Neue Psychologie der Beeinflussung -  Eskil Burck

Neue Psychologie der Beeinflussung (eBook)

Die Erforschung der Manipulation

(Autor)

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2016 | 2. Auflage
264 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-1909-2 (ISBN)
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Nie zuvor in der Geschichte der Menschheit waren wir so vielen Beeinflussungsversuchen ausgesetzt. Große Konzerne wollen uns zum Kauf ihrer Produkte verführen. Religiöse Prediger wollen uns von ihrem 'einzig wahren" Glauben überzeugen. Politiker wollen (wieder-)gewählt werden. Während vielerorts über die Wirksamkeit von Manipulationstechniken nur spekuliert und teilweise blanker Unsinn verbreitet wird, hat der bekannte Diplom-Psychologe Eskil Burck hunderte Untersuchungsergebnisse ausgewertet und verblüffende Erkenntnisse anschaulich und unterhaltsam aufbereitet. Welche Beeinflussungstechniken funktionieren wirklich? Welche Techniken sollten Sie unbedingt kennen, um Angriffe abwehren zu können?

Der Diplom Psychologe Eskil Burck zählt zu den erfolgreichsten Wissenschaftsjournalisten im Fachgebiet Psychologie. Seine Lernvideos wurden auf Youtube mehr als 3 Millionen Mal angeschaut. Sein Audio-Podcast belegte immer wieder Platz 1 in den iTunes-Charts in der Kategorie "Bildung". Nur wenige wissen: Er litt früher auch unter starken Ängsten. Mehr Informationen finden Sie auf: www.psychologie-lernen.de

2 Die Macht der Berührung


Vielleicht haben Sie schon mal von der schauerlichen Legende um Kaiser Friedrich II. gehört, wonach dieser im 13. Jahrhundert zu wissenschaftlichen Zwecken einige Säuglinge in absoluter Isolation aufwachsen lassen wollte. Die Ammen, welche mit der „Aufzucht“ der Kinder betraut worden waren, durften die Kinder lediglich mit der Brust füttern oder gelegentlich waschen. Jegliche Form von Liebkosung (Streicheln, Tätscheln etc.) und Kommunikation mit den Babys war strengstens untersagt. Warum das alles? Der Kaiser wollte angeblich herausfinden, welche Sprache die Kinder von alleine entwickeln würden, wenn man jegliche Beeinflussung von außen auf Null reduzierte. Aber anstatt zu beginnen hebräisch, griechisch, lateinisch oder arabisch zu sprechen, verstarben die Säuglinge schon nach kurzer Zeit.

Auch wenn diese Schauergeschichte um Friedrich den II. mittlerweile von Historikern stark angezweifelt wird,1 sprechen eine Vielzahl wissenschaftlicher Experimente für die große Bedeutung zwischenmenschlicher Berührung.

So ließ sich z.B. in einer Reihe von Experimenten (z.B. Field, Saul & Schanberg, 1986; Vickers, Ohlsson, Lacy & Horsley, 2004) beobachten, dass Säuglinge, die nach ihrer Geburt gezielt „Massagen“ und Streicheleinheiten erhielten, schneller an Gewicht zunahmen (siehe Abbildung 2.1) und weniger Tage im Krankenhaus bleiben mussten.

Abbildung 2.1 Basierend auf Daten von: Field, T.M., Schanberg, S.M., Scafidi, F., Bauer, C.R., Vega-Lahr, N., Garcia, R., Nystrom, J. & Kuhn, C.M. (1986). Tactile/kinesthetic stimulation effects on preterm neonates. Pediatrics, 77(5), 654-8.

 

Aber auch im Erwachsenenalter reagiert unser Organismus noch überaus positiv auf Berührung. Insbesondere in Stresssituationen kann eine wohlwollende Berührung der physiologischen Stressreaktion entgegenwirken. Dies zeigte sich u.a. in einer Untersuchung von Ditzen und Kollegen (2007), in welcher man mit 67 Frauen den Trier Social Stress Test durchführte. Dieser Test, der von Forschern aus Trier entwickelt wurde, um soziale Ängstlichkeit zu messen, zählt wohl zu den fiesesten Tests, die es in der Psychologie überhaupt gibt.

Stellen Sie sich vor, sie müssten eine Gruppe von skeptisch dreinblickenden Juroren von sich überzeugen.

Hierfür müssen Sie in den ersten fünf Minuten eine frei vorgetragene Rede über Ihre Stärken und Schwächen zum Besten geben. Als wenn dies noch nicht stressig genug sei, sollen Sie in den nächsten fünf Minuten eine Kopfrechenaufgabe lösen: „Zählen Sie in 13er-Schritten von 1022 abwärts. Aber bitte so schnell Sie können!“

Falls Sie bei dieser Rechenaufgabe einen Fehler machen, müssen Sie sofort wieder bei 1022 beginnen. Und die ganze Zeit läuft immer eine Kamera mit…

Abbildung 2.2 Skeptischer Juror beim Trier Social Stress Test.

 

Normalerweise ist bei fast allen Menschen unter diesen Bedingungen eine Angstreaktion zu beobachten. Das Herz beginnt deutlich schneller zu schlagen und auch das Stresshormon Cortisol lässt sich vermehrt im Speichel nachweisen. Bei einer Versuchsgruppe der Studie von Ditzen et al. (2007) war der Anstieg dieser physiologischen Stressparameter jedoch wesentlich geringer ausgeprägt: Es handelte sich um Frauen, die kurz zuvor eine Schulter-/Nackenmassage von ihren Lebenspartnern erhalten hatten.

Abbildung 2.3 Basierend auf Daten von: Ditzen, B., Neumann, I., Bodenmann, G., von Dawans, B., Turner, R.A., Ehlert, U. & Heinrichs, M. (2007). Effects of different kinds of couple interaction on cortisol and heart rate responses to stress in women. Psychoneuroendocrinology 32, 565-574.

 

Interessanterweise hatte die Massage auch einen deutlich größeren Effekt als verbale Beruhigungsversuche. In einer der beiden Kontrollgruppen hatte man den Lebenspartnern nämlich gesagt, sie dürften nur verbale Unterstützung bieten.

Angesichts solcher Ergebnisse verwundert es nicht, dass Massage-Therapie immer häufiger und durchaus erfolgreich bei der Behandlung psychischer Störungen eingesetzt wird (z.B. bei Depression: siehe hierzu die Meta-Analyse von Hou, Chiang, Hsu, Chiu & Yen, 2010).

Aber nicht nur unser Geist, sondern auch unser Immunsystem könnte von der schützenden Wirkung zwischenmenschlicher Berührungen profitieren. Dafür spricht u.a. eine kürzlich erschienene Untersuchung (Cohen, Janicki-Deverts, Turner & Doyle, 2014), in welcher man über 400 Versuchspersonen per Nasentropfen Erkältungsviren verabreichte. Bei 315 Probanden führte dies zuverlässig zu einer Infektion. Bei denjenigen Probanden, deren Immunsystem sich erfolgreich gegen die Viren zur Wehr setzte, ließ sich eine Besonderheit feststellen: Sie berichteten ungewöhnlich oft davon, von ihren Mitmenschen umarmt worden zu sein.

Obwohl manche Forscher schon lauthals verkünden „A hug a day keeps the doctor away!“, sollte man mit solchen Versprechungen vorsichtig sein. Es ist nämlich noch nicht geklärt, ob die Umarmungen wirklich die Ursache für die bessere Immunabwehr sind oder ob sie lediglich ein Indiz für bessere soziale Unterstützungssysteme darstellen.

2.1 Die Macht der Berührung in der Erziehung


Viele Eltern würden viel dafür geben, wenn ihre Kinder hin und wieder etwas besser auf sie hören würden. Schließlich meinen es die Eltern ja nur gut, wenn sie ihre Kinder zum Erledigen der Hausaufgaben oder zum Lernen für die nächste Klassenarbeit auffordern. Allzu häufig reagieren Kinder jedoch mit Reaktanz auf solche Beeinflussungsversuche. Schließlich handelt es sich um eine Freiheitseinschränkung, die etwas von ihnen verlangt, das ihnen ungemein schwer fällt: Belohnungen aufschieben.

Wer für eine Klassenarbeit lernt, kann natürlich kein Fernsehen gucken oder Computer spielen. Und die Belohnung für die ganze Lernerei stellt sich auch erst nach Tagen, manchmal sogar erst nach Wochen ein (je nachdem, wie lange der Lehrer für die Korrektur braucht).

Eine Möglichkeit, die Bereitschaft zum Belohnungsaufschub zu fördern, könnte darin bestehen, dem Kind aufmunternd auf den Rücken zu klopfen. Dies legen zumindest die Ergebnisse einer Studie nahe, in welcher man Kinder (Alter: 4-6 Jahre) gebeten hatte, mit dem Verzehr von Süßigkeiten so lange zu warten, bis der Versuchsleiter wieder zurückkehren würde (Leonard, Berkowitz & Shusterman, 2014). Diejenigen Kinder, denen man während dem Erklären der Aufgabe einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken gegeben hatte (nach dem Motto: „Du schaffst das schon“), waren deutlich länger bereit, auf die Süßigkeiten zu warten (siehe Abbildung 2.4).

Abbildung 2.4 Basierend auf Daten von: Leonard, J.A., Berkowitz, T. & Shusterman, A. (2014). The effect of friendly touch on delay-of-gratification in preschool children. Quarterly Journal of Experimental Psychology. 67(11), 2123-33.

 

Sicherlich wird angesichts solcher Ergebnisse auch manch ein Lehrer aufgehorcht haben. Schließlich sind „Disziplinprobleme“ eine der Hauptursachen für die hohe Verbreitung von Burnout unter Lehrern. Es ist verständlicherweise enorm frustrierend, wenn man viel Zeit in die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde investiert hat und dann leider feststellen muss, dass fast alles umsonst war, da sich die Schüler an keinen einzigen Arbeitsauftrag halten.

Die Wirksamkeit nonverbaler Interventionsmöglichkeiten (Schulter klopfen, Hinterkopf tätscheln, Lächeln, Zunicken… etc.) wird von Lehrern häufig unterschätzt. Im Alltag wird oft auf verbale Verstärkung zurückgegriffen:

„Das hast du gut gemacht!“

„Super!“

„…“

Aber schon aus den klassischen Lerntheorien weiß man, dass die inflationäre Verwendung eines Verstärkers irgendwann dazu führen kann, dass er an Wirksamkeit einbüßt. Somit könnte die vermehrte Einstreuung nonverbaler Verstärkungsmaßnahmen den Werkzeugkasten von Lehrern enorm bereichern.

Kazdin und Klock (1973) testeten diese Hypothese, indem sie eine Lehrerin einer Klasse mit geistig behinderten Schülern (IQ: 48-73; Alter: 7-12) darin schulten, deutlich mehr nonverbales Feedback einzusetzen.

Um die Wirksamkeit dieser Intervention zu überprüfen, wurde das Verhalten der Schüler 30 Tage lang von insgesamt 5 Beobachtern dokumentiert. An manchen Tagen sollte die Lehrerin die neu erlernten Strategien anwenden, an manchen Tagen sollte sie sich wieder „normal“ verhalten (ABAB - Versuchsplan2).

Abbildung 2.5 Basierend auf Daten von: Kazdin, A. & Klock, J. (1973). The effect of nonverbal teacher approval on student attentive behaviour. Jounal of Applied Behavior Analysis, 6, 643-654.

 

Erklärung:

A: Baseline: Wie konzentriert sind die Kinder, wenn die Lehrerin sich normal verhält?

B: Wie verhalten sich die Kinder, wenn die Lehrerin ihr neu erworbenes Wissen anwendet?

A: Die Lehrerin sollte alles vergessen, was sie gelernt hatte, und sich wieder „normal“ verhalten.

B: Die Lehrerin sollte sich wieder an das Gelernte erinnern und vermehrt nonverbales Feedback einsetzen.

 

Wie den Ergebnissen...

Erscheint lt. Verlag 5.4.2016
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Geisteswissenschaften Psychologie Allgemeine Psychologie
Geisteswissenschaften Psychologie Sozialpsychologie
ISBN-10 3-7412-1909-6 / 3741219096
ISBN-13 978-3-7412-1909-2 / 9783741219092
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