Einleitung in das Neue Testament -

Einleitung in das Neue Testament (eBook)

eBook Download: EPUB
2019 | 3. Auflage
614 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-036110-2 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
29,99 inkl. MwSt
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Well-structured and easy to read the authors of this textbook present this introduction on level with the current academic debate. The writings are at the centre of the work. They are organised in four thematic blocks, preceded by general topics (questions on synopsis, pseudepigrapha). Every writing is analyzed following its structure, its genesis (time, place, author, sources, and hypothesis of separation) and its specific discussion (cultural milieu, situation, content).

Prof. Dr. Martin Ebner lectures in New Testament Exegesis at the University of Bonn. Prof. Dr. Stefan Schreiber lectures in New Testament Studies at the University of Augsburg.

Prof. Dr. Martin Ebner lectures in New Testament Exegesis at the University of Bonn. Prof. Dr. Stefan Schreiber lectures in New Testament Studies at the University of Augsburg.

3.2.2  Eine Vier-Evangeliensammlung oder Trend zu Evangelienharmonien?

Der älteste uns erhaltene Evangelienkodex, in dem alle vier Evangelien (samt Apg) enthalten sind, der Chester Beatty Papyrus (P45), wird ins 3. Jh. datiert. Wenn P64, P67 und P4 zu einem einzigen Kodex gehören, hätten wir sogar ein Zeugnis für etwa 200 n. Chr. (T. C. Skeat, Manuscript). Um zeitlich weiter nach vorne zu stoßen, wird gewöhnlich auf Justin (Mitte des 2. Jh.) verwiesen, der von »Evangelien« (im Plural) spricht. Er reiht sie in die Memoirenliteratur ein und nennt als deren Verfasser »die Apostel Jesu und deren Nachfolger« (Dial 103,8). Nachweislich kennt er die synoptischen Evangelien, wahr­scheinlich auch das JohEv (vgl. Joh 3,3–5 in 1 Apol 61,4), das er allerdings kaum benutzt. Auch der sekundäre Markusschluss (Mk 16,9–20; → B.V.1.2) setzt die Kenntnis von (mindestens) vier Evangelien voraus (J. A. Kelhoffer, Miracle 121f.227f.): Hier werden die Ostererscheinung vor Maria von Mag­da­la (JohEv) mit der Erscheinung vor den Emmausjüngern (LkEv) und die Aus­sendung der Jünger in alle Welt (MtEv) mit ihrer Mission in der ganzen Welt (Apg) kombiniert. Nachdem Mk 16,20a von Justin bereits zitiert wird (1 Apol 45,5), muss der Text spätestens um 150 n. Chr. vorliegen (J. A. Kelhoffer, Book 10).

Mit der Suche nach möglichst frühen Belegen für die vier (später) kanonischen Evangelien ist eine zentrale Streitfrage der Kanonforschung verbunden: Haben unabhängig und vor Markion unsere vier Evangelien bereits eine kanonische Stellung (T. K. Heckel, Evange­lium 284, im Blick auf den sekundären Markusschluss: »abgrenzende Komponente gegen weitere Schriften …, die von Erscheinungen berichten«; G. N. Stanton, Gospel 329–332, speziell im Blick auf Justin) oder hat das eine Evangelium des Markion erst zur Aufstel­lung eines Gegen-Vier-Evangelienkanons provoziert (H. von Campenhausen)?

U. Schmid (Evangelium) versucht einen Kompromissvorschlag und spricht (mit Blick auf die erwähnte Handschriftenkombination) anstelle von einem Vier-Evangelienkanon von einer Vier-Evangeliensammlung bereits vor Markion, die allerdings noch keine kanonische Geltung beanspruche. M. Klinghardt (Evangelium) nimmt dagegen eine Radikalisierung der Position von Campenhausens vor: Markion sei nicht nur der Erste gewesen, der einen Kanon vorgelegt habe, sondern sein »Evangelium« sei gleichzeitig auch dasjenige gewesen, das den später kanonisch gewordenen Evangelien als Vorlage gedient habe. Nicht Markion habe das LkEv bereinigt, sondern das LkEv sei eine kanonische Korrektur des ursprünglichen Markion-Evangeliums (→ B.I.5.5). Die Kirchenväternarration bei Tertullian (Marc 4,4,4) sei von Harnack interessegeleitet und gegen deren eigentliche Intention verstanden worden: »Die Schlussfolgerung, dass das marcionitische Evangelium das Resultat einer entsprechenden Interpolationskritik und Ausdruck der Wiederherstellung des ursprünglichen Evangeliums sei, zieht Tertullian nicht: Das haben erst Harnack und in seiner Folge die moderne Markionforschung getan« (I 137f.; vgl. die philologisch fundierte Kritik von O. Zwierlein 77-83 sowie die Disputation: M. Klinghardt/J. D. BeDuhn/J. M. Lieu).

Genau besehen jedoch belegen weder der sekundäre Markusschluss noch Jus­tin einen Vier-Evangelienkanon oder eine Vier-Evangeliensammlung, son­dern vielmehr die Tendenz zur Evangelienharmonie. Die Evangelienzitate Justins tragen harmonisierenden Charakter und gehen vermutlich auf die glei­che Evangelienharmonie zurück, die dann auch Tatian für sein Diatessaron verwendet hat – mit dem einen Unterschied, dass bei Justin bis auf eine Aus­nahme das JohEv nicht berücksichtigt wird, während es bei Tatian das Rück­grat der Erzählung bildet. Außerdem sucht man bei Justin einen klaren Trenn­strich zu außerkanonischen Evangelienstoffen vergeblich. Auch bei einer so prominenten Erzählung wie der Taufgeschichte kann er problemlos Elemente aufgreifen, die aus den kanonischen Evangelien nicht bekannt sind (»großes Licht«; → 2.2.2; W. L. Petersen, Diatessaron 1994, 14–16.27–29; H. Koes­ter 360–402). Sozusagen auf der Produzentenseite belegen die in dieser Zeit bereits vorliegenden Evangelien, die nicht kanonisch geworden sind, das Ver­fahren, wie es sich beim Anwender Justin im Spiegel zeigt: Sie inkorporie­ren, kombinieren und variieren Stoffe unserer Evangelien, ohne sich jedoch auf die (später) kanonischen Traditionen zu beschränken (vgl. Petrusevange­lium, Eger­ton­evangelium, Epistula Apostolorum). Es handelt sich also um Wei­ter­schreibungen vorliegender, evtl. auch mündlich überlieferter Evange­lienstoffe, die in ein je neues Erzählgerüst eingespannt werden.

Sicher ist eine gewisse Bevorzugung der vier kanonisch gewordenen Evan­gelien zu erkennen. Aber: Die synoptischen Evangelien und das JohEv hatten im Osten bzw. im Westen eine unterschiedlich hohe Akzeptanz, so dass eine Vier-Evangeliensammlung schon auf einen Kompromiss beider Seiten schließen lässt (→ 3.4). Von ihrer eigenen Intention her wollen sowohl das LkEv als auch das MtEv das MkEv ersetzen. Eine parallele Geltung ist durch­aus nicht beabsichtigt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich neben der vereinheitlichenden und die Traditionen vermischenden Fortschreibung für die Evangelien eine zusätzliche Variation der Weiterentwicklung im Wachstums­prozess beobachten lässt, die den Intentionen der Vier-Evangeliensammlung zwar genauso zuwider läuft, aber bestens zu den Charakteristika der Samm­lungsphase (vor dem Kanonisierungsprozess) passt.

3.2.3  Cluster

Mehrfach lässt sich in der christlichen Literatur des 1. und 2. Jh. die Tendenz beobachten, ein vorliegendes Evangelium durch eine weitere Schrift zu ergän­zen. Das geschah unabhängig voneinander an mehreren Stellen (G. Theissen 297–300). Das bekannteste Cluster ist das lukanische Doppelwerk. Das LkEv wird durch die Apg fortgeführt. Sie erzählt, was im Evangelium unerfüllt bleibt: die verheißene Geistsendung (Lk 3,16). Nachdem es neben dem »Pfingsten der Jünger« (Apg 2) auch ein »Pfingsten der Heiden« (Apg 10) gibt, wird dadurch gleichzeitig die im Urchristentum umstrittene Heidenmis­sion in Kontinuität mit der Jesusintention gestellt. Das Corpus Johanneum besteht aus dem Evangelium und drei Briefen. Während 2/3 Joh einen Blick in die Ge­schichte der Gemeinde werfen lassen, ist 1 Joh inhaltlich unmittelbar mit dem Evangelium verknüpft: als Sicherstellung der orthodoxen Lesart des Evange­liums. G. Theissen möchte schließlich auch für das MtEv eine Clus­ter­bildung erkennen: Die Didache bezieht sich mehrmals auf »das Evan­ge­lium« (8,2; 11,3; 15,3.4), womit nur das MtEv gemeint sein kann (T. K. Heckel, Evan­gelium 276f.). Inhaltlich führt die Didache die Tauflehre aus, formuliert also Anweisungen für die praktische Durchführung des letzten Auftrags Jesu auf dem Berg, mit dem das Evangelium schließt (Mt 28,16–20; vgl. G. Garleff).

Dass die Ergänzungsschrift des MtEv dann doch nicht in den Kanon aufgenommen wurde, ist nach Theißen dadurch begründet, dass die judenchristlichen Gruppen Syriens, die hinter dem MtEv und der Didache stehen, nicht stark genug waren, um ihre Ergänzungsschrift durchzusetzen, und außerdem außerhalb des Einzugsgebietes lagen, in dem der Kanon verhandelt worden ist: Kleinasien und Rom.

3.3  Die Kanonisierung: Neustrukturierung der Cluster

Schaut man auf die Wachstumstendenzen der urchristlichen Schriften bis Mitte des 2. Jh., dann muss man sagen: Im Kanon wird Vorhandenes aufge­griffen (Paulusbriefsammlung) und zugleich ergänzt (Katholische Briefe); es fällt eine Entscheidung gegen den Trend zur Evangelienharmonie und für die Cluster. Aber sie werden neu strukturiert:

(1) Bereits bestehende Cluster werden auseinandergerissen. Durch die Trennung der johanneischen Briefe vom JohEv entsteht der Grundbestand der Katholischen Briefe. Die Apg wird nicht als Fortführung des LkEv, sondern als narrative Einleitung zu den apostolischen Briefen eingesetzt.

(2) Durch die Kombination von Apg und apostolischen Briefen wird künst­lich ein neues Cluster geschaffen, das allerdings einer einzigen Grundschrift gleich zwei Anhänge hinzufügt: die Katholischen Briefe und die Paulusbriefe. Als Sammlungseinheit bleibt die Kombination von Apg und Katholischen Briefen in den Handschriften bis in die byzantinische Zeit erhalten (Prax­apostolos).

(3) Die in der Wachstumsperiode ntl Schriften entstandene Form des Clus­ters greift der Kanon als Strukturform auf – im Kleinen (Apg in Kombi­nation mit apostolischen Briefen) wie im Großen: Insgesamt präsentiert der Kanon das Cluster »Evangelium mit Brief«, allerdings stark erweitert und ergänzt.

(4) Dabei lassen sich die Erweiterungen und Ergänzungen unmittelbar als Reaktion auf Markion verstehen – und gleichzeitig als Kurskorrektur gegen­über den Tendenzen zur Evangelienharmonie: Diese in der Sammlungsphase prominente Form wird nicht aufgegriffen. Anstelle eines einzigen Evange­liums stellt der Kanon vier Evangelien an den Anfang, die z. T. aus ursprüng­lichen Clustereinheiten separiert werden mussten. Der Kanon bietet nicht nur eine einzige Briefsammlung wie Markion (nämlich die des Paulus), sondern zwei Briefsammlungen, wobei die Apg als narrativer »Kopftext« der Briefe den chronologischen – und gemäß...

Erscheint lt. Verlag 20.11.2019
Co-Autor Martin Ebner, Marlis Gielen, Gerd Häfner, Martin Karrer, Matthias Konradt, Joachim Kügler, Dietrich Rusam, Thomas Schmeller, Stefan Schreiber, Michael Theobald
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Christian Frevel, Gisela Muschiol, Dorothea Sattler, Hans-Ulrich Weidemann
Zusatzinfo 30 Abb., 5 Kt.
Verlagsort Stuttgart
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Einleitung • Exegese • Neues Testament • NT • Theologie • Theologie des Neuen Testaments
ISBN-10 3-17-036110-4 / 3170361104
ISBN-13 978-3-17-036110-2 / 9783170361102
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 4,1 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich

von Jeffrey Geoghegan; Michael Homan

eBook Download (2020)
Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA
12,99
Ein didaktisch-methodischer Leitfaden für die Planung einer …

von Sarah Delling; Ulrich Riegel

eBook Download (2022)
Kohlhammer Verlag
22,99