Aphorismen und Epigramme - Gunter Bleibohm

Aphorismen und Epigramme

(Autor)

Buch | Hardcover
336 Seiten
2018
Edition Gegensicht (Verlag)
978-3-9818718-8-3 (ISBN)
30,00 inkl. MwSt
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Aphorismen und Apigramme

Vorwort Vielleicht nähert man sich Gunter Bleibohm und seinen hier gesammelten Schriften am besten, indem man zunächst von ihm Abstand nimmt. Weiten Abstand: Geistige Wurzeln des Autors liegen bei Epikur und in der jüngeren Stoa, einer antiken und zu ihrer Zeit weitverbreiteten philosophischen Strömung, deren Anhänger bis in unsere Tage danach streben, sich keinem Geschick und keiner Macht zu beugen. Epikur hatte erkannt, dass wahres Glück in der Seelenruhe liegt (Ataraxie). Was die jüngere Stoa betrifft, so sind es zumal Seneca und Marc Aurel, von denen denkerische Impulse für das vorliegende Werk ausgingen. In allen seinen Schriften hält der Autor die von der Stoa geschätzte unerschütterliche innere Freiheit des Vernunftwesens Mensch in Ehren. Auch das Lebensmotto des Verfassers wurde in der römischen Antike geprägt. Es liegt bei Männern, über die Cicero in seinen „Drei Büchern von den Pflichten“ schrieb: „… sie wollten Nichts entbehren, keinem Menschen gehorchen und ihre Freiheit genießen, was darin besteht, dass man nach eigenem Gefallen leben kann.“ (Vers 70) Wer die Schriften Gunter Bleibohms liest, darf davon ausgehen, dass dieser Satz bei allem präsent war, was der Autor dachte und niederschrieb. In Ausübung geistiger Freiheit alles Vorgelebte und Vorgesetzte frei zu hinterfragen, ist nun aber gleichbedeutend mit einer Ablehnung der Mehrheitsmeinung, mit der Hinterfragung dessen, was als „gesunder Menschenverstand“ oder „Common sense“ hohes Ansehen genießt. Einer der Gewährsmänner hierfür ist wiederum Epikur. Seinem Buch „Aphorismen und Epigramme“ stellt Bleibohm folglich ein Zitat Epikurs voran: „Ich habe mich niemals darum bemüht, den Leuten zu gefallen. Denn was ihnen gefiel, habe ich nicht gelernt und was ich mir angeeignet habe, das lag weitab vom Begreifen der Leute.“ (Epikur, Brief an einen unbekannten Adressaten) Sicher ist es nicht ganz verfehlt, auf den Kynismus als ein weiteres antikes Element hinzuweisen, mit dem das vorliegende Werk eine gewisse Geistesverwandtschaft aufweist. Von Antisthenes (geb. ca. 444 v. d. Z.) gegründet, ist der Kynismus gewissermaßen ein Korrektiv der auf die freiheitliche Menschenvernunft konzen­trierten Stoa. Was den antiken Kynismus auszeichnet, ist die Schätzung der Kreatur, insbesondere des Hundes. Antisthenes ist der Autor eines Buches mit dem Titel „Über die Natur der Tiere“, von dem leider nichts erhalten ist. Überliefert ist jedoch, dass Antisthenes den Schwächen des Kulturmenschen die Bedürfnislosigkeit der Tiere gegenüberstellte. Für das kynische Element in den Schriften Gunter Bleibohms möge folgende Zitatenauswahl stehen: „Mischung. — Mische das Wesen eines Hundes mit dem Wesen eines Menschen, dann wird der Mensch besser, der Hund schlechter.“ „Mein Hund. — Warum braucht mein Hund keinen Gott, kei­nen Glauben, keine Kirchen? Er ist den Göttern näher, als es der Mensch je sein wird!“ „Freude. — Als Tierfreund bin ich manchmal froh, dass manche Menschen Kinder und keine Hunde haben.“ „Überlegen. — Ich beneide niemanden, nie und nimmer. Aber wenn ich wählen könnte, welche Wesenszüge ich gerne hätte, dann die meiner Hunde. Demütiger Einklang mit dem zugewiesenen Schicksal, das kleine Glück des Tages genießend, Schmerz und Sorgen ertragend, klaglos, bescheiden. Zu dieser Größe hat sich nie auch nur ein einziger Mensch aufgeschwungen: die wahre Überlegenheit der Hunde. Tiere, die wahren Götter der Natur.“ Diesem kynischen Aspekt – der Hochschätzung von Tieren und des Hundes im Besonderen – korrespondiert nun eine Geringschätzung des Menschen. Gunter Bleibohm ist bekennender Misanthrop. Wer dies für moralisch bedenklich hält, der beachte, dass der Autor mit seiner Misanthropie eine respektable geistige Linie fortsetzt, die durch Denker wie Schopenhauer oder Cioran markiert wird. Und noch eine weitere Säule sehen wir bei den antiken Kynikern vorgebildet: Die Kyniker ergingen sich in zynischem Hohn gegen die Volksreligion. Einem orphischen Priester, der die im Jenseits zu erwartenden Seligkeiten der Eingeweihten pries, soll Antisthenes zugerufen haben: „Warum stirbst du dann nicht?“ Ganz in diesem Sinne hat es der Leser in Gunter Bleibohm mit einem scharfzüngigen und schonungslosen Kritiker der Religion zu tun. Seine Arbeitsanweisung lautet: „Der kleinste gemeinsame Nenner von beschränkter Denkfähigkeit und Lebensangst ist Religion.“ Unverzagt prangert der Autor die Kirche mit ihren vorgeblichen Predigern der Barmherzigkeit an. Sie „haben durch die Geschichte der letzten 2000 Jahre die breiteste Blutspur gezogen, eine Blutorgie, die von keinem Tyrannen, weder in Zahl noch an Grausamkeit, übertroffen wurde.“ Einem Mann wie dem Verfasser der vorliegenden Ausgabe, der sich mit ausgebreiteten Armen vor eine Phalanx schießwütiger Jäger stellte, musste insbesondere diese Allianz aus Kirche und Jägerschaft empören: „Man trifft sich einträchtig zum Vernichtungssymposium, Hubertusmesse genannt, jeden November, pervertiert gemeinsam eine Legende und tritt Moral und Tierrechte in den anthropozentrischen Abgrund.“ Aus solchem Holz sind die Sätze Bleibohms geschnitzt. Leser sollen wissen, worauf sie sich einlassen und sollten sich diese Erfahrung nicht entgehen lassen. Denn hier schreibt jemand, der auf Nichts und Niemanden mehr Rücksicht nimmt. Fügen wir zu den antiken Einflüssen und den von Schopenhauer und Cioran ausgehenden Impulsen den großen Freidenker Nietzsche hinzu, so ist die kritische Denkmasse skizziert, auf deren Basis der Verfasser des vorliegenden Werkes zum Gegenangriff übergeht. Denn prägende Einflüsse werden nicht nur assimiliert, sondern Gunter Bleibohm schreitet zur Attacke. Hier wird das Motto des Stauferkaisers Friedrich II von Sizilien maßgeblich: „Lange genug war ich Amboss, jetzt will ich Hammer sein.“ (Zitiert in Christian Munger, Friedrich II. von Sizilien: stupor mundi, S. 136) Attacke wogegen? Gegen den Massenmenschen mit seinen Massenmeinungen, seiner Massengläubigkeit an die eigene Überlegenheit und seinen Gott, mit seiner Überheblichkeit gegen alle anderen Lebensformen und seinem bedenkenlosen und ruchlosen Konsum. Eine lange Liste hier nicht vorwegzunehmender menschlicher Negativeigenschaften gilt dem Autor als unverbesserlich. Aus diesem Glauben an die Unverbesserlichkeit von Menschen speist sich Bleibohms Misanthropie. So schreibt er denn auch in erster Linie für die Tiere – wissend, dass nur Menschen lesen können, was er zu Papier bringt. Der Autor ist alles andere als ein Ohrensessel-Philosoph: Für die Tiere stand er nicht nur gegen Jäger auf. Er war viele Jahre im Rahmen der Tierrettung in Südeuropa unterwegs. Während viele Humanisten und Naturalisten der Ansicht zuneigen, der Mensch sei nur ein besseres Tier, ließe sich im misanthropischen Geiste des Autors der folgenden Schriften sagen: Der Mensch ist das schlechtere Tier! Der Mensch ist das schlechtere Tier, weil er sich besser wähnt als alle anderen Tiere. Aber für diesen Dünkel, davon spricht dieses Werk, haben Menschen keinen Grund. Vielmehr teilen sie mit den anderen Tieren den Status kosmischer Bedeutungslosigkeit. Im Unterschied zum Tier könnten Menschen ihre Bedeutungslosigkeit nun einsehen und bescheiden oder demütig werden. Aber sie tun es nicht. Sondern sie staffieren ihre kleine Welt mit symbolischen und materiellen Bedeutungsträgern aus, die diese Welt zugrunde richten: Religionen, Schlachthäusern, Jagdveranstaltungen, Mega-Städten, stets neuen Rekorden im Naturverbrauch und immerfort neuen Menschenmilliarden. Bleibohm deutet uns Menschen als eine Entgleisung der Evolution, ja, als ein „Selbstmordattentat der Evolution“. Aller Desillusionierung zum Trotz weist er mit seinem Werk in stoisch-heroischem Nichtverzagen doch vehe­ment auf einen Weg hin, wie der blinde Fehltritt der Natur in den Abgrund mit sehenden Augen wieder gut zu machen wäre. Seine Empfehlung ist die Wiederherstellung eines Zustands der Erde vor dem Ausbruch des Menschen: Mittels freiwilliger Nachkommenlosigkeit können wir unsere Art rückgängig machen. Damit verweist Bleibohm auf einen bislang ungern wahrgenommenen und tabubelegten Notausgang. Wiederum gehört Schopenhauer zu den Ersten, die die Tür zu dieser Fluchttreppe ein Stück weit öffneten; gefolgt vom pseudonym schreibenden Denker „Kurnig“ und anderen freien Geistern bis in die aktuelle Gegenwart hinein: Gunter Bleibohm gehört zu den bekennenden Antinatalisten, die meinen, es wäre das Beste, wenn die Menschheit mittels Kinderlosigkeit ausstürbe. Darin möchte ich ihm von ganzem Herzen zustimmen. Karim Akerma im Januar 2019

Erscheinungsdatum
Sprache deutsch
Maße 140 x 210 mm
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Aphorismen
Geisteswissenschaften
Schlagworte Aphorismen • Epigrammme • Philosophie
ISBN-10 3-9818718-8-X / 398187188X
ISBN-13 978-3-9818718-8-3 / 9783981871883
Zustand Neuware
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