Bericht an den (VT)Gutachter (eBook)
144 Seiten
Dgvt Verlag
978-3-87159-435-9 (ISBN)
Dipl.-Psych. Dr. Margot Müther, nach dem Diplom in Psychologie und parallel zur Promotion (Dr. rer. nat) Ausbildungen in Gesprächs- und Verhaltenstherapie (Gesprächspsychotherapeutin GWG; Verhaltenstherapeutin DBV). Seitdem Tätigkeit als Psychotherapeutin in freier Praxis. Ab 1976 für mehrere Jahre Mitglied der Anerkennungskommission der damals neu gegründeten DGVT. Circa 20 Jahre lang Gutachterin für Familien-, Vormundschafts- und Strafgerichte. Seit 1982 Gutachterin für gesetzliche Krankenkassen (im sogenannten TK-Verfahren). Seit 1992 Dozentin und Supervisorin an einem (seit 1999) staatlich anerkannten Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie. Seit 2001 Gutachterin für VT-Anträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Dipl.-Psych. Dr. Margot Müther, nach dem Diplom in Psychologie und parallel zur Promotion (Dr. rer. nat) Ausbildungen in Gesprächs- und Verhaltenstherapie (Gesprächspsychotherapeutin GWG; Verhaltenstherapeutin DBV). Seitdem Tätigkeit als Psychotherapeutin in freier Praxis. Ab 1976 für mehrere Jahre Mitglied der Anerkennungskommission der damals neu gegründeten DGVT. Circa 20 Jahre lang Gutachterin für Familien-, Vormundschafts- und Strafgerichte. Seit 1982 Gutachterin für gesetzliche Krankenkassen (im sogenannten TK-Verfahren). Seit 1992 Dozentin und Supervisorin an einem (seit 1999) staatlich anerkannten Ausbildungsinstitut für Verhaltenstherapie. Seit 2001 Gutachterin für VT-Anträge der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
6 Aufbau des Berichts zum Langzeittherapieantrag und Umwandlungsantrag
Im Leitfaden PTV 3 heißt es: „der Umfang des Berichtes soll in der Regel 2 Seiten umfassen“ (Hervorhebung durch Müther).
Diese Verknappung des Textes hat bei den Ende März 2017 in Berlin bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) versammelten Gutachtern viel Ratlosigkeit, wenn nicht Ablehnung hervorgerufen. Den vielfältigen Einwänden, dass auf diese Weise kaum eine nachvollziehbare Persönlichkeits- und Störungsentwicklung beschrieben werden könne, geschweige denn ein individualisiertes Behandlungskonzept, hielten die dort versammelten Vertreter der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigung entgegen, dass die Formulierung „in der Regel“ lediglich eine Empfehlung sei und nicht zwingend befolgt werden müsse.
Im Kommentar Faber/Haarstrick heißt es hierzu auf Seite 60 der neuesten Ausgabe von Herbst 2017: „Im Einzelfall kann es vorkommen, dass die quantitative Empfehlung von 2 Seiten hinter den qualitativen Anforderungen, z.B. bei Multimorbidität und/oder bei langjährig therapieresistenten Syndromen oder spezifischen Anforderungen bezüglich der Beziehungsgestaltung zurücksteht“. An anderer Stelle derselben Ausgabe: „Im Hinblick auf die Quantität von isolierten versus multimorbiden Symptomen sei ergänzend erwähnt, dass isolierte einfache psychische Erkrankungen, z.B. die Spinnenphobie, bei den Begutachtungen eher die Ausnahme darstellen. Bei circa dreiviertel aller Fälle handelt es sich um komplexe komorbide Syndrome mit teilweise erheblicher Chronifizierung“ (ebd., S. 57). Auf Seite 61 heißt es: „Anders als in vielen Therapiestudien muss im klinischen Alltag die Multimorbidität als Normalfall angesehen werden.“
Wie deutlich wird, muss die Zwei-Seiten-Restriktion nicht sklavisch befolgt werden, sollte jedoch Anlass sein, Berichte nach Möglichkeit zu straffen und sich nicht in allzu großer Detailfreude zu ergehen.
6.1 Relevante soziodemographische Daten
Beispiele:
Der 43-jährige gelernte Schlosser ist zurzeit arbeitslos und wohnt mit Frau und drei Kindern in einem Reihenhaus. Er wurde vom Hausarzt überwiesen.
Die 23-jährige Friseurin, ledig, kinderlos, lebt bei ihren Eltern und wurde vom Internisten überwiesen.
Die 64-jährige Rentnerin (früher Sekretärin) ist Witwe und lebt im eigenen Haushalt. Sie kam aus eigener Initiative zur Behandlung.
Der 12-jährige Gymnasiast weigere sich seit einem halben Jahr, zur Schule zu gehen. Er ist das dritte Kind eines Fahrlehrers und einer Sekretärin, wird von seiner Mutter zur Behandlung gebracht.
Die achtjährige Grundschülerin lebt als Einzelkind im Haushalt ihrer Eltern (Vater Buchhalter, Mutter MTA), wird vom Kinderarzt überwiesen und kommt in Begleitung ihrer Mutter.
6.2 Symptomatik und psychischer Befund
Bei der Symptombeschreibung sollte die Diagnose möglichst schon im ersten Satz deutlich benannt werden, sodass der Gutachter sofort sieht, um was für einen Fall es sich handelt. Soweit Patienten bezüglich dieser Leitsymptomatik Leidensdruck empfinden, empfiehlt sich etwa folgende Formulierung:
Beispiele:
Der Patient klagt über panikartige Angstzustände …
Der Patient klagt über starke Ängste in sozialen Situationen …
Der Patient klagt über starke Ängste vor der anstehenden Prüfung …
Der Patient klagt über heftige Angstattacken beim Überqueren von Brücken …
Der Patient klagt über heftige Angstattacken in engen Räumen, Aufzügen etc. …
Der Patient klagt über anhaltende Depressionen …
Der Patient klagt über sich aufdrängende Zwangsgedanken …
Der Patient klagt über den Drang, sich über Stunden die Hände waschen zu müssen …
Der Patient klagt über ständige Angst vor wechselnden Krankheiten …
Der Patient klagt über immer wiederkehrende Herzschmerzen ohne belangvollen medizinischen Befund …
Der Patient klagt über fast tägliche Magen-Darm-Störungen …
Der Patient klagt über mehrfach wöchentlich auftretende starke Atemnot …
Bei Störungen, bezüglich derer der Patient üblicherweise keinen unmittelbaren Leidensdruck mit der Diagnose verbindet – eine Patientin klagt zum Beispiel nicht über Magersucht, sie möchte ja gerade dünn sein –, kann wie folgt eingestiegen werden:
Beispiele:
Die Patientin beschreibt eine Magersucht mit einem BMI von …
Die Patientin beschreibt eine Bulimie mit Überessanfällen und willkürlich herbeigeführtem Erbrechen (ca. dreimal die Woche) …
Die Patientin beschreibt eine Borderline-Störung mit inzwischen zwei Suizidversuchen und der Neigung, sich Schnittverletzungen an den Armen zuzufügen …
Der Patient beschreibt delinquentes Verhalten, dessentwegen er bereits vorbestraft sei …
Ähnliches gilt für Psychosen. Auch hier wird der Patient kaum über aktuelle Wahnvorstellungen klagen. In der freien Praxis sieht man ihn üblicherweise erst, nachdem er medikamentös so weit eingestellt ist, dass als Voraussetzung für ein therapeutisches Arbeitsbündnis Krankheitseinsicht besteht. Der Einstieg in die Symptombeschreibung kann dann etwa folgendermaßen lauten:
Beispiel:
Der Patient berichtet, es sei bei ihm erstmals vor zwei Jahren eine „schizophrene Psychose“ (so lautete die Diagnose des Klinikberichts, siehe Anlage) festgestellt worden …
Schrittweise Vorgehensweise bei der Darstellung der Symptomatik:
1. Benennung der Diagnose
Patient klagt über …/Patient beschreibt eine …
2. Abgleich mit den diagnostischen Leitlinien der ICD
Schilderung der Reaktionen gemäß der vier Dimensionen physiologisch, emotional, kognitiv und verhaltensmäßig.
Die Reaktionen sollten nach Häufigkeit, Intensität und bisheriger Inanspruchnahme medizinischer Dienste etc. quantifiziert werden, um die Krankheitswertigkeit der Störung zu dokumentieren.
3. Erwähnung des auslösenden Live-Events (falls möglich; sonst „schleichender Beginn“). Dies ermöglicht die Einordnung als Anpassungsstörung.
(Beispiel: Seitdem ihr Mann sie verlassen habe …/Nach Verlust seines Arbeitsplatzes …)
4. Konsequenzen der Störung, wie etwa Generalisierung, sozialer Rückzug, Chronifizierung, Komorbidität und Wechselwirkungen mit anderen Lebensbereichen, sodass sich Teufelskreise und Abwärtsspiralen bilden.
(Beispiel: Inzwischen drohe seine Frau, ihn zu verlassen …/Sie habe auch Probleme am Arbeitsplatz …/habe jeden Mut verloren … usw.)
Wie die folgenden drei Beispiele zeigen, lassen sich all diese Anforderungen in circa sechs bis sieben Zeilen ausdrücken.
Beispiele:
Die Patientin klagt über Depressionen mit starker Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit und Inappetenz. Seitdem ihr Mann sie vor zwei Monaten verlassen habe, könne sie sich an nichts mehr freuen, sehe keinen Sinn mehr in ihrem Leben, „und morgens will ich gar nicht mehr aufstehen, sondern würde am liebsten den ganzen Tag im Bett bleiben“. Während dieser Zeit habe sie fünf Kilo an Gewicht verloren (derzeitig 54 kg bei einer Körpergröße von 1,75 m), „und ich kann mich auch inzwischen bei der Arbeit kaum noch konzentrieren und mache immer mehr Fehler“ …
Der Patient klagt über panikartige Angstzustände mit Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüchen. Er habe dann das Gefühl, keine Luft mehr zu kriegen, „und dann denke ich, gleich stirbst du, kriegst einen Herzinfarkt, und ich war deswegen schon mehrfach in der Klinik oder habe den Notarzt gerufen“. Dies sei ihm erstmalig nach einer längeren Erkältungskrankheit passiert. Aus Angst vor derartigen Anfällen könne er inzwischen kaum noch Autofahren, nur noch kurze Strecken … habe Angst vor Restaurantbesuchen … vor Theaterbesuchen …
Die Patientin klagt über anhaltende Magen-Darm-Beschwerden mit Magenkrämpfen und Durchfällen. Seit einer Versetzung am Arbeitsplatz habe sie ständig Angst, etwas falsch zu machen, „und dann merke ich, wie sich alles bei mir verkrampft und ich wieder zum Klo laufen muss“. Derartige Beschwerden seien beispielsweise in der letzten Woche an vier Tagen aufgetreten (mit flüssigen Stühlen am Morgen), „wobei ich am Wochenende besser zurechtkomme, aber schon sonntagabends fängt es oft wieder an“. Der Arzt habe sie vorerst für zwei Wochen krankgeschrieben.
Ein Klinikaufenthalt im vergangenen Jahr habe ihr sehr gut getan, aber inzwischen seien die Symptome wieder da (siehe Punkt 4 Krankheitsanamnese, sowie beiliegenden Klinikbericht).
Bei Störungen, bei denen der Patient keinen unmittelbaren Leidensdruck empfindet, sind andere...
Erscheint lt. Verlag | 1.10.2018 |
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Reihe/Serie | Materialien |
Verlagsort | Tübingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Schlagworte | Bericht • Gutachter • Gutachterverfahren • Psychotherapie |
ISBN-10 | 3-87159-435-0 / 3871594350 |
ISBN-13 | 978-3-87159-435-9 / 9783871594359 |
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