Notizen zur Idealistischen Metaphysik VII -  Marco Bormann

Notizen zur Idealistischen Metaphysik VII (eBook)

Band VII - Die Vollendung des Neuplatonismus bei Proklos
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2018 | 1. Auflage
368 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7460-5463-6 (ISBN)
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In diesem Projekt, dessen siebter Band hier vorliegt, hat sich der Autor die Aufgabe gestellt, die Geschichte der Philosophie systematisch als eine Abfolge von Beiträgen zur Idealistischen Metaphysik aufzuarbeiten. Was aber kann die Idealistische Metaphysik, was ein jahrtausendealtes Denken für unser heutiges Weltverständnis noch bedeuten? Inmitten einer ökologischen Krise mag eine Rückbesinnung auf die Geisteshaltung der Antike und des Mittelalters, wo man solche Krisen zu vermeiden wußte, eine passendere Antwort sein, als der weitere technische Fortschritt. Will man diese Geisteshaltung aber wirklich verstehen, so muß man ins Detail gehen. Dieser siebte Band beschäftigt sich erneut mit dem Neuplatonismus. Im fünften Jahrhundert ist es Proklos, der uns ein vollendetes System der neuplatonischen Ontologie präsentiert. Dieser Band widmet sich überwiegend der Darstellung dieses System, dem wir bis ins Detail folgen werden. Hier steht vor allem Proklos' opulente Ideenlehre im Zentrum. Wir werden den Versuch unternehmen, diese Ideenlehre, die bisweilen Logos und Mythos verbindet, als ein geschlossenes System von Begriffen zu interpretieren.

Marco Bormann wurde 1972 geboren. Ab 1992 studierte er Philosophie in Aachen und wurde dort 1996 Dozent. 2007 zog er nach Frankreich und seit 2016 lebt er in Andalusien. Sein 2007 erschienenes Buch zu Kierkegaard markiert den definitiven Bruch mit der immer mehr ins Analytische verschwindenden universitären Philosophie. Seine Hauptinteressen gelten der Philosophie der Postmoderne, dem Existentialismus und der antiken und mittelalterlichen Metaphysik.

Synesios von Kyrene (370-413)


Synesios wurde als Kind einer wohlhabenden Familie in Kyrene geboren. Zusammen mit seinem Bruder erhielt er seine Ausbildung in Alexandria. Seine dortige Lehrerin war die neuplatonisch gesinnte Wissenschaftlerin Hypatia. Er freundete sich hier aber auch mit dem christlichen Bischof Theophilos an. Im Jahre 395 kehrt er in seine Heimat zurück und bekleidet hier einige wichtige Funktionen. Von 398 bis 402 ist er als Botschafter am Hof des römischen Kaisers in Konstantinopel. Er begibt sich zunächst nach Alexandria und heiratet dort eine 403 eine Christin. Schließlich kehrt er nach Kyrene zurück und ist unter anderem mit der Verteidigung gegen kriegerische Nachbarn beschäftigt. Im Jahre 410 wird er von Theophilos zum Bischof von Ptolemaïs geweiht.

Obwohl nun Synesios Bischof geworden ist, gibt es einige Hinweise darauf, daß er nicht wirklich Christ war, sondern daß der Neuplatonismus seine Religion geblieben ist. Exemplarisch zeigt sich dies, wenn er von einem Schiffbruch im Jahre 404 in einem Brief an seinen Bruder berichtet. Die Ursache des Schiffbruchs war der Umstand, daß die jüdische Mannschaft aus religiösen Gründen am Sabbat die Arbeit niederlegte. Synesios zeigt keinerlei Verständnis führt dieses Verhalten. Das ist bis zu einem gewissen Grade nachvollziehbar, da sein Leben in Gefahr geriet. Aber als Christ hätte er zumindest über die Glaubensstärke jener Juden nachgedacht. Statt dessen finden sich bei ihm neben einer ganz und gar pragmatischen Einstellung nur die Beschwörung einer ominösen Gottheit:

»Ich schwöre beim Gott, den die Philosophie anbetet.«1

Dieser Gott der Philosophie paßt viel mehr zum Neuplatonismus als zu einem überzeugten Christen.

Wenn nun aber Synesios kein wirklicher Christ war, warum gab er sich dann den Anschein und wurde gar Bischof? Offensichtlich hatte dies politische Gründe. Der politische Sieg des Christentums stand fest und alles, was Synesios aus einer pragmatischen Haltung heraus noch tun konnte, waren zaghafte Versuche einer Harmonisierung von Neuplatonismus und Christentum. Diese politische Motivation zeigt sich vor allem in einem Umgang mit den Anhängern des Eunomios, dessen Lehre eigentlich sehr gut zu seiner Verehrung der Rationalität passen würde. Dennoch setzt er sich entschieden gegen diese Strömung ein, motiviert offenbar durch einen politischen Pragmatismus, für den die theologischen Nuancen des Christentums gegenüber dessen Ordnungsmacht im Hintergrund stehen.

Ideen


§ 1 Was die Ideenlehre angeht, so finden wir bei Synesios eine ganz interessante Mischung von neuplatonischen Gedanken mit dem Konzept der Trinität. So identifiziert er, wie viele christliche Denker vor ihm, das platonische mit dem christlichen Gott und beschreibt dies in Versform:

»Der selbst das Prinzip ist, Herr und Vater des Seienden, ungeboren, sitzend über den Häuptern des Himmels, sich unauflösbarem Ruhm erfreuend, Gott, residiert beständig, als reine Einheit der Einheiten, als erste Monade der Monaden, als Einzelheit des Perfekten hat er als Teil seiner Einheit ein überseiendes Kind hervorgebracht. Dadurch aus selbst hervorgehend durch das Wesen des Erstgeborenen, diffundiert die unaussprechliche Einheit eine drei Erhebungen habende Stärke.«2

Zugleich finden wir hier schon einen Hinweis auf den Übergang vom zum Der wird hier als der Sohn Gottes aufgefaßt, wie das schon der von uns im dritten Band diskutierte Philon von Alexandria tat. Die Vorstellung von Synesios scheint hier die zu sein, daß sich das zum hin vervielfältigt, dann aber zugleich eine Einheit bleibt; aber eine Einheit mit drei Momenten, was natürlich den christlichen Gedanken der Trinität ins Spiel bringen soll. Dieses Verhältnis von Einheit und Trinität faßt er sodann wie folgt:

»Ich besinge dich Einheit, ich besinge dich Dreiheit: Du bist Einheit, eine Dreiheit seiend, du bist Dreiheit, eine Einheit seiend. In diesen intellektuellen Teilen bleibt das Getrennte dennoch ungeteilt.«3

Wir finden allerdings bei Synesios keine Erklärung dieses an sich widersprüchlichen Sachverhalts einer Einheit, die zugleich eine Dreiheit ist. Hier ist die Darstellung bereits ins Poetische übergangen, bevor sie philosophisch richtig verstanden worden ist. Das zeugt davon das zur Zeit des Synesios dieses neuplatonische Denken bereits ein Gemeinplatz war.

§ 2 Den beschreibt uns nun Synesios als eine Größe, die ebenfalls eine widersprüchliche Gestalt hat:

»Der Intellekt trägt nur für die intelligible Welt Sorge: Denn von dort kommt der gute Hauch, welcher der Anfang der Sterblichen ist, aber unteilbar bleibt«.4

Einerseits sei dieser eben nur für den verantwortlich, der hier wohl für den überhaupt steht, da wir in Synesios’ poetischer Darstellung wohl kaum subtile Unterscheidungen erwarten können. Der ist so ein ganz und gar in sich selbst geschlossenes System von Ideen. Zugleich aber sei dieser auch die Quelle alles Lebendigen auf Erden; ohne aber dabei seine innere Unteilbarkeit zu verlieren.

§ 3 Deutlich auf der Seite des Platonismus zeigt er sich dann hinsichtlich der Frage nach einer Weltseele. Er geht nicht nur von deren Existenz aus, er schreibt ihr auch diejenige Rolle zu, welche ihr die heidnischen antiken Denker zuschrieben:

»Ein Teil [der Weltseele] lenkt die Gestirne, der andere den Chor der Engel.«5

Hierin zeigt sich erneut, daß Synesios intellektuell eigentlich auf der Seite der Neuplatoniker steht, denn die christliche Sichtweise zur Weltseele, ist – wie wir bereits an mehreren Stellen gesehen haben – eine ganz andere. Die Christen finden die Vorstellung absurd, daß sich an der einfachen Bewegung der Gestirne etwas Höheres zeigen soll.

Geist


i. Die Rolle der menschlichen Erkenntnis

§ 4 Synesios schätzt die Fähigkeiten der menschlichen Erkenntnis sehr hoch. Allerdings tut er das mit einer sehr interessanten Begründung. Er zeigt uns auf, auf welche Weise eine apriorische Erkenntnis der Natur möglich sei:

»Und dann ebenso wie Gott die Bilder der Ideen schuf, welche seine unsichtbare Kraft widerspiegeln, so kann auch eine schöne und produktive Seele, die zum Besten gehört, eine Übertragung hin zu dem außerhalb der Kraft liegenden leisten.«6

Die Idee ist hierbei die Folgende: Wir haben als geistige Wesen Einsicht in das geistige Wesen Gottes, den Dieser gibt uns nur eine Vorahnung dessen, was das dahinterstehende ist. Zugleich erkennen wir die Ideen des auch nur in der Form von Bildern. Aber wir sind dazu in der Lage, diese Bilder auf die Welt zu übertragen und so die Dinge in der Welt zu erkennen, denn auch diese Dinge sind gemäß denselben Bildern geschaffen worden. Diese Form der Erkenntnis ist eine apriorische. Wir müssen nicht erst die Welt erkennen um sie dann durch Abstraktion zu verstehen; wir können nach dieser platonischen Vorstellung mit den Ideen schon über die abstrakten Begriffe dessen verfügen, was wir in der Welt vorfinden werden.

§ 5 Nach Synesios kommt so auch Gottes Wesen selbst in unserer Rationalität zur Sprache. Synesios nutzt dies in einer Predigt um seine Gemeinde zum Fasten zu überreden:

»Unser Gott ist Weisheit und Verstand. Ein Gefäß, welches das Denken behindert, und die Überlegung stört gehört nicht zum Verstand.«7

Körperliche Genüsse, sind schädlich, insofern sie das Denken behindern und den Geist so vom Verständnis des Wesentlichen abhalten. Daraus folgt jedoch für Synesios nicht allgemein eine Pflicht zur Askese. Im Gegenteil, die Askese ist ihm allenfalls nur Mittel zum höheren Zweck des Denkens:

»Denn Besonnenheit ohne Verstand und vollständige Abstinenz vom Fleischgenuß ist vielen unverständigen Arten von Natur aus gegeben worden. Aber wir preisen weder einen Raben noch irgend eine andere Art, welche eine natürliche Tugend gefunden hat, wenn sie des Denkens beraubt ist. Das Leben dem Verstande nach ist das Ziel des Menschen.«8

Hier zeigt sich erneut, wie sehr Synesios trotz des christlichen Anscheins Neuplatoniker geblieben ist. Das wesentliche ist für ihn die philosophische Erkenntnis und alles originär Religiöse wird dem untergeordnet. Religiöse Praktiken wie die Askese werden allenfalls dann propagiert, wenn sie in der Lage sind, die philosophische Reflexion zu stützen.

Wir sind geneigt, davon auszugehen, daß Synesios dieselbe Ansicht auch im politischen Bereich hatte. Auch hier ging er offenbar davon aus, daß nicht das Christentum an sich eine...

Erscheint lt. Verlag 9.2.2018
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
ISBN-10 3-7460-5463-X / 374605463X
ISBN-13 978-3-7460-5463-6 / 9783746054636
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