Europas habsburgisches Jahrhundert (eBook)

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2018 | 1. Auflage
160 Seiten
wbg Academic in der Verlag Herder GmbH
978-3-534-74398-8 (ISBN)
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Der vorliegende Band umfasst in einem Panorama von rund 100 Jahren den erfolgreichen Machtzuwachs habsburger Herrscher am Ende des Mittelalters und zu Beginn der frühen Neuzeit. Vom letzten Drittel des 15. Jahrhunderts unter der erfolgreichen Expansionspolitik Maximilians I. bis zur ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und der Abdankung Karls V. umgreift der Autor den Aufstieg der Habsburgermonarchie zur europäischen Zentralmacht und schließlich deren Teilung in eine spanische und eine österreichische Linie. Beginnend mit der Kaiserkrönung Friedrichs III. 1440 und der erfolgreichen Heiratspolitik seines Sohnes Maximilian, welche die Grundlage für den großdynastischen Aufstieg der Habsburger bedeutete, schließt der Band mit der zugleich größten Machtfülle und dem Scheitern dieser Ambitionen unter Karl V. Dabei werden sowohl dynastische, rechtliche und territoriale Aspekte als auch zentrale politische Ereignisse wie der Schmalkaldische Krieg und der Augsburger Religionsfriede untersucht.

Dr. Stephan Sander-Faes, geb. 1982, hat in Wien und Graz studiert und ist zur Zeit Oberassistent am Historischen Seminar der Universität Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Südost- und Zentraleuropa in Spätmittalter und Neuzeit, insbesondere die Republik Venedig und die Habsburgermonarchie.

Dr. Stephan Sander-Faes, geb. 1982, hat in Wien und Graz studiert und ist zur Zeit Oberassistent am Historischen Seminar der Universität Zürich. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Südost- und Zentraleuropa in Spätmittalter und Neuzeit, insbesondere die Republik Venedig und die Habsburgermonarchie. Volker Reinhard ist seit 1992 Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität Freiburg. Seine Expertise der italienischen Renaissance durchdringt seine Publikationen: von „Leonardo da Vinci. Das Auge der Welt“ (2019) bis zu „Blutiger Karneval. Der Sacco di Roma 1527“ (2. Aufl. 2009). Für seine Machiavelli-Biografie erhielt er den „Golo-Mann-Preis für Geschichtsschreibung“.

»Dem Autor dient die Herrschaft dieses Adelsgeschlechtes als Klammer für die Darstellung dieses ‚habsburgischen Jahrhundert‘, das von 1450 bis 1550 andauerte. Dabei führt er die unterschiedlichen nationalen Forschungstraditionen zusammen und entwickelt eine übersichtliche, transnationale/imperiale Geschichte weitverzweigter Wandlungsprozesse … .« Pallasch

II. Europa um 1500


Überblick

Das Leben aller Menschen im Zeitalter Karls V. war in erster Linie durch die naturräumlichen Gegebenheiten und das Wetter bestimmt. Ob arm oder reich, ob in der Stadt oder „auf der Landschaft“, die Natur dominierte das Geschehen und verlieh der menschlichen Existenz sowohl risiko- als auch schicksalhafte Ungewissheit. Soziale und ökonomische Verhältnisse, aber auch kulturelle Errungenschaften und politische Strukturen waren zu jeder Zeit sowohl eng miteinander verflochten als auch in ihre ortsabhängigen Rahmenbedingungen eingebettet. Im Folgenden findet sich ein knapper Überblick über die naturräumlichen Grundlagen des Alltagslebens, die sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen der behandelten Epoche sowie der politischen Konturen, innerhalb derer der kometenhafte Aufstieg der Habsburger verlief.

Europa um 1500

1. Grundlagen


Am Anfang der Darstellung stehen Natur, Raum, Zeit – und die Menschen in Europa „um 1500“. „Natur“ beziehungsweise die naturräumliche Umgebung war, weitaus mehr als zu Beginn des 21. Jahrhunderts, der mehr oder minder alles beherrschende Faktor, der für sowohl das Leben und Überleben als auch die zeitgenössische Wahrnehmung der Umwelt zentral war. Europa zu Ende des 15. und Beginn des 16. Jahrhunderts war vor allem weitaus dünner besiedelt als heute beziehungsweise deutlich extensiver bewirtschaftet. Um 1500 lebten zwischen 70 und 90 Millionen Menschen in Europa, was in etwa der Bevölkerungsdichte vor dem „Schwarzen Tod“ um die Mitte des 14. Jahrhunderts entsprach. Heute (2016) leben Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge in Europa rund 742 Millionen Menschen, was in etwa einer acht- bis zehnmal höheren Bevölkerung als vor rund 500 Jahren entspricht.

Stichwort

Bevölkerungsentwicklung in Europa

Die erhebliche Diskrepanz zwischen den beiden Zahlen ergibt sich aus der Frage nach „Europas“ Grenzen – damals wie heute. Exakte Zahlen für das ausgehende Mittelalter und die Frühe Neuzeit liegen zwar nicht vor, doch sind die ausgewiesenen Näherungswerte von zwischen 70 und 90 Millionen Menschen verhältnismäßig belastbar. Die Differenz wiederum resultiert aus der Frage der Grenzen: Die niedrigere Zahl verweist auf „Europa“ ohne die Bevölkerung des heute russischen Raumes, die höheren Angabe schließt diese mit ein.

Die ausgewiesene Werte weichen allein schon deswegen von den Angaben im folgenden Stichwort ab, da das diesen zugrunde liegende Werk von Jan de Vries jene heute russischen Gebiete nicht berücksichtigt und auch die osmanischen Besitzungen in Europa, das Großfürstentum Litauen und das Moskauer Reich keinen Eingang in seine Berechnungen fanden.

Mensch und Natur

Weniger Menschen bedeuten vor allem eines: mehr „wilde“ Natur, also Sümpfe, unregulierte Gewässer, unwegsame, drohende Gebirge und Wald, dicht und auch gefährlich; zudem gab es kaum befestigte Straßen und wenige Brücken. Es verwundert kaum, dass die meisten Bewohner Europas innerhalb eines Radius von wenigen Kilometern Entfernung zu ihrem Geburtsort lebten und starben. Die Lebenswelten und -wirklichkeiten der meisten Menschen waren sowohl sehr klein als auch zum Teil unmenschlich und überwältigend groß. Bergtäler in den Alpen oder Pyrenäen, wiewohl aus der Luft betrachtet, gleichsam „benachbart“, waren oftmals durch unüberwindbar anmutende, vielfach bewaldete Höhenzüge voneinander abgeschnitten; ähnlich trennend wirkten auch Flüsse und Seen, vor allem aber Sümpfe. „Die Natur“ setzte der menschlichen Existenz deutliche Grenzen, die zudem durch vielfache „Grauzonen“ in Grenzräumen wie etwa in dem umkämpften und geteilten Ungarn oder im Frankreich während der Hugenottenkriege gleichsam „begleitet“ wurden. Kurzum: Die Menschen maßen Distanzen anders, nahmen diese auch anders als in klar voneinander abgrenzbaren rechtlichen Kategorien wahr.

Stadt – Land – Fluss

Größere Ansiedlungen ragten – im wortwörtlichen Sinne – deutlich aus der Landschaft hervor und waren daher auch Quell großen Stolzes der Stadtväter, wie etwa die ab dem Ende des 15. Jahrhunderts rasant zunehmende Anzahl von Stadtdarstellungen eindrücklich bezeugt. Deren Größe ist jedoch differenzierter einzuschätzen, denn wiewohl Paris oder Venedig um 1500 jeweils über 100.000 Einwohner zählten, galt London mit seinen rund 60.000 Bewohnern ebenso als sehr groß; Städte wie Nürnberg oder Straßburg mit ihren jeweils um die 20.000 bis 25.000 Menschen galten zwar ebenso als „groß“, die überwältigende Mehrheit der Städte hingegen war um ein Vielfaches kleiner. Allen diesen Siedlungen war jedoch gemein, dass deren Mauern eine mehrfache Grenze darstellten, und die vor diesen gelegenen Vorstädte waren oft auch unter den ersten Opfern im Kriegsfall. Auch aufgrund der schwierigen Versorgungslage befanden sich die meisten Städte seit je an oder nahe Gewässern, auch aufgrund der dadurch vorteilhafteren Transportmöglichkeiten und -kosten.

Stichwort

Stadtwachstum und Urbanisierung

Das 16. Jahrhundert war unter anderem durch einen markanten Anstieg der Urbanisierung gekennzeichnet: 1500 gab es in Europa 154 Städte mit 10.000 oder mehr Einwohnern, um 1550 lag diese Zahl bereits bei 173 und um 1600 betrug diese 220. Ungeachtet des allgemeinen Trends, sei auf die zum Teil sehr großen regionalen Unterschiede des Stadtwachstums hingewiesen: Relativ betrachtet war die Zunahme der Urbanisierung etwa auf den Britischen Inseln, wo sich diese von 2,1 (1500) auf 4,2 Prozent (1600) verdoppelte, oder auf der Iberischen Halbinsel (von 5,7 auf 11,7 Prozent) deutlich markanter ausgefallen als in den zu diesem Zeitpunkt weitaus stärker urbanisierten Teilen der Apenninen-Halbinsel (von 12,4 auf 15,1 Prozent) und den Niederlanden (von 18,5 auf 21,5 Prozent). Diese Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu genießen – Grenzverschiebungen, wenige belastbare Daten –, sie weisen aber auf den allgemeinen Trend einer zunehmenden Urbanisierung hin; zudem müssen auch die „hinter“ diesen Zahlen verborgenen Faktoren berücksichtigt werden, da etwa die Urbanisierung in Frankreich „nur“ von 4,2 auf 5,9 Prozent zunahm, gleichzeitig aber die Anzahl der Städte mit 10.000 oder mehr Einwohnern überproportional von 32 auf 43 anstieg (vgl. Jan de Vries, European Urbanization, 1500–1800, London 1984, S. 29, 39.)

Migration

All den skizzierten Hemmnissen und Hindernissen zum Trotz waren viele Straßen oft voller Menschen auf Reisen: Pilgerrouten führten quer durch den Kontinent nach Rom und Santiago de Compostela oder über das Mittelmeer gen Palästina; Gesellen, Handelsreisende und Jahrmärkte zogen ebenso wie Kriege und Heerhaufen durch die Lande. Üblicherweise wirkten Städte wie „Magneten“ für Neuankömmlinge, wobei deren Wachstum – trotz der üblicherweise höheren Mortalität im Vergleich zum ländlichen Raum – aus eben jenem Zuzug erklärbar ist. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts, besonders nach Beginn der Reformationen, wirkte sich auch konfessionelle (Zwangs-)Migration auf die Zunahme der Urbanisierung aus.

Leben und Überleben

Diese Aspekte erscheinen heute verhältnismäßig klar, für die Menschen um 1500 waren diese jedoch kaum essenziell, da deren Hauptaugenmerk auf dem eigenen (Über-)Leben lag. Dieses war zudem durch das Streben nach der Sicherstellung menschlicher Grundbedürfnisse – Nahrung, Kleidung, Unterkunft – geprägt, zu dem sich eine Reihe von „Begleiterscheinungen“ wie chronische Schmerzen und wiederkehrende Krankheiten oder Seuchen, Unfälle und deren Folgen (permanente Einschränkungen, Amputationen oder Tod) gesellte.

Essen und Trinken

Gerade die Ernährungslage war deutlich unausgewogener als heute, bestand die übliche Nahrung doch vor allem aus Getreide- und Milchprodukten sowie wenig Fisch und Fleisch. Die Produktion der Nahrungsmittel unterlag zudem Faktoren, die sich klar der menschlichen Einflussnahme entzogen. Dürre, Wetterkapriolen und die oftmals folgenden Ernteausfälle wirkten sich vor allem lokal/ regional aus und waren sehr häufig von massiven Preissprüngen für Grundnahrungsmittel begleitet, die auch oft in Hungerunruhen umschlugen. Kommunalen Getreidespeichern wie etwa dem Fondaco del Megio (von „fontego“, dt. Lagerhaus, und „megio“, dt. Hirse) in Venedig kamen gerade in Notzeiten eine entscheidende Rolle zu, allerdings führte die unausgewogene Ernährung – vor allem Protein- und Vitaminmangel – auch in „normalen“ Zeiten zu Mangelerscheinungen und -erkrankungen, die besonders in marginalen Regionen gehäuft auftraten, aber alle sozialen Schichten, wenn auch unterschiedlich ausgeformt, betrafen. Reiche und privilegierte Menschen aßen mehr, aber ähnlich...

Erscheint lt. Verlag 19.12.2018
Verlagsort Darmstadt
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Neuzeit (bis 1918)
Schlagworte Frühe Neuzeit • Habsburg • Habsburger • Mittelalter
ISBN-10 3-534-74398-9 / 3534743989
ISBN-13 978-3-534-74398-8 / 9783534743988
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