Erzwungene Exile (eBook)

Umsiedlung und Vertreibung in der Vormoderne (500 bis 1850)

Thomas Ertl (Herausgeber)

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2017 | 1. Auflage
272 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-43384-4 (ISBN)

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Erzwungene Exile -
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Im 20. Jahrhundert wurden in Europa mehr Menschen vertrieben und umgesiedelt als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit. Allerdings handelt es sich bei solchen Zwangsmigrationen weder um ein ausschließlich modernes noch um europäisches Phänomen: In fast allen Teilen der Welt ereigneten sich Umsiedlungen schon vor 1800. In diesem Band werden erstmals Beispiele aus ganz unterschiedlichen Weltregionen diskutiert und miteinander verglichen. Die Lektüre macht deutlich, wie die Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Kontexten als politisches Mittel eingesetzt wurde. Wer die europäischen Zwangsumsiedlungen der Moderne verstehen will, sollte auch deren Vorgeschichten innerhalb und außerhalb Europas kennen.

Thomas Ertl ist Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Wien.

Thomas Ertl ist Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Wien.

Inhalt 6
Vorwort 8
Einleitung: Migration, Umsiedlung und Vertreibung vom Babylonischen Exil ( ab 597 v. Chr.) bis zum Trail of Tears ( ab 1830) 10
Die Zwangsumsiedlungen der Sachsen an der Wende vom 8. zum 9. Jahrhundert 36
Zwangsmigration in Byzanz: Kurzer Überblick mit einer Fallstudie aus dem 11. Jahrhundert 60
Religionskonflikt im Protostaat? Die Deportation der Muslime Siziliens durch Kaiser Friedrich II. ( 1223– 1246/ 47) 82
Die Einheimischen, die Fremden und die Furcht: Umsiedlungspolitik im Inka- Staat 108
Das Iberische Modell: Minoritätenpolitik zwischen Mittelalter und Neuzeit 132
Zwangsmigration, Zwangsumsiedlung, Bevölkerungspolitik? Der Fall der Hugenotten 160
Zwangsumsiedlungen und » Wirtschaftsflüchtlinge « im und aus dem Chinesischen Kaiserreich 178
Ursprung und Frühphase des atlantischen Sklavenhandels bis um 1600 198
Der europäische Sklavenhandel auf dem Indischen Ozean ( 1500– 1800) 222
Von Julfa nach Julfa: Zwangsumsiedlungen von Armeniern in Iran im frühen 17. Jahrhundert 240
Autorinnen und Autoren 258
Personen- und Ortsregister 262

Vorwort Am 19. September 2016 tagten die Vereinten Nationen in New York, um den Schutz von Flüchtlingen zu verbessern. Der Gipfel hatte das Ziel, mit der New York Declaration deutliche und dauerhafte Verbesserungen für Flüchtlinge durchzusetzen. Ob das gelingen kann, wird sich zeigen. Dass solche Anstrengungen nötig sind, beweisen die aktuellen Flüchtlingszahlen: Laut UNHCR waren im Jahr 2016 so viele Menschen auf der Flucht wie noch nie zuvor. Die Themen Migration, Umsiedlung und Vertreibung gehören zu den schwierigsten Herausforderungen unserer Zeit. Entsprechend groß ist das Interesse in Politik, Gesellschaft und Wissenschaft. Während die politische Diskussion häufig auf die Gegenwart und kurzfristige Lösungen gerichtet ist, untersucht die Wissenschaft die strukturellen und historischen Dimen-sionen von Migration. Das ist wenig erstaunlich, gab es grenzüberschrei-tende freiwillige und erzwungene Migration doch in allen Epochen und Regionen der Menschheit. Im vorliegenden Sammelband, der auf eine Ringvorlesung an der Uni-versität Wien zurückgeht, diskutieren die AutorInnen ausgewählte Bei-spiele von Zwangsmigrationen vor dem Jahr 1800. Die Fallstudien sollen stellvertretend sowohl die Vielfalt der Erscheinungsformen als auch epo-chen- und raumübergreifende Gemeinsamkeiten von erzwungener Migra-tion veranschaulichen. Ich danke meinen Mitarbeitern Markus Mayer und Andreas Moitzi für ihre Unterstützung bei der Drucklegung und Jürgen Hotz vom Campus Verlag für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Vor allem aber danke ich den Autorinnen und Autoren dafür, dass sie sich auf dieses Projekt eingelassen haben und es nun mit ihren Beiträgen erfolgreich zum Abschluss bringen. Wien, im Sommer 2017 Einleitung: Zwangsmigration und Umsiedlung vom Babylonischen Exil (ab 597 v. Chr.) bis zum Trail of Tears (ab 1830) Thomas Ertl Im Jahr 2016 waren nach den aktuellen Zahlen des Flüchtlingshilfwerks der Vereinten Nationen weltweit etwa 60 Millionen Menschen auf der Flucht (UNHCR 2016). Das sind doppelt so viele wie vor zwanzig Jahren und ein neuer absoluter Negativrekord. Die Ursachen sind bereits seit vielen Jahren andauernde Konflikte wie in Somalia und Afghanistan sowie neue dramatische Ereignisse wie der Bürgerkrieg in Syrien. Allein aus die-sen drei genannten Ländern kommt derzeit die Hälfte aller Flüchtlinge. Die meisten Flüchtlinge wurden innerhalb ihrer eigenen Ländern vertrieben oder halten sich in einer benachbarten Region auf. Das zeigen beispielsweise die syrischen Flüchtlinge, die vorrangig in den Nach-barländern Türkei (derzeit 2,7 Millionen) und Libanon (derzeit 700.000) ausharren. In der europäischen öffentlichen Wahrnehmung erregten in der jüngsten Vergangenheit vor allem die Gefahren auf den Fluchtrouten sowie die Integration in den Aufnahmeländern viel Aufmerksamkeit: Seit Anfang 2014 sind im Mittelmeer mehr als 10.000 Menschen ertrunken. Die Aufnahme und Verteilung der Flüchtlinge und Migranten in der Europäischen Union hat eine politische Krise ausgelöst, die die Union im Ganzen und die einzelnen Mitgliedsstaaten stark beschäftigt. Flucht und Vertreibung sind aufgrund dieser Ereignisse ein Thema von höchster Aktualität. Dies gilt sowohl für den politischen als auch für den wissenschaftlichen Diskurs. Im Gegensatz zum häufig auf die Gegenwart und unmittelbare Zukunft konzentrierten politischen Diskurs, bemüht sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema um eine umfassendere Interpretation (Kedar 1996; Eltis 2002; Hoerder 2002; Bade 2007; Ness 2013). Dabei wird schnell klar: Flucht und Vertreibung sind kein Phänomen der Gegenwart, sondern in allen historischen Epochen nachweisbar. Zudem sind Flucht und Vertreibung nur eine Facette von Migration. Die Menschheitsgeschichte war von Anfang an von freiwilliger und erzwungener Mobilität über Grenzen hinweg geprägt. Diese Geschichte der Wanderungen begann mit dem vermuteten Ursprung des modernen Menschen in Afrika vor ca. 100.000 Jahren und seiner anschließenden Ausbreitung über die gesamte Welt (Stringer 2011). Seither sind alle Jahrhunderte und Epochen gekennzeichnet von freiwilliger oder erzwungener Migration von Einzelpersonen, kleinen Gruppe und großen Bevölkerungsteilen. Die aktuellen Flüchtlingszahlen sind nur ein weiterer Höhepunkt in dieser unendlichen Geschichte menschlicher Migration. Ursachen, Formen und Umfang der Wanderungen waren immer schon komplex. In der wissenschaftlichen Diskussion wurde daher eine Fülle von unterschiedlichen Begriffen eingeführt. Unter Emigration wird bespielsweise eine Form der Mobilität bezeichnet, die aus freiem Entschluss erfolgt, primär wirtschaftlichen Motiven verpflichtet und auf Dauer angelegt ist. Diese Form der Migration ereignete sich in allen Epochen und in allen Regionen der Welt (für das Mittelalter Borgolte 2014). In der Regel wanderten Menschen vom Land in die Stadt oder aus einer ärmeren Randlage in eine wirtschaftlich erfolgreichere Region. Allein durch den Zuzug konnten die Städte in Europa und auf anderen Kontinenten ihren Bevölkerungsstand wahren oder weiter wachsen. Die Migration in wirtschaftliche Erfolgsregionen führte in Europa zu einem wirtschaftlichen und demographischen Ballungsraum zwischen Südengland und Norditalien, der auch die 'Blaue Banane' genannt wird - aufgrund seiner bananenartigen geographischen Erstreckung und der europäischen Farbe blau. Migration dieser Art existiert auch innerhalb eines Landes, bespielsweise der Bundesrepublik Deutschland nach der Vereinigung: Seit 1990 haben Tausende Einzelne und ganze Familien die ostdeutschen Bundländer verlassen, um im Westen Ausbildung und Arbeit zu finden. Eine umgekehrte Migrationswelle in die Peripherie vollzog sich dage-gen im hohen Mittelalter im 12. und 13. Jahrhundert. Damals zogen Siedler vor allem aus dem Westen des Heiligen Römischen Reiches, das heißt aus den Rheinlanden und aus den heutigen Niederlanden, in die östlichen Randgebiete des Reichs und nach Osteuropa. Angelockt hatten sie rechtliche und wirtschaftliche Vergünstigungen der dortigen Grundherren. In der Heimat waren die Einkommensmöglichkeiten aufgrund einer steigenden Bevölkerung geschrumpft, im Osten taten sich neue Möglichkeiten auf. Dieser hochmittelalterliche Landesausbau zog sich über mehrere Generationen hin und führte zur Erschließung zusätzlichen Ackerlandes und zur Anlage neuer Städte. Die Geschichte Ostmitteleuropas wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein von dieser Ansiedlung und ihren wirtschaftlichen, ethnisch-sprachlichen und kulturellen Folgen geprägt (Bartlett 1993). Von innerer Migration geprägt waren auch Asien und Afrika. Im frü-hen Mittelalter ging in Schwarzafrika eine lange Zeit der Völkerwanderun-gen zu Ende. Gruppen aus der Sprachfamilie des Bantu und andere Völ-ker, die Landwirtschaft betrieben und die Eisenverarbeitung kannten, hatten sich auf Kosten von Jäger- und Sammlergruppen ausgebreitet. Be-sonders die Völker, die Bantu ('Mensch') sprachen, besiedelten große Teile des afrikanischen Kontinents und traten dabei in unterschiedlichste Interaktion mit der sesshaften Bevölkerung (Bechhaus-Gerst 2014: S. 111-112). Das Ergebnis war eine ethnische und sprachliche Vielfalt, die Afrika noch heute prägt. Die beständigen Beziehungen zu arabischen Händlern im Indischen Ozean formten zudem aus den Küstenbewohnern Ostafrikas eine eigenständige Gesellschaft, die mit dem arabischen Wort Suaheli (Swahili) für 'Küstenbewohner' bezeichnet wird (Hoerder 2002: S. 139-162). Eine Migrationswelle, die die Welt in besonderem Maße prägte, war die europäische Emigration auf andere Kontinente zwischen 1500 und dem Ersten Weltkrieg (Canny 1994). Mit Erfolg haben sich Spanier, Briten und Franzosen in Amerika und Australien niedergelassen und jene Länder sukzessive in Besitz genommen - nicht zuletzt aufgrund eingeschleppter Krankheitserreger, die zu einem starken Bevölkerungsrückgang der einheimischen Bevölkerung führten. Ähnliches gelang den russischen Emigranten in Sibirien, die ähnlich wie die Westeuropäer in Kanada zunächst vom lukrativen Pelzhandel angelockt worden waren. Die frühneuzeitliche Emigration nach Asien verlief anders: Obwohl gleich viele Europäer vor 1800 nach Osten wie nach Westen segelten, nämlich jeweils ca. zwei Millionen (Ward 2009), hinterließen die Europäer in Asien keine demographischen Spuren. Starke asiatische Staaten und das für Europäer ungesunde Klima verhinderten eine größere Ansiedlung. Das Klima war auch der Hauptgrund dafür, dass Europäer sich nicht in größerer Zahl in Afrika niederließen. Zum Massenphänomen wurde die europäische Emigration erst nach 1800: Im 19. und frühen 20. Jahrhundert verließen zwischen 50 und 55 Millionen Menschen ihre europäische Heimat und gingen nach Übersee (Steidl 2009). Die Grenze zwischen freiwilliger Emigration und erzwungener Mobili-tät war zu allen Zeiten fließend (Eltis 2002: S. 5-6; Hoerder 2009: S. 54) und lässt daher Raum für unterschiedliche Interpretation und Ansichten. Nach dem deutschen Grundgesetz genießen politisch Verfolgte Asylrecht (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 16a). Einwanderer auf der Suche nach beruflichen Perspektiven, materieller Sicherheit und Erziehung für die Kinder erscheinen dadurch als Aufnahmekandidaten zweiter Klasse. Im deutschen Sprachraum wird seit den 1970er Jahren für diese Personen das abwertende Schlagwort des Wirtschaftsflüchtlings gebraucht. Damit wird ihnen die Notwendigkeit zur Flucht abgesprochen und der Missbrauch des Asylrechts vorgeworfen. Dabei wird allerdings außer Acht gelassen, dass das Fluchtmotiv häufig nicht auf einen einzigen Grund reduzierbar ist, sondern ökologische, ökonomische und politische Beweggründe in der Regel zusammenwirken. Was aus der Perspektive der Aufnahmeländer als 'freiwillige Emigration' erscheint, erfolgte aus subjektiver Sicht des Migranten aufgrund von unüberwindbaren ökonomischen und gesellschaftlichen Zwängen in der Heimat. Dieser fließende Übergang von Freiwilligkeit und Zwang lässt sich bereits bei Migrationen vor 1800 feststellen (Ward 2009). Beispielsweise waren Hugenotten und Juden nicht gezwungen worden, ihre französische beziehungsweise russische Heimat zu verlassen. Sie hätten sich für ihre alte Heimat entscheiden können - allerdings unter Preisgabe ihrer religiösen Identität (Jürgens 2010). Für Massenwanderungen nach 1800 gilt dies gleichermaßen. Die europäischen Migranten, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert Europa Richtung Ame-rika verließen, wurden zur Auswanderung nicht von einer staatlichen Ob-rigkeit gezwungen, sahen sich allerdings zumindest teilweise gezwungen, durch Auswanderung ihren miserablen Lebensbedingungen und Aussich-ten in der Heimat zu entkommen. Die gleichzeitig stattfindende Auswan-derung von Südchinesen nach Malaysia erfolgte unter ähnlichen Bedingungen: einerseits freiwillig, andererseits angetrieben von subjektiv als untragbar wahrgenommenen Lebensbedingungen in der Heimat. Die Konsequenz war eine massive Migration, die dazu geführt hat, dass Chinesen heute in Malaysia einen Anteil von 25 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Auch in anderen südostasiatischen Staaten gibt es große chinesische Minderheiten. Hugenotten und andere Auswanderer, die ihre Heimat aus religiösen oder politischen Gründen verlassen mussten, gingen ins Exil. Als Exil wird in der historischen Forschung eine erzwungene Auswanderung aufgrund von religiöser, politischer oder ethnischer Verfolgung verstanden. Meist steht in der Exilforschung das Leben im Exil zwischen Anpassung, neuer Identitätsbildung und Rückbesinnung auf die verlorene Heimat im Mittel-punkt. In der frühneuzeitlichen Geschichte Europas spielten vor allem die religiösen Exulantengruppe eine prominente Rolle. Ca. 250.000-300.000 französische Hugenotten verließen vornehmlich nach der Aufhebung des Ediktes von Nantes (1685) ihre Heimat und ließen sich in den Niederlan-den, England und einigen calvinistischen Ländern in Deutschland nieder. Zu den religiös bedingten großen Migrationswellen im frühneuzeitlichen Europa zählen daneben niederländische Calvinisten, die ab 1550 aus den spanischen Niederlanden flohen, irische Katholiken, die ihre Heimat nach der englischen Besetzung verließen, und jene Salzburger Protestanten, die der Salzburger Fürsterzbischof 1732 des Landes verwies (Schilling 1992). Während für diese Glaubensflüchtlinge das Exil zu einem bestimmten Zeitpunkt begann, lebten die europäischen Juden in gewissem Sinne immer schon im Exil. Ihre Existenz in Europa war ständig gefährdet. Im Laufe des späten Mittelalters wurden sie aus Frankreich, England und den meisten deutschen Städten endgültig ausgewiesen - häufig verbunden mit Gewalt und Vernichtung. Wie alle Exulantengruppen stützte sich auch ihre Identität im Exil in wesentlichem Maße auf die Rückbesinnung auf die verlorene Heimat, in diesem Fall das verlorene Israel. Während bei den meisten christlichen Exulantengruppen die Assimilierung an den neuen Lebensraum in der zweiten und dritten Generation erfolgreich voranschritt, war dies bei den Juden nicht der Fall. Ins Exil gingen auch politische Flüchtlinge, Verbannte oder Verurteilte. Der berühmteste Exulant des Mittelalters ist der italienische Dichter Dante Alighieri. Nach einem Führungswechsel in Florenz sah sich Dante 1302 gezwungen, seine Heimatstadt zu verlassen. In Abwesenheit wurde er zu einer Geldstrafe und zum Ausschluss von allen öffentlichen Ämtern verurteilt. Sein Besitz wurde konfisziert. In einem weiteren Verfahren wurde Dante für den Fall seiner Rückkehr zum Tod durch Verbrennung verurteilt. Vor allem in der zersplitterten italienischen Städtelandschaft war die Verbannung politischer Gegner ein häufig angewandtes Instrument einer neu an die Macht gekommenen Gruppe (Heers / Bec 1990). In Florenz war selbst die Familie der Medici nicht vor diesem Schicksal gefeit und musste 1494-1512 im Exil verbringen (Tewes 2011). Auch in Städten nördlich der Alpen nutzten städtische Gerichtshöfe das Urteil der Verbannung, um Kriminelle und politische Unruhestifter aus der eigenen Gemeinschaft dauerhaft oder für eine bestimmte zeitliche Dauer zu entfernen. Nicht nur verurteilte Dichter und Kriminelle gingen ins Exil, sondern auch Fürsten und Adelige mussten diesen Weg in der Not beschreiten. Nach seinem Böhmischen Abenteuer 1620 fand Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz Aufnahme in den Niederlanden. Mitglieder des katholischen Hauses Stuart mussten mehrmals nach Frankreich fliehen, um ihren protestantischen Gegnern in England zu entgehen. Der Fluchtversuch der französischen Königsfamilie 1791 endete bekanntlich unglücklich, doch bereits seit 1789 hatten französische Adelige und Mitglieder des höheren Klerus das Land verlassen. Angeblich handelte es sich um 100.000-150.000 Personen, die nach der Restauration der Monarchie 1812 teilweise zurückkehren konnten. Das Exil ist eine Form von Zwangsmigration. Dieser Begriff wird für unterschiedliche Formen der Vertreibung, Verschleppung, Deportation, Umsiedlung und Flucht einzelner Personen oder Gruppen gebraucht. Ein wichtiges Motiv für die Verschleppung und erzwungene Umsiedlung von Menschen stellte die Gewinnung von unfreien Arbeitskräften dar. Dies gilt in erster Linie für die Gefangennahme, Verschleppung und den Verkauf von unfreien Bauern und Sklaven. Die Gewalt von Menschen über den Körper anderer Menschen, verbunden mit einem Zwang zur Arbeit, ist ein globales Phänomen, dessen Ursprünge vermutlich in die Steinzeit zurückreicht. Skaverei und andere Formen von persönlicher Unfreiheit waren immer auch mit Zwangsmigration verbunden (Christopher / Pybus / Rediker 2007). Im Mittelalter waren Sklaverei und unterschiedliche Formen der Unfreiheit weit verbreitet. Vor allem Kriegsgefangene wurden in die Sklaverei gezwungen. Fernkaufleute und alle kriegsführenden Mächte der damaligen Zeit profitierten davon, wobei mit Vorliebe Andersgläubige versklavt und verkauft wurden: die Waräger handelten mit Sklaven in Osteuropa, die Wikinger machten menschliche Beute auf den britischen Inseln, deutsche Könige und Fürsten waren im slawischen Osten 'erfolgreich'. Bis ins 12. Jahrhundert überfielen christlichen Sachsen ihre slawischen Nachbarn, um sie auszuplündern und als Sklaven zu verkaufen. Die italienischen Seehandelsstädte handelten noch im ausgehenden Mittelalter mit Sklaven aus dem Schwarzmeerraum und vom Balkan. Muslimische Herrscher erwarben sowohl weiße Sklaven aus Europa als auch schwarze Sklaven aus Afrika (N'Diaye 2010). Im 9. Jahrhundert arbeiteten im südlichen Irak so viele schwarze Sklaven in der Landwirtschaft, dass sie einen Aufstand gegen ihre muslimischen Herren unternahmen. Der Aufstand der Zandsch blieb erfolglos und der Handel mit Afrikanern in muslismische Länder über den indischen Ozean ging bis ins 19. Jahrhundert weiter. Eine besondere Form der Sklaverei waren die Militärsklaven in musli-mischen Reichen. In Europa besonders bekannt und berüchtigt waren die Janitscharen, eine Elitetruppe der osmanischen Armee. Das Janitscharen-korps, das auch die Leibwache des Sultans stellte, entstand im 14. Jahrhundert. Es bestand zunächst aus Kriegsgefangene und Sklaven, später aus christliche Knaben unterworfener Völker auf dem Balkan, die im Rahmen der 'Knabenlese' zwangsrekrutiert und zu loyalen Muslimen erzogen wurden (Hechelhammer 2010). In anderen muslimischen Reichen stiegen die Militärsklaven zu hohen administrativen und politischen Ämtern auf oder konnten sogar das Sultansamt erringen. Dies war der Fall im Sultanat von Delhi, in dem Militärsklaven aus Zentralasien die muslimische Herrschaft in Nordindien festigen konnten, sowie in Ägypten, das von 1250 bis 1520 von als Mamluken bezeichneten Militärsklaven aus dem Kaukasus regiert wurde. Anfang des 14. Jahrhunderts herrschte eine mamlukische Oberschicht von ca. 10.000 Personen über vier bis fünf Millionen Ägypter. Kriege und militärische Eroberungen stellte eine weitere in allen Epo-chen wichtige Ursache für Zwangsmigration dar. Das älteste allgemein bekannte Beispiel ist das babylonische Exil der Juden (Donner 1986). Nachdem Nebukadnezar II. das Königreich Juda 597 v. Chr. erobert hatte, wurde ein beträchtlicher Teil der jüdischen Oberschicht nach Babylon umgesiedelt. In der Bibel ist die Rede von 4.600 Menschen (Jeremia 52,28-30), andere Quellen zur Einschätzung des Umfangs der Umsiedlung gibt es nicht. Die Lebensbedingungen der Juden im Exil waren vermutlich von wenig Zwang bestimmt: Sie konnten Handel und Landwirtschaft betreiben, in eigenen Häusern wohnen, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten selbst regeln und ihre religiösen Traditionen fortführen. Sogar Karrieren im babylonischen Staatsdienst waren möglich. Vielleicht ist diese erfolgreiche Assimilation der Juden dafür verantwortlich, dass jüdische Gelehrte - um die Reinheit des Glaubens und die Eigenständigkeit des Volkes fürchtend - die 'babylonische Gefangenschaft' in düsteren Farben dargestellten. So heißt es in Psalm 137: 'An den Strömen von Babel, da saßen wir und weinten, wenn wir an Zion dachten'. Im Jahr 539 v. Chr. eroberte der Perserkönig Kyros II. das babylonische Reich und erlaubte die Rückkehr der Juden. Von den Exulanten kehrte ein Teil tatsächlich nach Judäa zurück, ein anderer blieb in Babylon oder wanderte nach Osten und ließ sich in Städten wie Samarkand und Buchara nieder. Das babylonische Exil wurde in der westlichen Welt zur Metapher für einen Ort oder Prozess der Knechtung. Die katholische Kirche nannte die Periode, als der Papst in Avignon residierte (1309-1377) die babylonische Gefangenschaft der Kirche. Martin Luther sprach ebenfalls von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche und verstand darunter die Missbräuche der katholischen Kirche. Im Jahr 1970 wurde der Song 'Rivers of Babylon' der Reggae-Band 'The Melodians' zu einem weltweiten Hit. In dem Lied wird Psalm 137 zitiert und das Exil der Juden mit der Verschleppung der afrikanischen Sklaven nach Amerika verglichen. Kriege und Eroberungen führten in allen historischen Epochen und allen Regionen der Erde zu Wanderungsbewegungen und Bevölkerungs-verschiebungen. Im Zuge der islamischen Expansion erreichten arabische Truppen am Beginn des 8. Jahrhunderts im Westen die Iberische Halbinsel und im Osten den Fluss Indus. Auf die militärischen Eroberungen erfolgte eine Ansiedlung arabischer Soldaten und Siedler sowie die Einrichtung lokaler Herrschaftsgebiete und arabischen Herrschern. Viele Bewohner Nordafrikas passten sich in den folgenden Jahrhunderten der arabischen Kultur an und verschmolzen mit dem Volk der Eroberer. Zugleich begann allerdings auch die Verschleppung von afrikanischen Sklaven in muslimische Länder (N'Diaye 2010). Seit dem späten Mittelalter erfasste die islamische Expansion zunehmend den indischen Subkontinent. Mit den muslimischen Reitern aus Zentralasien kamen muslimische Siedler und Gelehrte nach Indien. In der Frühen Neuzeit enstand das islamische Moghulreich, das weite Teile Indiens beherrschte. Die starke Präsenz von Muslimen auf dem indischen Subkontinent führte nach der Unabhängigkeit Indiens zur Entstehung der Staaten Pakistans und später Bangladeschs. Nach Schätzungen der UNHCR kostete die Partition of India nicht nur mehrere Hunderttausend Menschen das Leben, sie zwang zudem 14 Millionen Hindus, Sikhs und Muslime zur Umsiedlung. Damit stellt die Teilung Indiens die größte Massenmigration der Geschichte dar. Dennoch ist der Islam nach dem Hinduismus die zweitgrößte Glaubensrichtung in Indien geblieben (ca. 14 Prozent oder 170 Millionen). Krieg als Ursache von Flucht und Vertreibung kennt auch die europäische Bevölkerung seit dem Mittelalter. Das Mittelalter selbst be-gann mit einer solchen Migrationskrise, die im allgemeinen Sprachgebrauch Völkerwanderung genannt wird. Zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert ließen sich vor allem germanische Gruppen auf dem Boden des römischen Imperiums nieder, zunächst als Föderaten, dann auch als Invasoren. Es handelte sich dabei allerdings weniger um wandernde Völker als eher um heterogen zusammengesetzte Kriegerverbände auf der Suche nach Beute und Versorgung. Die weitere Geschichte Europas wurde nachhaltig von diesen Herrschaftsträgern und den von ihnen gegründeten Reichen geprägt. Besonders erfolgreich waren die Franken, deren Reich im Herzen Europas gelegentlich als erstes europäisches Imperium und mittelalterliche Vorwegnahme der Europäischen Union gesehen wird. Über die Frage, ob die aus armen Ländern einwandernden Germanen den Untergang des reichen Roms herbeiführten oder die germanischen Erfolge eher als Folge einer bereits vorhandenen Krise zu sehen sind, wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Damit verbunden ist die Frage, ob der Umgang Roms mit den Einwanderern für die Lösung der aktuellen Flüchtlingskrise lehrreich sein kann. Die Etablierung des Frankenreichs als erstes dauerhaftes mittelalterli-ches Großreich war ebenfalls mit einer Zwangsmigration verbunden. Die Umsiedlung der Sachsen durch Karl den Großen wird von Maximilian Diesenberger in einem eigenen Beitrag in diesem Band dargestellt. In den folgenden Jahrhunderten gab es kaum ein Jahrzehnt, in dem nicht ir-gendwo in Europa kleinere oder größere militärische Auseinandersetzun-gen stattfanden, die in der Regel auch mit Vertreibung und Umsiedlung von kleineren oder größeren Menschengruppen verbunden waren. Graf Bretislaw I. von Böhmen eroberte 1038 den Ort Giecz in Polen und sie-delte die gesamte Bevölkerung samt ihres beweglichen Besitzes und ihrer Tiere in Böhmen an. Noch zwei Generationen später bildeten sie dort eine eigenständige Gemeinschaft der 'Leute aus Giecz'. Ähnlich handelten Fürsten in so weit entfernt voneinander liegenden Regionen wie Süditalien und Wales. Immer ging es um die Gewinnung von Arbeitskräften und Steuerzahlern. (Bartlett 1993: S. 119). Kriege und Krisen führten auch in der Frühen Neuzeit zu Prozessen der erzwungenen Migration. Während des Dreißigjährigen Krieges 1618-1648 wurden ganze Landstriche in Deutschland verwüstet. Wer nicht rechtzeitig geflohen war, verlor entweder sein Leben oder musste ein zerstörtes und entvölkertes Land verlassen, um das eigene Überleben zu sichern. Vertreibung und Migration brachte auch die Serie von Kriegen, die große Teile Europas seit dem Ausbruch der Französischen Revolution erfasste. Nach 1800 trat der Staat stärker als Organisator von Vertreibung und Umsiedlung in den Vordergrund. Im Jahr 1830 wurde vom amerikanischen Kongress der Indian Removal Act verabschiedet. Das Gesetz schuf die Grundlage dafür, dass die Indianerstämme, die östlich des Mississippi im heutigen Bundesstaat Georgia lebten, in ein weniger fruchtbares Land westlich des Mississippi im heutigen Oklahoma umgesiedelt werden konnten (Banner 2005). Den Hintergrund der Vertreibung bildete ein ständig wachsender Landbedarf der weißen Siedler. Legitimiert wurde das Vorgehen gegenüber den Indianern einerseits als Manifest Destiny, einer schicksalshaften und unvermeidlichen Ausbreitung der 'weißen Zivilisation' bis zum Pazifik, und andererseits durch die Behauptung, die Indianer durch die Zwangsumsiedlungen vor ihrer Auslöschung bewahren zu wollen. Die juristischen Einsprüche der Cherokees und anderer Stämme scheiterten vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. In den folgenden Jahren beugten sich die einzelnen Stämme, schlossen Abtretungsverträge und machten sich auf den Weg in den Westen, eskortiert von amerikani-schen Soldaten. Auch die Cherokee mussten ihre Heimat verlassen. Auf dem Trail of Tears starb über ein Viertel der Indianer durch Krankheit, Unterernährung oder Erschöpfung. Vor allem für Kinder wurde der sechsmonatige Fußmarsch, der über 2.000 Kilometer führte, häufig zu einem Todeszug. Viele Stammesverbände benötigten über eine Generation, um sich an neue Lebensbedingungen zu gewöhnen und ein funktionierendes politisches System zu etablieren. Es sollte allerdings über hundert Jahre dauern, bis die Stämme sich auch wirtschaftlich so weit erholt hatten, dass sie in ihren Reservaten nicht mehr auf die Unterstützung der Vereinigten Staaten angewiesen waren. Die Vertreibung der Indianer aus dem Südosten der USA ab 1830 stellt ein frühes Beispiel einer staatlich geplanten und durchgeführten Umsiedlung einer Bevölkerungsgruppe dar. Im 19. Jahrhundert praktizierten auch andere Staaten eine gewaltsame Umsiedlungspolitik von ethnischen oder sozialen Minderheiten. Nachdem Russland 1771 die Krim erobert hatte, ließen sich russische Siedler auf die Halbinsel nieder und verdrängten die Krimtataren aus ihrer bisherigen führenden Stellung. Es kam zu mehreren erfolglosen Rebellionen. In mehreren Auswanderungswellen verließen die Krimtataren schließlich ihre Heimat und ließen sich vorrangig auf dem Balkan nieder. Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie zu einer Minderheit auf der Krim geworden (Uehling 2004). Ein ähnliches Schicksal erlitten die Tscherkessen. Als das russische Kaiserreich 1864 den Nordkaukasus besetzte, wurde das kaukasische Volk der Tscherkessen gewaltsam vertrieben. Bis dahin waren sie die zahlreichste und politisch dominierende Volksgruppe im Nordkaukasus (Richmond 2008: S. 51-80). Die Mehrheit der Tscherkessen (3-4 Millionen) ließ sich in Staaten des Nahen Ostens und des Balkans nieder. Noch heute lebt die große Mehrheit des Volkes in der Diaspora. Ihre kaukasische Sprache sprechen nur noch wenige Tscherkessen, die Beziehungen zur alten Heimat sind häufig nur lose. Ein bisher unbekanntes Ausmaß erreichte die gewaltsame Umsied-lungspolitik im 20. Jahrhundert (Kruke 2006). Die Staatengründungen auf dem Balkan führten zu umfangreichen Bevölkerungsverschiebungen im südöstlichen Europa, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg begannen. Ihren ersten Höhepunkt erreichte sie während des Ersten Weltkriegs mit der Deportation der Armenier (Suny 2009) und dem Bevölkerungsaus-tausch zwischen der Türkei und Griechenland nach dem Ersten Weltkrieg. Am Ende des 20. Jahrhunderts wurde der Balkan erneut von kriegerischen Ereignissen, Zerstörung und Umsiedlungen erschüttert. Was nun als Ethnic Cleansing bezeichnet wurde, führte zur Vertreibung und Umsiedlung von Hunderttausenden Bewohnern des ehemaligen Jugoslawiens (Carmichael 2009). Bereits der Erste Weltkrieg hatte auch in Zentraleuropa zu massiven Flucht- und Wanderbewegungen geführt. Noch umfangreicher und dra-matischer gestalteten sich die Ereignisse vor, während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg (Ahonen 2008). Bereits vor dem Krieg hatte die nationalsozialistische Politik zu erzwungenen Umsiedlungen geführt. Betroffen waren Juden, Tschechen, Deutsche, Polen sowie Roma und Sinti. Während des Kriegs wurden im Holocaust sechs Millionen Juden deportiert und ermordet. Millionen von Zwangsarbeitern vor allem aus Osteuropa arbeiteten in der deutschen Kriegsindustrie. In der Sowjetunion wurden unter Stalin ca. drei Millionen Angehörige von ethnischen Minderheiten wie Deutsche oder Krimtartaren umgesiedelt. Flucht und Vertreibung gingen nach dem Zweiten Weltkrieg weiter: Von den Grenzverschiebungen waren vor allem Deutsche und Polen betroffen, die aus vorlorenen Gebieten in Osteuropa fliehen mussten (Douglas 2012). Während der beiden Weltkriege und als deren Folge wurden allein in Europa 20 Millionen Menschen vertrieben oder umgesiedelt. Damit ist das 20. Jahrhundert auch ein Jahrhundert der Displaced People. Das dramatische Volumen der Vertreibungen und die zeitliche Nähe zur Ge-genwart haben dazu geführt, dass das Thema Flucht und Vertreibung seit dem Ende des 20. Jahrhunderts zu einem zentralen Thema der Forschung geworden ist und die Gesellschaft allgemein stark interessiert. Zahlreiche Detailstudien und Zusammenfassungen wurden veröffentlicht. Die fachliche Terminologie wurde präzisiert (Brandes 2010). Zwangsmigration als politisches und wirtschaftliches Instrument exis-tierte allerdings schon vor 1800. Auf einige Beispiele wurde bereits hinge-wiesen, viele weitere könnten angeführt werden. Besonders bekannt ist die staatliche Umsiedlungspolitik (sürgün) im osmanischen Reich, die in byzantinischer Tradition stand. Mit der Transferierung von Bevölkerungsteilen verfolgte der osmanische Sultan mehrere Ziele: die ethnische Präsenz von Türken sollte über das gesamte Territorium ge-währleistet sein; potentielle Rebellionen von unterworfenen Völkern - sowohl christlichen als auch muslimischen Gruppen in Anatolien - sollten unmöglich gemacht und die Kosten für die lokale Kontrolle der Bevölkerung vermindert werden; die Ansiedlung in der Grenzregion sollte den Grenzschutz stärken; der Staat sollte durch die Umsiedlung von Handwerkern auch wirtschaftlich profitieren. Als Konsequenz entstanden türkische Kolonistendörfer und der Islam breitete sich auf dem Balkan aus. Auch die städtischen Zentren, allen voran das 1453 eroberte Konstantinopel, wurden durch Zwangsmigration aus verschiedenen Teilen des Reiches bevölkert (Schmitt 2014: S. 116-120). Vielleicht weniger bekannt, dennoch mit noch heute sichtbaren Spuren, war die frühneuzeitliche Umsiedlungspolitik auf den britischen Inseln. Nach der Eroberung Irlands durch englische Truppen wurde im Act of Settlement von 1652 viele irische Grundbesitzer katholischen Glaubens enteignet. Die Folge war eine irische Auswanderungswelle in die Kolonien. Umgekehrt förderte die britische Krone die Einwanderung von loyalen Schotten und Engländern nach Irland. Rein wirtschaftlichen Zielen dienten die Clearances in Schottland. Vor allem während des 18. Jahrhunderts wurden die schottischen Highlands weitgehend entvölkert, um Weideland zu gewinnen. Die Vertriebenen ließen sich an den Küsten nieder oder wanderten in die Kolonien aus.

Erscheint lt. Verlag 7.9.2017
Co-Autor Claudia Rapp, Max Diesenberger, Richard Engl, Karoline Noack, Gottfried Liedl, Susanne Lachenicht, Florian Schwarz, Michael Zeuske, Christian Feest, Martin Krieger
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeines / Lexika
Schlagworte Afrika • Alter Orient • Amerika • Bevölkerungspolitik • Deutschland • Flucht • forced resettlement • Fränkisches Reich • Frankreich • Migration • Population Policy • Umsiedlun • Umsiedlung • USA • Vertreibung • Zwangsmigration • Zwangsumsiedlung
ISBN-10 3-593-43384-2 / 3593433842
ISBN-13 978-3-593-43384-4 / 9783593433844
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