Lebenslauf auf einer Seite

Prag - Theresienstadt - Auschwitz-Birkenau - Leningrad
Buch
144 Seiten
2016 | 1., Auflage
Edition Room 28 (Verlag)
978-3-00-051933-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lebenslauf auf einer Seite - Evelina Merová, Hannelore Brenner
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Mit Fotos aus dem Familienalbum von Evelina Merová sowie zeithistorische Fotos zu Prag, Theresienstadt, Auschwitz-Birkenau.
Evelina Merovágeboren als Evelina Landa am 25. Dezember 1930 in Prag war acht Jahre alt, als mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag am 15. März 1939 ihr Leben aus der Bahn geriet. Im Juli 1942 wurde sie ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort lebte sie bis zum Dezember 1943 im Zimmer 28, L 410, Theresienstadt. Sie gehört zu dem Kreis der Überlebenden von Zimmer 28, deren Geschichte mit dem Buch und der Ausstellung "Die Mädchen von Zimmer 28" international bekannt wurde. Im Dezember 1943 musste Evelina auf Transport. Sie kam nach Auschwitz-Birkenau. Dort lebte sie über ein halbes Jahr in dem von Fredy Hirsch organisierten Kinderblock im Familienlager. Sie war dort, als in am 8. März 1944 Fredy Hirsch starb und in der nacht zum 9. März fast alle Menschen, die im September 1943 von Theresienstadt nach Auschwitz-Birkenau gebracht wurden, ermordet wurden. Im Juli 1944 kam Evelina durch die letzte Selektion. Sie überstand das Martyrium, das folgte - Stutthof, Dörbeck,Guttau. In Guttau erlebte sie die Befreiung. Im Militärlazarett in Deutsch-Eylaui erholte sie sich von ihren schweren Verwundungen. Im Sanitätszug nach Systan erlebte ihr Leben eine einschneidende Wende. Der russische Militärarzt Dr. Mer bot ihr, die ihre ganze Familie verloren hatte, ein neues Zuhause - in Leningrad. Dort begann am 1. September 1945 für Evelina ein neues Leben, als Adoptivtochter des Ehepaars Mer.Damit hört Evelinas Geschichte nicht auf. "Die kleinen Siege" - so nennt sie den zweiten Teil ihrer autobiografischen Erinnerungen, im Gegensatz zum ersten Teil, den sie "Die großen Niederlagen" überschreibt. Das Leben in einem ihr fremden Land, mit neuer Identität, mit Adoptiveltern, die 'ihr Kind' nach ihren Vorstellungen erziehen wollen, die neue Sprache, die sie erlernen muss - all dies stellt Evelina vor große Herausforderungen. Wie sie dies meistert, wie sie ihr neues Leben einrichtet und lebt und dabei immer auch an ihre geliebte Heimatstadt Prag denkt, dem Kristallisationspunkt ihrer Sehnsucht, aber auch Synonym für all das, was sie verloren hat - all dies erfahren wir aus diesem ungewöhnlichen und spannend zu lesenden Lebenslauf auf 144 Seiten.

Evelina Merová, geboren als Evelina Landa am 25. Dezember 1930 in Prag, war acht Jahre alt, als mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Prag am 15. März 1939 ihr Leben aus der Bahn geriet. Im Juli 1942 wurde sie ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Sie gehörte zu den "Mädchen von Zimmer 28", wovon seit 2004 ein Buch und eine Ausstellung erzählt. Im Dezember 1943 wurde sie nach Auschwitz-Birkenau transportiert. Dort lebte sie über ein halbes Jahr in dem von Fredy Hirsch organisierten Kinderblock im Familienlager. Sie kam durch die letzte Selektion im Juli 1944, überstand das Martyrium, das folgte und erlebte, knapp mit dem Leben davon gekommen, die Befreiung in Guttau, einem kleinen Ort im heutigen Polen. In einem russischen Sanitätszug, der sie von Deutsch-Eylau in ein Krankenhaus ins entfernte russische Sysran brachte, erfuhr ihr Leben erneut eine einschneidende Wende. Der russische Militarzt Dr. Mer bot ihr in Leningrad ein neues Zuhause. Im September 1945 begann für Evelina ein neues Leben, als Adoptivtochter des Ehepaars Mer. Viele Jahre war die geliebte Heimatstadt Prag für Evelina Kristallisationspunkt ihrer Hoffnung und Sehnsucht, aber auch Synonym für all das, was sie, die als einzige aus ihrer Familie den Holocaust überlebte, verloren hat. Im zweiten Teil des Buches schildert Evelina Merova ihr Leben in Leningrad, das am 1. September1945 begann.Sie war eine gute Schülerin, studierte Germanistik, wurde Hochschul-Lehrerin und heiratete den Architekten Simion Naimark. Ab 1960 reiste sie immer wieder zurück in die alte Heimat Prag, wohin sie nach dem Tod ihres Mannes 1885 übersiedelte. Ihr Sohn, der Künstler Viktor Naimark, lebt in Frankfurt a.M.; ihre Tochter in St. Petersburg. Für ihre Verdienste als engagierte Zeitzeugin erhielt Evelina Merová am 23. Mai 2018 das Bundesverdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Am 8. Februar 2024 starb Evelina Merová in Prag.

Hannelore Brenner ist die Autorin des Buches "Die Mädchen von Zimmer 28" und der Ausstellung "Die Mädchen von Zimmer 28, L 410, Theresienstadt". 2004 gründete sie die Room 28 Projects und 2014 die Edition Room 28. Das erste Buch dieser Edition ist das Theresienstädter Tagebuch von Helga Pollak.Kinsky "Mein Theresienstädter Tagebuch 1943-1944". Die Autorin und Verlegerin lebt in Berlin. www.room28projects.com und www.edition-room28.de

Erster Teil Die großen Niederlagen 1 Meine Heimat war die Tschechoslowakei Poesie soll sein, was in diesem Büchlein steht, Poesie soll alles sein, was in deinem Leben geschieht. Diesen Wunsch schrieb mir mein Großvater Nathan Klein in mein Poesiealbum. Ich war damals zehn Jahre alt. In der Zeit meiner Kindheit hatten fast alle Mädchen ein Poesiealbum, in welches Freunde und Bekannte ihre Wünsche in Form von Gedichten, Zitaten oder Sprüchen eintrugen. Der Wunsch meines Großvaters war wunderbar. Doch leider - sein Wunsch erfüllte sich nicht. Was in meinem Leben geschah, war keine Poesie. Und mein kleines Poesiealbum ist auch nicht mehr da. Es wurde mir, wie mein ganzes Gepäck, bei der Ankunft in Auschwitz im Dezember 1943 weggenommen. Im Geiste habe ich oft in meinem Album geblättert. Es ist, als ob sich die Eintragungen vom Papier gelöst und sich für immer in meinem Kopf niedergelassen hätten. Dort leben sie weiter und erinnern mich an Menschen, die mir nahe waren und an die Zeit meiner Kindheit in Prag und Theresienstadt. Ich kam am 25. Dezember 1930 zur Welt, in Prag, in der schönen Metropole im Herzen Europas, Hauptstadt eines demokratischen Staates. Meine Eltern Emil und Ilse Landa gaben mir den Namen Evelina, aber alle nannten mich Eva. Nach meiner Geburt übersiedelten wir in eine größere und moderne Wohnung, die ich noch genau vor mir sehe. Sie war in der U Smaltovny im 7. Bezirk. Wir wohnten dort bis 1939. Mein Vater hieß ursprünglich Löwy, später änderte er seinen Namen in Landa. Er stammte aus dem südtschechischen Städtchen Hořepnik. Er hatte früh seinen Vater verloren und so wurde seine Mutter Witwe mit vier Kindern. Sie hatte es nicht einfach, ihre Kinder durchzubringen. Ich erinnere mich sehr gut an sie. Sie hieß Anna Löwy, geb. Blann. Ich nannte sie "die kleine Oma", im Unterschied zur "großen Oma" mütterlicherseits. Die kleine Oma starb 1938; so entging sie dem Holocaust. Mein Vater war schlank, groß, trug eine Brille und hatte einen Oberlippenbart. Er war ein fleißiger und zielbewusster Mensch. Er hatte an der Handelsschule in Prag studiert und danach in einer Firma für Rosshaarstoffe gearbeitet. Später gründete er eine eigene Firma, die „Rosshaarstoffe Landa & Co“. Dort wurden aus Rosshaar gewebte Stoffe erzeugt, die man vor allem für die Herstellung von Herrenanzügen benutzte und zwischen Futter und Oberstoff einnähte, damit sie die Form bewahrten. Mein Vater heiratete mit etwa 40 Jahren. Meine Mutter, eine geborene Klein, war um zehn Jahre jünger als mein Vater, schlank, blond und sehr attraktiv. Aus erster Ehe brachte sie ihre Tochter Liesl (Elisabeth) mit. Sie war um zehn Jahre älter als ich und hatte einen anderen Nachnamen, Skalitzer, der sogar an unserem Briefkasten angebracht war. Liesl sprach mit unserer Mutter oft Deutsch, was eine Ausnahme war, denn bei uns zuhause wurde Tschechisch gesprochen. Manchmal besuchte Liesl ihren leiblichen Vater. Ich habe nie nach ihm gefragt, ich kannte ihn nicht und niemand erklärte mir etwas. Das Thema war in unserer Familie tabu. Liesl besuchte die deutsche Schule und dann das deutsche Gymnasium. Ich erinnere mich, dass ich immer dabei sein wollte, wenn sie Besuch bekam. Aber meist durfte ich es nicht. Sie machte mir klar, dass es ihre Gäste sind und nicht meine. Der Altersunterschied war zu groß, und für sie offenbar ein größeres Problem als für mich. Einmal nähte man uns Kleider aus dem gleichen Stoff, und während ich mich riesig darüber freute, protestierte Liesl vehement und sagte, man könne glauben, wir seien Mutter und Tochter. Wie es damals üblich war, widmete sich meine Mutter der Familie und dem Haushalt. Aber nicht nur dies. Sie sprach neben Tschechisch und Deutsch auch Englisch und Französisch und begleitete meinen Vater manchmal zu geschäftlichen Treffen. Sie gingen gerne zusammen aus - ins Theater, ins Kino, trafen sich mit Freunden oder luden sie nach Hause ein. Meine Mutter war eine gewandte Gastgeberin. Wenn wir Besuch hatten, wurde oft stundenlang Bridge gespielt. Sie konnte auch sehr gut Klavier spielen und hatte eine schöne Stimme. Vor dem Schlafengehen sang sie mir oft etwas vor, manchmal auch deutsche Kinderlieder - Hänschen Klein oder Kommt ein Vogel geflogen. Ich weiß auch noch, wie sie mir, als ich krank war, jeden Tag aus dem Buch Onkel Toms Hütte vorlas. Das hat mir sehr gut gefallen. Wir waren assimiliert und nicht religiös - nichts unterschied uns von der übrigen tschechischen Bevölkerung. Ich wusste nicht einmal, dass wir jüdisch waren. Das kam erst später in der Schule, als ich den mosaischen Religionsunterricht besuchte. Aber das war für mich ein Fach wie alle anderen. Gefeiert haben wir wie alle Tschechen die gesetzlichen Feiertage wie Ostern oder Weihnachten. An Weihnachten hatten wir einen Tannenbaum und für mich gab es immer eine besondere Bescherung, weil ich nämlich auch Geburtstag hatte. Sogar am Nikolaustag erhielt ich immer eine kleine Überraschung. Chanukka, Pessach, all die jüdischen Feiertage kannte ich damals nicht. Oft gingen wir im Stromovka Park spazieren, im Winter konnten wir dort Schlittschuhlaufen, Schlittenfahren und sogar Skifahren. In den Winterferien fuhren wir oft ins Gebirge, in den Sommerferien nach Thammühl am Machà-See. Dort war ich immer sehr gern und ich verbinde mit dieser Zeit angenehme Erinnerungen. Natürlich habe ich auch Erinnerungen an weniger angenehme Erlebnisse in meiner Kindheit. Ich weiß noch genau, wie ich alleine mit dem Aufzug in unserem Haus fuhr - wir wohnten in der 3. Etage - und wie der Aufzug auf einmal zwischen zwei Etagen hängenblieb. Ich habe schrecklich geschrien. An der Decke der Kabine war ein hässlicher Fleck, der mir Angst machte. Mir schien, dass er etwas Böses in sich hatte, eine schreckliche Kraft, und dass diese Kraft den Aufzug zum Stehen gebracht hatte. Ich schrie so lange, bis man mich endlich befreite. Danach wollte ich nie mehr alleine mit diesem Aufzug fahren. Ich fürchtete mich vor dem schaurigen Fleck. Ich hatte auch andere Ängste, zum Beispiel vor dem Wolf, der sich hinter dem Schrank im Vorzimmer versteckt haben könnte und auf mich wartete, bis ich zur Toilette ging. Ich hatte auch Angst vor den Lichtstreifen, die sich im Schlafzimmer an der Decke bewegten, wenn draußen Autos fuhren. Ich weiß auch noch genau, dass mir sehr bange war in dem deutschen Kindergarten in Prag-Dejvice, den ich - ich war vielleicht vier oder fünf Jahre alt - einige Male besuchte. Warum meine Eltern diesen Kindergarten wählten, weiß ich nicht, wahrscheinlich wollten sie, dass ich Deutsch lerne; es gab ja viele jüdische Familien, die beide Sprachen beherrschten. Aber ich fühlte mich gar nicht wohl und sehnte mich nach meiner Mutter und nach Stási (Anastasia), unser Dienst-und Kindermädchen. Glücklicherweise hatten meine Eltern ein Einsehen mit mir und ich brauchte nicht mehr hin. Wann genau es anfing, kann ich nicht sagen. Aber irgendwann, ich war vermutlich acht Jahre alt und ging schon zwei Jahre in die Schule, verwandelten sich meine Kinderängste in konkretere Ängste. Ich fürchtete mich vor dem Krieg. Vom Ersten Weltkrieg hatte ich die Erwachsenen oft sprechen hören, über den Hunger und über den Tod der Schwester meiner Mutter. Und als ich eines Tages Scheinwerferlicht am Prager Himmel sah und mir erklärt wurde, dass man sich darauf vorbereite, den Anflug feindlicher Flugzeuge zu erkennen, bekam ich Angst. Ich hatte so ein Vorgefühl von etwas Bösem, was da kommen würde. Meine Ängste wurden ein wenig zurückgedrängt, wenn ich mit Stási zusammen war. Einmal stand ich mit ihr an unserem Küchenfenster und wir schauten hinunter in den Hof, wo Straßenmusikanten spielten. Sie sangen fröhlich-freche Lieder und wir warfen ihnen in Papier gewickelte Münzen zu. Die Texte machten mir Mut und gaben mir Hoffnung: Na naších hranicích stojí česká stráž, nečekej ,Adolfe, nás se nedočkáš!/An unseren Grenzen steht die tschechische Wache. Warts nur ab, Adolf. Du wirst uns nicht bekommen. Am 23. September 1938 erwachte ich mitten in der Nacht. Ich suchte meine Eltern und fand sie im Speisezimmer. Sie saßen vor dem Radio und hörten gebannt zu. Die Generalmobilmachung unserer Armee war verkündet worden. Mir wurde ganz schlecht und alle dachten, dass ich krank sei. Eine Woche später fand die Münchner Konferenz statt, und am 1. Oktober okkupierten die Deutschen das Sudetenland. Auch wenn ich das alles nicht verstand, so spürte ich doch, dass unser Land in Gefahr war. Und mein Vorgefühl von etwas Bösem, was da auf uns zukam, wurde stärker. Fünf Monate später marschierten die Deutschen in Prag ein. Ich erinnere mich genau an diesen 15. März 1939. Der Frühling stand bevor, aber an diesem Tag war es kalt und es fielen große Schneeflocken. Aus den Fenstern des Hauses, das uns gegenüber stand, flatterten Hakenkreuzfahnen. Wie immer begleitete mich meine Mutter auch an jenem Tag zur Schule - ich besuchte damals die 2. Klasse der Volksschule. Alle waren aufgeregt und traurig. Unsere Lehrerin, die ich sehr schätzte und die in meinen Augen alles wusste, erzählte uns vom Schicksal Napoleons. Den Namen hörte ich zum ersten Mal. Sie erzählte uns, wie er immer mächtiger wurde, viele Länder eroberte und zum Diktator eines großen Reiches wurde und wie er schließlich alle Macht verlor und ein schmähliches Ende fand auf St. Helena, einer weit entlegenen Insel im Südatlantik. Vielleicht würde so etwas auch mit Hitler passieren? Vielleicht sogar sehr bald? Und dann würden die Deutschen und die hässlichen Hakenkreuzfahnen aus Prag verschwinden. Aber die Deutschen blieben und die Fahnen blieben und schon am nächsten Tag wurde das ‚Protektorat Böhmen und Mähren‘ ausgerufen und unser Staat von der Karte Europas gelöscht. Die Tschechoslowakische Republik existierte nicht mehr. Sie war Teil des Großdeutschen Reiches geworden. Ich war enttäuscht, mein Vertrauen erschüttert. Ich hatte doch so fest an die Stärke „unserer tschechischen Wache an den Grenzen" geglaubt, von der die Straßenmusikanten so oft gesungen haben! (…)

Erster TeilDie großen Niederlagen1Meine Heimat war die TschechoslowakeiPoesie soll sein, was in diesem Büchlein steht, Poesie soll alles sein, was in deinem Leben geschieht.Diesen Wunsch schrieb mir mein Großvater Nathan Klein in mein Poesiealbum. Ich war damals zehn Jahre alt.In der Zeit meiner Kindheit hatten fast alle Mädchen ein Poesiealbum, in welches Freunde und Bekannte ihre Wünsche in Form von Gedichten, Zitaten oder Sprüchen eintrugen. Der Wunsch meines Großvaters war wunderbar. Doch leider - sein Wunsch erfüllte sich nicht. Was in meinem Leben geschah, war keine Poesie. Und mein kleines Poesiealbum ist auch nicht mehr da. Es wurde mir, wie mein ganzes Gepäck, bei der Ankunft in Auschwitz im Dezember 1943 weggenommen.Im Geiste habe ich oft in meinem Album geblättert. Es ist, als ob sich die Eintragungen vom Papier gelöst und sich für immer in meinem Kopf niedergelassen hätten. Dort leben sie weiter und erinnern mich an Menschen, die mir nahe waren und an die Zeit meiner Kindheit in Prag und Theresienstadt.Ich kam am 25. Dezember 1930 zur Welt, in Prag, in der schönen Metropole im Herzen Europas, Hauptstadt eines demokratischen Staates. Meine Eltern Emil und Ilse Landa gaben mir den Namen Evelina, aber alle nannten mich Eva. Nach meiner Geburt übersiedelten wir in eine größere und moderne Wohnung, die ich noch genau vor mir sehe. Sie war in der U Smaltovny im 7. Bezirk. Wir wohnten dort bis 1939. Mein Vater hieß ursprünglich Löwy, später änderte er seinen Namen in Landa. Er stammte aus dem südtschechischen Städtchen Horepnik. Er hatte früh seinen Vater verloren und so wurde seine Mutter Witwe mit vier Kindern. Sie hatte es nicht einfach, ihre Kinder durchzubringen. Ich erinnere mich sehr gut an sie. Sie hieß Anna Löwy, geb. Blann. Ich nannte sie "die kleine Oma", im Unterschied zur "großen Oma" mütterlicherseits. Die kleine Oma starb 1938; so entging sie dem Holocaust. Mein Vater war schlank, groß, trug eine Brille und hatte einen Oberlippenbart. Er war ein fleißiger und zielbewusster Mensch. Er hatte an der Handelsschule in Prag studiert und danach in einer Firma für Rosshaarstoffe gearbeitet. Später gründete er eine eigene Firma, die "Rosshaarstoffe Landa & Co". Dort wurden aus Rosshaar gewebte Stoffe erzeugt, die man vor allem für die Herstellung von Herrenanzügen benutzte und zwischen Futter und Oberstoff einnähte, damit sie die Form bewahrten. Mein Vater heiratete mit etwa 40 Jahren. Meine Mutter, eine geborene Klein, war um zehn Jahre jünger als mein Vater, schlank, blond und sehr attraktiv. Aus erster Ehe brachte sie ihre Tochter Liesl (Elisabeth) mit. Sie war um zehn Jahre älter als ich und hatte einen anderen Nachnamen, Skalitzer, der sogar an unserem Briefkasten angebracht war. Liesl sprach mit unserer Mutter oft Deutsch, was eine Ausnahme war, denn bei uns zuhause wurde Tschechisch gesprochen. Manchmal besuchte Liesl ihren leiblichen Vater. Ich habe nie nach ihm gefragt, ich kannte ihn nicht und niemand erklärte mir etwas. Das Thema war in unserer Familie tabu. Liesl besuchte die deutsche Schule und dann das deutsche Gymnasium. Ich erinnere mich, dass ich immer dabei sein wollte, wenn sie Besuch bekam. Aber meist durfte ich es nicht. Sie machte mir klar, dass es ihre Gäste sind und nicht meine. Der Altersunterschied war zu groß, und für sie offenbar ein größeres Problem als für mich. Einmal nähte man uns Kleider aus dem gleichen Stoff, und während ich mich riesig darüber freute, protestierte Liesl vehement und sagte, man könne glauben, wir seien Mutter und Tochter. Wie es damals üblich war, widmete sich meine Mutter der Familie und dem Haushalt. Aber nicht nur dies. Sie sprach neben Tschechisch und Deutsch auch Englisch und Französisch und begleitete meinen Vater manchmal zu geschäftlichen Treffen. Sie gingen gerne zusammen aus - ins Theater, ins Kino, trafen sich mit Freunden oder luden sie nach Hause ein. Meine Mutter war eine gewandte Gastgeberin. Wenn wir Besuch hatten, wurde oft stund

Erscheinungsdatum
Zusatzinfo Bilder aus dem Familienalbum von Evelina Merova sowie historische Fotos.
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Gewicht 188 g
Einbandart kartoniert
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Allgemeines / Lexika
Geisteswissenschaften Geschichte
Geisteswissenschaften Sprach- / Literaturwissenschaft Literaturwissenschaft
Schlagworte Auschwitz • Autobiographie • Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft • Brundibar • Fredy Hirsch • Geschichte und Archäologie • Geschichte und Archäologie • Holocaust • Holocaust; Biografien • Holocaust / Shoah; Biografien • Judenverfolgung • Leningrad • Nationalsozialismus • Prag • Protektorat Böhmen und Mähren • Protektorat Böhmen und Mähren • Stutthof • Theresienstadt
ISBN-10 3-00-051933-5 / 3000519335
ISBN-13 978-3-00-051933-8 / 9783000519338
Zustand Neuware
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