Volksgewehre (eBook)
236 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7431-5859-7 (ISBN)
Einleitung
Im Verlauf des Jahres 1944 zeigte sich immer deutlicher, dass das deutsche Reich den von ihm selbst begonnenen Zweiten Weltkrieg unweigerlich verlieren musste. Am 6. Juni waren britische, amerikanische und kanadische Truppen in der Normandie gelandet und stießen rasch durch Frankreich und die Benelux-Länder in Richtung Rhein vor. Im Osten hatte die Sowjetunion die Wehrmacht bis nach Polen und auf den Balkan zurückgedrängt und schickte sich an, die Reichsgrenze zu überqueren. An allen Fronten hatte die einst mächtige Luftwaffe die Überlegenheit am Himmel schon lange verloren und konnte weder die eigenen Truppen, noch die deutschen Städte, Verkehrsnetze und Industriezentren vor Bombardierungen schützen.
Durch die weitreichenden Zerstörungen ging der Ausstoß der deutschen Industrie immer weiter zurück und die Wehrmacht musste einen wachsenden Mangel an elementaren Ausrüstungsgegenständen wie Waffen oder Munition beklagen.
In einem verzweifelten Versuch, die vorrückenden Alliierten aufzuhalten, beschloss die deutsche Führung, eine Volksmiliz aufzustellen. Diese sollte aus allen Männern im Alter von 16 bis 60 bestehen, die bis zu diesem Zeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund ihrer kriegswichtigen Unabkömmlichkeit von der militärischen Dienstpflicht befreit gewesen waren.
Und so erging am 25. September der im Folgenden wiedergegebene Erlass Adolf Hitlers, in dem er die Aufstellung des deutschen Volkssturms befahl.
Abb. 1: Mit Plakaten wie diesem versuchte die Parteiführung, die wehrfähigen Männer zwischen 16 und 60 Jahren für den Dienst im deutschen Volkssturm zu motivieren. Herausgeber war die Reichspropagandaleitung.
Erlass des Führers
über die Bildung des deutschen Volkssturms
Nach fünfjährigem schwersten Kampf steht infolge des Versagens aller unserer europäischen Verbündeten der Feind an einigen Fronten in der Nähe oder an den deutschen Grenzen. Er strengt seine Kräfte an, um unser Reich zu zerschlagen, das deutsche Volk und seine soziale Ordnung zu vernichten. Sein letztes Ziel ist die Ausrottung des deutschen Menschen.
Wie im Herbst 1939 stehen wir nun wieder ganz allein der Front unserer Feinde gegenüber. In wenigen Jahren war es uns damals gelungen, durch den ersten Großeinsatz unserer deutschen Volkskraft die wichtigsten militärischen Probleme zu lösen, den Bestand des Reiches und damit Europas für Jahre hindurch zu sichern. Während nun der Gegner glaubt, zum letzten Schlag ausholen zu können, sind wir entschlossen, den zweiten Großeinsatz unseres Volkes zu vollziehen. Es muß und es wird uns gelingen, wie in den Jahren 1939 bis 1941 ausschließlich auf unsere eigene Kraft bauend, nicht nur den Vernichtungswillen der Feinde zu brechen, sondern ihn wieder zurückzuwerfen und so lange vom Reich abzuhalten, bis ein die Zukunft Deutschlands, seiner Verbündeten und damit Europas sichernder Friede gewährleistet ist.
Dem uns bekannten totalen Vernichtungswillen unserer jüdisch-internationalen Feinde setzen wir den totalen Einsatz aller deutschen Menschen entgegen.
Zur Verstärkung der aktiven Kräfte unserer Wehrmacht und insbesondere zur Führung eines unerbittlichen Kampfes überall dort, wo der Feind den deutschen Boden betreten will, rufe ich daher allen waffenfähigen deutschen Männer zum Kampfeinsatz auf. Ich befehle:
- Es ist in den Gauen des Großdeutschen Reiches aus allen waffenfähigen Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren der deutsche Volkssturm zu bilden. Er wird den Heimatboden mit allen Waffen und Mitteln verteidigen, soweit sie dafür geeignet erscheinen.
- Die Aufstellung und Führung des deutschen Volkssturms übernehmen in ihren Gauen die Gauleiter. Sie bedienen sich dabei vor allem der fähigsten Organisatoren und Führer der bewährten Einrichtungen der Partei, SA, SS, des NSKK und der HJ.
- Ich ernenne den Stabschef der SA, Schepmann, zum Inspekteur für die Schießausbildung und den Korpsführer der NSKK, Kraus, zum Inspekteur für die motortechnische Ausbldung des Volkssturms.
- Die Angehörigen des deutschen Volkssturms sind während ihres Einsatzes Soldaten im Sinne des Wehrgesetzes.
- Die Zugehörigkeit der Angehörigen des Volkssturms zu außerberuflichen Organisationen bleibt unberührt. Der Dienst im deutschen Volkssturm geht aber jedem Dienst in anderen Organisationen vor.
- Der Reichsführer SS ist als Befehlshaber des Ersatzheeres verantwortlich für die militärischen Organisationen, die Ausbildung, Bewaffnung und Ausrüstung des deutschen Volkssturms.
- Der Kampfeinsatz des deutschen Volkssturms erfolgt nach meinen Weisungen durch den Reichsführer SS als Befehlshaber des Ersatzheeres.
- Die militärischen Ausführungsbestimmungen erläßt als Befehlshaber des Ersatzheeres der Reichsführer SS Himmler, die politischen und organisatorischen in meinem Auftrage Reichsleiter Bormann.
- Die Nationalsozialistische Partei erfüllt vor dem deutschen Volk ihre höchste Ehrenpflicht, indem sie in erster Linie ihre Organisationen als Hauptträger dieses Kampfes einsetzt.
Führerhauptquartier, den 25. September 1944 gez. Adolf Hitler1
Der Name „Volkssturm“ leitete sich vermutlich vom „Preußischen Landsturm“ ab. Dieser war am 21. April 1813 aufgestellt worden, um als letztes Aufgebot gegen Napoleons Grande Armee anzutreten. Da diese Truppe jedoch fast ausschließlich aus Jugendlichen und kriegsuntauglichen alten Männern bestand, wurde sie nur formal aufgestellt und kam nie zum Einsatz.
Der 1944 gegründete Volkssturm unterschied sich von den dafür bereitstehenden Altersgruppen zwar nicht wesentlich, sollte jedoch nach dem Willen der Parteiführung sehr wohl zum Einsatz kommen. Statt die Miliz nämlich unter die Kontrolle der Wehrmacht zu geben, war sie eine der NSDAP unterstellte Organisation, deren Kontrolle zunächst SS-Reichsführer Heinrich Himmler oblag. Grund dafür war höchstwahrscheinlich das vorangegangene Stauffenberg-Attentat, bei dem im Rahmen des sogenannten „Walküre-Planes“ das Ersatzheer strategische Positionen im Reich hätte besetzen und so die Bestrebungen der Putschisten unterstützen sollen.
Abb. 2 und 3: Verschiedene Varianten der Volkssturmarmbinde. Sie waren regional sehr unterschiedlich gestaltet und in manchen Gebieten überhaupt nicht verfügbar. Durch sie sollten die Angehörigen der Volksmiliz, falls sie nicht in Uniform, sondern in Zivilkleidung kämpften, im völkerrechtlichen Sinne als Kombattanten gekennzeichnet werden.
Dadurch stand das Verhältnis des Volkssturms zur Wehrmacht von vornherein unter einem schlechten Stern. Denn die Generäle hatten schon seit Jahren mit der Parteiführung in einem Wettstreit um die Gunst Hitlers gelegen. Und die Aufstellung eines mehrere Hunderttausend Mann starken Volksheeres bedeutete vor allen Dingen eines, nämlich dass große Mengen militärischer Ausrüstung benötigt wurden. Und die Wehrmacht litt, wie bereits gezeigt wurde, zu diesem Zeitpunkt bereits unter dramatischen Versorgungsengpässen. Somit war die Bereitschaft der Obersten Heeresleitung, bei der Aufstellung des Volkssturms zu helfen, äußerst gering.
Da zur militärischen Ausbildung der Zivilisten nur wenige Wochen oder Monate zur Verfügung standen, war von vornherein klar, dass diese nicht in der Bedienung von schwerem Gerät wie Panzern oder Artillerie unterwiesen werden konnten. Zumal diese Waffen ohnehin nicht zur Verfügung standen. Somit lag der Schwerpunkt der Bemühungen auf der Versorgung mit leichter Infanteriebewaffnung, und zwar in erster Linie Gewehren. Hierbei mag auch ein psychologischer Faktor eine Rolle gespielt haben, denn der von der Parteiführung ausgerufene Slogan: „Volk ans Gewehr!“ hatte mit der militärischen Realität nicht viel zu tun. Schließlich hatte eine ausschließlich mit Gewehren und einfachen Mitteln zur Panzernahbekämpfung ausgestattete Gruppe von Zivilisten wenig Chancen, die erfahrenen Armeen Pattons oder Schukows aufzuhalten. Doch den militärisch unerfahrenen Menschen mag der Besitz einer persönlichen Schusswaffe ein wenig Siegesgewissheit suggeriert haben.
Da schon für die regulären Soldaten der Wehrmacht zu wenig Karabiner vorhanden waren, suchte die Parteiführung nach Möglichkeiten, die neu geschaffenen Kombattanten zu bewaffnen. Bald kam der Gedanke auf, eine Einfachwaffe zu schaffen, die zumindest so lange ihren Zweck erfüllte, bis die unmittelbare Gefahr von den Reichsgrenzen abgewendet war. Damit war das Projekt „Volksgewehr“ ins Leben gerufen und alsbald wurde die deutsche Industrie per Führererlass aufgerufen, mit der Entwicklung eines solchen zu beginnen.
In ihrer Methodik und Größenordnung stellt diese Notbewaffnung eines Volksheeres eine waffentechnische Besonderheit dar und...
Erscheint lt. Verlag | 21.4.2017 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Geschichte |
ISBN-10 | 3-7431-5859-0 / 3743158590 |
ISBN-13 | 978-3-7431-5859-7 / 9783743158597 |
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