Kolonialismus-Debatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen

Olaf Zimmermann (Herausgeber)

Buch
180 Seiten
2019
Deutscher Kulturrat (Verlag)
978-3-947308-18-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kolonialismus-Debatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen -
14,80 inkl. MwSt
Wie so oft, ist auch bei der Kolonialismus-Debatte der Kulturbereich der Katalysator, der die Diskussion in Schwung bringt. Es geht um die Bedingungen unter denen Artefakte, menschliche Gebeine und Kunstwerke in Ethnologische Museen gekommen sind. Welche Verantwortung hat der deutsche Staat heute, wie kann Wiedergutmachung aussehen? Aber nicht nur der Staat steht in der Verantwortung. Welche Rolle haben die Missionen gespielt und wie ist das Verhältnis der Kirche zum globalen Süden heute? Es wird gefragt, welche Konzeption für das Humboldt Forum, das zukünftige nationale Museum der Weltkulturen in Berlin, die Beste ist? Was ist eigentlich Kolonialismus, Postkolonialismus oder Dekolonisation?

59 Autorinnen und Autoren haben Bestandsaufnahmen verfasst und Konsequenzen gefordert. Zu ihnen gehören unter anderem: Wiebke Ahrndt, Direktorin des Übersee-Museums Bremen und Leiterin der Arbeitsgruppe „Kolonialismus“ beim Deutschen Museumsbund; Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien in Hamburg und Vorsitzender der Kulturministerkonferenz; Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland; Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums; Monika Grütters, MdB, Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien; Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder; Viola König, Honorarprofessorin am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin; Klaus Lederer, Senator für Kultur und Europa in Berlin; Neil MacGregor, Leiter der Gründungsintendanz des Humboldt Forums; Michelle Müntefering, MdB, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik im Auswärtigen Amt; Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Jürgen Zimmerer, Professor für Globalgeschichte mit Schwerpunkt auf Afrika an der Universität Hamburg und Leiter der dortigen Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die (frühe) Globalisierung“; Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Herausgeber von Politik & Kultur.

"Pflichtlektüre für alle, die sich mit dem Thema befassen", schreibt der Informationsdienst Kunst (Nr. 690) über das Buch. Und weiter: "Kolonialismus-Debatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen enthält über 60 Beiträge der wichtigsten Experten und beleuchtet das Phänomen von allen Seiten, mal sachlicher, mal polemischer."

"Pflichtlektüre für alle, die sich mit dem Thema befassen", schreibt der Informationsdienst Kunst (Nr. 690) über das Buch. Und weiter: "Kolonialismus-Debatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen enthält über 60 Beiträge der wichtigsten Experten und beleuchtet das Phänomen von allen Seiten, mal sachlicher, mal polemischer."

Schuld und Sühne Vor hundert Jahre, mit dem Abschluss des Versailler Vertrages, verlor Deutschland alle „seine“ Kolonien. Der Friedensvertrag zwischen dem Deutschen Reich und den Alliierten wurde am 28. Juni 1919 unterzeichnet und trat am 10. Januar 1920 in Kraft. Damit endete die verhältnismäßige kurze Zeit der deutschen Kolonien. 1884 hatte Deutschland Territorien in Afrika, die deutsche Kaufleute erworben hatten, zu staatlichen Schutzgebieten erklärt und damit das deutsche „Kolonien-Zeitalter“ begründet, wenn auch schon acht Jahre vorher „Besitz und Rechte“ für das Deutsche Reich in Übersee erworben wurden. Deutsch-Neuguinea, heute nördlicher Teil Papua-Neuguineas; Deutsch-Ostafrika, heute Tansania, Burundi und Ruanda; Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia; Kamerun; Karolinen, Palau und Mariannen (Westpazifik); Kiautschou (Nordostchina); die Marshall-Inseln, Nauru und die Samoa-Inseln, heute Samoa (alle im Pazifik) und Togo waren deutsche Kolonien. Die Niederschlagung von Aufständen der Herero und Nama gegen die deutsche Kolonialmacht in Deutsch-Südwestafrika zeigen exemplarisch die Brutalität der Kolonialherren. Es ging in den Kolonien um die Ausbeutung der Ressourcen der Länder und dabei ist man oftmals skrupellos mit Menschenleben umgegangen. Die deutschen Kolonien waren in erster Linie ein perfides Geschäftsmodell. Doch war 1884 weder der Beginn noch 1920 das Ende der Verstrickungen Deutschlands in den Kolonialismus. Die frühen Handelshäuser, die Missionare und auch Forschungsreisende wie der berühmte Alexander von Humboldt waren Boten des globalen Kolonialismus. Und auch nach 1920 ist Deutschland weiter Kolonialmacht, wenn auch ohne eigene Kolonien. Heute braucht man zur Marktfähigmachung der Welt keine Kolonien mehr, sondern nutzt das Instrumentarium der sogenannten Freihandelsabkommen, um sich oftmals Handelsvorteile auf Kosten der Länder des Südens zu verschaffen. TTIP, CETA & Co. sind deshalb auch im Kulturbereich sehr umstritten. Jetzt, hundert Jahre nach dem Deutschland „seine“ Kolonien verloren hat, beginnt endlich die Debatte um Schuld und Sühne. Doch warum hat es hundert Jahre gedauert? Die Erinnerung an den Kolonialismus wurde in Deutschland von der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg und der unbeschreiblichen deutschen Schuld Jahrzehnte lang überdeckt. Im Lichte der Shoah treten selbst die schlimmsten weiteren deutsche Verbrechen in den Hintergrund, sie dürfen aber trotzdem nicht unaufgearbeitet bleiben. Außerdem wird die Verantwortung der Deutschen am Kolonialismus gerne auf die dreieinhalb Jahrzehnte reduziert, in denen es deutsche Kolonien gab. Im Vergleich zu den großen Kolonialmächten Großbritannien, Frankreich und Russland, so wird gerne argumentiert, war Deutschland doch eine vergleichsweise kleine Kurzzeit-Kolonialmacht. Das stimmt, wenn man nur den kolonialen Besitz berücksichtigt, das ist gänzlich falsch, wenn man den Kolonialismus in seiner Gesamtheit bis heute betrachtet. Wie so oft, ist auch bei der Kolonialismus Debatte der Kulturbereich der Katalysator, der die Debatte in Schwung bringt. Unter welchen Bedingungen sind die Artefakte, menschlichen Gebeine und Kunstwerke in die Ethnologischen Museen gekommen? Diese Frage muss jetzt schnell und trotzdem gründlich beantwortet werden. Das gilt auch für die Missionssammlungen. Die Diskussionen um die Konzeption des Humboldtforums in Berlin, dass Ende 2010 eröffnet werden soll, hatte die Debatte mit befördert. Der Kulturbereich wird sich der Verantwortung stellen und natürlich werden Bestände aus den Ethnologischen Museen, wenn sie unrechtmäßig erworben wurden, zurückgegeben werden. Doch mit diesen notwendigen Maßnahmen ist die Debatte mitnichten zu ende. Die Frage nach „Schuld und Sühne“ ist viel tiefgreifender. Zuerst einmal muss Deutschland seine Schuld anerkennen. In den deutschen Kolonien wurden Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vielleicht sogar Völkermord, verübt. Diese Verbrechen müssen zum Andenken an die Opfer endlich deutlich benannt werden. Darüber hinaus muss Deutschland besonders sein koloniales Handeln heute kritisch hinterfragen. Deutschland darf keine Freihandelsabkommen zulasten des Südens mehr abschließen. Sühne meint Wiedergutmachung. Der Süden braucht nicht mehr deutsche Entwicklungshilfe, sondern echte Teilhabemöglichkeit am globalen Handel und am Kulturaustausch. Mit dem Sammelband „Kolonialismusdebatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen“ wollen wir einen Baustein zur notwendigen Aufarbeitung leisten und die Verantwortung des Kulturbereiches dabei klar benennen. Olaf Zimmermann Herausgeber

Erscheinungsdatum
Reihe/Serie Aus Politik & Kultur ; 17
Mitarbeit Mitglied der Redaktion: Gabriele Schulz
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 166 x 220 mm
Themenwelt Geschichte Teilgebiete der Geschichte Kulturgeschichte
Geschichte Teilgebiete der Geschichte Wirtschaftsgeschichte
Schlagworte Dekolonisation • Erinnerungskultur • Humboldt Forum • Kolonialismus • Mission • Postkolonialismus
ISBN-10 3-947308-18-3 / 3947308183
ISBN-13 978-3-947308-18-7 / 9783947308187
Zustand Neuware
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