Schulwege - Lebenswege -  Hans-Jürgen Jagau

Schulwege - Lebenswege (eBook)

Schulwesen in Langenhagen I
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
152 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-0478-4 (ISBN)
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Diese Schulgeschichte zu Ortsteilen der heutigen Stadt Langenhagen gilt vor allem der Zeit zwischen dem 16. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts. Die Zahl der überlieferten Dokumente hat im Verlauf dieser Zeit exponentiell zugenommen. Deshalb läuft die Ausarbeitung im 20. Jahrhundert einfach aus. Man kann in der uns näherliegenden Zeit nur wesentlich kürzere Zeiträume angemessen erfassen. Die Darstellung ist auf zwei Bücher verteilt. Diese Aufteilung richtet sich im Kern nach den betroffenen Ortschaften. Regionale Besonderheiten, etwa bei den Kleinstschulen der 'Seestädte', konnten so besser berücksichtigt werden. In jedem der beiden Bände werden zudem spezielle historische Aspekte herausgestellt. Besondere Bedeutung haben dabei die andauernden Auseinandersetzungen wegen der Schulpflicht, die wirtschaftliche Lage der Lehrer sowie das mitunter angespannte Verhältnis zwischen Eltern, Schulmeistern und Obrigkeit. Die benutzten spezifischen Langenhagener Dokumente erlauben zudem Einsichten in den allgemeinen Lauf der Geschichte. Manchmal bilden sich große Fragen der Zeit darin ab. Einige sehr menschliche Geschichten dürften heutigen Bürgern dieser Stadt ein verständnisvolles Lächeln entlocken.

Geboren 25.09.1946, seitdem wohnhaft in Langenhagen, Walsroder Str. 199. Abitur - Berufsausbildung - Studium. Von 1972 - 1979 als Berufsschullehrer tätig, danach Fachleiter für Politik im Studienseminar für das Lehramt an berufsbildenden Schulen in Hildesheim. Von 1989 - 2008 als dessen Leiter tätig. Vielfache ehrenamtliche Aktivitäten neben der Verwaltung meines landwirtschaftlichen Betriebs sowie praktischer Forstwirtschaft. Publikationen in Lehrbüchern, Fachzeitschriften und zuletzt im Bereich der Lokalgeschichte des vormaligen Amts Langenhagen.

Ein Lichtblick im 17. Jahrhundert


Vom Votum eines Landesherrn, dass Lesen und Schreiben wichtige Bildungsgüter für alle sind, führte ein langer Weg bis zur tatsächlich eingehaltenen allgemeinen Schulpflicht. Langenhagen war in dieser Hinsicht gegenüber Ortschaften innerhalb des Herzogtums Braunschweig und Lüneburg im Nachteil. Im Jahr 1635 fiel das Fürstentum Calenberg durch erneute Erbteilung der welfischen Lande an Georg Herzog von Braunschweig und Lüneburg. Dieser verfuhr anders als sein Vetter August von Braunschweig und Lüneburg, dem Regenten in Braunschweig, Wolfenbüttel und dem heimischen Dannenberg.

Der hochgebildete Herzog August der Jüngere gründete nicht nur die berühmte Bibliothek in Wolfenbüttel, sondern war stets bemüht, in seinen Ländern eine bessere Bildung aller Untertanen einzuführen. Wichtig war dabei die lange vorbereitete und erstmalig in der Landesordnung von 1647 verkündete Schulpflicht, die dann in der Schulordnung von 1651 näher bestimmt wurde. Auch im Fürstentum Calenberg soll der Generalsuperintendent Justus Gesenius im Rahmen seiner Kirchenvisitation im Jahr 1646 die allgemeine Schulpflicht eingeführt haben. Sie stand aber im Wesentlichen auf dem Papier, denn es dauert lange Zeit bis genügend Schulen und Lehrkräfte vorhanden waren. Zunächst galt die Schulordnung des Herzogs Julius weiterhin. Sie sollte bestätigt und bekräftigt endlich durchgesetzt werden. Auch in späteren Jahren – 1650, 1676, 1681 und 1717 – kam man auf diese Ordnung zurück. Erst ab 1734 gab es eine eigenständige Schulordnung für Calenberg.

In der Wolfenbütteler Schulordnung des Herzogs August wurde 1651 für die einfachen Schulen folgendes festgelegt:

»Dy unterste und nidrigste Art von Schulen sol gehalten werden in allen und jeden Dörffem und Flekken unserer Fürstentum und Lande, kein einiges davon ausgenommen, zu dero Behuf an jedem Ort zu Custodibus templorum, ins gemein Cüster oder Opferleute genant, keine Handwercker, auch nicht solche genommen werden sollen, welche nicht im Lesen und Schreiben, auch den ersten und nidrigsten principiis der lateinischen Sprache der Gestalt geübet, daß sy dy Kinder darin zu institutiren mächtig.

Solchen Schulmeistern, sollen alle Kinder in einem jeden Dorfe, so bald sy nur Alters und der Sprachen halber dazu tüchtig, vor- und nach Mittages, durch ire Eltern, Vormundere, oder Verwandte zugeschikt, und im Fal, dy sich darin säumig erweisen würden, nach buchstablichem Inhalt unserer publicirten LandesOrdnung durch dy Beamte und Gerichts-Herren, vermittelst ernstlicher Bestrafung dazu angehalten werden.

Das Ampt dieser Schulmeister sol seyn, daß sy dy Kinder fertig lesen, auch dy Nootdurft schreiben leeren, Item dy Knaben, welche ingenia dazu haben möchten, auf den Anfang der lateinischen Sprache, durch Leerung etlicher lateinischen Wörter, und des Donati führen. Zu Behuf des Lesens sollen dy gewönliche Catechismus, Evangelien oder Kirchen-Psalm- Bücher behalten und gebrauchet werden.

Es sol auch solchen Kindern täglich etwas aus den fünf Hauptstükken Christlicher Leere, aus dem Catechismo dy Morgen- und Abend-Gebäte, auch den Psalmen Davids, langsam, verständ- und deutlich, damit sy die Worte nicht unrecht einnämen, zum auswendig lernen vorgebätet, auch wan sy fertig läsen können, inen ein meeres, von inen selbst auswendig zu lernen, von Schulmeistern aufgegeben werden

Aus solcher Institution sollen die Kinder durchaus nicht genommen werden, bis sy gedrukte und gescribene Schrift fertig läsen, dy Nootdurft schreiben, und den katechismum, nebest denen üblichen Gebeten und Psalmen auswendig können. «28

An der Formulierung dieser und der vorhergehenden Schulordnung waren Professoren der Universität Helmstedt seit langem maßgeblich beteiligt. Da der Calenberger Generalsuperintendent Justus Gesenius sein Theologie-Studium dort bei Georg Calixt29 absolviert hatte, war er mit dem in Helmstedt vertretenen Gedankengut vertraut. So kann es sein, dass er sich bei seiner Generalkirchenvisitation 1646 im Fürstentum Calenberg dadurch leiten ließ und auf eine allgemeine Schulpflicht der Kinder drängte30.

In welchem Umfang Kinder in der Amtsvogtei Langenhagen zur Schule geschickt wurden, ist nicht mehr belegbar. Man darf aber Ergebnisse aus Kirchenvisitationen im fortschrittlichen Wolfenbüttel bzw. Dannenberg als Vergleichswert heranziehen. Dort findet man zunächst deutliche Hinweise dafür, dass Schulen hauptsächlich in größeren, wohlhabenderen Orten gehalten wurden. Etwa 30 % der Orte hatten keine Schule. Der Schulbesuch wird in den Protokollen meist nicht erwähnt. Bei rund einem Drittel der Schulen wurde der Besuch als schlecht eingestuft. Besonders im Sommer blieben die Kinder auf den Höfen und kamen nicht zur Schule. Das sollte auch in den nächsten beiden Jahrhunderten der Fall sein.

Im eher armen Langenhagen kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg kamen bestimmt nicht alle Kinder zur Schule. Eine Schule, wahrscheinlich vom Küster geleitet, war aber schon vorhanden. Immerhin kann man aus der Kopfsteuerbeschreibung des Jahres 1689 entnehmen, wo die zur Klerisei gehörigen Schulmeister wohnten und demnach eine Schule für einfache Ansprüche unterhalten wurde.

Im Kirchspiel Engelbostel wurden nach dem Küster der Martinskirche drei Schulmeister für Engelbostel, Godshorn und Kaltenweide gezählt.

Küster Ulrich Helmke ∞ N. N., 4 Kinder unter 12 J. (6 Personen)

Schulmeister Hermann Tatke ∞ N. N., (2 Personen)

Schulmeister zu Godshorn Matthias Wolrabe ∞ N. N., Tochter (16 J.), (3 Personen)

Schulmeister zu Kaltenweide Hennig Harcken ∞ N. N. (2 Personen)

In Langenhagen mit seinen drei Bauerschaften arbeitete Tilemannus Herbordt, der humanistischem Brauch gemäß seinen Vornamen latinisiert hatte. Seine Frau war als „Bademutter“ die erste in Langenhagen urkundlich erwähnte Hebamme. Sie war die einzige Person, die zur Kopfsteuer mit 18 Groschen herangezogen wurde. Die Klerisei war davon offensichtlich befreit. So kam es u. a., dass der Pfarrer Burchardus Rochau in Langenhagen steuerfrei blieb, während sein Knecht 27 Groschen zahlen musste. Wie in vielen anderen Fällen wurde der Name von Herbordts Ehefrau in der Kopfsteuerbeschreibung mit N. N. angegeben. Auch in Kirchenbüchern fehlt der Name der Frau, z. B. bei den Eintragungen von Heiraten oder Geburten, fast regelmäßig in dieser Zeit. Der Küster in Langenhagen war anscheinend – wie in Engelbostel – nicht für die Schule zuständig.

Küster Michael Dierking ∞ Elisabeth Hase, 2 Kinder unter 6 J. Kindermädchen Dorothea. (5)

Schulmeister Tilemannus Herbordt ∞ N. N., ist Bademutter (18 Gr.). Tochter (14 J.) Sohn (10 J.) — (4 Personen)

Herbordt sollte eine große Zahl an Kindern im Alter von 12 Jahren und jünger unterrichten. Sie wurden allerdings in der Steuerliste nur selten mit Namen und Alter erfasst, da dort nur die steuerpflichtigen Personen ab 12 Jahren von Belang waren. Die Relation jüngerer Kinder in der Gesamtbevölkerung kann aber angegeben werden: in Krähenwinkel waren von 155 gezählten Personen 59 zwölf Jahre alt oder jünger, in der Kircher Bauerschaft von 213 Personen 71 und in Langenforth von 119 Personen 38. Das Verhältnis der Kinder zu den arbeitsfähigen Steuerpflichtigen war demnach etwa 1/3 zu 2/3. In seltenen Fällen wurden auch Knaben im Alter von 8 – 11 Jahren als Hirtenjungen aufgeführt, die dann meist auf einem fremden Hof lebten und arbeiteten. In der damaligen Zeit war es allerdings selbstverständlich, dass die eigenen jüngeren Kinder ebenfalls auf dem Hof nach Kräften arbeiteten. Jüngere Mädchen mussten oft für ihren Lebensunterhalt als Kindermädchen dienen, so wie Dorothea beim Küster in Langenhagen oder das nicht benannte Mädchen beim Schulmeister in Brink.

Im Nachbardorf Brink wirkte Heinrich Steyger als Schulmeister. Er war verheiratet mit der hier ausnahmsweise namentlich benannten Anna Engel Hoppenstett. Dazu erfasste man in der Kopfsteuerbeschreibung: 2 Kinder unter 5 J. Kindermädchen, dessen Vater in Ungarn geblieben — (5 Personen).

Für das Kindermädchen hatte man den vermutlichen Grund ihrer Tätigkeit mit aufgeschrieben: sie war verwaist, da ihr Vater in Ungarn geblieben war. Vielleicht diente dieser Vater als Soldat in sächsischen Truppen, die 1683 an der Befreiung Wiens von der türkischen Belagerung teilnahmen. Weil ihr Feldherr, Kurfürst Johann Georg III, in der Folge Soldaten aus seinem stehenden Heer gegen Geld vermietete, musste er möglicherweise in den nachfolgenden Türkenkriegen weiterhin dienen. Vielleicht kam er aber auch im Verlauf der Kämpfe ums Leben. Sichere Nachricht darüber war damals kaum zu erhalten. Seine Tochter wurde irgendwann von Steygers Familie aufgenommen und musste dann ihren Unterhalt durch...

Erscheint lt. Verlag 11.5.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte
ISBN-10 3-7412-0478-1 / 3741204781
ISBN-13 978-3-7412-0478-4 / 9783741204784
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