War früher alles besser? - Klaus Deubel

War früher alles besser?

Wenn Opa erzählt.

(Autor)

Buch | Softcover
224 Seiten
2016
Weltbuch Verlag
978-3-906212-25-8 (ISBN)
14,90 inkl. MwSt
Bisher hat sich die Jugend einigermaßen gelassen damit beschäftigt, was wohl die Zukunft bringen wird. Aber jetzt ist es so, als ob eine Bombe ticke. Lösungen müssen rasch gefunden werden. Wie ist in Europa mit den Millionen Flüchtlingen umzugehen? Wie kann die Gewalt des Islamischen Staates besiegt werden? Wie ist möglichst allen ein Mindestmaß an Wohlstand, an Bildung bereitzustellen, wo es doch schon an ausreichend Trinkwasser fehlt? Wie ist die nächste Finanzkrise zu vermeiden, die uns alle ins Chaos stürzen könnte? Noch nie gab es so viel kritische Anteilnahme an den immer rascher auftretenden Veränderungen - und so wenig verwertbare Vorschläge. Dabei geht ein Riss durch alle politische Lager. Nicht wie früher "links" und "rechts". Es gibt die, die ihren Besitzstand verteidigen wie der Hund den Knochen - und die, die unausweichliche Veränderungen akzeptieren, auch dann, wenn sie Einschränkungen, Nachteile, ja sogar Bedrohungen mit sich bringen. Im Mittelalter konnte man die Zugbrücken hochziehen, aber jetzt? Noch nie verfügten wir über so leicht erreichbare Massen an Informationen - und noch nie gab es so wenig Orientierung. Zu selten wird der Dialog gepflegt, vor allem zwischen den Generationen! Der Computer reagiert unvergleichlich schlechter als ein Gesprächspartner, der Zweifel durch Lebenserfahrung zerstreuen kann. Im Gespräch kann man sich am besten der Wahrheit nähern. Das alles hat mich veranlasst, lange Gespräche mit Enkelin Tina und deren Freund Anton zu führen und festzuhalten.

• 1942 geb. in Zittau • 1961 Abitur Erweiterte Oberschule Neugersdorf • 1961 - 1967 Studium Arbeits- Ingenieurpsychologie (Exmatrikulation ohne Abschluss) • 1967 - 1971 Einsatzleiter, Arbeitsökonom VEB Kohlehandel Dresden • 1971 Externabschluss Diplom-Psychologe TU Dresden • 1972 - 1990 Wissenschaftlicher Mitarbeiter Institut für Rationalisierung Dresden (1988 Dr. oec.) • 1991 - 2001 Bürgermeister für Gesundheit und Soziales in Dresden • 2002 - 2007 Mitarbeiter Berufsförderungswerk Dresden • 1990 Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen der SPD in den neuen Bundesländern • 1997 - 1999 Präsident der SG Dynamo Dresden • 1998 - 2012 Vorsitzender Herbert-Wehner-Bildungswerk e.V.

„Opa, du hast doch lange in der DDR gelebt?“ „Ja, 40 Jahre.“ „Opa, wie war das damals vor zwanzig Jahren, wolltet ihr da wirklich arbeiten wie bei Honecker und leben wie bei Kohl?“ „Wie kommst du denn darauf?“ „Der Anton aus meiner Klasse hat im Gesellschaftskundeunterricht ein Buch mitgebracht. Und das Buch heißt: `Arbeiten wie bei Honecker, leben wie bei Kohl. ` Unser Lehrer, Herr Schönfeld, hat aber abgelehnt, das Buch im Unterricht zu behandeln. Er hat darin geblättert und dann bloß gesagt, das ist ja eine alte Schwarte. Das Buch wäre zu einseitig und überhaupt, das Thema DDR wäre erst im nächsten Jahr in der 12. Klasse dran. Mike hat gefragt: `DDR, was heißt das eigentlich?` `Deutsche Demokratische Republik,` hat Herr Schönfeld gesagt. Und dann noch: `So hieß Ostdeutschland von 1949 bis 1989.` In der Pause hat der Anton aber einige Stellen aus dem Buch vorgelesen, die sein Vater angestrichen hatte. Die eine Stelle habe ich mir auf einen Zettel geschrieben: `...wenn eine Gesellschaft scheitert, sind es die Menschen, die sie zum Scheitern bringen. Genau das haben die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik prachtvoll hingelegt und drücken sich nun ein zweites Mal vor der Verantwortung.` (Roethe: „Arbeiten wie bei Honecker, leben wie bei Kohl“, S.75) Diesen Satz hat keiner richtig verstanden. Aber so viel war allen wohl klar, was gemeint war, nämlich dass die Ossis damals froh sein mussten, dass sie auf einmal leben konnten wie die Wessis. Der Markus hat gebrüllt, das Buch sei Scheiße und damals habe sein Vater wegen der Treuhand seine Arbeit verloren. Dann wollte er den Anton verkloppen. Als ich gerade dem Anton helfen wollte, kam Herr Schönfeld ins Klassenzimmer. Markus bekam einen Eintrag ins Klassenbuch, und wenn Anton das Buch noch einmal in die Schule brächte, bekäme er auch einen Tadel. Als er den Tadel für Markus in das Klassenbuch schrieb, sagte er noch: `Früher war alles besser´.“ „Weißt du was, Tina, der Anton soll mir das Buch borgen, dann lade ich euch ein und wir sprechen darüber.“ Dass es zu drei langen Sonntagsgesprächen kommen würde, war in diesem Moment nicht abzusehen. Auch nicht, dass das Buch zur Nebensache geriet und Opa Karl viel über seine Zeit in der DDR zu berichten hatte. Tina freute sich, denn diese Einladung war gar nicht selbstverständlich. Ihr Opa Karl galt als etwas knurrig, kein Freund schöner Worte. Mit einem Widerwillen gegen alles unnötig Komplizierte. Er konnte sehr kritisch sein und war dann von einer Offenheit, die zunächst gewöhnungsbedürftig war. Aber er war auch ein Mensch, der einen in Zeiten der Not und Gefahr ohne viel Worte unterstützt. Für viele Probleme hatte er eine Lösung. Er war ein unverbesserlicher Optimist: „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.“ Das Motto Oscar Wildes brachte er sich in übergroßen Buchstaben über dem Spiegel im Badezimmer an. Als Opa Karl nach acht Tagen mit dem Buch fertig war, lud er Tina und Anton ein. Tina kannte natürlich den Weg. So trafen die jungen Leute pünktlich auf dem ehemaligen Bauernhof ein, immerhin 25 km vom Stadtzentrum entfernt, ganz am Rande der Stadt. Karl kam von der noch unsanierten Scheune herüber. In der Diele zeigte er auf die Fachwerkausfachung des Wohnhauses und meinte: „Lehm-Putz zählt zu den ältesten Bautechniken der Menschheit. Das ist ein Lehmmörtel, als Putz für Innen- und Außenwände zu verwenden. Den kann man über den Baustofffachhandel kaufen.“ Sie stiegen die Holztreppe hoch. Die Fläche des ehemaligen Dachbodens war identisch mit der Grundfläche des Bauernhauses. Karl erklärte, dass der Umbau des Bodens der aufwandsärmste Weg war, einen großen Mehrzweckraum nutzen zu können. So konnten die kleinen Räume im Erdgeschoss unverändert bleiben. Er zeigte auf den großen Herd in der Mitte des Raumes und sagte: „Hier spielt sich bei uns alles ab. Du weißt, Tina, hier kocht sonst deine Oma Lena. Meine Frau ist jetzt noch drei Wochen zur Kur. Meistens speisen wir am massiven Holztisch und ansonsten gibt es genug Ruheplätzchen, auch zum Schmökern.“ Ein Ohrensessel, mit dunkelbraunem grobem Cord bespannt, lud besonders zum Lesen ein. Anton bewunderte die vielen Bücher, die in nur 80 cm hohen, aber rundum verlaufenden Regalen untergebracht waren. „Diese tollen Kästner, Remarque, Stefan Zweig, Böll, Hemingway, Dürrenmatt und, und, und…sehen eigentlich schon etwas älter aus.“ „Meine Frau und ich haben schon zur DDR-Zeit gute Literatur gesammelt, schon bevor wir uns kannten. Als wir heirateten, kamen zwei überdurchschnittliche Bibliotheken zusammen.“ „Ich hätte gar nicht gedacht, dass es in der DDR so tolle Bücher gab.“ „Das war sehr, sehr schwierig, aber nicht unmöglich. Für Lena und auch für mich war es damals sehr aufwendig, an die literarischen Leckerbissen heranzukommen. Aber umso mehr haben wir uns gefreut, wenn die Jagd erfolgreich war. Was schwierig zu erlangen ist, das schätzt man ungleich mehr als die leichte Beute, die einem jetzt Amazon liefert.“ „Da vermisst du wohl etwas?“ „Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil! Ich komme jetzt mühelos an tolle Bücher, aber auch an Spiegel, Focus und andere Zeitschriften, genieße die gewonnene Vielfalt des Fernsehens und Rundfunks. All das schätze ich noch mehr als die Reisefreiheit.“ „Also, dass dir das so wichtig ist, hätte ich nicht gedacht, Opa.“ „Das liegt vielleicht daran, dass für euch jungen Leute Informationsfreiheit selbstverständlich ist. Aber ist da nicht auch viel Schrott dabei, wenn ich an die Bildzeitung, aber auch Sendungen wie Dschungelcamp denke? Setzt euch erst einmal.“ Die jungen Leute saßen auf dem Sofa und tranken Apfelsaft, der Opa mit dem Buch in den Händen im Sessel und es konnte losgehen. Immer, wenn Tina etwas fragte, sprach sie meistens Opa direkt an, so als wolle sie Anton zeigen, dass sie ein wenig stolz auf ihren Großvater sei. Und der legte das Buch von Roethe erst einmal aus der Hand, blieb bei dem zuvor angesprochenen Thema. „Es gab noch nie zuvor so viel verfügbare Informationen. Das überfordert viele Menschen, die sich dann nicht nur gegen das Überflüssige abschotten und sich zurückziehen.“ „Also muss man das Überflüssige ausblenden können!“ „Das hast du richtig erkannt, Anton! Wir sind nicht mehr in der Lage, die vielen Informationen zu bewerten. Dürrenmatt meint, dass die Schere zwischen Wissen und Weisheit immer mehr auseinandergeht. Aber wie kann man weise werden, wenn die Wirklichkeit nur als Masse von Bruchstücken und nicht ausreichend bewertet zur Verfügung steht?“ „Wirklichkeit?“ „Du fragst mit Recht, Tina! Es ist nur eine Auswahl der Realität, die uns zum Beispiel abends als Tagesschau über den Bildschirm flimmert: Ein zertrümmertes Auto, das Phantombild eines Gewaltverbrechers lassen sich besser darstellen und finden auch mehr Aufmerksamkeit als der normale Alltag, in dem ganz unspektakulär die friedliche Balance von Interessen in der Familie, im Beruf und auch im öffentlichen Leben stattfindet. Und Aufmerksamkeit heißt tolle Quote oder hohe Auflage. Außerdem werden die Informationen in so kleinen Häppchen verabreicht, dass die Bewertung schwerfällt oder misslingt.“ ...

"Opa, du hast doch lange in der DDR gelebt?""Ja, 40 Jahre.""Opa, wie war das damals vor zwanzig Jahren, wolltet ihr da wirklich arbeiten wie bei Honecker und leben wie bei Kohl?""Wie kommst du denn darauf?""Der Anton aus meiner Klasse hat im Gesellschaftskundeunterricht ein Buch mitgebracht. Und das Buch heißt: `Arbeiten wie bei Honecker, leben wie bei Kohl. `Unser Lehrer, Herr Schönfeld, hat aber abgelehnt, das Buch im Unterricht zu behandeln. Er hat darin geblättert und dann bloß gesagt, das ist ja eine alte Schwarte. Das Buch wäre zu einseitig und überhaupt, das Thema DDR wäre erst im nächsten Jahr in der 12. Klasse dran. Mike hat gefragt: `DDR, was heißt das eigentlich?``Deutsche Demokratische Republik,` hat Herr Schönfeld gesagt. Und dann noch: `So hieß Ostdeutschland von 1949 bis 1989.` In der Pause hat der Anton aber einige Stellen aus dem Buch vorgelesen, die sein Vater angestrichen hatte. Die eine Stelle habe ich mir auf einen Zettel geschrieben: `...wenn eine Gesellschaft scheitert, sind es die Menschen, die sie zum Scheitern bringen. Genau das haben die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik prachtvoll hingelegt und drücken sich nun ein zweites Mal vor der Verantwortung.` (Roethe: "Arbeiten wie bei Honecker, leben wie bei Kohl", S.75)Diesen Satz hat keiner richtig verstanden. Aber so viel war allen wohl klar, was gemeint war, nämlich dass die Ossis damals froh sein mussten, dass sie auf einmal leben konnten wie die Wessis. Der Markus hat gebrüllt, das Buch sei Scheiße und damals habe sein Vater wegen der Treuhand seine Arbeit verloren. Dann wollte er den Anton verkloppen. Als ich gerade dem Anton helfen wollte, kam Herr Schönfeld ins Klassenzimmer. Markus bekam einen Eintrag ins Klassenbuch, und wenn Anton das Buch noch einmal in die Schule brächte, bekäme er auch einen Tadel. Als er den Tadel für Markus in das Klassenbuch schrieb, sagte er noch: `Früher war alles besser´." "Weißt du was, Tina, der Anton soll mir das Buch borgen, dann lade ich euch ein und wir sprechen darüber."Dass es zu drei langen Sonntagsgesprächen kommen würde, war in diesem Moment nicht abzusehen. Auch nicht, dass das Buch zur Nebensache geriet und Opa Karl viel über seine Zeit in der DDR zu berichten hatte. Tina freute sich, denn diese Einladung war gar nicht selbstverständlich. Ihr Opa Karl galt als etwas knurrig, kein Freund schöner Worte. Mit einem Widerwillen gegen alles unnötig Komplizierte. Er konnte sehr kritisch sein und war dann von einer Offenheit, die zunächst gewöhnungsbedürftig war. Aber er war auch ein Mensch, der einen in Zeiten der Not und Gefahr ohne viel Worte unterstützt. Für viele Probleme hatte er eine Lösung. Er war ein unverbesserlicher Optimist: "Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende." Das Motto Oscar Wildes brachte er sich in übergroßen Buchstaben über dem Spiegel im Badezimmer an. Als Opa Karl nach acht Tagen mit dem Buch fertig war, lud er Tina und Anton ein. Tina kannte natürlich den Weg. So trafen die jungen Leute pünktlich auf dem ehemaligen Bauernhof ein, immerhin 25 km vom Stadtzentrum entfernt, ganz am Rande der Stadt. Karl kam von der noch unsanierten Scheune herüber. In der Diele zeigte er auf die Fachwerkausfachung des Wohnhauses und meinte: "Lehm-Putz zählt zu den ältesten Bautechniken der Menschheit. Das ist ein Lehmmörtel, als Putz für Innen- und Außenwände zu verwenden. Den kann man über den Baustofffachhandel kaufen." Sie stiegen die Holztreppe hoch. Die Fläche des ehemaligen Dachbodens war identisch mit der Grundfläche des Bauernhauses. Karl erklärte, dass der Umbau des Bodens der aufwandsärmste Weg war, einen großen Mehrzweckraum nutzen zu können. So konnten die kleinen Räume im Erdgeschoss unverändert bleiben. Er zeigte auf den großen Herd in der Mitte des Raumes und sagte:"Hier spielt sich bei uns alles ab. Du weißt, Tina, hier kocht sonst deine Oma Lena. Meine Frau ist jetzt noch drei Wochen zur Kur. Meistens speisen wir am massiven Holztisch u

Erscheinungsdatum
Sprache deutsch
Maße 148 x 210 mm
Gewicht 418 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Geschichte
Schlagworte Bildung • Biografie • BRD • DDR • Deutschland • Diverses • Gegenwart • Geschichte • Jugend • Kinder/Jugendliche: Nachschlagewerke • Kinder/Jugendliche: Persönliche und soziale Themen • Kinder/Jugendliche: Sachbuch • Klaus Deubel • Sachbuch • Schule • Zeitfragen; Kindersachbuch/Jugendsachbuch • Zeitgeschichte
ISBN-10 3-906212-25-4 / 3906212254
ISBN-13 978-3-906212-25-8 / 9783906212258
Zustand Neuware
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