Künstliche Kost (eBook)

Ernährung in Deutschland, 1840 bis heute
eBook Download: PDF
2018 | 1. Auflage
948 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-647-31719-9 (ISBN)

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Künstliche Kost -  Uwe Spiekermann
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Mitte des 19. Jahrhunderts veränderte sich das Wissen über Ernährung grundlegend. Aus einer Ganzheit von Lebensmittel und Speise wurde eine Mixtur von Stoffen. Wer von Eiweiß, Fett und Kohlehydraten, später von Mineralstoffen und Vitaminen sprach, distanzierte sich vom täglichen Essen. Gleichzeitig konnte er jedoch messen und wägen, die Stoffe analysieren, Ernährung planen und verbessern. Neue Produkte wurden so möglich. Die neue »Künstliche Kost« war nahrhaft und schmackhaft, doch nicht länger von Herkunft geprägt. Sie verbreiterte die Lebensmittelpalette, erlaubte Versorgungssicherheit, schuf neue Risiken und entwertete die praktische Kochkunst. Der lange Schatten dieses neuen Wissens bestimmt bis heute unsere Lebensmittel, unser Essen.Dieses Buch bietet in fast hundert Unterkapiteln ein faszinierendes Panorama der Veränderungen der Ernährung seit Mitte des 19. Jahrhundert. Akteure in Wissenschaft, Wirtschaft und Staat rangen um die Konturen des Neuen, umgarnten fürsorglich die Konsumenten. Kriege und Krisen beschleunigten den Wandel, in Friedenszeiten verbreitete sich 'künstliche Kost' in den Massenmärkten. Der Autor untersucht, wie sich das Reden über Ernährung verändert hat, wie Werbung nötig wurde, wie Zusatzstoffe Bedeutung gewannen und Gebote und Verbote den Essalltag bis heute prägen. Wer um all dies weiß, wird reflektierter essen, wird einfachen Botschaften und Parolen nicht mehr folgen, und anders mit dem umgehen, was er sich einverleibt.

Uwe Spiekermann lehrt Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen.

Uwe Spiekermann lehrt Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen.

Title Page 4
Copyright 5
Table of Contents 6
Body 12
1. Einleitung 12
1.1 Warum Sie dieses Buch lesen sollten 12
1.2 Tendenzen der Forschung 13
1.3 Problem- und Fragestellungen 20
1.4 Quellen, Aufbau und Struktur der Untersuchung 23
2. Grundlagen: Das Modell der stofflich definierten Nahrung 1840–1930 32
2.1 Grundstoffe: Die Nährstoffkonzeption Liebigs und der Münchener Schule 33
2.1.1 Liebig und die Durchsetzung des Stoffparadigmas 33
2.1.2 Differenzierung und Etablierung in der Öffentlichkeit. Die Arbeiten der Münchener Schule 38
2.1.3 Umsetzung und institutionelles Rückgrat: Die Professionalisierung der Nahrungsmittelchemie 43
2.2 Ausdifferenzierung: Nährstoffforschung um die Jahrhundertwende 47
2.2.1 Eiweißforschung: Peptone und Aminosäuren 49
2.2.2 Neue Fette für das Volk: Die Margarine und die Folgen 52
2.2.3 Technologische Dominanz: Zucker- und Stärkeforschung 56
2.2.4 Machbarkeit: Utopien wissensbasierter Lebensmittelproduktion 58
2.3 Die »Neue Ernährungslehre«: Vitamine und Mineralstoffe nach der Jahrhundertwende 61
2.3.1 Forschungsgeschichte: Entdeckung und Akzeptanz der Vitamine 62
2.3.2 Mehr als eine Metapher: Vitamine, Gesundheit und Leben 67
2.3.3 Substanzbildung: Mineralstoffe als Asche und Nährstoff 72
2.3.4 Ordnung der Zufuhr: Von Kostmaßen zu Ernährungsempfehlungen 79
3. Begrenzte Vermarktung: Neue Nahrung für Zwangsgemeinschaften und Massenmarkt 1880–1914 86
3.1 Lebenshilfe: Künstliche Säuglingsernährung 87
3.1.1 Kindersterblichkeit und frühe Pädiatrie 88
3.1.2 Vom Haushalt zur Fabrikation: Chemisch bilanzierte Nährsuppen und Nährmittel 91
3.1.3 Hilfen für den Haushalt: Konservierungsapparate und ihre Folgen 96
3.1.4 Die »Kindernahrungsmittelindustrie« 100
3.1.5 Ärztliches Ethos und die Praxis des Stillens 105
3.2 Konzentrierte Nahrung: Militärverpflegung im Spannungsfeld von Wissenschaft, Markt und Alltagswissen 108
3.2.1 Normsetzung abseits physiologischer Optimierung 109
3.2.2 Versorgungsprobleme und Kraftnahrung: Verpflegung im deutsch-französischen Krieg 1870/71 113
3.2.3 Marktangebote und Verpflegungsstandards: Debatten über die eiserne Ration 117
3.2.4 Interne Wissensbildung: Testreihen und Optimierungsbestrebungen in der kaiserlichen Armee 124
3.3 Geschmack, Nährwert, Bequemlichkeit: Suppen- und Würzpräparate 130
3.3.1 Klassiker ohne Nährwert: Liebigs Fleischextrakt 131
3.3.2 Eiweiß für die Massen. Leguminosenmehle zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum 139
3.3.3 Konzentrierter Geschmack. Würzen für den Massenmarkt 145
3.3.4 Der Weg zum Kunden. Produktdifferenzierung im Suppenmarkt 154
3.4 Nischen- statt Massenmarkt: Eiweiß- und Nährpräparate um die Jahrhundertwende 160
3.4.1 Wissenschaftliche Kost. Gestaltungsträume der Produzenten 161
3.4.2 Produktlawinen. Eine Marktübersicht 163
3.4.3 Gegenwissen. Markttransparenz durch Nahrungsmitteluntersuchung 174
3.4.4 Der Weg in die Nische. Marktsegmentierung und Verbraucherskepsis 178
3.5 Moden der Konsumgesellschaft: Light- und Diätprodukte 183
3.5.1 Entgiftung. Anspruchshaltungen und Umsetzungen 184
3.5.2 »Kein Surrogat«. Lightprodukte zwischen Innovation und Ersatz 187
3.5.3 Formbilder des Körpers. Diäten und Diätärzte 197
3.5.4 Markenartikel zum Glück. Diätprodukte und Abführmittel 206
3.6 Alternativen ohne Alternative: Lebensreform und Reformwarenwirtschaft 212
3.6.1 Ethik und Standardphysiologie. Das Stoffparadigma als negative Orientierung 214
3.6.2 Siedlung und Vermarktung. Die Obstbaukolonie Eden 222
3.6.3 »Natürliche« Präparate. Angebot und Vermarktung von Reformwaren 226
4. Eisernes Dreieck: Wissenschaft, Staat und Wirtschaft 1914–1945 236
4.1 Der Krieg als Lehrmeister: Nahrungsknappheit und Versorgungsaufgaben 1914–1918 239
4.1.1 Doppelter Traditionalismus. Wissenschaft und Rationierungspolitik 240
4.1.2 Abgemagerte Helden. Militärverpflegung 252
4.1.3 Unterernährung, Hunger, Tod. Größenordnungen und Auswirkungen 264
4.1.4 Ausgeburten stofflicher Vernunft. Ersatzmittel 271
4.2 Die Normierung des stofflichen Blickes: »Vereinbarungen«, Lebensmittelgesetz und Handelsklassen 283
4.2.1 Verbindlichkeitskonstruktionen. Nahrungsmitteldefinitionen zwischen Experten, Handelsbräuchen und Staat 284
4.2.2 Neues Wissen und Expertise. Der Ausbau der Grundlagenforschung 292
4.2.3 Konfrontation und Kooperation. Das Lebensmittelgesetz von 1927 299
4.2.4 Wettbewerbsdruck und Rationalisierung. Äußere Normierung durch Handelsklassen 307
4.3 Qualitätsversprechen und Innovationschance. Die Verwissenschaftlichung der Lebensmittelproduktion 312
4.3.1 Das Wissen um die Zubereitung. Bromatik als Herausforderung 314
4.3.2 Wissensbasierte Produktion. Etablierung betriebsinterner Laboratorien 317
4.3.3 Problemlösungskompetenz. Die Einrichtung von Branchenlaboratorien 326
4.4 Umstrukturierung des primären Sektors. Agrarmarketing als Rationalisierungsinstrument 333
4.4.1 Kopfwissen. Institutionen einer neuen Werbewelt 335
4.4.2 Marketing. Konsumentenorientierung und betrieblicher Wandel 340
4.4.3 Verbindlichkeitsdiskurse. »Gesundheit« als Führungsmittel 346
4.5 Stoffliche Unabhängigkeit als Ideal: Autarkiepolitik in der Zwischenkriegszeit 352
4.5.1 Selbstversorgung als Chimäre. Versorgungsziele und Versorgungsströme 353
4.5.2 Krisenerfahrung und nationale Selbstbesinnung. Ideen der Autarkie 360
4.5.3 Marktordnung. Reichsnährstand und regulierte Außenwirtschaft 367
4.5.4 Die deutsche Kolonie. Fett und Eiweiß aus dem Meer 375
4.5.5 Kreislaufwirtschaft. Abfallnutzung im Dritten Reich 387
5. Wachsende Verfügbarkeit: Künstliche Kost 1925–1950 396
5.1 Vitaminrummel: Imagination und Realität einer synthetisch verfügbaren Stoffgruppe 399
5.1.1 Synthese. Die chemische Nachbildung der Natur 401
5.1.2 Gesundheit pur. Die Vermarktung eines realen Traums 406
5.1.3 Funktionserkundung. Vitamine in Analytik und Diätetik 413
5.1.4 Vitaminpolitik. Abdämpfung der Kriegsfolgen 419
5.2 Enthäuslichung: Convenienceprodukte zwischen Wochenende und Haushalt 435
5.2.1 Enthäuslichung. Ein Blick auf die aktive Rolle der Verbraucher 437
5.2.2 Wochenendausflug und Camping. Materielle Garanten für Naturgenuss 442
5.2.3 Würzen, Suppen, Soßen. Marktdifferenzierung und Diffusion 447
5.3 Schutz und Distanz: Die Durchsetzung der Lebensmittelverpackung 453
5.3.1 Markenartikel oder Von der losen zur (papier-)verpackten Ware 455
5.3.2 Wissen und Vertrauen. Die Entwicklung der Konservendose 459
5.3.3 Cellophan. Transparente Kunststoffe 466
5.4 Kombination von Lebensmittelproduktion und -konservierung: Fortschritte der Gefrier- und Trocknungstechnik 475
5.4.1 Primat der Großtechnik. Einsatz und Ausdifferenzierung der Kühl- und Gefriertechnik in Deutschland 477
5.4.2 Trocknungstechnik. Pulver, Extrakte und anderes 488
5.4.3 Defizite in der Kette. Grenzen der Distribution der neuen Produkte 496
5.5 Rekombination der Grundstoffe: Neue Rohstoffe und Austauschprodukte für die »Volksernährung« 501
5.5.1 Ressourcenspezialisten. Die »deutsche« Ernährungsforschung 502
5.5.2 Deutsche Soja. Die Akkulturation neuer Pflanzen 513
5.5.3 Austauschstoffe. Die Neugestaltung der Zwischenprodukte 522
5.5.4 Natürlicher Vitaminträger. Süßmost 536
5.5.5 Volksgetränke. Die Grenzen der Lebensmitteltechnologie 544
5.6 Die Kehrseite des Fortschritts: Kritik an Zusatzstoffen und »Veredelungsindustrie« 549
5.6.1 Umstrittenes Wissen. »Natur« und »Chemie« in der Publizistik 552
5.6.2 Schleichender Niedergang. Zivilisationspessimismus und Karies 562
5.6.3 Bestrahlte Milch. Rachitisbekämpfung im Widerstreit 566
5.6.4 Farb- und Konservierungsstoffe. Debatten um selbst geschaffene Risiken 572
6. Normalisierung: Der indirekte Weg in den Massenmarkt 1940–1980 580
6.1 Kriegswirtschaft: Militärverpflegung als Schrittmacher des »Konsumsektors« 581
6.1.1 Kampfkraft durch warme Kost. Die Professionalisierung der Heeresverpflegung 584
6.1.2 Auf der Suche nach künstlicher Natur. Verpflegungsdebatten während des Krieges 602
6.1.3 Mitnahmeeffekte. Adaptionen der Wehrmachtsverpflegung im Massenmarkt der Nachkriegszeit 613
6.2 Bilanzierte Verpflegung und Hightechprodukte: Flieger- und Astronautennahrung als Modelle 624
6.2.1 Aufstieg der Physiologie. Höhenforschung und Aeronautik 625
6.2.2 Erweiterte Räume. Nahrung für Jagd- und Bomberpiloten 628
6.2.3 Unendliche Weiten. Astronautenverpflegung im Wandel 632
6.3 Körper von einem anderen Stern: Formula-Diäten und Diätkost 642
6.3.1 Mehr Eiweiß, mehr Kalorien. Körperliche Veränderungen im 20. Jahrhundert 644
6.3.2 Einzudämmende Massen. Ernährungswissenschaftliche Deutungen des Übergewichts 647
6.3.3 Wohlgeformte Biokörper. Präparate und Lebensmittel gegen Übergewicht 650
6.3.4 Die Wiederkehr des Staates. Kooperation im Kampf um den gesunden Körper 656
6.4 Modernisierung auf dem Prüfstand. Der Weg zur Novelle des Lebensmittelgesetzes 659
6.4.1 Ein neuer Raum der Ware. Selbstbedienung und die Folgen 662
6.4.2 Missstände im Wirtschaftswunder. Der Qualitätsdiskurs Mitte der 1950er Jahre 668
6.4.3 Chemikalienfreiheit. Das Lebensmittelgesetz von 1958 und die Zusatzstoffe 680
6.4.4 Technische Innovationen und Gebrauchswertsteigerungen. Die kontinuierliche Dynamik der Lebensmittelproduktion 689
6.5 Extreme Bewertungsmaßstäbe: Debatten um Natur und Natürlichkeit 702
6.5.1 Die Ästhetik des Niedergangs. Die Lebensreformbewegung im Nachkriegsdeutschland 703
6.5.2 Hoheitskämpfe. Debatten zwischen Vollwerternährung und Deutscher Gesellschaft für Ernährung 708
6.5.3 Paradoxe Werbewelt. »Natur« zwischen Versprechen und Floskel 715
7. Angelegte Veränderungen: Moderne Lebensmittel 1960–heute 724
7.1 Neue Produkte, neue Bilder: Lebensmittel im Wandel 726
7.2 Gebrauchswertsteigerung und stoffliche Virtuosität: Convenience Food und Lightprodukte 734
7.3 Landwirtschaft als Quelle neuer Rohstoffe: Gentechnik und Biokost 744
7.4 Lebensmittel als Heilmittel: Functional Food und Mood Food 757
7.5 Mikrosteuerung: Nutrigenomics und Nanotechnologie 768
8. Künstliche Kost: Ein vorläufiges Fazit 776
Danksagung 784
Quellen- und Literaturverzeichnis 786
Abkürzungen 922
Abbildungsnachweis und -verzeichnis 924
Tabellenverzeichnis 932
Register 934
Personenregister 934
Unternehmens- und Institutionenregister 937
Sachregister 942
Ortsregister 948

Erscheint lt. Verlag 14.5.2018
Reihe/Serie Umwelt und Gesellschaft.
Umwelt und Gesellschaft.
Mitarbeit Herausgeber (Serie): Christof Mauch, Helmuth Trischler
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeines / Lexika
Schlagworte 20. Jahrhundert • Deutsches Kaiserreich • Deutschland • Deutschland/19.und 20. Jahrhundert • Deutschland /20.Jahrhundert • Ernährung • Ernährungspolitik • Geschichte des 20. Jahrhunderts • Konsum • Konsumgeschichte
ISBN-10 3-647-31719-5 / 3647317195
ISBN-13 978-3-647-31719-9 / 9783647317199
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