Ariane Heimbach, Brigitte Woman
Selma, eine alte Westerwälderin, kann den Tod voraussehen. Immer wenn ihr im Traum ein Okapi erscheint, stirbt am nächsten Tag jemand im Dorf. Unklar ist allerdings, wen es treffen wird. Davon, was die Bewohner in den folgenden Stunden fürchten, was sie blindlings wagen, gestehen oder verschwinden lassen, erzählt Mariana Leky in ihrem Roman.
Für Luise zum Beispiel, Selmas Enkelin, gilt es viele tausend Kilometer zu überbrücken. Denn der Mann, den sie liebt, ist zum Buddhismus konvertiert und lebt in einem Kloster in Japan.
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Mariana Leky studierte nach einer Buchhandelslehre Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. Sie lebt in Berlin und Köln. Bei DuMont erschienen der Erzählband ›Liebesperlen‹ (2001), die Romane ›Erste Hilfe‹ (2004), ›Die Herrenausstatterin‹ (2010) sowie ›Bis der Arzt kommt. Geschichten aus der Sprechstunde‹ (2013). 2017 erschien ihr Roman ›Was man von hier aus sehen kann‹, der wochenlang auf der Spiegel-Bestsellerliste stand und in über vierzehn Sprachen übersetzt wird. Die Verfilmung des Romans für die große Leinwand ist in Vorbereitung.
›Was man von hier aus sehen kann‹ ist das Porträt eines Dorfes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Aber es ist vor allem ein Buch über die Liebe unter besonderen Vorzeichen, Liebe, die scheinbar immer die ungünstigsten Bedingungen wählt. Wie Innigkeit gelingen kann zwischen den Menschen – gegen viele Widerstände und Unwägbarkeiten –, zeigt dieses ebenso kluge wie zartfühlende Buch, das zum großen Überraschungserfolg wurde. Mit ›Was man von hier aus sehen kann‹ beweist Mariana Leky, dass sie zu den kraftvollsten und unverwechselbaren Stimmen der deutschen Literatur gehört.
»Es [ist] Mariana Leky gelungen, mit ›Was man von hier aus sehen kann‹ wohl eines der beglückendsten Bücher des Jahres zu schreiben. […] Auf jeder Seite sind mindestens drei Sätze, die man anstreichen, abschrei-ben oder jemandem vorlesen möchte.« (Judith Liere, STERN)
Weide, Weide
Als Selma sagte, sie habe in der Nacht von einem Okapi geträumt, waren wir sicher, dass einer von uns sterben musste, und zwar innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden. Das stimmte beinahe. Es waren neunundzwanzig Stunden. Der Tod trat etwas verspätet ein, und das buchstäblich: Er kam durch die Tür. Vielleicht verspätete er sich, weil er lange gezögert hatte, über den letzten Augenblick hinaus.
Selma hatte in ihrem Leben dreimal von einem Okapi geträumt, und jedes Mal war danach jemand gestorben, deshalb waren wir überzeugt, dass der Traum von einem Okapi und der Tod unbedingt miteinander verbunden waren. Unser Verstand funktioniert so. Er kann innerhalb kürzester Zeit dafür sorgen, dass die einander abwegigsten Dinge fest zusammengehören. Kaffeekannen und Schnürsenkel beispielsweise, oder Pfandflaschen und Tannenbäume.
Der Verstand des Optikers war besonders gut darin. Man sagte dem Optiker zwei Sachen, die nicht im Geringsten zusammengehörten, und er stellte aus dem Stand eine enge Verwandtschaft her. Und jetzt war es ausgerechnet der Optiker, der behauptete, dass der neuerliche Traum vom Okapi ganz gewiss niemandem den Tod brächte, dass der Tod und Selmas Traum vollkommen zusammenhangslos seien. Aber wir wussten, dass der Optiker es eigentlich auch glaubte. Vor allem der Optiker.
Auch mein Vater sagte, dass das hanebüchener Unfug sei und unser Irrglaube vor allem daher käme, dass wir zu wenig Welt in unsere Leben hereinließen. Das sagte er immer: »Ihr müsst mehr Welt hereinlassen.«
Er sagte es entschieden und vor allem zu Selma, im Vorhinein.
Im Nachhinein sagte er das nur noch selten.
Das Okapi ist ein abwegiges Tier, viel abwegiger als der Tod, und es sieht vollkommen zusammenhangslos aus mit seinen Zebraunterschenkeln, seinen Tapirhüften, seinem giraffenhaft geformten rostroten Leib, seinen Rehaugen und Mausohren. Ein Okapi ist absolut unglaubwürdig, in der Wirklichkeit nicht weniger als in den unheilvollen Träumen einer Westerwälderin.
Es war überhaupt erst zweiundachtzig Jahre her, dass das Okapi offiziell in Afrika entdeckt worden war. Es ist das letzte große Säugetier, das der Mensch entdeckt hat; das glaubt er jedenfalls. Vermutlich stimmt das auch, denn nach einem Okapi kann eigentlich nichts mehr kommen. Wahrscheinlich hat schon sehr viel früher einmal jemand ein Okapi inoffiziell entdeckt, aber vielleicht hat er beim Anblick des Okapis geglaubt, er träume oder habe den Verstand verloren, weil ein Okapi, besonders ein plötzliches und unerwartetes, absolut zusammengeträumt wirkt.
Das Okapi wirkt alles andere als unheilvoll. Es kann überhaupt nicht unheilvoll wirken, selbst wenn es sich anstrengen würde, was es, soweit man weiß, selten tut. Selbst wenn es sich in Selmas Traum das Haupt von Krähen und Käuzchen hätte umflattern lassen, die ja die Unheilfülle gepachtet haben, hätte es immer noch einen sehr sanftmütigen Eindruck gemacht.
In Selmas Traum stand das Okapi auf einer Wiese, nahe am Wald, in einer Gruppe von Feldern und Wiesen, die insgesamt »Uhlheck« heißen. Uhlheck bedeutet »Eulenwald«. Die Westerwälder sagen vieles anders und kürzer, als es eigentlich ist, weil sie das Sprechen gerne schnell hinter sich bringen. Das Okapi sah exakt so aus wie in Wirklichkeit, und auch Selma sah exakt so aus wie in Wirklichkeit, nämlich wie Rudi Carrell.
Die absolute Ähnlichkeit zwischen Selma und Rudi Carrell fiel uns erstaunlicherweise nicht auf; es musste erst, Jahre später, jemand von außen kommen und uns darauf hinweisen. Dann aber traf uns die Ähnlichkeit mit all ihrer angemessenen Wucht. Selmas langer, dünner Körper, ihre Haltung, ihre Augen, ihre Nase, ihr Mund, die Haare: Selma sah von oben bis unten so sehr aus wie Rudi Carrell, dass er ab dann in unseren Augen nicht mehr war als eine mangelhafte Kopie von Selma.
Erscheinungsdatum | 14.08.2019 |
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Reihe/Serie | DuMont Taschenbücher |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Maße | 125 x 190 mm |
Einbandart | kartoniert |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie ► Buddhismus | |
Schlagworte | Adventskalender • Alltagsfluchten • Altes Land • Autorin des Jahres • berührende Geschichte • beste bücher • Bestseller 2017 • bestseller 2018 • Bestseller 2020 • Blaues Sofa • Buch des Jahres • buchempfehlungen 2021 • Buchgeschenke • Buchgeschenke 2021 • Buchgeschenke Ostern • buchschmöker • Buddhismus • buecher die man gelesen haben muss • Coming of Age • Die fabelhafte Welt der Amelie • Die Herrenausstatterin • Dorfgemeinschaft • Dorfleben • ein Buch zum Lachen und Weinen • Erste Hilfe • Erste Liebe • Erwachsenwerden • Frankfurter Buchmesse • Gegenwartsliteratur • Gemeinschaft • Geschenke 2021 • Geschenke 2023 • geschenke bis 15 Euro • geschenke bis 20 euro • geschenke bis 25 Euro • Geschenke Bücher • Geschenke für Frauen • geschenke für freundin • geschenke für mama • Geschenke zum Mitbringen • geschenke zum Nikolaus • Geschenkideen • Geschenk Mütter • Heimat • Heimatliteratur • Heimatroman • herrenausstatterin • Identitätssuche • Japan • Kammerspiel • Karla Paul • Kloster • ländliches Setting • last minute geschenke • Lebensweisheiten • leseempfehlung 2021 • leseempfehlung 2023 • leserunden • Lesestoff für Ostern • Lesestoff für Weihnachten • Lesestoff für Weihnachten • Lesetipps für kalte Tage • Lesetipps für kalte Tage • Lesetipps zum Verschenken • Liebesbriefe • Liebesperlen • lieblingsbuch 2017 • lieblingsbuch 2020 • Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen • Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels • Lieblingsbuch des unabhängigen Buchhandels • lieblingsbücher 2021 • Luzia Braun • Magischer Realismus • melancholische Stimmung • Mikrokosmos • Mönch • Mon Chéri • moncheri • Mon Chéri • Mönch • neue deutsche Heimatliteratur • niemand ist bei den Kälbern • Okapi • Optiker • Ostergeschenke • Ostergeschenke Bücher • Ostergeschenke für Frauen • Osternest • Rudi Carrell • schöne Bücher • schräge Typen • Sehnsucht nach Werten und Identität • Shortlist unabhängiger Buchhandel • Shortlist unabhängiger Buchhandel • skurrile Figuren • Skurriler Humor • spiegel bestseller • Tapir • Tod eines geliebten Menschen • Trauer • Trauerbewältigung • Trauerbewältigung • Trost • Tyll • Überschaubarkeit • Unerfüllte Liebe • Vergangenheit • Verlust eines geliebten Menschen • was für die seele • was ich dir schon immer sagen wollte • was ich von hier aus sehen kann • was liest du • Was man von hier aus sehen kann • was man von hier aus sieht • Was wir von hier aus sehen • Weihnachtsgeschenke 2017 • Weihnachtsgeschenke 2020 • Weihnachtsgeschenke Bücher • Weihnachtsgeschenke Bücher • Weihnachtsgeschenke für Frauen • Weihnachtsgeschenke für Frauen • Westerwald • WuB • zweites Gesicht |
ISBN-10 | 3-8321-6457-X / 383216457X |
ISBN-13 | 978-3-8321-6457-7 / 9783832164577 |
Zustand | Neuware |
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