Schicksalsjahre der Stadt Kassel - Günter Boller

Schicksalsjahre der Stadt Kassel

Das Inferno der Zerstörung und der schwierige Wiederaufbau. Wie ich diese Zeit erlebte

(Autor)

Buch | Softcover
112 Seiten
2018
euregioverlag
978-3-933617-71-2 (ISBN)
9,90 inkl. MwSt
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2018: 75 Jahre Zerstörung Kassels22. Oktober 1943 - kein anderes Ereignis wirkt sich noch heute so nachhaltig auf Kassel und seine Bevölkerung aus wie die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Als Rüstungshochburg der Nationalsozialisten stand Kassel ab 1940 im Fadenkreuz der alliierten Luftangriffe. Am 22. Oktober 1943 zerstörte das Flächenbombardement der alliierten Fliegerverbände die Altstadt in weniger als 90 Minuten; bis zu 10.000 Menschen starben bei diesem Angriff. Wenige Minuten reichten aus und die berühmte Altstadt einer der schönsten Fachwerkstädte Deutschlands war Geschichte. Der Autor Günter Boller war damals acht Jahre alt. Er erlebte die Bombenangriffe in der Nähe der Altstadt in einem Keller in der Ysenburgstraße. In seiner Erinnerung war diese Nacht ein "apokalyptisches Geschehen, das sich jeder menschlichen Vorstellungskraft entzog. Minuten wurden zur Ewigkeit." Günter Boller hatte das Glück, die mittelalterlich geprägte Stadt mit ihrem besonderen Flair noch zu erleben. "Von unserer Wohnung an der Ysenburgstraße war es nur ein kurzer Weg bis zum historischen Zentrum der Altstadt, dem Altmarkt. Ich konnte mir die bunten Lebensbilder der wichtigsten Gassen und Plätze mit ihren zum Teil sehenswerten Hausfassaden in der Erinnerung bewahren."Günter Boller blickt zurück auf den 22. Oktober 1943, beschreibt die Zeit extremer wirtschaftlicher Not von 1945 bis 1947 und den schwierigen Wiederanfang in den fünfziger Jahren. Für ihn ist sein Kassel auch heute so wie damals eine Stadt, in der er gerne lebt.

Vorwort 22. Oktober 1943 – kein anderes Ereignis wirkt sich noch heute so nachhaltig auf Kassel und seine Bevölkerung aus wie die Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg. Die verheerende Bombennacht jährt sich 2018 zum 75. Mal. Der Fall der Mauer in 1989 war ein einschneidendes Ereignis, das die Bundesrepublik Deutschland grundlegend veränderte. Plötzlich war Kassel nicht mehr Zonenrandgebiet sondern in der Mitte Deutschlands. Die vierzigjährige Teilung in Ost- und Westdeutschland war das Ergebnis des verlorenen Zweiten Weltkriegs. Angezettelt durch Nazideutschland, haben in diesem Krieg ungefähr sechzig Millionen Menschen weltweit ihr Leben gelassen. Millionen Menschen flohen vor dem Krieg und seinen Folgen. Weil die NS-Führung davon ausging, dass Kassel außerhalb der Reichweite feindlicher Bomber liege, wurde hier seit 1935 die Rüstungsindustrie konzentriert und ausgebaut. Nicht umsonst führte das Bomber Command der Royal Air Force Kassel bereits 1940 auf der Liste der fünf wichtigsten Ziele der deutschen Flugzeugindustrie. Am 22. Oktober 1943 geschah dann der verheerende Bombenangriff, der die Kasseler Altstadt in weniger als 30 Minuten zu 97 % zerstörte. Bis zu 10.000 Menschen starben im Feuersturm. Die Überlebenden wurden evakuiert und auf die umliegenden Dörfer verteilt, weil die Wohnungen zerstört und die Infrastruktur zusammengebrochen war. Die heute noch lebenden Zeitzeugen waren 1943 Kinder oder Jugendliche, die in dieser Nacht viel ertragen mussten und nicht verstanden, was da mit ihnen passierte. Eine Aufarbeitung ihrer traumatischen Erlebnisse gab es für sie nach dem Krieg nicht. Aber sie haben sie nicht vergessen, sie erzählen davon oder sie schreiben ihre Erinnerungen auf, so wie Günter Boller, der damals acht Jahre alt war und die Bombenangriffe in der Nähe der Altstadt im Keller der Ysenburgstraße erlebte. In seiner Erinnerung war diese Nacht ein „apokalyptisches Geschehen, das sich jeder menschlichen Vorstellungskraft entzog. Minuten wurden zur Ewigkeit. Unser Leben hing ab vom zufälligen Flug einer der vielen Sprengbomben, die auf die sterbende Stadt herabstürzten. Ich habe mir später vorzustellen versucht, was ich bei dem pausenlosen Höllenkrach explodierender Bomben und einstürzender Häuser fühlte und dachte. Ich glaube, dass ich gar nicht denken konnte, auch kaum Angst spürte, sondern angesichts der Nähe des Todes innerlich und äußerlich völlig erstarrt war.“ Obwohl er noch ein kleines Kind war, hat Günter Boller lebhafte Erinnerungen an die Altstadt vor der Zerstörung. „Als Kind hatte ich das Glück, diese mittelalterlich geprägte Stadt mit ihrem besonderen Flair noch zu erleben. Bei Spaziergängen durch die malerischen, engen Gassen mit meiner Oma oder meinen Eltern habe ich sie bis in den letzten Winkel kennengelernt. Von unserer Wohnung an der Ysenburgstraße war es nur ein relativ kurzer Weg bis zum historischen Zentrum der Altstadt, dem Altmarkt. Ich war zwischen vier und acht Jahre alt, konnte mir die bunten Lebensbilder der wichtigsten Gassen und Plätze mit ihren zum Teil sehenswerten Hausfassaden in der Erinnerung bewahren.“ Er blickt zurück auf den 22. Oktober 1943, beschreibt die Zeit extremer wirtschaftlicher Not von 1945 bis 1947 und den schwierigen Wiederanfang in den fünfziger Jahren. Für ihn ist sein Kassel auch heute so wie damals eine Stadt, in der er gerne lebt. Blickt man zurück, so gab es noch nie in der Geschichte Deutschlands eine so lange Periode des Friedens wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, also über 70 Jahre. Das können wir gar nicht hoch genug schätzen. Auch darum hat Günter Boller die „Schicksalsjahre der Stadt Kassel“ geschrieben, als Mahnung, dass so etwas, wie der Nationalsozialismus und der von ihm begonnene Weltkrieg niemals wieder passiert. Gabriela Wolff-Eichel Vorsitzende der Freund des Stadtmuseums e.V.

Meine Heimatstadt Kassel in der Kriegs- und Nachkriegszeit: Es war nicht nur die schrecklichste und dramatischste Epoche in ihrer mehr als tausendjährigen Geschichte, sondern auch eine Zeitenwende, der apokalyptische Untergang der historischen und der Aufbau einer neuen, modernen Stadt. Als Kind, Jahrgang 1935, war es mir noch vergönnt, bei Spaziergängen mit meinen Eltern und meiner Oma das liebenswerte alte Kassel kennenzulernen.ist mir vor allem im späteren Leben bewusst geworden, welche Bedeutung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewährleistung von Grundrechten nicht nur für Frieden und Freiheit, sondern auch für das allgemeine Wohlergehen der meisten Menschen haben. Eine Wohnung in Kassel erhielten wir erst wieder im Herbst 1949. Ich ging jedoch bereits ab Herbst 1946 in eine Kasseler Schule, was nur möglich war, weil ich in der Schulwoche bei einem hilfsbereiten Onkel in Kassel-Salzmannshausen eine Schlafstelle bekommen hatte. Aufgrund dieser Umstände war ich besonders schwer von der extremen wirtschaftlichen Not der ersten Nachkriegszeit betroffen. In dieser Zeit lernte ich meine Heimatstadt als eine öde Trümmerwüste kennen, in der sich neues Leben nur sehr langsam zu regen begann.Im Laufe der fünfziger Jahre wurde aus der deprimierenden Trümmer-und Budenstadt nach zögerlichem Beginn endlich wieder eine lebendige, wohnliche Stadt. Wie alle Kasseler begleitete ich den ersehnten Wiederaufbau mit großem Interesse und auch voller Ungeduld, begeistert über jede moderne Häuserzeile, die an den neuen Straßen der Innenstadt emporwuchs. Kritische Einwendungen gegen einzelne Baumaßnahmen hatte ich erst in späteren Jahren. Ich habe eingesehen, dass Kritik auch die Zeitumstände berücksichtigen sollte. Ich bin der Überzeugung, dass wir Zeitzeugen die Pflicht haben, über das unbeschreiblich grausame Geschehen jener schrecklichen Zeit zu berichten, um den normalen Menschen, die damals lebten und leiden mussten, gerecht zu werden, vor allem aber als Mahnung für ein „Nie wieder!“. Die Zerstörung der Stadt in einem kaum noch vorstellbaren Ausmaß mit vielen menschlichen Opfern durch den Bombenangriff in der Nacht des 22. Oktober 1943 überlebte ich mit meinen Eltern und meinem erst ein halbes Jahr alten Bruder im Keller eines fünfstöckigen Mietshauses in der Ysenburgstraße. Obwohl das Haus durch Brandbomben nur leicht beschädigt war, flüchteten wir am folgenden Tag zu unseren Verwandten im Dorf Ostheim im Kreis Melsungen, wo wir die letzten Kriegsjahre verbrachten. Als Kind musste ich die Auswirkungen des Überwachungs- und Spitzelsystems auf unseren Alltag fürchten lernen. Durch diese Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur, ihren Grausamkeiten gegen Andersdenkende,

Meine Heimatstadt Kassel in der Kriegs- und Nachkriegszeit: Es war nicht nur die schrecklichste und dramatischste Epoche in ihrer mehr als tausendjährigen Geschichte, sondern auch eine Zeitenwende, der apokalyptische Untergang der historischen und der Aufbau einer neuen, modernen Stadt.Als Kind, Jahrgang 1935, war es mir noch vergönnt, bei Spaziergängen mit meinen Eltern und meiner Oma das liebenswerte alte Kassel kennenzulernen.ist mir vor allem im späteren Leben bewusst geworden, welche BedeutungDemokratie, Rechtsstaatlichkeit, Gewährleistung von Grundrechten nicht nur für Frieden und Freiheit, sondern auch für das allgemeine Wohlergehen der meisten Menschen haben.Eine Wohnung in Kassel erhielten wir erst wieder im Herbst 1949. Ich ging jedoch bereits ab Herbst 1946 in eine Kasseler Schule, was nur möglich war, weil ich in der Schulwoche bei einem hilfsbereiten Onkel in Kassel-Salzmannshausen eine Schlafstelle bekommen hatte. Aufgrund dieser Umstände war ich besonders schwer von der extremen wirtschaftlichen Not der ersten Nachkriegszeit betroffen. In dieser Zeit lernte ich meine Heimatstadt als eine öde Trümmerwüste kennen, in der sich neues Leben nur sehr langsam zu regen begann.Im Laufe der fünfziger Jahre wurde aus der deprimierenden Trümmer-und Budenstadt nach zögerlichem Beginn endlich wieder eine lebendige, wohnliche Stadt. Wie alle Kasseler begleitete ich den ersehnten Wiederaufbau mit großem Interesse und auch voller Ungeduld,begeistert über jede moderne Häuserzeile, die an den neuen Straßen der Innenstadt emporwuchs. Kritische Einwendungen gegen einzelne Baumaßnahmen hatte ich erst in späteren Jahren. Ich habe eingesehen, dass Kritik auch die Zeitumstände berücksichtigen sollte.Ich bin der Überzeugung, dass wir Zeitzeugen die Pflicht haben, über das unbeschreiblich grausame Geschehen jener schrecklichen Zeit zu berichten, um den normalen Menschen, die damals lebten und leiden mussten, gerecht zu werden, vor allem aber als Mahnung für ein "Nie wieder!".Die Zerstörung der Stadt in einem kaum noch vorstellbaren Ausmaß mit vielen menschlichen Opfern durch den Bombenangriff in der Nacht des 22. Oktober 1943 überlebte ich mit meinen Eltern und meinem erst ein halbes Jahr alten Bruder im Keller eines fünfstöckigen Mietshauses in der Ysenburgstraße. Obwohl das Haus durch Brandbomben nur leicht beschädigt war, flüchteten wir am folgenden Tag zu unseren Verwandten im Dorf Ostheim im Kreis Melsungen, wo wir die letzten Kriegsjahre verbrachten.Als Kind musste ich die Auswirkungen des Überwachungs- und Spitzelsystems auf unseren Alltag fürchten lernen. Durch diese Erfahrungen mit der Nazi-Diktatur, ihren Grausamkeiten gegen Andersdenkende,

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo mit vielen Abbildungen
Sprache deutsch
Maße 210 x 148 mm
Themenwelt Literatur Briefe / Tagebücher
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte 22. Oktober 1943 • Bombennacht • Kassel • Wiederaufbau • Zerstörte Stadt • Zerstörung
ISBN-10 3-933617-71-5 / 3933617715
ISBN-13 978-3-933617-71-2 / 9783933617712
Zustand Neuware
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