Aufklärung jetzt (eBook)
736 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403068-5 (ISBN)
Steven Pinker, geboren 1954, studierte Psychologie in Montreal und an der Harvard University. 20 Jahre lang lehrte er am Department of Brain and Cognitive Science am MIT in Boston und ist seit 2003 Professor für Psychologie an der Harvard University. Seine Forschungen beschäftigen sich mit Sprache und Denken, daneben schreibt er regelmäßig u.a. für die »New York Times« und den »Guardian«. Er war »Humanist of the Year 2006«, das Magazin »Prospect« zählte ihn zu den »Top 100 öffentlichen Intellektuellen«, das Magazin »Foreign Policy's zu den »100 globalen Intellektuellen« und das »Time Magazine« zu den »100 einflussreichsten Menschen in der heutigen Welt«. Im S. Fischer Verlag ist die viel diskutierte Studie »Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit« (2011) erschienen, außerdem »Wie das Denken im Kopf entsteht« (2011), »Der Stoff, aus dem das Denken ist« (2014) sowie »Das unbeschriebenen Blatt. Die moderne Leugnung der menschlichen Natur« (2017). Sein Werk ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden.
Steven Pinker, geboren 1954, studierte Psychologie in Montreal und an der Harvard University. 20 Jahre lang lehrte er am Department of Brain and Cognitive Science am MIT in Boston und ist seit 2003 Professor für Psychologie an der Harvard University. Seine Forschungen beschäftigen sich mit Sprache und Denken, daneben schreibt er regelmäßig u.a. für die »New York Times« und den »Guardian«. Er war »Humanist of the Year 2006«, das Magazin »Prospect« zählte ihn zu den »Top 100 öffentlichen Intellektuellen«, das Magazin »Foreign Policy's zu den »100 globalen Intellektuellen« und das »Time Magazine« zu den »100 einflussreichsten Menschen in der heutigen Welt«. Im S. Fischer Verlag ist die viel diskutierte Studie »Gewalt. Eine neue Geschichte der Menschheit« (2011) erschienen, außerdem »Wie das Denken im Kopf entsteht« (2011), »Der Stoff, aus dem das Denken ist« (2014) sowie »Das unbeschriebenen Blatt. Die moderne Leugnung der menschlichen Natur« (2017). Sein Werk ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Martina Wiese studierte Anglistik und Linguistik an der Universität Düsseldorf und ist seit 1984 als freie Übersetzerin und Lektorin tätig. Sie hat u.a. Steven Pinker, Richard E. Nisbett sowie die Nobelpreisträger Peter Doherty und Eric Kandel ins Deutsche übersetzt.
Pinker zeigt, was jeder wissen könnte, doch die meisten Leser überrascht: Die Welt, in der wir leben, ist die beste Welt aller Zeiten.
ein wuchtig mit Zahlen, Daten und Fakten untermauertes wissenschaftliches Bollwerk gegen die postfaktische Gesellschaft à la Trump
Für Journalisten Pflichtlektüre, für Politiker allemal [...] Es lohnt sich, einen Monat lang auf TV-Nachrichten und Social Media zu verzichten, um dieses Buch zu lesen.
ein polemisches Pamphlet, ein unterhaltsam geschriebenes, wütendes, zugleich witziges, sogar selbstironisches ›Plädoyer für die Moderne‹ gegen deren Kritiker, von links bis rechts
Ein Sachbuch, das aufklärt und wohltut.
Ein so faszinierendes wie polarisierendes Buch, das an Überzeugungen rüttelt.
ein wohltuendes Korrektiv zu all den Stimmen, die stets das Schlechteste hoffen. Das Buch verteidigt die enormen Errungenschaften unserer Kultur und kommt zur richtigen Zeit
sein Buch ist die beste Waffe gegen Fake News
Sein Buch ist ein Plädoyer gegen Pessimismus, Zynismus und apokalyptisches Denken
Kapitel 1 Wage zu verstehen!
Was ist Aufklärung? In einem Essay von 1784 mit dieser Frage im Titel lautete Immanuel Kants Antwort, sie sei »der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit«, der aufgrund von »Faulheit und Feigheit« erfolgten Unterwerfung unter die »Satzungen und Formeln« religiöser oder politischer Autoritäten.[4] Wie er verkündete, gilt als Wahlspruch der Aufklärung: »Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!«, und seine grundlegende Forderung ist die nach der Freiheit im Denken und Reden. »Ein Zeitalter kann sich nicht verbünden und darauf verschwören, das folgende in einen Zustand zu setzen, darin es ihm unmöglich werden muß, seine … Erkenntnisse zu erweitern, von Irrtümern zu reinigen, und überhaupt in der Aufklärung weiter zu schreiten. Das wäre ein Verbrechen wider die menschliche Natur, deren ursprüngliche Bestimmung gerade in diesem Fortschreiten besteht.«[5]
Eine aus dem 21. Jahrhundert stammende Formulierung der gleichen Idee findet sich in The Beginning of Infinity, einer Rechtfertigung der Aufklärung durch den Physiker David Deutsch. Wenn wir wagen zu verstehen, so Deutsch, ermöglicht dies Fortschritt in allen Bereichen, gleich ob wissenschaftlicher, politischer oder ethischer Natur:
Optimismus (in dem von mir vertretenen Sinn) ist die Theorie, dass jegliches Versagen – jegliches Übel – auf unzureichendem Wissen beruht. … Probleme sind unausweichlich, weil unser Wissen nie auch nur im Entferntesten vollständig sein wird. Manche Probleme sind gewaltig, aber man sollte keineswegs gewaltige Probleme mit Problemen verwechseln, die wahrscheinlich unlösbar sind. Probleme lassen sich lösen, und jedes einzelne Übel ist ein lösbares Problem. Eine optimistische Zivilisation ist offen und ohne Angst vor Erneuerung, und sie gründet sich auf überlieferte Kritik. Ihre Institutionen verbessern sich fortlaufend, und das wichtigste ihnen innewohnende Wissen ist die Kenntnis, wie sich Irrtümer aufspüren und beseitigen lassen.[6]
Was ist die Aufklärung?[7] Darauf gibt es keine offizielle Antwort, weil die Epoche, der Kants Essay ihren Namen gab, nie durch eine Eröffnungszeremonie oder Abschlussfeier wie die Olympischen Spiele eingeläutet oder beendet wurde; ebenso wenig wurden ihre Grundsätze in einem Schwur oder Glaubensbekenntnis festgelegt. Die Aufklärung verortet man gemeinhin in den beiden letzten Dritteln des 18. Jahrhunderts, obwohl sie in der wissenschaftlichen Revolution und dem Zeitalter der Vernunft im 17. Jahrhundert ihren Ursprung hatte und schließlich in die Blütezeit des klassischen Liberalismus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mündete. Ermutigt durch Naturwissenschaftler und Entdecker, die gängige Meinungen in Frage stellten, im Bewusstsein blutiger Religionskriege aus der jüngeren Vergangenheit und angestachelt durch Wandelbarkeit und Wankelmut von Ideen und Menschen suchten die Denker der Aufklärung nach einem neuen Verständnis der menschlichen Existenz. Die Epoche war ein Füllhorn an – zum Teil widersprüchlichen – Ideen, aber vier Themen einten sie: Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt.
An erster Stelle steht die Vernunft. Vernunft ist nicht verhandelbar. Sobald wir erörtern, welchen Sinn das Leben hat (oder jede andere Frage), solange wir darauf bestehen, dass unsere wie auch immer gearteten Antworten vernünftig oder fundiert oder wahr sind und dass andere Menschen sie daher ebenfalls für bare Münze nehmen sollten, haben wir uns der Vernunft verpflichtet und der Annahme, dass unsere Überzeugungen objektiven Maßstäben standhalten.[8] Wenn es etwas gibt, das die Denker der Aufklärung gemeinsam hatten, dann war es das Beharren darauf, dass wir den Maßstab der Vernunft mit Nachdruck an unser Verständnis der Welt anlegen und nicht wieder der Heraufbeschwörung von Trugbildern erliegen – sei es durch Glaube, Dogma, Offenbarung, Autorität, Charisma, Mystizismus, Weissagung, Visionen, Bauchgefühl oder die hermeneutische Analyse sakraler Texte.
Es war die Vernunft, die die meisten Denker der Aufklärung veranlasste, sich von dem Glauben an einen anthropomorphen Gott, der sich für die Geschicke der Menschen interessiert, zu distanzieren.[9] Die Vernunft offenbarte, dass Berichte von Wundern zweifelhaft waren und die Verfasser heiliger Bücher nur allzu menschlich, dass Naturereignisse ganz unabhängig vom Wohlergehen der Menschen auftraten und verschiedene Kulturen an miteinander unvereinbare Gottheiten glaubten, die allesamt mit gleicher Wahrscheinlichkeit Phantasieprodukte waren. (So schrieb Montesquieu: »Wenn Dreiecke einen Gott hätten, würden sie ihn mit drei Ecken ausstatten.«) Trotz alledem waren nicht alle Denker der Aufklärung Atheisten. Einige waren Deisten (im Unterschied zu Theisten): Sie glaubten, dass Gott das Universum in Gang gesetzt und sich dann zurückgezogen habe, um es sich gemäß den Naturgesetzen entfalten zu lassen. Andere waren Pantheisten, für die »Gott« synonym mit den Naturgesetzen war. Doch nur wenige riefen den Gebote verkündenden, Wunder wirkenden, Sohn zeugenden Gott der Schrift an.
Viele Autoren der heutigen Zeit verwechseln die für die Aufklärung typische Verfechtung der Vernunft mit der unglaubwürdigen Behauptung, Menschen seien durch und durch rationale Akteure. Nichts könnte von den historischen Tatsachen weiter entfernt sein. Denker wie Kant, Baruch de Spinoza, Thomas Hobbes, David Hume und Adam Smith waren wissbegierige Psychologen und sich unserer irrationalen Leidenschaften und Schwächen nur allzu sehr bewusst. Sie unterstrichen, dass unsere Torheiten allein durch die Offenlegung ihrer allgemein verbreiteten Ursachen zu überwinden seien. Die bewusste Nutzung der Vernunft war gerade deshalb unumgänglich, weil unsere üblichen Denkschemata nicht gerade rational sind.
Das führt uns zum zweiten Ideal, der Wissenschaft – der Weiterentwicklung der Vernunft, um die Welt zu verstehen. Die wissenschaftliche Revolution war auf eine Weise revolutionär, die für uns heutzutage schwer nachzuvollziehen ist, da die meisten Menschen ihre Entdeckungen mittlerweile als gegeben hinnehmen. Der Historiker David Wootton führt uns die Weltsicht eines gebildeten Engländers am Vorabend der Revolution im Jahr 1600 vor Augen:
Er glaubt, dass Hexen Stürme heraufbeschwören können, die Schiffe untergehen lassen. … Er glaubt an Werwölfe, obwohl es in England keinen einzigen gibt – er weiß, dass sie in Belgien ihr Unwesen treiben. … Er glaubt, dass Circe Odysseus’ Mannschaft wirklich in Schweine verwandelt hat. Er glaubt, dass Mäuse spontan in Strohhaufen erzeugt werden. Er glaubt an zeitgenössische Zauberer. … Er hat das Horn eines Einhorns gesehen, aber kein Einhorn.
Er glaubt, dass ein Mordopfer in der Gegenwart des Mörders zu bluten beginnt. Er glaubt, dass eine durch einen Dolch verursachte Wunde heilt, wenn man den Dolch mit einer bestimmten Salbe bestreicht. Er glaubt, dass Form, Farbe und Beschaffenheit einer Pflanze einen Hinweis auf ihre Heilkraft geben können, weil Gott die Natur so geschaffen hat, dass der Mensch sie richtig deuten kann. Er glaubt, dass sich unedles Metall in Gold verwandeln lässt, auch wenn er bezweifelt, dass irgendwer weiß, wie das geht. Er glaubt, dass die Natur eine Abneigung gegen die Leere hat. Er glaubt, dass der Regenbogen ein Zeichen von Gott ist und Kometen ein Unheil ankündigen. Er glaubt, dass Träume die Zukunft weissagen, wenn wir nur wissen, was sie uns sagen sollen. Und natürlich glaubt er, dass die Erde stillsteht und sich Sonne und Sterne alle 24 Stunden einmal um die Erde drehen.[10]
Rund 130 Jahre später glaubte ein gebildeter Nachkomme dieses Engländers keines dieser Dinge mehr. Es war ein Entrinnen nicht nur aus der Ignoranz, sondern auch vor Angst und Schrecken. Im Mittelalter, so der Soziologe Robert Scott, »sorgte der Glaube, dass eine äußere Macht das tägliche Leben bestimmte, für eine Art kollektiver Paranoia«:
Regenschauer, Donner, Blitz, Windböen, Sonnen- oder Mondfinsternisse, Kälteeinbrüche, Hitzewellen, Dürreperioden und Erdbeben galten allesamt als Zeichen und Signale für Gottes Missfallen. Demzufolge bevölkerten »Schreckgespenster« jeden erdenklichen Bereich des Lebens. Das Meer wurde zum Reich Satans, und Wälder wimmelten von Raubtieren, Monstern, Hexen, Dämonen und sehr realen Dieben und Halsabschneidern. … Nach Einbruch der Dunkelheit war die Welt überdies erfüllt von Omen, die Gefahren aller Art voraussagten – Kometen, Meteoren, Sternschnuppen, Mondfinsternissen und dem Heulen wilder Tiere.[11]
Für die Denker der Aufklärung zeigte das Entrinnen aus Ignoranz und Aberglauben, wie fehlgeleitet unsere gängigen Meinungen sein können und dass die Verfahren der Wissenschaft – Skeptizismus, Fallibilismus, offene Diskussion und empirisches Testen – ein Paradigma zum Erlangen verlässlichen Wissens sind.
Dieses Wissen beinhaltet auch, dass wir uns selbst verstehen. Das Bedürfnis nach einer »Wissenschaft vom Menschen« war ein Thema, das Denker der Aufklärung verband, die sich ansonsten in vielem uneins waren, darunter Montesquieu, Hume, Smith, Kant, Nicolas de Condorcet, Denis Diderot, Jean-Baptiste d’Alembert, Jean-Jacques Rousseau und Giambattista Vico. Ihre Überzeugung, dass es so etwas wie eine...
Erscheint lt. Verlag | 26.9.2018 |
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Übersetzer | Martina Wiese |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie |
Geisteswissenschaften ► Religion / Theologie | |
Schlagworte | Analyse • Begründung • Daten • Diskussion • Ethik • Evolution • Fakten • Gelehrsamkeit • Gerechtigkeit • Glaube • Intellektuelle • Kant • Kapitalismus • Klimawandel • Philosophie • Politik • Populismus • Rationalismus • Religion • Theorie • Trump • Universität • Utilitarismus • Verstand • Wissen |
ISBN-10 | 3-10-403068-5 / 3104030685 |
ISBN-13 | 978-3-10-403068-5 / 9783104030685 |
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