Efferveszenz
Isabelle Capron kam vor zwanzig Jahren aus Paris nach Zürich, wo sie heute noch lebt. Sie studierte Philosophie an der Sorbonne und produzierte zu der Zeit Sendungen für verschiedene Radiostationen. Danach wurde sie Korrespondentin in Zürich. Heute unterrichtet sie Französisch an der ZHAW (Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften) an den Studiengängen Kommunikation und Journalismus. Sie arbeitet an Projekten im Bereich plastischer Literatur und ist Mitglied des Autorenkollektivs Index, des AdS, der Pro Litteris und des SSA.
Marianne Smolska ist eine französische Künstlerin und Grafikerin, die ursprünglich aus Paris kommt und heute in Hanoi lebt. Sie arbeitet im Bereich der Illustration, Grafik und Gestaltung an verschiedenen Projekten für öffentliche und private Institutionen oder Unternehmen, sowie für internationale NGOs.
Maschinen, Computer, neue Technologien und soziale Netzwerke sind in unser alltägliches Leben eingedrungen und haben es zerstört, ohne dass wir es bemerkt haben. Sie haben eine virtuelle, narzisstische und körperlose Welt geschaffen, in die wir unsere Lebensträume hineinprojizieren, dabei aber alles verlieren, was uns zu Menschen macht. Egozentrismus und Eitelkeit der hyperindustrialisierten Welt haben Spontaneität, Melancholie und die unerträgliche Leichtigkeit des Seins ersetzt. Der Schatten des Übermenschlichen droht uns mit Perfektion als wäre es schon unanständig, einfach nur Mensch zu sein. Was ist uns geblieben vom leichten Hauch des Windes in den Haaren, vom Unerwarteten, von der Schönheit flüchtiger Momente, von der Sinnlichkeit einer zärtlichen Hand in der Nacht, von der ständig drohenden Lebensgefahr? Die Maschinen haben unseren Platz eingenommen. Als Erweiterungen unserer selbst diktieren sie unsere biologischen Rhythmen, verbinden uns miteinander und brechen unsere Vorlieben, unsere Affinitäten auf bloße Algorithmen herunter. Sie kennen uns besser als wir uns selbst kennen und dadurch vernichten sie uns. Um zu überleben, müssen wir die Nabelschnur zu den Maschinen kappen, müssen sie ausschalten und unseren Ödipuskomplex mit ihren Erfindern austragen. Wir müssen uns trauen, sie nicht mehr zu respektieren. Dafür steht Efferveszenz! Efferveszenz ist eine Frechheit. Efferveszenz ist ein Manifest. Auf dass es uns wieder erlaubt sei, nur wir selbst zu sein, keinen Idealen zu entsprechen, etwas zu wagen, Risiken einzugehen, zerbrechlich, unvollkommen, moralisch oder unmoralisch zu sein, ohne uns rechtfertigen zu müssen. Denn jedes Mal, wenn wir darauf verzichten, wir selbst zu sein, bewegen wir uns ein wenig mehr in Richtung Unmenschlichkeit.
Auszug aus der kleinen Apotheke der Liebe: LIEBESKUMMER [Lavendel] Nehmen Sie ein großes, nach Lavendel duftendes Taschentuch, keines aus Papier, auch kein Kleenex, chlorgebleicht. Nein, einfach ein altes Stofftaschentuch, weiß, mit Blümchen oder kleinkariert, am besten mit eingestickten Initialen an einer Ecke. Eines, das Ihrer Großmutter oder Ihrem Vater gehört hat, das bereits Tränen getrocknet hat, das beim dritten Mal Schnäuzen nicht zerreißt, in dem ein Geruch nach Waschmittel oder Staub sitzt, weil es natürlich seit Ewigkeiten nicht mehr benutzt wurde. Heulen Sie ausgiebig hinein. Gießen Sie großzügig einen kräftigen Schluck Tränen dazu. Schluchzen Sie ungefähr eine Stunde pausenlos hinein. Sterben Sie ein bisschen darin. Auf kleiner Flamme. Wenn es richtig schön durchnässt ist und Sie alle Winkel ausgenutzt haben, Fangen Sie die tropfenden Tränenperlen auf. Kochen Sie sie in einem kleinen Topf mit einer Prise Lavendel auf. Dann lassen Sie sie einen Augenblick sieden, bis es dampft. Spülen Sie Ihr Taschentuch reichlich mit Wasser aus! Wenn der Kummer ausreichend ausgewaschen ist, wringen Sie das Taschentuch gründlich aus, hängen Sie es an der frischen Luft auf, und lassen es einige Tage, je nach Jahreszeit, im Wind trocknen. Sobald es ganz trocken ist, bügeln Sie es. Zum Schluss verräumen Sie es gut, fürs nächste Mal!
Erscheinungsdatum | 24.11.2016 |
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Illustrationen | Marianne Smolska |
Zusatzinfo | Das Buch umfasst zwei grosse Illustrationen im Vor- und Nachsatz in Klappen. Die zwei poetischen Installationen "Die kleine Apotheke der Liebe" und "Das Horoskop der Hypermonster" werden von je 12 collageartigen Illustrationen begleitet. |
Verlagsort | Zürich |
Sprache | deutsch |
Maße | 165 x 230 mm |
Gewicht | 309 g |
Themenwelt | Literatur ► Aphorismen |
Kunst / Musik / Theater ► Design / Innenarchitektur / Mode | |
Kunst / Musik / Theater ► Kunstgeschichte / Kunststile | |
Geisteswissenschaften ► Philosophie | |
Sozialwissenschaften ► Ethnologie | |
Schlagworte | andere grafische Kunst • industrialisierte Gesellschaft • Industrialisierung • Mythologie • Mythos • poetische Installation • Satire • soziale Anthropologie • Soziale und politische Philosophie • Sprachkunst • Technikanthropologie |
ISBN-10 | 3-9524401-7-5 / 3952440175 |
ISBN-13 | 978-3-9524401-7-9 / 9783952440179 |
Zustand | Neuware |
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