nicht wirklich in derselben Stadt zu leben und zu arbeiten schienen, trügt nicht nur nicht, sondern trifft den historischen Sachverhalt auf den Kopf: Beethovens Wien war zwar (auch) das Wien Schuberts, aber Schuberts Wien war nicht dasjenige Beethovens. Das wird gleich noch näher auszuführen sein.

Unter den großen Komponisten, durch deren Produktion Wien spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den berechtigten Ruf der Musikmetropole gelangt ist und die man daher lange Zeit hindurch als «Wiener Klassiker» bezeichnet hat, war Schubert seiner Herkunft nach der einzige Wiener, und neben Haydn war er auch der einzige gebürtige Österreicher. Das ist nicht aus lokalpatriotisch-sentimentalen Gründen heraus erwähnenswert, sondern deshalb interessant, weil er – anders als Mozart oder Beethoven – nicht durch das magnetisch wirkende Renommee der Stadt erst eigens angezogen wurde und daher seine aktive Musikerkarriere sich auch nicht einer bewusst getroffenen Entscheidung zur Ansiedlung in Wien verdankt. Er fand die Stadt und ihr Musikleben vielmehr als seine Produktionsbedingung vor. Für das Verständnis seines Werdegangs ist das, wie sich zeigen wird, nicht gänzlich ohne Belang.

Ziemlich genau mit Schuberts Jugendjahren fällt eine nachhaltige Wandlung des Wiener Musiklebens zusammen. Das josephinische Wien hatte zwar den Aufstieg Haydns erlebt – aber verwertet und zu europäischem Ruhm gebracht wurde er nicht hier, sondern in Paris und in London. Nur diese beiden Metropolen verfügten am Ende des Jahrhunderts über jene Institutionalisierung des Konzertlebens, auf die Wien noch lange warten musste – London sogar in einem hochgradig kommerzialisierten, nach kapitalistischen Marktgesetzen organisierten Ausmaß. In London, nicht in Wien, wurde der alternde Haydn nach heutigen Begriffen zum Millionär, und wohl nur Mozarts früher Tod hat auch dessen Ausrichtung auf den Londoner Konzertbetrieb verhindert. In Wien hingegen war der Komponist auf die Selbstorganisation von Konzertreihen und auf die Adelspatronage angewiesen. Immerhin gab es seit den 1780er Jahren diese Möglichkeit, und Mozarts rasche Wiener Karriere verdankt sich ebenso wie der kometenhafte Aufstieg des jungen Beethoven ihrer ebenso geschickten wie kompetenten Ausnutzung. Spätestens mit den napoleonischen Kriegen aber war diese kurze Blütezeit auf dem gesamten Kontinent vorbei; für Österreich kamen noch katastrophale militärische Niederlagen, der Zusammenbruch hocharistokratischer Privatvermögen und ein Staatsbankrott hinzu – all das fiel in Schuberts Jugendzeit. Das Wien der Nachkongresszeit hatte sich gründlich verändert. Wenn man die anschließende Phase heute als «Biedermeier» bezeichnet, dann trägt man damit nicht zuletzt der Tatsache Rechnung, dass das Musikleben nun zusehends auf eine neue Basis gestellt wurde: War der öffentliche Musikbetrieb vor 1800 noch weitgehend aristokratisch dominiert und elitär gewesen, so entfaltete sich im Wien der Metternich-Ära das Musikleben geradezu ausufernd im privat-häuslichen Bereich, während in der Öffentlichkeit neben der früher tonangebenden Hocharistokratie sehr rasch auch das wohlhabende und gebildete Bürgertum, mit Wirkung bis heute, an Präsenz gewann. Eine anfangs zwar noch aristokratisch protegierte, aber im Laufe ihrer Entwicklung rasch verbürgerlichte Institution war die 1812 gegründete Gesellschaft der Musikfreunde – bis heute der für das Wiener Konzertleben maßgebliche und eben für die Selbstorganisation des aufstrebenden Bürgertums überaus charakteristische Verein. Kommerzialisierung und Verbürgerlichung des Musiklebens haben hier, bis hin zum Aufstieg Wiens zu einer der Musikmetropolen des 19. Jahrhunderts, ihren Anfang genommen.

Die Differenz zwischen dem Wien, in dem Beethovens rascher Aufstieg gelang, und jenem Wien, das die Produktionsbedingungen für Schubert bereitstellte, erscheint somit als ein Unterschied der Generation ebenso wie der Gesellschaftsschicht. Beide Komponisten bewegten sich in unterschiedlichen Kreisen, zwischen denen es nur wenige Berührungspunkte gab. Beethoven, in den 1790er Jahren von einer systematischen Adelspatronage zu...

Erscheint lt. Verlag 11.4.2019
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Sprache deutsch
Themenwelt Kunst / Musik / Theater Malerei / Plastik
Kunst / Musik / Theater Musik
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 19. Jahrhundert • Biografie • Biographie • Franz Schubert • Geschichte • Komponist • Künstler • Musik • Musikgeschichte • Österreich
ISBN-10 3-406-74088-X / 340674088X
ISBN-13 978-3-406-74088-6 / 9783406740886
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