Sonnenfalter und Mondmotten (eBook)
240 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-401984-0 (ISBN)
Anita Albus, geboren 1942, lebte als Malerin und Schriftstellerin in München. Berühmt wurde sie vor allem durch ihre augentäuschenden Naturdarstellungen, die vielfach ausgestellt wurden. Zugleich mit der Malerei hat sich Anita Albus der Literatur gewidmet, einen Roman und Erzählungen geschrieben und Essays verfasst. Ausgezeichnet wurde sie u.a. mit dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2014) und dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2004). Bei S. FISCHER erschienen u.a. die Bücher »Von seltenen Vögeln« (2005), »Das botanische Schauspiel« (2007), »Im Licht der Finsternis. Über Proust« (2011), »Sonnenfalter und Mondmotten« (2019) und »Affentheater« (2022). Anita Albus verstarb im Oktober 2024 in München. Literaturpreise: Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2014) Bundesverdienstkreuz für ihre Verdienste als Repräsentantin der deutschen Kultur in Frankreich (2011) Friedrich-Märker-Preis für Essayistik (2002) Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2004)
Anita Albus, geboren 1942, lebte als Malerin und Schriftstellerin in München. Berühmt wurde sie vor allem durch ihre augentäuschenden Naturdarstellungen, die vielfach ausgestellt wurden. Zugleich mit der Malerei hat sich Anita Albus der Literatur gewidmet, einen Roman und Erzählungen geschrieben und Essays verfasst. Ausgezeichnet wurde sie u.a. mit dem Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2014) und dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2004). Bei S. FISCHER erschienen u.a. die Bücher »Von seltenen Vögeln« (2005), »Das botanische Schauspiel« (2007), »Im Licht der Finsternis. Über Proust« (2011), »Sonnenfalter und Mondmotten« (2019) und »Affentheater« (2022). Anita Albus verstarb im Oktober 2024 in München. Literaturpreise: Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst (2014) Bundesverdienstkreuz für ihre Verdienste als Repräsentantin der deutschen Kultur in Frankreich (2011) Friedrich-Märker-Preis für Essayistik (2002) Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay (2004)
Im Nebeneinander von Wort und Bild öffnen sich unbekannte Welten. [...] eine Sehschule und eine Kulturgeschichte der Naturanschauung in einem. [...] gleichermaßen mit Witz und Verstand.
so anschaulich wie bezaubernd
Nach der Lektüre wird man Raupen und Schmetterlinge mit anderen Augen sehen - und auch zu Albus' Büchern über Vögel und Pflanzen greifen.
Nicht nur das schönste Buch des Jahres, sondern auch eines der klügsten. Nach Lektüre sehnt man den nächsten Sommer mit Schmetterlingen herbei, um hinzuschauen.
Wenn etwas die klassische Augenweide verkörpert, dann das neue Buch von Anita Albus.
Anita Albus zelebriert einen Mummenschanz der Sonnenfalter und Mondmotten, [...] opulent, präzise, fantastisch, kurzum eine Feier grotesker Wunder.
Ein wunderschön altmodisch anmutendes Buch [...], ausgestattet mit vielen historischen Zeichnungen und Gemälden der Autorin und Künstlerin.
ein sensationell schönes Buch [...] eine Augenweide und natürlich ein perfektes Weihnachtsgeschenk.
Bezaubernd formuliert [...]. Albus geht mit dem Vieldeutigen, den Widersprüchen, den Wandlungen ganz leicht um und elegant. Sie ist weltfromm und staunt und macht staunen.
Lesenswert machen das Buch [...] nicht nur [...] weitreichende Kenntnisse und ihre verblüffende Beobachtungsgabe, sondern auch ihre essayistische Fähigkeit, das Gelehrte und das Literarische unaufdringlich zu verschmelzen.
I Wandelwunder
»We are such stuff as dreams are made of; and our little life is rounded with a sleep.«
Shakespeare
Der Ursprung des Schmetterlings aus dem Ei war in Europa noch unbekannt, die Zucht der Seidenraupe ein seit drei Jahrtausenden gehütetes Geheimnis Chinas, als Dschuang Dsi vor etwa zweitausenddreihundert Jahren sein berühmtes Gleichnis über die Wandlung der Dinge schrieb. Einst träumte ihm, er sei ein Schmetterling, hu dieh, der im Glück des Umherflatterns von keinem Dschuang Dsi weiß. Als er plötzlich aufwachte, war er »wirklich und wahrhaftig« wieder Dschuang Dsi. Nun weiß er nicht, ob Dschuang Dsi träumte, er sei ein Schmetterling, oder ob der Schmetterling träumte, er sei Dschuang Dsi.[1] Ob Mensch oder Schmetterling, Wirklichkeit oder Traum, dem Mystiker des Tao und glänzenden Dichter galt es gleichviel. Ganz anders nähme es sich in den Facettenaugen des Schmetterlings aus. Als Dschuang Dsi seiner Flügel und Fühler beraubt auf nur zwei Beinen der Erde verhaftet zu sein wäre ein Alptraum für ihn. Auch der glückselige Traum von Dschuang Dsi hätte sich in einen Alptraum verwandelt, wenn er als Schmetterling alle Stadien von Raupe, Puppe und Falter durchträumt hätte.
In einer Schilderung der Metamorphose des Schmetterlings von Vladimir Nabokov ist der schlüpfende Falter eine Falterin, die Puppe ein Neutrum und die Raupe ein Rauperich. Für den Autor von Lolita ging der größte Zauber von dem Stadium der Puppe aus, in dem der bald schlüpfende Schmetterling unter der gläsernen Puppenhaut hindurchschimmert. Im Englischen wird die Puppe pupa oder chrysalis, aber auch nymph genannt. Der schlüpfende Falter mußte demnach ein Weibchen sein, die Raupe hingegen, die in der Puppe gleichsam ihr Innerstes der »Nymphe« hingibt, ein Rauperich, ein eher abstoßendes Wesen wie Humbert Humbert.
Die wahrscheinlich 1950 von Nabokov verfaßte Miszelle war als Verbindungsstück zwischen seiner Vorlesung über Franz Kafkas Die Verwandlung und Robert Louis Stevensons Dr. Jekyll und Mr. Hyde gedacht, aber kein Student hat sie je von ihm vernommen. Zweiundzwanzig Jahre nach seinem Tod erschien sie unter dem Titel »Einladung zu einer Verwandlung« in der New York Times Book Review. Es muß Nabokov klar gewesen sein, daß er sich auf Kosten des Schmetterlingsforschers von der Spinnlust des Dichters fortreißen ließ, als er sich an die Stelle eines Rauperichs versetzte, in dem sich die Verwandlung in die Puppe vollzieht:
»Obwohl wunderbar anzusehen, ist die Verwandlung der Larve in eine Puppe oder der Puppe in einen Schmetterling für das betreffende Wesen kein sonderlich angenehmer Vorgang. Für jede Raupe kommt der schwierige Moment, da ein komisches Gefühl des Unbehagens sie überfällt. Es ist ein Gefühl der Enge – hier am Hals und anderswo – und dann ein unerträglicher Juckreiz. Natürlich hat er sich schon mehrmals gehäutet, aber das war nichts im Vergleich zu dem Kribbeln und dem Drang, den er jetzt verspürt. Er muß diese enge trockene Haut abwerfen oder sterben. Wie Sie schon vermutet haben werden, bildet sich unter jener Haut bereits der Panzer einer Puppe – und wie unbequem ist es, die eigene Haut über dem eigenen Panzer zu tragen: im Augenblick habe ich vor allem jene Schmetterlinge im Sinn, die eine auch Chrysalide genannte Puppe haben, welche von irgendeinem Halt frei in der Luft baumelt.
Nun ja, irgend etwas muß der Rauperich gegen dieses schreckliche Gefühl tun. Er läuft unruhig umher, auf der Suche nach einem passenden Ort. Er findet ihn. Er kriecht eine Mauer oder einen Baumstamm hoch. An der Unterseite ihres Hochstands macht er sich ein kleines Seidenpolster. Er heftet sich mit dem Leibesende oder den hintersten Beinen an dieses Seidengespinst, so daß er in der Haltung eines umgedrehten Fragezeichens mit dem Kopf nach unten hängt, und tatsächlich stellt sich eine Frage – nämlich wie er seine Haut loswerden soll. Eine Schlängelbewegung, noch eine – und ratsch, den Rücken entlang platzt die Haut auf, und peu à peu befreit er sich aus ihr, wie jemand, der sich mit Schultern und Hüften aus der Wurstpelle eines Kleidungsstücks windet. Dann kommt der kritischste Augenblick. Sie verstehen, wir hängen gerade mit dem Kopf nach unten an unseren hintersten Beinen, und das Problem jetzt besteht darin, die gesamte Haut abzustreifen, sogar die Haut jener hintersten Beine, an denen wir hängen – aber wie soll das gehen, ohne in die Tiefe zu stürzen?
Was macht es also, dieses tapfere und hartnäckige Tierchen, das schon halb entkleidet ist? Sehr sorgfältig beginnt es, seine Hinterbeine freizumachen, sie aus dem Seidengespinst, an dem es kopfunter hängt, hervorzuziehen – und mit einem bewundernswerten Dreh und Ruck springt es sozusagen schließlich aus dem Seidenpolster, wirft den letzten Fetzen der Umkleidung ab, und noch während dieses Ruck-und-Dreh-Sprungs befestigt es sich aufs Neue, diesmal mittels eines Hakens, der sich unter der abgestreiften Haut am Ende seines Leibes befand. Jetzt ist gottseidank die ganze Haut ab, und die entblößte Oberfläche, nunmehr hart und glänzend, ist die Puppe, ein wickelbabyhaftes Etwas, das an einem Zweig hängt – eine sehr schöne Chrysalide mit goldenen Knötchen und gepanzerten Flügelhüllen. (…)
Nach etwa zwei oder drei Wochen tut sich etwas. Die Puppe hängt reglos, doch eines Tages bemerken Sie, daß durch die Flügelhüllen hindurch – die um vieles kleiner sind als die Flügel des zukünftigen vollkommenen Insekts – Sie bemerken also, daß durch die hornartige Oberfläche jeder Flügelhülle en miniature das Muster des künftigen Flügels hindurchschimmert, die wunderbare Tönung der Grundfarbe, ein dunkler Saum, ein rudimentärer Augenfleck. Noch ein Tag oder zwei – und es ereignet sich die endgültige Verwandlung. Die Puppe reißt auf, wie die Raupe aufgerissen war – tatsächlich ist es eine letzte, bessere Häutung, und das Schmetterlingsweibchen kriecht hervor – und hängt nun ihrerseits am Ast, um zu trocknen. Zunächst ist sie nicht hübsch. Sie ist feucht und verschlumpt. Doch jene schlaffen Anhängsel, die sie langsam frei gemacht hat, trocknen, sie dehnen sich, die Adern verästeln sich und werden hart – und in ungefähr zwanzig Minuten ist sie bereit zum Flug. Sie haben bemerkt, daß die Raupe männlich ist, die Puppe sächlich und der Falter weiblich. Sie werden fragen: Wie fühlt sich das Schlüpfen an? Nun ja, zweifellos rauscht Panik in den Kopf, gibt es den Kitzel einer atemlosen und seltsamen Empfindung, doch dann sehen die Augen, in einer Flut von Sonnenlicht sieht die Falterin die Welt, das große und schreckliche Gesicht des staunenden Entomologen.
Jetzt wollen wir uns aber der Verwandlung von Jekyll und Hyde zuwenden.«[2]
Es beflügelt die Imagination, sich die qualvolle Verwandlung von Jekyll und Hyde wie die des Schmetterlings vorzustellen. Allein die Schmetterlingsmetamorphose kann so qualvoll, wie Nabokov sie schildert, nicht sein. Die Raupe kennt keinen Schmerz. Sonst könnte eine Raupenart, die, wenn sie am Hinterende verwundet wurde und dort blutet, eingekrümmt an sich zu saugen und zu fressen beginnt, nicht auf diese Weise gleichsam Selbstmord begehen.[3] Da die Raupenhaut über kein Nervengeflecht verfügt, kann sie auch nicht jucken. In die Verlegenheit, die eigene Haut über dem eigenen Panzer zu tragen, kann keine Raupe je kommen, denn die hervordringende Puppe ist bei der Häutung noch »so weich, zart, biegsam und flüßig, als beinahe das Wasser selbst«.[4] Erst an der Luft härtet ihre Haut allmählich hornartig aus. Mit dem Kopf nach unten am eigenen Spinnfaden, an einem Ast, Zweig oder Pflanzenstengel zu hängen ist für das Tierchen eine ganz alltägliche Stellung. Zuletzt sind auch die Flügeladern des schlüpfenden Schmetterlings bereits verästelt, wenngleich man das unter dem dicken Samt der Schuppen in den herabhängenden weichen Flügellappen mit ihren Fältelungen nicht unbedingt erkennt. Die Flügel entfalten sich zu ihrer vollen Pracht, wenn der geschlüpfte Schmetterling Blutflüssigkeit aus seinem Körper in die hohlen Flügeladern pumpt, so daß sich die dehnbare Flügelmembran durch den inneren Druck aufspannt und sich langsam auf das ihr verliehene Maß ausstreckt.[5] »Dieser Vorgang des Streckens dauert in der Regel etwas weniger als eine Stunde. Funktionsfähig werden die Flügel aber erst nach einer wesentlich längeren Zeitspanne, wenn sie durch die Einwirkung der Luft erhärtet sind, das heißt, wenn die Blutflüssigkeit aus den Adern zurückgezogen und durch Luft ersetzt ist. Viele Falter schwingen sich nach dem Hartwerden der Flügel bald in die Luft, während andere noch eine Nacht in Ruhelage verharren, die Flügel über dem Rücken zusammengeklappt, bei den Widderchen dachförmig angelegt. Vor dem Flug wird in allen Fällen der sogenannte Puppenharn abgegeben, Stoffwechselabfälle der Puppe, die zunächst im Darm gespeichert wurden. Diese kräftig gefärbte Flüssigkeit hinterläßt, wenn an einer Stelle viele Falter schlüpfen, am Boden deutliche Farbspuren – Blutregen heißt diese Erscheinung im Volksmund.«[6]
Die eigentliche Umwandlung, das wahre Wunder der Metamorphose, mußte Nabokov ausblenden. Was sich während der Puppenruhe in der Chrysalide abspielt, entzieht sich einer einfühlenden Schilderung: die makellose Auferstehung aus der eigenen Auflösung. Jahrhundertelang waren die...
Erscheint lt. Verlag | 9.10.2019 |
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Zusatzinfo | 72 farbige Abbildungen |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geschichte ► Teilgebiete der Geschichte ► Kulturgeschichte |
Schlagworte | Falter • Geschenkbuch • Insekten • Kulturgeschichte • Lepidoptera • Literaturgeschichte • Natur • Raupen • Schmetterlinge |
ISBN-10 | 3-10-401984-3 / 3104019843 |
ISBN-13 | 978-3-10-401984-0 / 9783104019840 |
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