Liebe in Zeiten des Hochverrats (eBook)

Tagebücher und Briefe aus dem Gefängnis 1942-1945
eBook Download: PDF | EPUB
2017 | 1. Auflage
298 Seiten
C.H.Beck (Verlag)
978-3-406-71423-8 (ISBN)
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Liebe gedeiht auch in Zeiten des Hochverrats – hinter Gittern, in Zuchthäusern, selbst im Angesicht des Galgens. Für Joy und Günther Weisenborn war sie eine Art Lebens-Mittel, das ihnen Zuversicht und Mut gab. Ihre Tagebücher und Briefe sind berührende Dokumente, die zeigen, wie zwei Gegner des Dritten Reiches die Endphase des Zweiten Weltkrieges überlebten.
Am 26. September 1942 wurden die Weisenborns verhaftet. Sie gehörten zum Freundeskreis um Harro Schulze-Boysen, der auf vielfältige Weise Widerstand leistete gegen den Nationalsozialismus. Die Gestapo rechnete ihn einer angeblich von Moskau gesteuerten Widerstandsgruppe zu, die sie auf den Namen „Rote Kapelle“ taufte. In der Haftzeit schrieben sich der prominente Schriftsteller und seine Frau Briefe. So bewahrten sie sich ihr eigenes privates Reich, das sogar dem allmächtig scheinenden NS-Regime Grenzen setzte. Nach ihrer Entlassung im April 1943 führte Joy zudem ein Tagebuch, das hier erstmals veröffentlicht wird. Die sehr persönlichen Dokumente legen Zeugnis ab von einer großen Liebe und einer Gegenwelt, die sich – trotz Isolation und Todesangst – nicht unterkriegen ließ.

<strong>Christian </strong>und <strong>Sebastian Weisenborn </strong>sind die S&ouml;hne von Joy und G&uuml;nther Weisenborn. Der Dokumentarfilmer Christian Weisenborn hat zuletzt den Film &bdquo;Die guten Feinde. Mein Vater, die Rote Kapelle und ich&ldquo; gedreht, der zum Jahrestag der Verhaftung der &bdquo;Roten Kapelle&ldquo; im September 2017 im ZDF gezeigt wird.<br /><strong>Hans Woller</strong> ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut f&uuml;r Zeitgeschichte und war von 1994 bis 2015 Chefredakteur der Vierteljahrshefte f&uuml;r Zeitgeschichte.

Cover 1
Titel 3
Zum Buch 299
Über die Herausgeber 299
Impressum 4
Inhalt 5
«Zu viel für ein Menschenleben» – Die Weisenborns und die «Rote Kapelle» 7
Dokumente 39
Die Weisenborns nach 1945 243
Anmerkungen 271
Bildnachweis 293
Personenregister 294

DOKUMENTE


Günther an Joy Weisenborn, 8. Oktober 1942


Mein Joyken,

ich will Dir nur sagen, dass ich Dich schrecklich lieb habe, und Du willst doch sicher, dass ich mir keine Sorgen mache wegen Deines Gesundheitszustandes, nicht? Bitte, geh also zum Arzt und lass Dich behandeln und schon Dich und weine nicht, sondern sei tapfer und ruhig. Spiel einige Partien nach dem Dufresne,[1] so dass Du mich später schlagen kannst, besonders studier Eröffnungen und Endspiele. Mach Dir einen Zeitplan: Braut v. Madrid[2] lernen, Schach studieren, lesen, zeichnen, Gymnastik, zeichne Situationen aus Büchern usw. Besonders Gymnastik ist wichtig, mein Liebstes: 20 Kniebeugen, 8 Kerzen, 20 x Holzhacken, 20 x nach rückwärts strecken, Dauerlauf auf der Stelle, damit der Blutkreislauf in Bewegung kommt. Das ist so wichtig gegen Deine Ohnmachten.

Ich hab mich so schrecklich gefreut, Dich zu sehen, es war so wunderbar![3] Ich hab Dich so lieb wie nie, Deine Rose liegt vor mir und duftet. Deine Augen sind tiefer geworden und viel schöner. Es ist eine harte Zeit, mein innig geliebtes Joyken, aber ich glaube fest, sie wird bald vorüber sein. Dann werden wir wieder ein Fest zu zweien in unserem schönen Atelier machen, spielen unsere Cavatina von Bach,[4] trinken ein Glas Rotwein und lachen wieder einmal und sehn uns an und haben uns lieb, so wie es an Deinem Geburtstag war, und dann spielst Du unsere Lieder zur Ziehharmonika …

Ach, mein Kleines, ich bin nur ruhig, wenn Du auch ruhig bist, sonst mach ich mir Sorgen. Behalte Deine Fröhlichkeit, Deine Nerven und Deine Gesundheit. Du hast ja ein gutes Gewissen. Schlaf viel und pfleg Dich, so gut es geht, und sieh zu, dass Deine Rückengeschichte besser wird, ja? Deine Gesundheit ist meine Gesundheit. Und ich bin gesund und in guter Verfassung, wie Du ja gestern gesehn hast. Ach, mein Joyken, ich freu mich so sehr, dass Du lebst. Und dass ich Dich kenne. Und dass Du mich liebst

Dein darum fröhlicher Pitt

Joy an Günther Weisenborn [8. Oktober 1942][5]


Mein geliebter Junge, mein Pitt!!

Schon wieder ist ein ganzer Tag vergangen, seit wir uns gesehen. Es war eine wunderbare Stunde, jede Minute habe ich ausgekostet, und ich zehre jetzt bis zum nächsten Wiedersehn davon. Es war lieb von Herrn H., dass er uns diese Stunde genießen ließ.

Ich lese viel und zwischendurch gehe ich in meiner Zelle hin und her. Dann kommen mir die schönsten Träume vom Sommer – vom Meer – und wie unsere Körper immer knuspriger wurden. Du nanntest mich Deine kleine Mulattin, ach, und wenn es gar so heiß war, dann sprangen wir in die klaren Fluten … oh dieser Sommer war schön!

Mein liebster Junge, mache Dir nur keine Sorgen um mich, morgen gehe ich artig zum Arzt, heute ließ man mich nicht. Als ich gestern hier ankam, habe ich sofort der Oberwachtmeisterin, die den Umschlag für Herrn Habecker an sich genommen hatte, nochmals gesagt, die Raucherkarte weiterzubefördern. Sie sagt, sie hätte es besorgt. Ich bin da nun völlig machtlos, und kannst Du vielleicht Herrn H. Bescheid zukommen lassen, dass er mal mit dieser Dienststelle telefoniert. Es ist mir so unangenehm, weil Herr H. so lieb war und mir seine eigenen Zigaretten gab. Hoffentlich hat Vater[6] für Zigaretten gesorgt. Vater soll tüchtig für Bücher sorgen, ich lese so schnell, und da hat man im Nu ein Buch aus.

Vor mir liegt Dein Röschen, das Du geküsst hast, es wird nicht ewig frisch bleiben, aber meine Liebe bleibt frisch für Dich, mein Pitt! Ich bin auch ganz tapfer und weine nicht mehr, nur wenn ich Dich sehe, dann kommt immer so eine kleine Tränendrüse hoch, die sich ergießen muss, aber das ist nur Freude! Hoffentlich können wir bald wieder frohen Einzug in unser Mauseloch halten, dann springe ich zuerst mal über sämtliche Stühle und Couchen und dann lass ich die unwahrscheinlichsten Töne aus meiner Kehle erklingen, die weniger musikalisch sind, dafür aber direkt aus meinem Herzen stammen, und dann werden wir ein Fest feiern, ich lade Dich ein und Du mich, und die Kerzen werden angezündet … Oh, Junge, wenn es erst so weit wäre! Jetzt gleich geh ich schlafen, und morgen mache ich den 14. Strich an die Wand, hoffentlich kommen nicht mehr so viele dazu. Gute Nacht, mein Pitt, in Gedanken bin ich immer bei Dir! Schlafe gut, aber wirklich!!

Den liebsten Kuss von der Welt geb ich Dir, Dein kleines, Dich so innig liebendes Joyken

Joy an Günther Weisenborn, 10. Oktober 1942


Mein Pitt!

Heute ist Sonnabend, und die Glocken läuten, und eine große Sehnsucht ist in meinem Herzen. Deinen lieben, lieben Brief habe ich bekommen, und Deine Ratschläge werden befolgt. Beim Arzt war ich, er hat mir Tabletten gegeben. Heute am Spätnachmittag kamen endlich die Sachen vom Vater, worauf ich seit Donnerstag sehnlichst gewartet habe, hauptsächlich wegen warmer Socken und Pyjama, es ist jetzt nämlich empfindlich kalt hier, weil es draußen so feucht-kalt ist. Ich finde, Vater könnte ruhig ein bisschen besser für uns sorgen, ich hatte mich so auf ein Butterbrot gefreut, und zu lesen hatte ich auch nichts mehr. Ein Buch ist so schnell gelesen.

Carl Weisenborn

Weißt Du, wenn Sonnabend/Sonntag vorüber sind, dann geht es wieder besser, aber die Tage gerade sind so voll schöner Erinnerungen. Unser Sonntagmorgen, mein Pittchen raucht behaglich sein Pfeifchen, und ich handarbeite oder lese, und im Radio das Schatzkästlein![7] Ach, mein Junge, ich bete zu Gott, dass es der letzte Sonntag sein möge, den wir in diesen Zellen verbringen müssen.

Dein Brief war so lieb, mein Junge, sie müssen sich gekreuzt haben. Er war mir so ein Trost.

Wir werden dann wieder arbeiten zusammen, oh Pitt, meine Sehnsucht!

Dieses Wetter bedrückt auch sehr.

Als die Sachen gar nicht kamen, da hatte ich mir die dumme Hoffnung gemacht, dass wir eventuell heute nach 14 Tagen rauskämen und Herr H. vielleicht zu Vater gesagt hätte, es lohnt sich nicht mehr. Aber man soll sich keinen Hoffnungen hingeben, ich will tapfer sein und abwarten, bis das erlösende Wort gesprochen ist.

Mein Pitt, jetzt wird es wirklich Herbst, und in einem halben Monat ist schon November, und dann sind es nur noch acht Wochen bis Weihnachten. Weißt Du noch im vorigen Jahr? Wie wir glücklich wie Kinder unsern ersten Weihnachtsbaum schmückten? Und dann die Bescherung!

Und denkst Du auch an den 15. Oktober (Donnerstag)? Vor drei Jahren lernten wir uns da kennen!! Sollten wir noch in unsern Zellen sein, so wollen wir beide mit tiefem Dank im Herzen an diesen Tag zurückdenken, ja? Oh mein Junge, schlaf nun recht gut, ich werd’s auch tun, ich küsse Dich auf Deine lieben Augen. Gute Nacht!

Dein kleines Joyken

Joy an Günther Weisenborn, 13. Oktober 1942


Mein liebster, mein allerliebster Pitt!

Nun ist schon wieder eine Woche vergangen, seit wir uns sehen durften. Wie mag es Dir gehen, mein Junge? Hoffentlich gut?? Mir geht es gut, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Dein Brief war so lieb, und ich befolge artig Deine Ratschläge, mache Freiübungen usw. Beim Arzt war ich auch, er hat mir Tabletten verschrieben, morgen geh ich noch mal hin. Und ich hab so große Sehnsucht nach Dir!! Ob die Zeit der Erlösung noch nicht bald da ist? Wenn bloß der Vater laufend für Bücher sorgen würde, aber er denkt gar nicht daran, er schickt mir Bücher, die mich so gar nicht interessieren, aber da hilft nun mal nichts, es muss eben jeder sowas mal mitgemacht haben, um diese Menschen zu verstehen. Ach Junge, ich hoffe so, dass es bald alles gut ist!

14. Oktober 1942[8]


Mein Pitt!

Heute ist Mittwoch, und noch immer ist weder etwas von Erika[9] noch von Vater gekommen. Ich bin sehr traurig. Und morgen ist der Tag, an dem wir uns vor drei Jahren kennenlernten. Weißt Du noch??

Es ist gut, dass der heutige Tag vorbei ist, er war nicht schön. Ich küsse Dich innig, mein Junge, ob wir uns bald sehen werden? Ich sehne mich nach Liebe, Blumen, Musik und Wärme und nach was Richtigem zu essen. Ich will tapfer sein, wenn’s auch sehr schwer ist.

Dein kleines liebebedürftiges Joyken

Joy an Günther Weisenborn, 22. Oktober 1942


Mein geliebtester Pitt!

...

Erscheint lt. Verlag 29.8.2017
Mitarbeit Anpassung von: Gabriele Jaroschka, Helga Tuček
Zusatzinfo mit 32 Abbildungen
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Briefe • Deutschland • Dokumente • Geschichte • Gestapo • Nationalsozialismus • Rote Kapelle • Tagebücher • Widerstand • Zuchthaus • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-406-71423-4 / 3406714234
ISBN-13 978-3-406-71423-8 / 9783406714238
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