Die Macht der Schönheit (eBook)

Kulturgeschichte Italiens
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2019 | 1. Auflage
651 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-74106-7 (ISBN)
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Aus dem jahrhundertelangen Wettstreit von Städten, Fürsten und Päpsten um die vollkommensten Kunstwerke entstand in Italien eine beispiellose Vielfalt und Innovationskraft. Volker Reinhardt blickt auf tausend Jahre italienischer Kulturgeschichte und lässt verstehen, was die unverkennbare 'Italianità' und die unwiderstehliche Anziehungskraft so vieler eigenwilliger Künstler und Werke ausmacht.
Das Erbe der Antike, arabische Einflüsse auf Sizilien, byzantinische Prägungen in Venedig, deutsche, spanische und französische Kaiser und Könige: Italien wurde ebenso stark von außen geprägt wie durch seine innere Vielfalt. Volker Reinhardt zeigt in dieser souveränen Summe seiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit Italien, wie sich seit dem 11. Jahrhundert aus all diesen Faktoren eine Kultur entwickelte, die von Italienern und Nicht-Italienern als 'italienisch' verstanden wird. Er lässt mit leichter Hand Bilder, Bauwerke und Gärten, Dichtungen, Opern und Filme, Staatstheoretiker und Naturforscher, Kulturen der Küche und des Designs lebendig werden und verfolgt von hier aus lange Entwicklungslinien: von den sizilianischen Baronen bis zur Mafia, von der Renaissance zum Risorgimento, von der Volksnähe Boccaccios bis zu den einfachen Leuten bei Fellini. Die italienische Kultur ist aus Krisen und Katastrophen erwachsen. Zu ihrer DNA gehört eine optimistische Lebenskraft, ja Lebensfreude. Das Buch lädt dazu ein, dieser Kraft auf den Grund zu gehen - und sich selbst von der Macht der Schönheit bezaubern zu lassen. Mit über 100 teils farbigen Abbildungen.

Volker Reinhardt, Professor für Geschichte der Neuzeit an der Universität Fribourg, gehört international zu den führenden Italien-Historikern.

Cover 1
Titel 4
Zum Buch 653
Über den Autor 653
Impressum 5
Inhalt 6
Einleitung: Auf der Suche nach Italien und der Italianità 12
ERSTER TEIL: Die Macht Der Städte 11. bis 14. Jahrhundert 26
1. Die Monarchie der Normannen in Sizilien: Glanz der Parvenüs 28
2. Pisa: Die Wiedergeburt der Städte 37
3. Bologna lehrt: Universität und römisches Recht 46
4. Santa Maria Novella: Bettelorden und Patriziat in Florenz 56
5. Dogen-Republik Venedig: Die Warnung des geschwärzten Porträts 65
6. Dantes «Göttliche Komödie»: Dichtung und Rache 75
7. Welcher Franziskus? Der Ausnahme-Heilige und sein Nachleben 84
8. Roma aeterna: Heilige Jahre und das Problem der Ruinen 93
9. Giotto und die Arenakapelle in Padua: Die Reinwaschung der Bankiers 103
10. Lächelndes Verona: Romeo, Julia und «der große Hund» 111
11. Siena und die «Neun»: Bilder und Realität der Kommune 120
12. Die Pest von 1348: Anarchie und Massengräber 128
13. Caterina da Siena: Die Heilige und die Politik 136
14. Gian Galeazzo Visconti: Die Macht der Signorie 144
ZWEITER TEIL: Der Hof Und Die Feinen Leute 15. und 16. Jahrhundert 154
1. Florenz und die Macht der Medici: Drei Davids und eine Judith 156
2. Renaissancekultur in Neapel: Ein neuer König und ein neues Tor 166
3. Die Kultur des Feudalismus im Süden: Huldigungen und Revolten 176
4. Ruhm in der Renaissance: Bilder berühmter Männer und Frauen 184
5. Piero della Francesca in Arezzo: Die Peripherie als Kulturzentrum 192
6. Päpstlicher Nepotismus: Römische Renaissance-Kultur 199
7. Hof kultur in Urbino: Der Palast des Condottiere 208
8. Leonardo da Vinci und die Natur: Der Zeichner der Welt 218
9. Kultur der Gewalt: Bilder und Blut der Baglioni 228
10. Luca Signorelli: Der Antichrist im Dom von Orvieto 237
11. Der Neubau von Sankt Peter: Skandal und Impuls 246
12. Italienische Küchenkultur: Kochbücher, Bankette und Hunger 256
13. Der Palazzo del Tè in Mantua: Kultur der Erotik 264
14. Franz I. und die Schule von Fontainebleau: Italien an der Loire 272
15. Beccafumis Fresken und Machiavellis Ideen: Aufstieg und Niedergang der Staatsräson 280
DRITTER TEIL: Harmonien Und Dissonanzen 16. und 17. Jahrhundert 290
1. Michelangelo und die Sixtinische Kapelle: Die enteignete Ruhmeshalle 292
2. Palladios Villen im Veneto: Kaufleute und die Liebe zum Land 300
3. Tintoretto und die Scuola di San Rocco: Frömmigkeit auf Venezianisch 308
4. Palestrina und die Missa Papae Marcelli: Reform der Musik 316
5. Das Olympische Theater in Vicenza: Für immer Ödipus 325
6. Die Benandanti und die Inquisition: Hexer gegen Hexen 333
7. Magie und Alchemie: Händler der Geheimnisse 341
8. Carlo Gesualdo und das Madrigal: Ehebruch, Mord und kühne Töne 348
9. Barocke Villenkultur am Tiber: Die Nachfolger des Lucullus 357
10. Monteverdi und die Erfindung der Oper: Orpheus in Mantua 366
11. Galilei und die Theologen: Die Sonne anhalten 374
12. Campanella und der Sonnenstaat: Rebellion und Utopie 383
13. Der Aufstand des Masaniello in Neapel: Tanz auf dem Vulkan 392
14. Das neue Noto: Phönix aus der Asche 400
VIERTER TEIL: Ausgrabungen Und Aufklärung 18. Jahrhundert 408
1. Absolutismus in Turin: Das Schloss von Stupinigi 410
2. Vivaldi und Casanova: Venedigs später Glanz 419
3. Die Spanische Treppe in Rom: Eleganz und Erlösung 428
4. Die Entdeckung Herculaneums und Pompejis: Unerwünschte Antike 437
5. Tiepolo und die Würzburger Residenz: Triumph aristokratischer Ironie 446
6. Die Reggia von Caserta: Schloss der Auf klärung, Schloss der Teufel 454
7. Cesare Beccaria und die Reform der Strafjustiz: Verbrechen und Humanität 464
8. Vittorio Alfieri und Ugo Foscolo: Leiden an der Nation 473
FÜNFTER TEIL: Der Traum Von Der Nationalen Wiedergeburt Das lange 19. Jahrhundert 482
1. Manzonis «Brautleute»: Versöhnung mit der Geschichte 484
2. Die zwei Leopardis: Generationenkonflikte und Zeitumbrüche 493
3. Rom unter Pius IX.: Sehnsucht nach dem Mittelalter 501
4. Verdi, die Oper und das Risorgimento: Die Nation als Religion 509
5. Die Mole Antonelliana in Turin: Ein Wolkenkratzer und die Emanzipation der Juden 518
6. Das Monument der Einheit in Rom: Unbewältigte Vergangenheit in Stein 527
SECHSTER TEIL: Futurismus, Faschismus, Fashion Und Film 20. und 21. Jahrhundert 536
1. Metaphysische und futuristische Malerei: Konservative Avantgarden 538
2. Der Fiat-Barren: Industriearchitektur und Massenproduktion 546
3. Faschismus, Archäologie und Architektur: Auf der Suche nach der verlorenen Größe 555
4. Neorealismus in Literatur und Film: Die Zwänge des Überlebens 565
5. Italienische Mode: Made in Milan 574
6. Fußball in Italien: Erfolge, Skandale, Loyalitäten 583
7. Fellinis Rom: Die magische Stadt 592
8. Giuseppe Tomasi di Lampedusa und sein Sizilien: Der Sieg der Schakale 600
Epilog: Kultur aus der Krise 610
ANHANG 614
Karten 616
Literatur 622
Bildnachweis 640
Personenregister 644
Bildtei 654

BILDTEIL


Christus krönt Roger II. zum König von Sizilien. Für den Papst als Vermittler von Herrschaft und Heil bleibt da kein Platz.

Drei Episoden aus der offiziellen Vita des populärsten aller Heiligen, gemalt von Giotto di Bondone: Franz von Assisi stützt – so die Traumvision Papst Innozenz’ III. – die einstürzende Lateranbasilika und damit die universelle Kirche, vertreibt als Vermittler zwischen Himmel und Erde die Zwietracht säenden Teufel aus Arezzo und empfängt in geheimnisvoller Entrückung und Nachfolge Christi dessen Wundmale, die Stigmen.

Die späte Heimholung eines großen Sohnes in Farben: Domenico di Michelinos Fresko im Dom von Florenz zeigt den von seinen Mitbürgern verbannten Dichter Dante Alighieri vor den jenseitigen Schauplätzen seiner Divina Commedia.

Ein wundertätiger Papst in einem zerfallenen Ambiente: Maso di Bancos Fresko in der florentinischen Basilika Santa Croce zeigt die Ewige Stadt sehr vergänglich. Das neue Rom liegt nicht mehr am Tiber, sondern am Arno.

Bitterer Ruhm: Andrea del Castagnos eigenwillige Fresken zeigen mit Pippo Spano und Farinata degli Uberti zwei Feldherren, denen in ihrer Heimat Florenz die verdiente Anerkennung verweigert wurde. Ähnlich erging es dem verbannten Dichter Dante Alighieri.

Modernste Kunstwerke für einen zeitgemäßen und profitablen, doch anrüchigen Beruf: In der Arenakapelle zu Padua malte Giotto einen Freskenzyklus, der den Auftraggeber Andrea Scrovegni vom Ruf des Wucherers reinwaschen sollte. Joachims Lammopfer wird wegen seiner Kinderlosigkeit zurückgewiesen, doch Gott wird ihn durch die späte Geburt eines Sohnes rechtfertigen. Christus vertreibt die Händler aus dem Tempel: Deutlicher kann man sich vom schmutzigen Geldgewerbe nicht distanzieren. Mit der Widmung der Kapelle an die Jungfrau Maria hat die Familie Scrovegni endgültig alle Makel getilgt.

Politische Ethik zur Erziehung der politischen Klasse: Ambrogio Lorenzettis berühmte Fresken im Stadtpalast von Siena zeigen mit eindrucksvollen allegorischen Figuren die Voraussetzungen einer guten Regierung (Tafel VIII oben) sowie ihre Auswirkungen in der Stadt (Tafel VIII Mitte) und auf dem Land (Tafel VIII unten) und schließlich die Schrecken der Tyrannei (Tafel IX). Wem Siena die Segnungen von Frieden und Harmonie verdankt, zeigt die Gruppe der fröhlich Tanzenden (Tafel VIII Mitte): Mit ihrer Neunerzahl steht sie für die regierende Interessengruppe des «Neunerberges», der die Kommune zu seinem Vorteil beherrscht und mit Lorenzettis Werken seine Gegner warnt: Wer den Umsturz wagt, erfährt die ganze Härte des Gesetzes.

In Piero della Francescas Fresken stirbt mit Adam zum ersten Mal ein Mensch eines natürlichen Todes. Auf einem weiteren Bild (Tafel XI) träumt Kaiser Konstantin vom Sieg durch das Kreuz, der am Morgen danach gewaltlos erfochten wird, so dass der glänzende junge Reiter gar nicht kämpfen muss. Am Ende steht der Appell, das Heilige Land mit dem Heiligen Kreuz, das allein Adam und seine Nachkommen erlösen kann, von den «Ungläubigen» zurückzuerobern – eine nach dem Fall Konstantinopels 1453 aktuelle Botschaft, die dem Auftraggeber der Bilder jedoch nicht den erhofften Karriereschub verschaffte.

Eine zerstrittene Familie mit einem senilen Pontifex und einem unbequemen Intellektuellen: Melozzo da Forlìs Fresko zeigt offiziell die Ernennung Platinas zum Präfekten der Vatikanischen Bibliothek durch Papst Sixtus IV. im Kreis seiner Verwandten, doch lässt es hinter der glänzenden Fassade die ungelösten Spannungen innerhalb der regierenden Sippe und damit die Dysfunktionalität des Nepotismus durchscheinen.

In seinem Gemälde der «Heiligen Anna Selbdritt» zeigt der Nicht-Christ Leonardo da Vinci Christus als Lamm-Mörder: Der jugendliche Erlöser ist ein Knabe in der Trotzphase, das vermeintlich Heilige wird radikal vermenschlicht.

In dem umbrischen Städtchen Spello schuf Pintoricchio, der seine Werke mit einem selbstbewussten Porträt signierte, Fresken, die ein Trauma heilen sollten. In der «Verkündigung an Maria» beginnt die Geschichte der Erlösung, im Hintergrund der harmonischen Szene kommt es zum friedlichen Ausgleich durch Verhandlungen. In Wirklichkeit hatten sich die Baglioni, die regierende Familie der Region, kurz zuvor selbst zerfleischt, und die Spannungen zwischen Spello und seinen Nachbarorten blieben ungelöst.

In Giulio Romanos «Hochzeitbankett von Amor und Psyche» an der Wand des Palazzo del Tè in Mantua leben Götter, Nymphen, Satyre und Menschen ihre erotischen Sehnsüchte ohne Hemmungen aus. Die sinnlichen Bilderfolgen für Herzog Ercole II. d’Este trafen voll und ganz den Zeitgeschmack seiner hochgeborenen Zeitgenossen.

In der Galerie von Schloss Fontainebleau ließ König Franz I., der die Kunst und den höfischen Stil der Renaissance nach Frankreich brachte, nach schweren Krisen und Rückschlägen seine Regierung in Bildern und Stuck legitimieren: Im Kernstück der Freskenreihe tritt er lorbeerumkränzt als väterlicher Schiedsrichter und Einheitsstifter seines Landes auf.

In seinen Fresken der Sala del Concistoro malte Domenico Beccafumi im Auftrag der Stadtregierung und gestützt auf eine Schrift Machiavellis Szenen aus der griechischen und römischen Geschichte, die blutige Staatsräson verkünden: Ein pflichtbewusster Volkstribun schickt seine korrupten Kollegen zur Verbrennung in den Feuerofen, und ein ehemaliger republikanischer Tugendheld wird als Möchtegern-Tyrann in den Tod gestürzt.

In den Fresken der «Neuen Kapelle» im Dom von Orvieto hat Luca Signorelli das Szenarium des Weltuntergangs ausgestaltet: Der Antichrist tritt auf, triumphiert und wird vom Erzengel Michael besiegt. Für manche Zeitgenossen war der böse Nachäffer des Heilands mit Papst Alexander VI. Borgia identisch.

In seinen Fresken der Tornabuoni-Kapelle von Santa Maria Novella zeigt Domenico Ghirlandaio die Patrizierfamilie Tornabuoni in all ihrer diskreten Vornehmheit. Im «Gastmahl des Herodes» wird elegant, doch frugal gespeist, ganz im Gegensatz zu den opulenten Menüs, die bei festlichen Anlässen in diesen Schichten üblich waren (oben). Wie sehr die Ausstattung von Palästen im Florenz der Renaissance zum Merkmal der Distinktion geworden war, zeigt die «Geburt Johannes des Täufers», die der Maler gleichfalls in einen Palast der Zeit verlegt (unten).

In der Sixtinischen Kapelle des Vatikans malte Botticelli 1482 mit der Bestrafung der Rotte Korah und dem Untergang der Aaron-Söhne ein Fresko, das die alleinige Herrschaft des Papstes über die Kirche begründen sollte, doch durch seine krassen Gewaltszenen verstört. Dreißig Jahre später schmückte Michelangelo die Decke mit Fresken, die eine unheilbar sündige Menschheit zeigen und die vom Auftraggeber gewünschte Ruhmesbotschaft damit unterlaufen. In seinem monumentalen Fresko des Jüngsten Gerichts sind selbst die Heiligen ihrer Erwählung nicht sicher.

Zwei religiöse Bilder, das eine von der Inquisition moniert, das andere unbeanstandet: In Paolo Veroneses «Gastmahl des Levi» tritt das heilige Geschehen nach Ansicht der Glaubenswächter unzulässig hinter der turbulenten Bewirtungsszene zurück. Tintorettos Kreuzigung Christi ist ebenfalls überaus figurenreich, doch ganz auf die Passion des Erlösers konzentriert.

In Schönheit erstarrt: Das Bühnenbild des Teatro Olimpico in Vicenza ist von einzigartigem Reiz, doch austauschen lässt es sich nicht – Sinnbild einer Gesellschaft und einer Kultur, die sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen beginnt.

...

Erscheint lt. Verlag 28.8.2019
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Regional- / Landesgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Antike • Bauwerke • Bilder • Design • Dichtungen • Film • Gärten • Geschichte • Italianità • Italien • Küche • Kultur • Kulturgeschichte • Kunst • Musik • Naturforscher • Oper • Renaissance • Staatstheoretiker
ISBN-10 3-406-74106-1 / 3406741061
ISBN-13 978-3-406-74106-7 / 9783406741067
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