Schlafen können (eBook)
188 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-621-28632-9 (ISBN)
Dr. Tatjana Crönlein, Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Schlaflabor Bezirksklinikum Regensburg, Leiterin der Arbeitsgruppe Insomnie der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin
2Wenn der Schlaf gestört ist
Jeder, der schlecht schläft, beginnt, nach Ursachen zu suchen. Das ist ganz natürlich. Nicht-schlafen-Können belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Stimmung. Wenn der Schlaf scheinbar aus dem »Nichts« gestört zu sein scheint, verstärkt sich in der Regel die Furcht, wieder schlecht zu schlafen. Die Schlafstörung entzieht sich dann der Kontrolle, sie verselbstständigt sich sozusagen. Die Aufgabe eines Schlafmediziners ist, die Ursache für gestörten Schlaf herauszufinden und sie zu behandeln. Aber was bedeutet es eigentlich, wenn der Schlaf gestört ist? Heißt das, wir wachen zu früh auf oder brauchen zu lange zum Einschlafen? Welche Anzahl an Aufwachreaktionen ist normal? Kann man selber schon beginnen, sich auf die Suche nach den Ursachen zu machen? In diesem und dem nächsten Kapitel geht es um die Formen und häufigsten Ursachen für Schlafstörungen.
2.1Gestörtes Einschlafen
Die Einschlafzeit, auch → genannt, wird vom Licht Ausmachen bis zum gemessen. Idealerweise legt man sich ins Bett, macht das Licht aus und schläft ein. Dies ist in der Tat nur wenigen vergönnt. Die meisten Personen lesen noch im Bett vor dem Einschlafen oder sehen TV. Immer häufiger wird dabei ein E-Book bzw. ein Tablet benutzt. Einige tun dies, weil sie es einfach genießen, andere, weil sie meinen, dadurch besser zur Ruhe zu kommen. Auch dies ist normal. Wenn Personen mit all diesen Bedingungen gut zurechtkommen und keine Beeinträchtigung am Tage durch schlechten Schlaf spüren, ist jede Form der Beschäftigung im Vorfeld des Einschlafens akzeptabel.
Frau P. berichtet, dass sie immer beim Fernsehen im Bett einschläft. Sie ist es gewohnt und sie kann dann gut ein- und durchschlafen. Tagsüber fühle sie sich fit.
Wenn man aber feststellen muss, dass das Einschlafen über einen längeren Zeitraum erschwert ist, kann von einem gestörten Einschlafen gesprochen werden. Was bedeutet das? Es fängt damit an, dass man sich wundert, warum man nicht einschläft. Es gibt unterschiedliche Gründe für gestörtes Einschlafen, Lärm, Sorgen oder Schmerzen. In diesem Falle sind Probleme mit dem Einschlafen erklärlich und nicht weiter besorgniserregend. Dann würde auch kaum ein Arzt aufgesucht werden. Beängstigend werden Einschlafprobleme, wenn sie sich einer Erklärung entziehen.
Frau G. kann immer dann nicht einschlafen, wenn ihre Kinder abends unterwegs sind. Sie sind 17 und 19 Jahre alt. Frau G. nimmt sich jedes Mal vor, einfach ruhig zu bleiben, liegt dann jedoch gefühlt ewig lang im Bett, bis sie hört, dass beide Kinder zu Hause sind. Sie hat normalerweise keine Einschlafstörungen.
Von einer sprechen wir, wenn wir trotz Müdigkeit und »optimalen Bedingungen« (kein Stress durch äußere oder innere Faktoren) nicht einschlafen können. Der Begriff der »optimalen Bedingung« muss an dieser Stelle erläutert werden, denn kaum ein Mensch lebt unter optimalen Bedingungen. Gemeint sind hier auch nicht die absoluten optimalen Bedingungen sozialer oder gesundheitlicher Art. Gemeint sind optimale Bedingungen für den Schlaf, also Ruhe, angenehme Temperatur, passende Schlafgelegenheit usw. Umgangssprachlich ausgedrückt: Eigentlich ist alles in Ordnung, ich kann trotzdem nicht einschlafen. Wenn man den Grund für die Einschlafstörung nicht kennt, kann es sein, dass man sich immer mehr beobachtet und dabei immer wacher wird. Viele steigern sich dann in diesen Versuch einzuschlafen hinein und empfinden sich irgendwann als unfähig, in den Schlaf zu kommen. Sie fangen an, in sich hineinzuhorchen oder Strategien zu entwickeln, trotzdem in den Schlaf zu fallen. Falls sich dies regelmäßig wiederholt, kann das Gefühl entstehen, die Kontrolle über den Einschlafprozess verloren zu haben. Einschlafen passiert dann nicht mehr von alleine, sondern wird schwierig bis unmöglich. Je öfters diese Erfahrung gemacht wird, desto schwieriger wird es, in den Schlaf zu kommen. Irgendwann werden die Personen in der Umgebung beneidet, die sich »einfach hinlegen und weg sind«. Häufig ist dies der Beginn einer → Insomnie. Eine Insomnie ist eine Schlafstörung, die ohne körperliche Ursachen aufrechterhalten wird und bei der auch unter optimalen Bedingungen nicht geschlafen werden kann.
Die ist weniger an ein Zeitkriterium gebunden, sondern eher an das gefühlte Unvermögen, zu gegebener Zeit einzuschlafen.
2.2Durchschlafstörungen
en sind durch unterschiedliche Formen der Schlafunterbrechungen definiert. Wie häufig wachen wir in der Nacht auf? Auf diese Frage gibt es schlechterdings keine vernünftige Antwort, da es noch nicht ausreichend gut erforscht ist. Wir alle haben Schlafunterbrechungen, und zwar sehr viel mehr, als wir es wahrnehmen. Allerdings sind diese Schlafunterbrechungen nicht weiter von Bedeutung, solange wir am nächsten Morgen erholt aufwachen und diese Unterbrechungen nicht in längere Wachphasen einmünden. Es gibt unterschiedliche Arten von Wachsein in der Nacht (s. Tab. 2).
Verschiedene Arten des Wachseins nach dem Einschlafen
Schlafunterbrechung | Definition |
Aufwachreaktion | Erwachen als Reaktion auf einen Reiz, zum Beispiel einen Ton, in der Regel mit Wiedereinschlafen verbunden |
Arousal | Eine minimale Unterbrechung des Schlafes im Sekundenbereich. Der Schlaffluss wird unterbrochen. Arousals treten häufig in Folge von Atempausen im Schlaf oder auch periodischen Beinbewegungen auf. |
Wachphasen in der Nacht | Abgegrenzte längere Wachphasen in der Nacht, werden meist als unangenehm erlebt |
Endgültiges Aufwachen | Wachwerden, ohne dass ein Wiedereinschlafen möglich ist |
Eine Aufwachreaktion ist normal, schließlich ist der Körper nicht in Narkose, wenn er schläft, sondern immer erweckbar. Das Aufwachen sollte nicht in endgültiges Wachsein einmünden, im Idealfall schlafen wir gleich wieder ein. Wenn wir im Tiefschlaf sind, brauchen wir einen lauteren Reiz um aufzuwachen als in den leichteren Schlafstadien. Aufwachreaktionen passieren aufgrund äußerer Reize (Lärm), aber auch aufgrund körperlicher Reize (zum Beispiel Schmerzen). Atempausen im Schlaf können einen ebenso aufwecken wie Schmerzen beim Umdrehen. Darum lohnt es sich, bei häufigem Aufwachen in der Nacht nach der Ursache zu forschen.
Die kürzeste Schlafunterbrechung wird → Arousal genannt. Hierbei wacht die schlafende Person nicht auf, sondern zeigt für Sekunden einen weniger tiefen Schlaf. Man kann sich das anhand eines Zugs vorstellen. Ein Zug kann kurz bremsen, ohne wirklich zum Stehen zu kommen, das wäre ein Arousal. Arousals sind so kurz, dass sie nicht wahrgenommen werden, sie können jedoch den Schlaffluss erheblich stören. Man merkt dann, dass man nicht so erholt ist. Arousals haben in der Regel einen körperlichen Grund, in einem Schlaflabor kann man diese Arousals abklären. Hier kann anhand einer parallelen Aufzeichnung von Hirnströmen, Atmung und Beinmuskulatur schon zwei sehr häufige Gründe für Arousals herausgefunden werden: nämlich Atempausen oder periodische Beinbewegungen im Schlaf. Atempausen sind häufig mit Arousals kombiniert. Am Ende der Atempause wird in der Regel tief Luft geholt und damit einhergehend kann es zu einer kurzen Schlafunterbrechung kommen. Darum macht eine unbehandelte → Schlafapnoe (Atmungsstörung im Schlaf) auch müde oder stört den Schlaf (s. Abschn. 3.2). Ein weiterer Grund für Arousals können sogenannte periodische Beinbewegungen im Schlaf sein (s. Abschn. 3.4). Der Zusammenhang ist letztlich noch nicht geklärt, allerdings können periodische Beinbewegungen im Schlaf sowie auch Atempausen zu einer »Schlaffragmentation« führen: Der Schlaf wird durch die ständigen Arousals sozusagen zersetzt und ist nicht mehr erholsam. Um dies deutlich zu machen, ein Beispiel aus der Musik: Stellen Sie sich vor, jemand spielt eine Violine und unterbricht immer wieder das Geigenspiel. Sie erkennen zwar noch das Musikstück, es ist aber kein Genuss mehr, es zu hören.
Arousals sind ultrakurze Unterbrechungen des Schlafflusses, die meist körperliche Ursachen (wie zum Beispiel Atempausen im Schlaf) haben.
Die meisten Personen, bei denen auffällig viele Arousals gefunden werden, klagen über einen leichten Schlaf. Sie haben das Gefühl, bei jedem kleinen Geräusch wach zu werden. Der Schlaf ist nicht erholsam und sie fühlen sich morgens wie gerädert. Arousals können aber auch zu richtigen Aufwachreaktionen führen.
Nächtliches
Von den Arousals sind die Wachzeiten im Schlaf zu unterscheiden. Die Person ist hier wach und kann sich in der Regel auch am nächsten Tag daran erinnern. Es gibt keine »noch normale« Wachzeit in der Nacht. Einige schlafen nach kurzer Zeit wieder ein, andere Personen brauchen gefühlt Stunden, um wieder einzuschlafen....
Erscheint lt. Verlag | 17.9.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
ISBN-10 | 3-621-28632-2 / 3621286322 |
ISBN-13 | 978-3-621-28632-9 / 9783621286329 |
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