Letzte Gespräche (eBook)

Spiegel-Bestseller
Mit Peter Seewald
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2016 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44052-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Letzte Gespräche -  Benedikt XVI.,  Peter Seewald
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Erstmals in der Geschichte des Christentums: Ein Papst zieht die Bilanz seiner Amtszeit In den Gesprächen, die Papst Benedikt XVI. mit dem Journalisten Peter Seewald kurz vor und nach seinem Rücktritt geführt hat, blicken sie auf das Pontifikat des deutschen Papstes zurück. Nie zuvor hat Benedikt XVI. so offen über die Hintergründe seiner überraschenden Demission und die Erneuerung des Glaubens als das große Thema seines Pontifikats gesprochen, aber auch über kontroverse Themen seiner Amtszeit, etwa das Verhältnis zu Juden und Muslimen/Islam, Vatileaks oder die Affäre um die Piusbruderschaft. Und nie zuvor hat dieser Papst so persönlich über seinen Zugang zum Glauben, die gegenwärtigen Herausforderungen für das Christentum und die Zukunft der Kirche Auskunft gegeben. Seine Erinnerungen an die Familie, an wichtige Weggefährten und prägende Ereignisse seines Lebens unterstreichen den besonderen Charakter dieses Buches. Nach den Interviewbüchern 'Salz der Erde', 'Gott und die Welt' und 'Licht der Welt', die Benedikt XVI./Joseph Ratzinger und Peter Seewald veröffentlicht haben und die allesamt Bestseller waren, sind die 'Letzten Gespräche' das Vermächtnis des deutschen Papstes, einem der bedeutendsten Denker und Theologen unserer Zeit. Er hat acht Jahre lang die Geschicke des Vatikan geleitet und als Pontifex Maximus an der Spitze der katholischen Kirche mit ihren 1,3 Milliarden Mitgliedern bedeutende Wegmarkierungen gesetzt und wichtige Impulse für die Kirche des 3. Jahrtausends gegeben. Über den Bestseller 'Licht der Welt' notierte die 'Süddeutsche Zeitung': 'Seewalds Interviewbuch mit dem Papst ist selbstverständlich eine Sensation: So ausführlich hat noch nie ein Papst Rede und Antwort gestanden' (SZ, 20.12.2010). Benedikt XVI., 1927 als Joseph Ratzinger geboren, war Professor für Theologie, Erzbischof von München und Freising (1977-1982) und Präfekt der Glaubenskongregation (1982-2005), bevor er im Konklave 2005 zum Papst gewählt wurde; 2013 überraschte er die Welt mit seinem Rücktritt. Peter Seewald, Jahrgang 1954, arbeitete als Journalist für den SPIEGEL, den STERN und das Magazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Er gilt heute als einer der erfolgreichsten religiösen Autoren Deutschlands. Seine bekanntesten Bücher sind neben 'Salz der Erde', 'Gott und die Welt' und 'Licht der Welt' die Werke 'Jesus Christus. Die Biografie' und 'Gott ohne Volk?' (zus. mit Bischof Stefan Oster).

Benedikt XVI., 1927-2022, wurde als Joseph Ratzinger geboren, war Professor für Theologie in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg, Erzbischof von München und Freising (1977-1982) und Präfekt der Glaubenskongregation (1982-2005), bevor er 2005 im Konklave zum Papst gewählt wurde; 2013 überraschte er die Welt mit seinem Rücktritt.

Benedikt XVI., 1927-2022, wurde als Joseph Ratzinger geboren, war Professor für Theologie in Bonn, Münster, Tübingen und Regensburg, Erzbischof von München und Freising (1977-1982) und Präfekt der Glaubenskongregation (1982-2005), bevor er 2005 im Konklave zum Papst gewählt wurde; 2013 überraschte er die Welt mit seinem Rücktritt. Peter Seewald, Jahrgang 1954, arbeitete als Journalist für den STERN, den SPIEGEL und das Magazin der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG und ist einer der erfolgreichsten religiösen Autoren Deutschlands. Seine Gesprächsbücher "Salz der Erde", "Gott und die Welt", "Licht der Welt" und "Benedikt XVI - Letzte Gespräche" (Droemer 2016) waren internationale Bestseller. Peter Seewald ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in München.

Teil I


Die Glocken von Rom

Stille Tage in Mater Ecclesiae


Papa Benedetto, als Heiliger Vater wurden Sie von Millionen bejubelt, lebten in einem Palast, empfingen die Großen der Welt. Vermissen Sie etwas?

 

Überhaupt nicht, nein! Im Gegenteil, ich bin Gott dankbar, dass diese Verantwortung, die ich nicht mehr tragen könnte, nicht mehr auf mir lastet. Dass ich jetzt frei bin, um demütig täglich mit Ihm den Weg zu gehen, unter Freunden zu leben und von Freunden besucht zu werden.

 

Plötzlich ganz machtlos, fast eingesperrt hinter den Mauern des Vatikans – wie geht das?

 

Die »Macht« habe ich ohnehin nie so empfunden, dass ich nun stark wäre, sondern immer als Verantwortung, als etwas Schweres und Belastendes. Als etwas, wo man sich jeden Tag fragen muss: Bin ich dem gerecht geworden? Auch beim Jubel der Massen wusste ich immer, die Leute meinen ja nicht dieses armselige Männlein da, sondern meinen doch den, den ich vertrete. Insofern fällt es mir nicht schwer, darauf zu verzichten.

 

Sie hatten früh davon gesprochen, dass Ihr Pontifikat kurz sein könnte. Schon aufgrund Ihres Alters, Ihrer gesundheitlichen Situation.

 

Ich hab gedacht, dass ich nicht so viel Kraft habe, ja.

 

Mit acht Jahren ist es dann weit länger geworden als das vieler Ihrer Vorgänger. Vorab gefragt: Musste Ihre Einstellung nicht auch Auswirkungen auf das Programm Ihrer Amtszeit haben?

 

Das ist klar. Ich konnte keine langfristigen Dinge angehen. So etwas muss man machen, wenn man Zeit vor sich hat. Ich hatte das Bewusstsein, dass mein Auftrag anderer Art ist, dass ich vor allen Dingen versuchen musste, zu zeigen, was Glaube in der heutigen Welt bedeutet, wieder die Zentralität des Glaubens an Gott herauszustellen und den Menschen Mut zum Glauben zu geben, Mut, ihn in dieser Welt konkret zu leben. Glaube, Vernunft, das alles waren Dinge, die ich als meine Sendung erkannt habe und bei denen nicht wichtig war, wie lange das Pontifikat dauern würde.

 

Gab es einen Moment, in dem Sie Gott gebeten haben: »Nimm mich hinweg, ich kann nicht mehr, ich mag nicht mehr«?

 

So nicht, nein. Ich meine, dass ich den lieben Gott gebeten habe – gerade wenn man an diese Williamson-Situation denkt –, mich da loszueisen und zu helfen, das schon. Aber ich wusste, Er hat mich auf den Platz gestellt, dann lässt Er mich auch nicht fallen.

 

Sie haben nie daran gedacht, die ganze Last einmal abzuwerfen? Nicht immer nur im Dienst zu sein, mit den endlosen Verpflichtungen, den ganzen Banalitäten eines Amtes, die einen erdrücken? Einmal einfach nur Mensch sein?

 

Doch, das gab’s schon, natürlich. Das habe ich vor allem als Kardinalpräfekt oft zum Papst gesagt. Aber Johannes Paul II. hat gemeint: »Nein, Sie machen weiter!«

 

War es für Sie dann nicht auch eine Frage, ob Sie die Wahl überhaupt annehmen sollten?

 

Das war in der Tat eine sehr ernste Frage für mich. Mich hat jedoch beeindruckt, dass im Präkonklave viele Kardinäle den zu Wählenden gewissermaßen schon im Voraus beschworen haben, er müsse – auch wenn er sich nicht gewachsen fühlt, das Kreuz auf sich zu nehmen – sich dem Votum der Zweidrittelmehrheit beugen und darin ein Zeichen sehen. Dies sei eine innere Pflicht für ihn. Das ist mit so viel Ernst und Größe herausgearbeitet worden, dass ich glaubte, wenn wirklich die Mehrheit der Kardinäle dieses Votum abgibt, ist es ein Votum vom Herrn her, und dann muss ich es annehmen.

 

Gab es nie den Punkt, wo Sie sich sagten: Ich bin vielleicht die falsche Wahl gewesen?

 

Nein. Die Kardinäle haben einen gewählt, dann tut man seine Aufgabe. Und wichtig ist nicht, wie die Journalisten das beurteilen, sondern der liebe Gott.

 

Ihre große Sehnsucht war, nur der Betrachtung und dem Gebet leben zu können. Können Sie das jetzt?

 

Nicht ganz. Erstens ist es von der psychischen Kraft her nicht möglich, weil ich einfach innerlich nicht stark genug bin, um mich ständig den göttlichen und geistlichen Dingen hinzugeben, aber dann auch vom Äußeren her, weil Besuche kommen. Dass ich in einem Austausch mit den Menschen bin, die heute die Kirche tragen oder die in meinem Leben eine Rolle spielen, und sozusagen in den menschlichen Dingen verankert bleibe, finde ich auch gut. Zum anderen ist es die mangelnde physische Kraft, die mir nicht gestattet, immer sozusagen in den hohen Regionen zu bleiben. Insofern ist es ein unerfüllbarer Wunsch. Aber richtig ist, dass man viel innere Freiheit dafür hat, und das ist schon viel wert.

 

Werden Sie noch etwas schreiben?

 

Nein! Nein, nein, nach Weihnachten wusste ich, das ist Nunc dimittis, ich habe mein Werk getan.[1]

 

Gibt es Tage- oder Notizbücher?

 

Tagebücher nicht, aber ich habe mir in gewissen Abständen Besinnungen aufgeschrieben, die wegzuwerfen ich aber im Begriffe bin.

 

Warum?

 

(Lächelt.) Weil es zu persönlich ist.

 

Aber das wär doch …

 

Ein Fressen für die Historiker.

 

Sie haben ein großes theologisches Werk vorgelegt wie noch kein Papst vor Ihnen. Ihre Bücher erreichten Millionenauflagen. Fällt es Ihnen nicht ungeheuer schwer, nicht mehr zur Feder zu greifen?

 

Überhaupt nicht, nein. Ich meine, ich mache jede Woche meine Predigten für den Sonntag. Insofern habe ich eine geistige Arbeit zu tun, eine Auslegung zu finden. Aber schreiben könnte ich auch nicht mehr. Da müsste ja methodische Arbeit dahinterstehen, und das wäre mir jetzt einfach zu mühsam.

 

Sie schreiben Predigten für vier, fünf Leute?

 

Warum nicht? (Lacht.) Doch! Ob das nun drei sind oder zwanzig oder tausend. Es muss immer das Wort Gottes für den Menschen da sein.

 

Gibt es Dinge, die Sie noch unbedingt erledigen möchten?

 

Nicht in dem Sinn, dass ich der Menschheit noch etwas hinterlassen möchte. In dem Sinn aber wohl, dass ich meinen Dienst im Gebet weiterführe.

 

Der Nachlass?

 

Nachdem ich vorher schon verschiedene Male ein Testament geschrieben hatte, habe ich jetzt mein wohl endgültiges Testament festgelegt.

 

Ein theologisches Testament?

 

Nein, nein. (Lachen.) Nein, was ich an Sachen habe und hinterlasse.

 

Wie sieht die Meditation eines Papa emeritus aus? Sind Ihnen bestimmte geistige Übungen heute besonders lieb und wertvoll?

 

Na ja, ich kann jetzt vertieft und verlangsamt das Brevier beten und damit die Freundschaft mit den Psalmen vertiefen, mit den Vätern. Und ich halte jeden Sonntag, wie schon gesagt, eine kleine Homilie. Ich lasse da die ganze Woche über meine Gedanken ein bisschen darauf zugehen, dass die so langsam reifen, ich einen Text nach seinen verschiedenen Seiten abtasten kann. Was sagt er mir? Was sagt er den Menschen hier im Monasterio? Das ist eigentlich das Neue, wenn ich so sagen darf, dass ich mit noch mehr Ruhe in das Psalmengebet einschwinge, mich vertrauter damit machen kann. Und dass auf diese Weise die Texte der Liturgie, vor allem die Sonntagstexte, mich die Woche hindurch begleiten.

 

Haben Sie ein Lieblingsgebet?

 

Da gibt es schon welche. Da ist zum einen dieses vom heiligen Ignatius: »Herr, nimm meine ganze Freiheit an …« Dann eines von Franz Xaver: »Ich liebe dich nicht, weil du mich in die Hölle schicken oder in den Himmel schicken kannst, sondern weil du du bist.« Oder das von Niklaus von Flüe: »Nimm mich, wie ich bin …« Und dann mag ich ganz besonders – was ich gern im »Gotteslob« gesehen hätte, aber ich hab vergessen, es vorzuschlagen – das »Allgemeine Gebet« von Petrus Canisius aus dem 16. Jahrhundert. Es ist unverändert aktuell und schön.[2]

 

Ihr spiritueller Lieblingsort?

 

Ist natürlich, würde ich sagen, Altötting.

 

Der zentrale Punkt Ihrer Reflexionen war stets die persönliche Begegnung mit Christus. Wie ist das jetzt? Wie nahe sind Sie Jesus gekommen?

 

(Tiefes Einatmen.) Ja, das ist natürlich auch situationsmäßig verschieden, aber in der Liturgie, im Beten, in den Betrachtungen für die Sonntagspredigt sehe ich Ihn schon direkt vor mir. Immer ist Er natürlich auch groß und geheimnisvoll. Viele Evangelienworte empfinde ich in ihrer Größe und ihrem Gewicht jetzt schwerer als früher. Mir ist dabei wieder eine Episode aus meiner Zeit als Kaplan eingefallen. Eines Tages war Romano Guardini in der evangelischen Nachbarpfarrei zu Gast und meinte zu dem evangelischen Pfarrer, »im Alter wird’s nicht leichter, sondern schwerer«. Das hat dann meinen damaligen Pfarrer sehr bewegt und getroffen. Aber da ist etwas Wahres dran. Einerseits ist man sozusagen tiefer eingeübt. Das Leben hat seine Gestalt. Es sind die Grundentscheidungen gefallen. Andererseits empfindet man die Schwere der Fragen viel stärker, auch den Druck der Gottlosigkeit heute, den Druck der Abwesenheit des Glaubens bis tief in die Kirche hinein, und dann eben auch die Größe der Worte Jesu...

Erscheint lt. Verlag 9.9.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte biografien berühmter persönlichkeiten • Christentum • Christliche Bücher • Christliche Lebensführung • Christliche Spiritualität • christliche Werte • deutscher Papst • Enzykliken • Erfahrungen und wahre Geschichten • Erfahrungsberichte • Erinnerungen • Gott und die Welt • Islam • Joseph Ratzinger • Juden • Kardinal Ratzinger • Karfreitagsgebet • Katholische Kirche • Kirche wohin • Lebensgeschichten • Licht der Welt • Ökumene • Orthodoxe Christen • Papst • Papst Benedikt • Papst Benedikt Biografie • Papst Benedikt XVI. • Papsttum • Piusbrüder • pontifex maximus • Pontifikat • Regensburger Rede • Rücktritt • Säkularisierung • Salz der Erde • Spiritualität christlich • spirituelle Biografie • Tod • Tod Papst • Tod Papst Benedikt • Vatikan • Vatileaks • wahre Begebenheit Buch
ISBN-10 3-426-44052-0 / 3426440520
ISBN-13 978-3-426-44052-0 / 9783426440520
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